Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730672/3/BP/JO

Linz, 10.10.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA der Türkei, derzeit aufhältig in der X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 17. September 2012, Zl. 1-1003355, mit dem ein Antrag des Berufungswerbers auf Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

 

 

      Der Berufung wird stattgegeben und das mit Bescheid der       Bundespolizeidirektion Steyr vom 2. Oktober 2006, AZ: 1003355, auf       unbefristete Dauer erlassene Aufenthaltsverbot aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 2. Oktober 2006, Zl. 1-1003355/FP/06, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen.

 

1.2. Mit Bescheid vom 17. September 2012, Zl. 1-1003355, wies die belangte Behörde einen Antrag des Bw auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes vom 24. August 2012 gemäß § 69 Abs. 2 FPG in der geltenden Fassung ab.

 

Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde wie folgt aus:

"Die Bundespolizeidirektion Steyr erließ gegen Sie mit Bescheid vom 02.10.2006 unter Zahl 1003355 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum. Es scheinen gegen Sie im Strafregister folgende Verurteilungen auf:

 

LG Steyr 10HV54/2005X vom 7.09.2005 rk 30.11.2005, Par 75, 127, 128 Abs. 1/4, 130 (1.Fall), 229/1 STGB, Freiheitsstrafe 17 Jahre.

 

Erschwerend bei Ihrer Verurteilung waren die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art, sowie der Umstand, dass der Tatplan hinsichtlich des Mordes von Ihnen ausgegangen ist und die mit dem Verbrechen des Mordes verbundene besondere Brutalität.

 

Sie selbst gaben in Ihrem nunmehrigen Antrag an, dass die Gründe, die zur Verhängung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes geführt haben, weggefallen sind. Sie verbüßen seit April 2005 eine 17-jährige Haftstrafe und haben ihre Verurteilung und die Inhaftierung sehr ernst genommen. Des Weiteren konnten Sie eine Lehre zum Elektroinstallateur mit der externen Gesellenprüfung abschließen. Auch legten Sie Bestätigungen von Antigewalttherapien bei. Für ein Leben nach der Haft möchten Sie in die Nähe von Steyr ziehen, sich eine Arbeit suchen und die Psychotherapie fortsetzen. Ihre Familie, die in Österreich lebt, sei eine große Unterstützung und werde in der ersten Zeit der Haftentlassung für Sie da sein.

 

Sie sind Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Zi. 1 FPG, weil Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

 

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Bei einer Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (VwGH 05.09.2006, 2006/18/0174). Demnach muss von dem im Instanzenzug ergangen Aufenthaltsverbot vom 2.10.2006 ausgegangen werden. In diesem Bescheid wurde im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des damaligen § 66 Abs. 1 und 2 FPG auch Ihre private und familiäre Situation berücksichtigt, weshalb die Gründe, die zum Aufenthaltsverbot geführt haben, in diesem Verfahren nicht neuerlich zu erörtern sind.

 

Ihr Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Ihren Gunsten geändert haben, wobei auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahmen entsprechende Umstände Bedacht zu nehmen ist (VwGH 05.09.2006, 2006/18/0174). Umstände, die dem Aufenthaltsverbot bereits bei dessen Erlassung entgegengestanden sind, können jedoch nicht zur Aufhebung führen (VwGH 12.03.2002, 2001/18/0171). Bei dieser Beurteilung ist zu prüfen, ob nach wie vor eine Gefährlichkeitsprognose zu treffen ist, die die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes rechtfertigt, um eine von Ihnen ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden.

 

Zudem ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, dass die Frage, ob die sich in einem Fehlverhalten des Fremden manifestierende Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit als in rechtserheblichen Ausmaß gemindert anzusehen ist, vorwiegend daran zu messen ist, ob sich der Fremde tatsächlich bereits über einen relevanten Zeitraum Wohlverhalten hat. Ein bloß behaupteter oder von einem Psychologen festgestellter Gesinnungswandel, der aber nicht seine Entsprechung in einem einen relevanten Zeitraum umfassenden Wohlverhalten gefunden hat, reicht nicht aus (VwGH 11.05.2009, 2008/18/0533). Sie befinden sich nach wie vor in Haft. Die Haftzeit ist bei der Beurteilung des Wohlverhaltens des Fremden nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu berücksichtigen.

