Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166716/2/Sch/Eg

Linz, 17.09.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn R. H., geb. x, wh, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 31. Jänner 2012, VerkR96-3071-2010, wegen Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.               Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 31. Jänner 2012, VerkR96-3071-2010, wurden über Herrn R. H. nachstehende Verwaltungsstrafen verhängt, weil er am 11.6.2010, 6:50 Uhr, im Stadtgebiet L., x, Kreuzungsbreich mit der xstraße,

1)           er als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen x mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und sein Fahrzeug nicht sofort angehalten habe, weshalb er eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen habe und daher eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 150 Euro, 69 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960 verhängt wurde und

2)           er mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt habe, weshalb er eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 begangen habe und daher eine Verwaltungsstrafe von 100 Euro, 46 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 verhängt wurde.

 

Überdies wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zu einem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von 25 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.2ff VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Der Berufungswerber bestreitet die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen im wesentlichen mit der Begründung, dass der Schaden am Fahrzeug der Zweitbeteiligten nicht von ihm verursacht worden sei. Dazu komme noch, dass er von einem möglichen Verkehrsunfall nichts bemerkt habe und auch bei entsprechender Aufmerksamkeit nichts habe bemerken müssen. Dem Verfahrensakt der Erstbehörde kann entnommen werden, dass am Fahrzeug des Berufungswerbers außer einer Abriebspur am Reifen kein Schaden festgestellt werden konnte, der korrespondierend mit jenem am Fahrzeug der Zweitbeteiligten angesehen werden könnte. Eine Stellprobe, im Akt fotografisch dokumentiert, lässt allerdings die Möglichkeit zu, doch von einem Anstoß auszugehen, zumal die Abriebspur am Reifen mit dem Schaden am rechten Heck des zweitbeteiligten Fahrzeuges von der Höhe her zusammenpassen könnten.

 

Seitens der Erstbehörde wurde das Gutachten eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen eingeholt, welcher zu folgendem Schluss kommt:

 

"Wie die Fahrzeugzusammenstellung zeigt, muss der gerade aus fahrende Klein-LKW vor dem Anstoß noch nach rechts verlenkt worden sein, sonst wäre das Schadensbild am Polo stärker ausgeprägt.

Da der Klein-LKW im Fahren war und die Streifung mit dem Reifen erfolgte, war die Streifkollision möglicherweise nicht als Anstoß wahrnehmbar, da sich der Reifen elastisch verformt und der LKW zum Zeitpunkt des Streifstoßes möglicherweise beschleunigt wurde. Das Streifgeräusch ist im Hinblick auf den nachgiebigen Reifen und das große Verkehrsaufkommen vielleicht im Umgebungslärm untergegangen.

 

Da der Beschuldigte den LKW bewusst verlenken musste, um am Polo vorbei zu fahren und seine Sitzposition unmittelbar neben der Kontaktstelle liegt, hätte er bei entsprechend aufmerksamer Fahrweise einen ungewöhnlich knappen Abstand zum stehenden VW-Polo erkennen müssen. Da dieser ungewöhnlich geringe Abstand im Zuge des Auslenkens entstand und das eingeschlagene Rad vom Lenkerplatz aus nicht direkt einsehbar ist, hätte er die Möglichkeit einer Streifung im Hinblick auf den wahrnehmbaren ungewöhnlich geringen Seitenabstand nicht ohne weiters ausschließen dürfen."

 

Seitens des Sachverständigen wird sohin im Ergebnis sowohl die Wahrnehmbarkeit in Form einer Anstoßreaktion für den Berufungswerber, als auch jene durch ein Streifgeräusch schlüssig begründet im wesentlichen ausgeschlossen.

 

Allerdings findet sich im Gutachten die oben zitierte Aussage, der Berufungswerber hätte die Möglichkeit einer Streifung aufgrund des geringen Seitenabstandes nicht ohne weiteres ausschließen dürfen.

 

Auch diese Aussage erscheint der Berufungsbehörde schlüssig, allerdings wird damit nicht dargetan, dass dem Berufungswerber die optische Möglichkeit, also die dritte der in Frage kommenden Arten der Wahrnehmung eines Anstoßes, zur Verfügung gestanden wäre.

 

4. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgeringshofes zu den Bestimmungen des § 4 StVO 1960 ist Voraussetzung für die Anhalte- Meldepflicht als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätte kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417).

 

Nur das Ausmaß der Spuren am Fahrzeug (Länge, Breite, Tiefe, allenfalls Verlauf) wird eines sachverständige Antwort auf die Frage ermöglichen, ob eine Kollission, die derartige Spuren hinterlässt, nach Geräusch und Erschütterung vom Lenker eines beteiligten KFZ bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerkt werden müssen oder ob der streifende Kontakt nur außerordentlich geringfügig war, sodass die Wahrnehmung durch den Lenker eher unwahrscheinlich erscheint. Der bloße Hinweis auf praktische Erfahrungen allein genügt nicht (VwGH 23.2.1976, 285/74).

 

Nach Ansicht der Berufungsbehörde liegen gegenständlich nicht hinreichend Beweise vor, die in Anbetracht dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit einer für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit annehmen lassen, dass der Berufungswerber einerseits tatsächlich den Schaden verursacht hat und andererseits den Anschoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerken müssen. Auch im Falle der Weiterführung des Berufungsverfahrens und Anberaumung einer Verhandlung muss aufgrund des seit dem Vorfall vergangenen Zeitraumes von mehr als zwei Jahren erwartet werden, dass die Beweislage auch dann nicht über die nunmehr vorliegende hinausgehen würde. Die zweitbeteiligte Lenkerin, die den Vorgang zur Anzeige gebracht hatte, wurde im gesamten Verfahren kein einziges Mal niederschriftlich befragt, so enthält die Polizeianzeige vom 28. Juni 2010 bloß eine Zusammenfassung der Angaben dieser Lenkerin, die Erstbehörde hat sie auch nicht zeugenschaftlich im Rechtshilfeweg einvernehmen lassen.

 

Die Berufungsbehörde verkennt nicht, dass durchaus nicht alles für die Verantwortung des Berufungswerbers spricht, im Ergebnis war dennoch unter Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo", das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

S c h ö n

 

 

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