Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253244/10/Wg/GRU

Linz, 10.10.2012

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung der X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12.7.2012, Gz: SV96-45-2012, wegen einer Übertretung nach dem Arbeitslosen­ver­sicherungs­gesetz zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird insoweit Folge gegeben als das bekämpfte Straferkenntnis behoben wird.

 

II.              Die Berufungswerberin hat weder für das Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde noch für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat OÖ. einen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 19, 24, 51, 51c und 51e Abs. 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs. 1 und 2 sowie § 65 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (im Folgenden: belangte Behörde) lastete der Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) mit Straferkenntnis vom 12.7.2012, Gz. SV96-45-2012, folgende Verwaltungsübertretung an:

"Sie haben von 1.3 bis 31.3.2012 (Zumindest am Kontrolltag, den 27.3.2012) vorsätzlich Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch genommen, ohne dazu berechtigt zu sein.

 

Tatort: x

Kontrolltag: 27.3.2012 gegen 11.52 Uhr.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 71 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz iVm §§ 12 Abs. 3 lit a, 25 Abs. 2 und § 50 Abs. 1 AIVG, BGBl. Nr. 609/1977 idgF

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

 

Geldstrafe von             falls diese                          gemäß

uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

§71 Abs. 2 AIVG

200,00                          11 Stunden".

 

Weiters wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 10 % der Strafe vorgeschrieben. Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt 220,--.

 

Die belangte Behörde argumentierte in der Begründung dieses Straferkenntnisses, dass sich der Sachverhalt aus der Anzeige des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 30.5.2012 ergebe. Das Finanzamt Grieskirchen Wels habe am 27.3.2012 gegen 11.52 Uhr eine Kontrolle in X, X, durchgeführt. Bei dieser Kontrolle sei festgestellt worden, dass die Berufungswerberin die Firma X selbständig vertrete. Die Berufungswerberin habe in der Niederschrift vom 1.3.2012 angegeben, die Firma X sei seit 1.3.2011 tätig, sie übe ihre Geschäftsführertätigkeit auch seit diesem Zeitpunkt aus und habe seit 1.3.2012 nur sporadisch gearbeitet. Weiters habe die Bw angegeben, ihre Geschäftsführertätigkeit noch nicht beim AMS gemeldet zu haben. Die Behörde stellte weiters fest, aus dem Versicherungsauszug sei sichtbar, dass die Bw bis 31.3.2012 Arbeitslosengeld bezogen habe. Die Anmeldung zur GSVG sei ab 1.4.2012 erfolgt, im Gewerberegister sei sie seit 1.3.2012 als handelsrechtliche Geschäftsführerin eingetragen. Es werde daher von einer selbständigen Tätigkeit ab 1.3.2012 ausgegangen. Dies, ohne eine Meldung beim AMS, von dem die Bw zum Zeitpunkt der Tat eine Leistung bezogen habe, zu tätigen. Somit gelte gem. § 50 AlVG die unwiderlegliche Rechtsvermutung, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt worden sei. Die Bw habe somit zum Tatzeitpunkt vorsätzlich Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch genommen, ohne dazu berechtigt zu sein.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 27.7.2012. Darin wird beantragt, das Straferkenntnis vollinhaltlich aufzuheben. Für den Fall der Vorlage ggst. Berufung beim UVS wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die Bw brachte vor, es sei eine Tatsache, dass die X durch Eintragung im Firmenbuch mit 1.3.2012 rechtlich existent wurde. Sie sei im Zuge der Gründung zur handelsrechtlichen Geschäftsführerin bestellt worden. Zumal sich das Unternehmen im status x befunden habe und noch auf die gewerberechtlichen und abgabenrechtlichen Bewilligungen warten habe müssen, sei eine tatsächliche Ausübung einer dienstnehmerähnlichen Tätigkeit nicht erforderlich gewesen. Es sei keinerlei Vergütung für eine Geschäftsführertätigkeit im Monat März 2012 erfolgt. Erst mit Entstehung der Gewerbeberechtigung am 1.3.2012 und Erteilung einer Steuernummer sowie einer UID-Nr. sei die Möglichkeit der Ausübung einer Geschäftsführertätigkeit gegeben gewesen. Frühestens zu diesem Zeitpunkt habe eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit begonnen. Am 12.4.2012 habe die Bw das Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, in dem sie in der gewerblichen Sozialversicherung willkommen geheißen wurde, erhalten. Als Versicherungsbeginn sei der 1.4.2012 mitgeteilt worden. Sie stellte die Frage, welcher der Sozialversicherungsträger nun für sie zuständig sei. Ohne rechtlich geprüfte Voraussetzungen erscheine eine strafrechtliche Vorgangsweise sich im rechtsleeren Raum zu bewegen. Die einzigen bis zur Kontrolle am 27.3.2012 von der handelsrechtlichen Gesellschaftergeschäftsführerin wahrgenommenen Tätigkeiten hätten darin bestanden, anlässlich der Gründung der Gesellschaft an den Besprechungen mit Notar und Steuerberater teilzunehmen und für die Überprüfung seitens der Finanzverwaltung zum vereinbarten Termin am 27.3.2012 anwesend zu sein. Sie habe also vorbereitende Handlungen für ihre spätere Geschäftsführertätigkeit wahrgenommen. Darin könne nicht die Ausübung eines Dienstverhältnisses gesehen werden. Aus diesem Blickwinkel habe sie die Unterstützung im Sinne des Arbeitslosenversicherungsgesetzes zu Recht genossen.