 

Auf einen allfällig durch Haft erfolgten Gesinnungswandel könne in derartigen Fällen erst nach einer entsprechend langen Zeit des Wohlverhaltens nach der Entlassung aus der Strafhaft geschlossen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 2010, ZI. 2010/21/0335, mwN.).

 

Das Wohlverhalten in Haft kann, wie bereits oben erwähnt, nicht dafür herangezogen werden, um die von der Behörde bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes erstellte negative Zukunftsprognose entscheidend zu beeinflussen. Der in Haft absolvierten Berufsausbildung könne nur ein geringes Gewicht beigemessen werden, weil zu befürchten sei, dass Sie bei eventuellen Problemen in Freiheit "leicht wieder rückfällig werden" könnten. Der von Ihnen begangene Mord zeige, dass Sie jeglichen Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung bzw. vor der körperlichen Integrität anderer Personen vermissen lassen.

 

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die nunmehrige - in Hinsicht auf der ausschließlichen Geltung für Drittstaatsangehörige wohl verunglückte - Regelung des § 64 FPG idF BGBl Nr 38/2011, gemäß der die Gründe für ein Aufenthaltsverbot-Verbot ausgeweitet wurden, keinen Grund darstellen, ein bereits rechtskräftiges Aufenthaltsverbot aufzuheben. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH 03.07.2007, 2006/18/0420) ist in § 125 Abs 3 FPG (gemäß dem Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten des FPG noch nicht abgelaufen ist, als nach dem FPG erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer gelten) nicht vorgesehen, dass Aufenthaltsverbote auch dann aufzuheben wären, wenn sie bei Geltung des aktuellen FPG im Zeitpunkt ihrer Verhängung nicht erlassen werden hätten dürfen. Eine entsprechende Regelung für den vorliegenden Fall findet sich in § 125 Abs 16 FPG. Vergleichsweise dazu wurde in § 114 Abs 3 zweiter Satz FrG (der erste Satz lautete sinngemäß ähnlich wie § 125 Abs 3 FPG), im Zuge dessen Erlassung weitgehende Aufenthaltsverbot-Verbote verankert wurden, normiert, dass Aufenthaltsverbote auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben sind, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können. Eine derartige Bestimmung fehlt in den Regelungen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011. Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Ausweitung des Aufenthaltsverbot-Verbotes nur hinsichtlich der Erlassung künftiger Aufenthaltsverbote normieren wollte. Aus den Übergangsbestimmungen kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass eine Aufhebung bereits rechtskräftiger Aufenthaltsverbote, die bei Geltung der neuen Regelung nicht verhängt hätten werden dürfen, vom Gesetzgeber beabsichtigt war.

 

Der Umstand, dass sich Ihre Eltern und Geschwister ebenfalls seit langem in Österreich aufhielten, sei bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes bekannt gewesen und stelle keinen familiären Anknüpfungspunkt dar, der erst nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes entstanden wäre bzw. sich zu Ihren Gunsten geändert hätte. Dies treffe auch auf das Argument zu, dass Sie bereits seit 1993 in Österreich aufhältig sind.

 

Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes würde ohne Zweifel in Ihr Privat- und Familienleben eingreifen. Der Verwaltungsgerichtshof hat erkannt, dass Ihr im Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 07.09.2005 festgestelltes Fehlverhalten die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer beeinträchtige.

 

Es ist richtig, dass der Deliktszeitraum sechs Jahre zurückliegt. Das gegen Sie ergangene Gerichtsurteil ist allerdings noch nicht getilgt. Es sind daher die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben nicht weggefallen. Durch Ihr oben beschriebenes Fehlverhalten wurde die öffentliche Ruhe und Ordnung, vor allem im Hinblick auf ein geregeltes Fremdenwesen, gravierend gestört. Die Behörde sieht daher die Gefahr, dass Sie wieder kriminell werden könnten als gegeben an.

