Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301266/2/BP/Jo

Linz, 13.11.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, geb. X, StA von Ungarn, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. Oktober 2012, GZ.: S-40.430/10-2, wegen einer Übertretung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.       Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis    aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des          Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen         Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen        Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 1, Abs. 2, 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II.: § 64ff. VStG.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. Oktober 2012, GZ.: S-40.430/10-2, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) gemäß § 2 Abs. 3 lit. e Oö.Pol.StG eine Geldstrafe in der Höhe von 360,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt. Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

"Sie haben, wie von Beamten des Landeskriminalamtes festgestellt wurde, am 27.07.2010, von 16.00 bis 16.30 Uhr, in X, Cafe 'X', eine Räumlichkeit des angeführten Lokales zum Zwecke der Ausübung der Prostitution genutzt, weil Sie dort zur angeführten Zeit mit einem männlichen Kunden geschlechtliche Handlungen zur sexuellen Befriedigung gegen Entgelt vorgenommen haben und die Nutzung dieses Gebäudes zum Zwecke der Ausübung der Prostitution verboten war, weil dort die Ausübung der Prostitution mit Verordnung des Stadtsenates der Stadt Linz vom 14.08.2008 untersagt worden ist."

 

Begründend führt die belangte Behörde Folgendes aus:

"Der Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist durch die eigene dienstliche Wahrnehmung der ermittelnden Kriminalbeamten, der hierüber vorgelegten An­zeige vom 06.08.2010 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen.

 

Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Gegen die Strafverfügung vom 22.11.2010 erhoben Sie fristgerecht einen schriftlichen Ein­spruch. In diesem führten Sie an, dass im Hause X seit dem 15.11.1983 die Prostitution ausgeübt wird und Sie daher die Tat nicht begangen hätten. Weiters sei die vorgeworfene Tat verjährt.

 

Mit Aufforderung vom 29.03.2011 wurden Sie zur Rechtfertigung binnen einer Frist von zwei Wochen aufgefordert. Gleichzeitig wurden Sie aufgefordert, die Ihrer Verteidigung dienlichen Beweismittel bekanntzugeben.

 

Gemäß § 2 Abs. 2 OÖ. Pol. StG kann die Gemeinde die Nutzung bestimmter Gebäude, Ge­bäudeteile oder Gruppen von Gebäuden zum Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution durch Verordnung untersagen.

 

Gemäß § 2 Abs. 3 lit. e OÖ. Pol. StG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer einer Unter­sagung gemäß Abs. 2 zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. b OÖ. Pol. StG sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 2 Abs. 3 OÖ. Pol. StG von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizei­direktion von dieser, mit Geldstrafe bis zu € 14.500,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ar­rest bis zu 6 Wochen, zu bestrafen.

 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des angezeigten Sachverhaltes zu zweifeln. Demnach haben Sie die Räumlichkeiten des angeführten Lokales zum Zwecke der Ausübung der Prostitution genutzt, indem Sie dort mit einem männlichen Kunden geschlechtliche Handlungen zur sexuellen Befriedigung gegen Entgelt vorgenommen haben und die Ausübung der Prostitution in diesem Gebäude verboten war, da durch Verordnung der Stadt Linz vom 14.08.2008 die Nutzung dieses Gebäudes zum Zwecke der Ausübung der Prostitution untersagt worden ist.

 

Von einem Zeugen wurde im Rahmen der niederschriftlichen Vernehmung eindeutig ange­geben, dass Sie für eine halbe Stunde geschlechtlicher Handlungen einen Preis von € 80,--erhalten haben.

 

Für die erkennende Behörde bestand keinerlei Grund, an den schlüssigen und glaubwürdigen Angaben des Meldungslegers und des Zeugen zu zweifeln, zumal diese als Zeugen im Verwaltungsstrafverfahren der Wahrheitspflicht unterliegen, während Sie sich so verantworten können, wie Ihnen dies für den Ausgang des Verfahrens am günstigsten erscheint. Im Übrigen wurde die Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt von Ihnen im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nie bestritten. Somit war für die erkennende Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführten Bestimmungen des OÖ. Polizeistrafgesetzes verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Bei der Bemessung der Strafe:, wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädi­gung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohungen dienen und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe, die sich im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens befindet, entspricht dem Unrechts- und dem Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kam ihnen nicht mehr zugute.

 

Bei der Strafbemessung wurde ferner berücksichtigt, dass Sie kein hierfür relevantes Ver­mögen besitzen, keine Sorgepflichten haben und ein Einkommen von € 800,- netto monat­lich beziehen."

