Linz, 13.11.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, geb. X, StA von Ungarn, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. Oktober 2012, GZ.: S-40.430/10-2, wegen einer Übertretung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz zu Recht erkannt:
I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
zu I.: §§ 1, Abs. 2, 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II.: § 64ff. VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. Oktober 2012, GZ.: S-40.430/10-2, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) gemäß § 2 Abs. 3 lit. e Oö.Pol.StG eine Geldstrafe in der Höhe von 360,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt. Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:
1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 25. Oktober 2012, welche die Bw wie folgt begründet:
Abschließend stellt die Bw die Anträge, die Berufungsbehörde wolle das Straferkenntnis der LPD OÖ ersatzlos beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen sie zur Einstellung bringen; in eventu wolle das bezogene Straferkenntnis aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung/Entscheidung an die Behörde 1. Instanz zurückverwiesen werden.
2.1. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem UVS des Landes Oberösterreich.
2.2.1. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.
2.2.2. Mit E-Mail vom 12. November 2012 übermittelte der Magistrat Linz einen Amtsbericht vom 5. Mai 2004, worin die Grundlage und die Grunderwägungen betreffend die Aufnahme des in Rede stehenden Gebäudes in die ggst. Verordnung gemäß § 2 Abs. 2 Oö. PolStG enthalten sind.
Betreffend des in Rede stehenden Gebäudes sei demnach zu befürchten, "dass es neben der Störung des örtlichen Gemeinwesens auch zu einer Verletzung sonstiger öffentlicher Interessen, insbesondere solcher, der Sicherheit, kommt, zumal die Frauen dort fallweise auch ohne Gesundheitsbuch arbeiten."
2.2.3. Da im Verfahren der entscheidungswesentliche Sachverhalt – auch von der Bw nicht in Frage gestellt - feststand, im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, lediglich eine Rechtsfrage zu klären war und auch kein diesbezüglicher Parteienantrag gestellt wurde, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG verzichtet werden.
2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.
2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).
3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:
22. November 2010, also jedenfalls innerhalb der vom VStG postulierten 6-Monatsfrist ergangen war (vgl. §§ 31 Abs. 1 und 2 sowie 32 Abs. 2 VStG).
3.3.1. Das Oö. PolStG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).
3.3.2. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Beschuldigter initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.
3.3.3. Die Bw wendet im Grunde keinerlei Umstände ein, die an der Erfüllung der subjektiven Tatseite zweifeln ließen. Bestenfalls könnte man argumentieren, dass sie sich der Tatsache der Rechtswidrigkeit ihrer Handlungen nicht bewusst war. Unwissenheit schützt aber nicht davor, die subjektive Tatseite als gegeben anzusehen.
Die Bw hätte sich bei entsprechenden Erkundigungen leicht über die Rechtslage und das auf der in Rede stehenden Adresse liegende Prostitutionsverbot bei den Behörden in Kenntnis setzen können. Nachdem sie dies aber unterließ, liegt jedenfalls fahrlässiges Verhalten vor.
Im Sinne eines Ungehorsamsdelikts ist es ihr also keinesfalls gelungen darzulegen, inwieweit sie an der Tatbegehung kein Verschulden trifft.
3.3.4. Der belangten Behörde folgend ist somit vom Vorliegen auch der subjektiven Tatseite in Form zumindest fahrlässigen Verhaltens auszugehen.
3.4. Grundsätzlich lägen somit die Voraussetzungen für die Strafbarkeit des Verhaltens der Bw vor. Nun ist aber darauf hinzuweisen, dass mit Wirkung
29. September 2012 das Oö. Sexualdienstleistungsgesetz – Oö. SDLG, LGBl. Nr. 80/2012 in Kraft trat, worin die bislang im Oö. PolStG enthaltenen Bestimmungen betreffend die Anbahnung und Ausübung der Prostitution samt Strafbestimmungen geregelt werden.
Der in Rede stehende Bescheid datiert vom 19. Oktober 2012, also von einem Zeitpunkt nach dem In-Krafttreten der neuen Regelungen.
3.4.2. In diesem Zusammenhang ist sohin auf § 1 Abs. 2 VStG Bedacht zu nehmen.
Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.
3.4.3. War noch in § 10 Abs. 1 lit c PolStG für Übertretungen nach § 2 Abs. 3 leg. cit. eine Geldstrafe bis zu 14.500 Euro sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu 6 Wochen vorgesehen, so fehlt dieser oder ein korrelierender Straftatbestand in der nunmehrigen Strafnorm des § 17 Oö. SDLG gänzlich.
Gemäß § 19 Abs. 3 Oö. SDLG gelten zwar die aufgrund § 2 Abs. 2 Oö. PolStG erlassenen Verordnungen nach § 3 Abs 4 Oö. SDLG, jedoch richtet sich letztere Bestimmung nur an die Gemeinden, findet aber keine Entsprechung in einer Strafnorm.
3.4.4. § 17 Abs. 3 Z. 3 iVm. Abs. 4 Oö. SDLG normiert eine Geldstrafe von bis zu 5.000 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 2 Wochen, dies allerdings für Übertretungen des § 3 Abs. 3. Dieser nennt etwa unter Z. 2 das Verbot der Ausübung der Sexualdienstleistung außerhalb behördlich bewilligter Bordelle und außerhalb von Hausbesuchen. Dieser Tatbestand wäre im vorliegenden Fall einschlägig.
Nachdem aber der Tatvorwurf weder im Verfahren noch im angefochtenen Strafbescheid auf die Tatbestandselemente Bezug nehmen, sondern vielmehr der Verstoß gegen die Verordnung des Stadtsenates als deliktsauslösend geahndet wurde, ist im Sinne des § 44a VStG eine nachträgliche Spruchkorrektur nicht zulässig.
3.4.5. Im Ergebnis bedeutet dies aber, dass – gestützt auf § 1 Abs. 2 VStG – die für die Bw günstigere Strafnorm anzuwenden ist. Da das Oö. SDLG die vorgeworfene Tat nicht unter Strafe stellt, ist dieses Gesetz fraglos als günstigere Norm anzusehen.
3.5. Es war somit der Berufung im Ergebnis stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
4. Gemäß § 64ff. VStG war der Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS des Landes Oö aufzuerlegen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Bernhard Pree