 

Dem Vorbringen, dass Sie sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes wohlverhalten haben und die Gründe, welche zur Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes geführt haben, wird entgegengehalten, dass die Haft nicht dafür herangezogen werden kann, um einen Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von Ihnen bzw. von Ihrem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit annehmen zu können.

An seit der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbots geänderten Umständen bringen Sie lediglich die mittlerweile seit den Tatbegehungen vergangene Zeit vor. Ein unter dem Blickwinkel des hier maßgeblichen Fremdenrechts ist ein anfälliger Gesinnungswandel in erster Linie daran zu messen, innerhalb welchen Zeitraumes sich der Fremde nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Mai 2011, ZI. 2008/21/0486, mwN). Da Sie sich noch in Strafhaft befinden kann sohin keine Rede davon sein, dass Sie auf maßgebliche Art bereits unter Beweis gestellt hätten, dass eine von ihnen ausgehende Gefährdung nicht mehr anzunehmen wäre.

 

Sowohl an der familiären Situation als auch an Ihrer Gefährlichkeit hat sich nichts geändert.

 

Nach Ansicht der Behörde ist zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit die Aufrechterhaltung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes nach wie vor geboten. Der Grund, der zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hat, ist nach Ansicht der Behörde nicht weggefallen.

 

Eine Gesamtbetrachtung führt sowohl im Hinblick auf die nach wie vor gegebene Gefährlichkeitsprognose als auch im Hinblick auf Ihre persönlichen Verhältnisse zum Ergebnis, dass sich die Umstände nicht derartig geändert haben, dass von einem Wegfall der Gründe, die zum Aufenthaltsverbot geführt haben, ausgegangen werden kann. Der Antrag, das betreffende Aufenthaltsverbot aufzuheben, war daher abzuweisen."

 

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 24. September 2012.

 

In dieser führt der Bw Folgendes aus:

 

"In meinem Antrag um Aufhebung des gegen mich am 02. 10. 2006 erlassenen Aufenthaltsverbotes führe ich umfangreich und mit zahlreichen Belegen (Zeugnissen, Therapiebestätigungen, Lehrabschlüsse in zwei Berufen) und Berichten (meiner betreuenden Sozialarbeiterin, meines Therapeuten, meiner Lehrherren) aus, dass ich in meiner bisherigen Haftzeit sehr intensiv an meiner Persönlichkeitsentwicklung gearbeitet habe und alles mir mögliche getan habe, um mich für ein Leben in Freiheit vorzubereiten. Ich führe aus, dass ich keine Vorstrafen habe und mich das erste Mal in Strafhaft befinde.

 

Die ausstellende Behörde führt als Begründung ihrer Abweisung meines Antrages an, dass sich die Gefährlichkeitsprognose nach wie vor nicht geändert hat und setzt sich in ihrem Urteil somit über die fachliche Beurteilung meiner Behandler und Betreuer hinweg. Die Behörde zweifelt den „festgestellten Gesinnungswandel", welcher mir bestätigt wurde an und widerspricht somit der Einschätzung von langjährig erfahrenen, fachlich einschlägig ausgebildeten Experten des (Jugend)strafvollzuges, welche mich von Haftbeginn an begleitet und betreut. Ebenso wird meine zweifache berufliche Ausbildung von der Behörde als „zu gering" erachtet und die Einschätzung eines Rückfalls getroffen. Ich möchte hiermit anzweifeln, dass die Behörde zu dieser Einschätzung zum jetzigen Zeitpunkt ohne Kenntnisse meiner Person in der Lage ist.

 

Des Weiteren führt die Behörde an, dass der Zeitraum der Haftstrafe nicht in eine neuerliche Beurteilung der Sachlage herangezogen werden kann. Dagegen führe ich an, dass ich seit Jahresbeginn monatlich mehrmals auf unbewachte, unbegleitete Ausgänge gehe, bei denen es zu keinerlei Schwierigkeiten gekommen ist und auf denen ich bereits beweisen konnte, dass ich mich an österreichische Gesetze, Normen und Werte halten will und werde. Um eine „längere Zeit des Wohlverhaltens nach der Haft" vorweisen zu können, wie von der Behörde gefordert, muss mir die Möglichkeit dazu mittels rechtmäßigem Aufenthaltstitel gegeben werden.