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 25. Oktober 2012, welche die Bw wie folgt begründet:

 

"Das bezogene Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalte nach, demzufol­ge über mich eine Geldstrafe von € 360,00 unter Berufung auf § 2 Oö. Pol. StG verhängt wurde, angefochten.

 

Das bezogene Straferkenntnis ist sowohl in formeller, wie auch in materieller Hinsicht rechtswidrig, wozu ausgeführt wird wie folgt:

 

Wie bereits in meinem Einspruch ausgeführt, wurde bereits vor geraumer Zeit behördlich bzw. rechtskräftig festgestellt, dass durch die Ausübung der Prosti­tution an der in Rede stehenden Örtlichkeit keine Übertretung des Pol.StG

(und auch keine andere Norm) verwirklicht ist:

 

Konkret handelt es sich hierbei um den Bescheid des Amtes der Oberösterrei­chischen Landesregierung vom 03.07.1989 zu Pol-4442/2-1989Z/S/Rei, mit dem - verkürzt ausgesagt - ausgesprochen wurde, dass ein Straftatbestand nach dem Oö. Pol. StG nur dann vorliegen kann, wenn eine Nutzung bzw. zur Ver­fügungstellung von Gebäuden zum Zwecke der Prostitution nach dem in Kraft treten der Novelle zum Oö. Pol. StG im Jahre 1985 erfolgte, wobei sich im ge­nannten Verwaltungsstrafverfahren (welches zur Einstellung gebracht wurde) ergeben hat, dass das an der Örtlichkeit X befindliche „X" erstmalig im November 1983 als Animierbetrieb geführt wurde - somit deutlich vor dem in Kraft treten der Novelle bzw. der novellierten Strafbestim­mungen.

 

Dieser Umstand steht auch der „Aufnahme" der in Rede stehenden Örtlichkeit in die im Straferkenntnis zitierte Verordnung der Stadt Linz vom 14.08.2008 ent­gegen.

 

Abgesehen davon ist das bezogene Straferkenntnis rechtswidrig, da es auf einer verfassungswidrigen Verordnung beruht, wozu ausgeführt wird wie folgt:

 

Im bezogenen Straferkenntnis wird die Verordnung der Stadt Linz vom 14.08.2008 zitiert. Gemäß § 1 Ziffer 5 dieser Verordnung ist die Anbahnung und Ausübung der Prostitution im Gebäude X verboten.

Die genannte Verordnung ist schon deshalb rechtswidrig, da sie jeglicher Be­gründung entbehrt. Darüber hinaus ist die „Aufnahme" der Liegenschaft X in diese „Verbots-Verordnung" rechtswidrig, da kein einzi­ger Grund, der die Gemeinde zur Verhängung einer solchen Verordnung nach § 2 Abs. 2 Oö. Pol. StG ermächtigt, auf der gegenständlichen Liegen­schaft verwirklicht ist:

1.      Eine Belästigung der Nachbarschaft (noch dazu in der vom Gesetz ge­forderten „unzumutbaren Weise") ist in keiner Weise ersichtlich.

2.      Gleiches gilt für eine allfällige Störung des öffentlichen Gemeinwesens.

3.      Auch sonstige öffentliche Interessen, wie Ruhe, Ordnung, Sicherheit und Jugendschutz sind in keiner Weise tangiert.

 

Alleine die „Aufnahme" der Liegenschaft X in die genannte Verordnung ist somit rechtswidrig, da die seitens des (einfachen) Gesetzgebers hierfür geschaffenen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

ich rege in diesem Zusammenhang ein vom Amts wegen einzuleitendes Ver-ordnungs-Prüfungs-Verfahren an.

 

Abschließend führe ich auch neuerlich ins Treffen, dass - für den ausdrücklich bestrittenen Fall, dass ich eine Verwaltungsübertretung begangen habe - zwi­schenzeitig die Verfolgungsverjährung eingetreten ist."

 

Abschließend stellt die Bw die Anträge, die Berufungsbehörde wolle das Straferkenntnis der LPD ersatzlos beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen sie zur Einstellung bringen; in eventu wolle das bezogene Straferkenntnis aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung/Entscheidung an die Behörde 1. Instanz zurückverwiesen werden.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem UVS des Landes Oberösterreich.

 

2.2.1. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

2.2.2. Mit E-Mail vom 12. November 2012 übermittelte der Magistrat Linz einen Amtsbericht vom 5. Mai 2004, worin die Grundlage und die Grunderwägungen betreffend die Aufnahme des in Rede stehenden Gebäudes in die ggst. Verordnung gemäß § 2 Abs. 2 Oö. PolStG enthalten sind.