 

Die belangte Behörde legte dem Verwaltungssenat den Akt zur Entscheidung vor.

 

Mit Eingabe vom 9. Oktober 2012 ersuchte die Bw, ihr die Berufungsentscheidung persönlich zuzustellen.

 

Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Lt. Firmenbuchauszug vom 2.5.2012 wurde die Firma X mit 1.3.2012 im Firmenbuch eingetragen. Die Bw ist seit 1.3.2012 handelsrechtliche Geschäftsführerin der X, die im Geschäftszweig Metallproduktion tätig ist. Der Sitz der X befindet sich an der Adresse X, X. An diesem Standort meldete die X mit 1.4.2012 das freie Gewerbe mit dem Wortlaut "Handelsgewerbe und Handelsagenten" an.

 

Die Bw ihrerseits hat ihren gemeldeten Hauptwohnsitz an der Adresse X, X. Sie bezog in der Zeit von 1.1.2012 bis 31.3.2012 Arbeitslosengeld. Sie nahm bereits im März 2012 vorbereitende Handlungen für ihre Geschäftsführertätigkeit wahr.

 

Das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied des UVS befasste mit Schreiben vom 14.8.2012 das AMS mit der Frage, ob dieses von der Bw die im Zeitraum 1.3.2012 – 31.3.2012 gewährten Leistungen nach dem Arbeitslosen­versicherungsgesetz zurückgefordert habe. Das AMS OÖ. teilte dem Verwaltungssenat mit Schreiben vom 10.9.2012 dazu mit, dass sich die Rückforderung mit Bescheid vom 22.8.2012 auf den Zeitraum 1.4.2012 bis 30.4.2012 (Betrag: 501,60 Euro) beschränkte. Lt. Mail der SVA der gewerblichen Wirtschaft - so das AMS - beginne die Pflichtversicherung auch erst mit 1.4.2012. In dieser – an das AMS gerichteten – Stellungnahme der Sozialversicherungs­anstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 16.8.2012 wird wörtlich ausgeführt: "Die Pflichtversicherung von Frau X beginnt auf Grund der Gewerbeberechtigung der X am 1.4.2012."

 

Der UVS gab der belangten Behörde die Gelegenheit sich zu dieser Stellungnahme des AMS zu äußern. Die belangte Behörde führte im mail vom 24. September 2012 aus, die Bw habe ihre Gewerbeanmeldung mit 28. Februar 2012 eingereicht, dem der Gesellschaftsvertrag vom 21. Februar 2012 zugrundelag. Das Ziel einer Gewerbeanmeldung sei, sich selbstständig zu machen und mit dem erzielten Einkommen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

 

Das Finanzamt wies in seiner Stellungnahme vom 2. Oktober 2012 unter anderem darauf hin, dass eine Übertretung nach den Bestimmungen des AlVG jedoch zumindest für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. April 2012 gegeben sei.

 

Im Zweifel wird zu Gunsten der Bw festgestellt, dass sie davon ausging, das Arbeitslosengeld im März 2012 zu Recht erhalten zu haben.

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und Befassung des AMS OÖ.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen unstrittig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Fraglich war insbesondere, ob der Bw unterstellt werden kann, sie habe es (zumindest) ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, im März 2012 zu Unrecht Arbeitslosengeld bezogen zu haben. Das AMS ging von einem berechtigten Leistungsbezug aus. Es war daher im Zweifel zu Gunsten der Bw festzustellen, dass sie davon ausging, das Arbeitslosengeld zu Recht erhalten zu haben.

 

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war bei diesem Verfahrensergebnis nicht erforderlich.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Örtlich zuständig ist gem. § 27 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht gemäß § 71 Abs 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 200 Euro bis zu 2 000 Euro, im Wiederholungsfall von 400 Euro bis zu 4 000 Euro zu bestrafen, wer vorsätzlich Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt oder genießt, ohne dazu berechtigt zu sein, oder zu solchen Missbräuchen anstiftet oder Hilfe leistet.