 

Meiner Meinung nach dokumentiere ich ausführlich, dass die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr gegeben sind (§ 69 Abs. 2 FPG), da ich bewiesen habe, mich an die österreichische Gesetzgebung, österreichische Werte und Normen zu halten und diese zu respektieren. Die Annahme zur Begehung weiterer strafbarer Handlungen wurde zusätzlich auf den bereits absolvierten, zahlreichen Freiheitsmaßnahmen, sowie durch meine vorbereiteten Nachbetreuungsmöglichkeiten, entkräftet.

 

Meine persönlichen Umstände haben sich zwar nicht geändert seit meiner Inhaftierung, jedoch sind diese nun aufgrund des seit 1.7.2011 in Kraft getretenen Fremdenrechtsänderungsgesetzes neu zu bewerten, da vom derzeitigen Stand aus auch kein Aufenthaltsverbot gegen mich erlassen werden würde (§ 64 Abs. 1 Z 1 FPG). Meine Familie und somit meine Verankerung in Österreich stellen aber eine wichtige Stütze und Ressource für mich dar.

 

Die Behörde folgert nicht, dass mein Aufenthaltsverbot aufgehoben werden kann. Hierzu möchte ich anführen, dass eine rechtmäßige Integration in die österreichische Gesellschaft nur mit einem gültigen Aufenthaltstitel möglich ist. Es ist mir ohne Aufenthaltstitel nicht möglich, von einem Arbeitgeber eingestellt zu werden, mich in Österreich zu versichern etc.

 

Ich ersuche daher, den von mir gestellten Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nochmals zu prüfen."

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit Schreiben vom 26. September 2012 zur Entscheidungsfindung vor.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, zumal der entscheidungswesentliche Sachverhalt völlig unbestritten ist, lediglich die Klärung von Rechtsfragen vorzunehmen war und auch die Akten erkennen lassen, dass eine allfällige weiterführende Erörterung für den Sachverhalt ergebnisneutral wäre. Im Übrigen wurde auch kein darauf gerichteter Parteienantrag gestellt.

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. bis 1.3. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.

 

Explizit ist darauf hinzuweisen, dass der Bw laut aktuellem Auszug aus dem Zentralen Melderegister seit 15. Dezember 1993 im Bundesgebiet polizeilich gemeldet ist.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 87/2012 sind eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

 

3.2. Im vorliegenden Fall wies die belangte Behörde einen Antrag des Bw auf Aufhebung des im Jahr 2006 gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes ab.

 

Unbestritten ist, dass der Bw vor der Erlassung der Maßnahme über einen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügte, in dem er - wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt – seit dem Jahr 1993 (seit seinem 7. Lebensjahr) rechtmäßig aufhältig war.

 

Nach aktueller Rechtslage müsste somit derzeit ein Aufenthaltsverbot auf § 63 FPG gestützt werden, zumal er nicht unter den Adressatenkreis der §§ 65, 65a oder 65b zu zählen ist.

 

Aus der Überschrift des 5. Abschnittes vor § 68 FPG "Gemeinsame Verfahrensbestimmungen für Ausweisungen Aufenthaltsverbote" wird deutlich, dass Aufenthaltsverbote, sei es auf § 63, sei es auf § 67 FPG gestützt, nach § 69 Abs. 2 FPG hinsichtlich der Aufhebung einer Überprüfung zuzuführen sind. Somit hat die belangte Behörde zurecht diese Gesetzesgrundlage herangezogen.

 

3.3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem inhaltlich mit dem aktuellen § 69 Abs. 2 FPG vergleichbaren § 65 Abs. 1 FPG in der vorhergehenden Fassung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung der Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.