 

Betreffend des in Rede stehenden Gebäudes sei demnach zu befürchten, "dass es neben der Störung des örtlichen Gemeinwesens auch zu einer Verletzung sonstiger öffentlicher Interessen, insbesondere solcher, der Sicherheit, kommt, zumal die Frauen dort fallweise auch ohne Gesundheitsbuch arbeiten."

 

2.2.3. Da im Verfahren der entscheidungswesentliche Sachverhalt – auch von der Bw nicht in Frage gestellt - feststand, im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, lediglich eine Rechtsfrage zu klären war und auch kein diesbezüglicher Parteienantrag gestellt wurde, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG verzichtet werden.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 des Oö. Polizeistrafgesetzes – Oö. PolStG, LGBl. Nr. 36/1979, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung LGBl. Nr. 77/2007, sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 1, 2 Abs. 3, 2a Abs. 5 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, Bei Übertretungen nach

a)      § 1 und 3 mit Geldstrafe bis 360 Euro,

b)      § 2a Abs. 5 mit Geldstrafe bis 7.200 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit    mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Wochen und nach

c)      § 2 Abs. 3 mit Geldstrafe bis 14.500 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit   mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen

zu bestrafen.  

 

Gemäß § 2 Abs. 3 lit e Oö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer einer Untersagung gemäß Abs. 1 oder 2 sowie einem Verbot gemäß Abs. 2 zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit ist die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution in der Nähe von Kirchen, Friedhöfen, Krankenanstalten, Schulen, Kindergärten, Kinder-Jugendspielplätzen Jugendheimen udgl. verboten. Überdies kann die Gemeinde die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden des Gemeindegebietes zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution durch Verordnung untersagen, wenn durch diese Tätigkeit

1.      die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt wird oder

2.      das örtliche Gemeindewesen gestört wird oder eine solche Störung zu      erwarten ist oder

3.      sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes verletzt werden oder eine solche     Verletzung zu erwarten ist.

 

Mit Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 17. april 2008 (Amtsblatt Nr. 12/2008) betreffend das Verbot der Nutzung bestimmter Gebäude zum Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution in der Fassung vom 14. August 2008 (Amtsblatt Nr. 17/2008) wurde gemäß § 1 Z. 4 leg. cit. ein entsprechendes Verbot für das Gebäude X erlassen.

 

3.2.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst die Tatsache, dass die Bw zur angegebenen Tatzeit am angegebenen Tatort die Prostitution ausübte, völlig unbestritten, weshalb sich eine nähere diesbezügliche Erörterung erübrigt.

 

Fraglich ist – wie in der Berufung thematisiert -, ob die Ausübung der Prostitution an der in Rede stehenden Adresse nicht legal war.

 

3.2.2. Zum Einen beruft sich die Bw darauf, dass die Ausübung der Prostitution an der angegebenen Adresse durch einen Bescheid der Landesregierung aus den 1980er-Jahren rechtlich gedeckt gewesen sei, da in einem damaligen Fall keine Strafe ausgesprochen worden sei.

 

Dazu ist aber anzumerken, dass die Aufnahme der Adresse X in die "Verbotsverordnung" des Stadtsenates erstmals im Jahr 2004 erfolgte, weshalb auf dieses Argument nicht näher eingegangen werden muss, da sich die Rechtsgrundlagen maßgeblich geändert hatten.

 

3.2.3. Wenn die Bw eine Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Verordnung erkennt, da sie ohne ausreichende Begründung erlassen worden sei, ist dem nicht zu folgen. Wie sich aus dem unter dem Punkt 2.2.2. dieses Erkenntnisses zitierten Amtsbericht ergibt, der als formale und materielle Begründung für die Aufnahme der Adresse X in die "Verbotsverordnung" anzuerkennen ist, bestanden sehr wohl Bedenken im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 1 bis 3 des Oö. PolStG. Diese Begründung reicht aber auch formalrechtlich jedenfalls aus, da die Erwägungsgründe nicht zwingend in einem Verordnungstext selbst enthalten sein müssen. Die Intention der Bw nach Verordnungsprüfung durch den Verfassungsgerichtshof kann somit nicht nachvollzogen werden.