 

Bezüglich der übrigen einschlägigen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungs­gesetzes wird – um Wiederholungen zu vermeiden – auf deren wörtliche Wiedergabe im bekämpften Straferkenntnis verwiesen.

 

§ 71 Abs 2 AlVG unterscheidet zwischen "in Anspruch nehmen" und "genießen". Da man dem Gesetzgeber nicht unterstellen kann, mit beiden Begriffen dasselbe zu meinen, ist ein "In Anspruch nehmen" bereits mit der Stellung eines Antrages, das "Genießen" dagegen erst mit dem tatsächlichen Leistungsbezug gegeben. Im ggst. Verfahren war der "Genuss" bzw Bezug von Arbeitslosengeld im März 2012 zu beurteilen. Die Bw wird aber allein durch den Umstand, dass im bekämpften Straferkenntnis ein "In Anspruch Nehmen" angelastet wird,  noch nicht in ihren Rechten verletzt.

 

Die belangte Behörde führte als Tatort die Geschäftsanschrift der X in X an. Der Bezug des Arbeitslosengeldes richtet sich jedoch nicht nach dem Ort einer Tätigkeit im Sinn des § 12 Abs. 3 AlVG, sondern nach dem (Haupt)wohnsitz der Person, die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht (vgl § 44 Abs 1 Z 2 AlVG). Dort liegt der Tatort im Sinn des § 71 Abs. 2 AlVG iVm § 27 Abs. 1 VStG. Dies wird vor allem dann klar, wenn man die Möglichkeit in Betracht zieht, dass neben einem Arbeitslosengeldbezug – unzulässigerweise -  mehrere Dienstverhältnisse im Sinn des § 12 Abs. 3 AlVG begründet werden könnten.

Örtlich zuständige Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz ist folglich nicht die belangte Behörde, sondern der Bürgermeister der Stadt Wels. Das Straferkenntnis war daher wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde zu beheben.

 

Zum Straftatbestand des § 71 Abs 2 AlVG ist inhaltlich noch folgendes festzuhalten: Ausgangspunkt ist die Inanspruchnahme oder der Genuss von Leistungen der Arbeitslosenversicherung, ohne dazu berechtigt zu sein (objektive Tatseite). Selbst wenn nach § 25 Abs. 2 AlVG unwiderleglich vermutet wird, dass die ausgeübte Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist, begründet dies noch keine Strafbarkeit nach § 71 Abs. 2 AlVG. Die Strafbarkeit nach § 71 Abs. 2 AlVG setzt darüber hinaus vorsätzliches Handeln voraus. Dabei differenziert § 5 StGB zwischen "bedingtem Vorsatz" (§ 5 Abs. 1 StGB), Wissentlichkeit (§ 5 Abs. 3 StGB) und Absichtlichkeit (§ 5 Abs. 2 StGB). So handelt gem. § 5 Abs. 1 StGB vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Dazu gehört es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Es muss nachgewiesen sein, dass der Täter es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abgefunden hat, unberechtigt eine Leistung nach dem AlVG zu beziehen (subjektive Tatseite). Es handelt sich dabei um eine Frage der freien Beweiswürdigung. Im vorliegenden Fall konnte der Bw kein Vorsatz unterstellt werden, zumal selbst das AMS von einem berechtigten Bezug des im März 2012 ausbezahlten Arbeitslosengeldes ausging. Dem UVS ist es verwehrt, das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen, da die belangte Behörde örtlich unzuständig war. Die Einstellung kann formal gesehen nur von der zuständigen Behörde (Bürgermeister der Stadt Wels) verfügt werden. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden. Bei diesem Verfahrensergebnis fallen für die Bw keine Verfahrenskosten an.

 

Zur Konkretisierung des Spruches iSd § 44a Z 1 VStG ist – allgemein - noch anzumerken, dass darin insb die – tatsächlich bezogenen bzw "genossenen" - Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie die Umstände, aus denen auf einen vorsätzlich unberechtigten (§ 12 Abs 3 AlVG) Leistungsbezug  geschlossen wird, enthalten sein müssen. Entscheidend ist vor allem die Klarstellung, welche Vorsatzform (§ 5 StGB) dem Beschuldigten angelastet wird.  Macht dieser zB im Rahmen der Antragstellung falsche Angaben vor dem AMS ist die Abgrenzung zu den gerichtlichen Straftatbeständen des § 146 StGB (Betrug) zu beachten.

 

Zur oben wiedergegebenen Stellungnahme des Finanzamtes vom 2. Oktober 2012 ist festzuhalten, dass sich das Straferkenntnis auf den Zeitraum März 2012 beschränkt. Eine Beurteilung des Leistungsbezuges im April 2012 ist folglich nicht Gegenstand dieses Berufungsverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

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