 

Bei dieser Beurteilung ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose weiterhin zu treffen ist, sodass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grunde des nunmehrigen § 61 FPG (Schutz des Privat- und Familienlebens) zulässig ist.

 

Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides nur zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vergl. VwGH vom 24.2.2009, 2008/22/0587 und vom 10.11.2009, 2008/22/0848).

 

 

 

3.3.2. Bei der Lösung des Falls ist aber auch auf die jüngere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Bedacht zu nehmen, der etwa in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 2012 Zl2011/18/0267 ausführt:

 

"Anders verhält es sich bei Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbots nach Änderung der Rechtslage. Eine solche kann nämlich den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots darstellen (vgl. das zu § 26 FrG 1992 ergangene hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 95/21/0144)."

 

"Nach der durch das FrÄG 2011 geänderten Rechtslage dürfte aber gemäß § 67 Abs. 2 FPG – worauf der Beschwerdeführer hinweist – nur ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden, weil die Voraussetzungen nach Abs. 3 leg. cit. nicht erfüllt sind. Weder liegt eine Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren vor, noch handelt es sich um ein dort genanntes Delikt, Fehlverhalten oder eine dort beschriebene Gefahr. Da eine Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbots – wie unter Punkt 4.2. näher ausgeführt – nicht in Betracht kommt, ist dem Umstand, dass nach derzeitiger Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen werden dürfte, in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren die Behörde das Aufenthaltsverbot jedenfalls von Amts wegen (aber auch auf Antrag des Beschwerdeführers) aufzuheben hat (in diesem Sinn auch Schmied, Die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Fremdenpolizeigesetz nach dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 – eine Bankrotterklärung der Fremdenrechtslegistik, ZUV 2011, 149 (152))."

 

3.3.3. Auch, wenn im eben zitierten Erkenntnis auf § 69 Abs. 2 iVm. § 67 FPG eingegangen wird, lässt sich daraus klar die Auffassung des Höchstgerichtes ablesen, dass im Rahmen einer Prüfung nach § 69 Abs. 2 FPG zusätzlich zu den oben beschriebenen Kriterien auch eine geänderte Rechtsgrundlage zu berücksichtigen ist; somit, ob nach der aktuellen Rechtsgrundlage ein Aufenthaltsverbot (in welcher Dauer auch immer) gegen einen Fremden verhängt werden könnte.

 

3.4.1. Gemäß § 64 Abs. 1 FPG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 nicht erlassen werden, wenn

1.      ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die   Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes         1985 (StBG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2.      er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

3.4.2. Aus dem in Rede stehenden Sachverhalt ergibt sich zunächst zweifelsfrei, dass der Bw erst im Alter von 7 Jahren nach Österreich kam, weshalb er hier nicht als von klein auf niedergelassen anzusehen ist; er kann sich also nicht auf § 64 Abs. 1 Z. 2 FPG stützen.

 

Jedoch liegen zwischen der Aufenthaltsbegründung im Jahr 1993 und der ersten Straftat im Jahr 2005 mehr als die in § 10 Abs. 1 StBG geforderten 10 Jahre straffreien Aufenthalts. Auch von der belangten Behörde wird dieser Umstand nicht in Abrede gestellt. Der Bw kann sich also auf § 64 Abs. 1 Z. 1 FPG stützen. Ein Aufenthaltsverbot dürfte nach geltender Rechtslage somit gegen ihn nicht erlassen werden.

 

3.4.3. Im Hinblick auf die oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies aber für den vorliegenden Fall, dass – durch Berücksichtigung der geänderten Rechtslage - § 69 Abs. 2 FPG dahingehend auszulegen ist, dass sich die Umstände, die zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes geführt hatten, als weggefallen anzusehen sind.

 

3.5.1. Es war daher der Berufung stattzugeben und der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abzuändern, als das im Jahr 2006 für unbefristete Dauer erlassene Aufenthaltsverbot aufzuheben war. 

 

3.5.2. Nachdem der Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59Abs. 1 FPG die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides unterbleiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Bernhard Pree

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

VwGH vom 24.01.2013, Zl.: 2012/21/0252-3

 

 

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