 

3.2.4. Schlussendlich wendet die Bw Verfolgungsverjährung ein, übersieht dabei aber, dass die in Rede stehende Tat am 27. Juli 2010 begangen wurde und die entsprechende Strafverfügung (mit entsprechendem Tatvorwurf) am
22. November 2010, also jedenfalls innerhalb der vom VStG postulierten 6-Monatsfrist ergangen war (vgl. §§ 31 Abs. 1 und 2 sowie 32 Abs. 2 VStG).

 

Die objektive Tatseite ist somit grundsätzlich erfüllt.  

 

 

3.3.1. Das Oö. PolStG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

3.3.2. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Beschuldigter initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

3.3.3. Die Bw wendet im Grunde keinerlei Umstände ein, die an der Erfüllung der subjektiven Tatseite zweifeln ließen. Bestenfalls könnte man argumentieren, dass sie sich der Tatsache der Rechtswidrigkeit ihrer Handlungen nicht bewusst war. Unwissenheit schützt aber nicht davor, die subjektive Tatseite als gegeben anzusehen.

 

Die Bw hätte sich bei entsprechenden Erkundigungen leicht über die Rechtslage und das auf der in Rede stehenden Adresse liegende Prostitutionsverbot bei den Behörden in Kenntnis setzen können. Nachdem sie dies aber unterließ, liegt jedenfalls fahrlässiges Verhalten vor.

 

Im Sinne eines Ungehorsamsdelikts ist es ihr also keinesfalls gelungen darzulegen, inwieweit sie an der Tatbegehung kein Verschulden trifft.

 

3.3.4. Der belangten Behörde folgend ist somit vom Vorliegen auch der subjektiven Tatseite in Form zumindest fahrlässigen Verhaltens auszugehen.

 

3.4. Grundsätzlich lägen somit die Voraussetzungen für die Strafbarkeit des Verhaltens der Bw vor. Nun ist aber darauf hinzuweisen, dass mit Wirkung
29. September 2012 das Oö. Sexualdienstleistungsgesetz – Oö. SDLG, LGBl. Nr. 80/2012 in Kraft trat, worin die bislang im Oö. PolStG enthaltenen Bestimmungen betreffend die Anbahnung und Ausübung der Prostitution samt Strafbestimmungen geregelt werden.

 

Der in Rede stehende Bescheid datiert vom 19. Oktober 2012, also von einem Zeitpunkt nach dem In-Krafttreten der neuen Regelungen.

 

3.4.2. In diesem Zusammenhang ist sohin auf § 1 Abs. 2 VStG Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

 

3.4.3. War noch in § 10 Abs. 1 lit c PolStG für Übertretungen nach § 2 Abs. 3 leg. cit. eine Geldstrafe bis zu 14.500 Euro sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu 6 Wochen vorgesehen, so fehlt dieser oder ein korrelierender Straftatbestand in der nunmehrigen Strafnorm des § 17 Oö. SDLG gänzlich.

 

Gemäß § 19 Abs. 3 Oö. SDLG gelten zwar die aufgrund § 2 Abs. 2 Oö. PolStG erlassenen Verordnungen nach § 3 Abs 4 Oö. SDLG, jedoch richtet sich letztere Bestimmung nur an die Gemeinden, findet aber keine Entsprechung in einer Strafnorm.

 

3.4.4. § 17 Abs. 3 Z. 3 iVm. Abs. 4 Oö. SDLG normiert eine Geldstrafe von bis zu 5.000 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 2 Wochen, dies allerdings für Übertretungen des § 3 Abs. 3. Dieser nennt etwa unter Z. 2 das Verbot der Ausübung der Sexualdienstleistung außerhalb behördlich bewilligter Bordelle und außerhalb von Hausbesuchen. Dieser Tatbestand wäre im vorliegenden Fall einschlägig.

 

Nachdem aber der Tatvorwurf weder im Verfahren noch im angefochtenen Strafbescheid auf die Tatbestandselemente Bezug nehmen, sondern vielmehr der Verstoß gegen die Verordnung des Stadtsenates als deliktsauslösend geahndet wurde, ist im Sinne des § 44a VStG eine nachträgliche Spruchkorrektur nicht zulässig.

 

3.4.5. Im Ergebnis bedeutet dies aber, dass – gestützt auf § 1 Abs. 2 VStG – die für die Bw günstigere Strafnorm anzuwenden ist. Da das Oö. SDLG die vorgeworfene Tat nicht unter Strafe stellt, ist dieses Gesetz fraglos als günstigere Norm anzusehen.

 

3.5. Es war somit der Berufung im Ergebnis stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

 

 

4. Gemäß § 64ff. VStG war der Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS des Landes Oö aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

 

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