Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730248/4/Sr/ER

Linz, 05.11.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, StA des Libanon, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 20. Juli 2009, Zl.: 1050669/FRB, betreffend die Verhängung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 Entscheidungsgründe

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz (nunmehr: Landespolizeidirektor für Oberösterreich; im Folgenden: belangte Behörde) vom 20. Juli 2009,
Zl.: 1050669/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 86 Abs. 1, 87 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Dabei führte die belangte Behörde in ihrer Begründung wie folgt aus:

 

"Dem Fremdenakt kann entnommen werden, dass Sie erstmals am 28.09.2004 nach Österreich eingereist sind und am selben Tag einen Asylantrag gestellt haben. Dieses Asylverfahren wurde mit Wirkung vom 11.05.2005 rechtskräftig negativ abgeschlossen. Am 16.01.2006 ehelichten Sie die österreichische Staatsangehörige X (Standesamt X; Ehebuch Nr. X/2006).

In weiterer Folge kehrten Sie - laut Ihren eigenen Angaben zufolge - in Ihr Heimatland zurück um von dort einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu stellen (in Österreich waren Sie bis 18.04.2006 polizeilich gemeldet).

Am 19.03.2007 reisten Sie schließlich schlepperunterstützt illegal wieder nach Österreich ein, um hier einen zweiten Asylantrag zu stellen. Bei Ihrer Asylersteinvernahme gaben Sie an, dass Sie zu X schon lange keinen Kontakt mehr hatten und, dass Sie in Scheidung leben würden.

Die Ehe mit X wurde vom Beschluss des BG T (1C 149/07x-9) mit Wirkung vom 08.02.2008 geschieden.

 

Am 29.03.2008 ehelichten Sie die österreichische Staatsbürgerin X (Standesamt X, Ehebuch Nr. X/2008).

Am 14.11.2008 kehrten Sie freiwillig in Ihr Heimatland zurück, weshalb Ihr Asylantrag als gegenstandlos abgelegt wurde.

Am 08.01.2009 wurde Ihnen vom Magistrat Linz ein Aufenthaltstitel - Familienangehöriger -gültig bis 07.01.2010 erteilt.

 

Am 15.06.2009 wurden Sie vom Landesgericht Linz unter der Zahl 27 Hv 79/09h wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 4. Fall und Abs. 2 Z. 3 SMG sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. und 6. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt."

 

Bezüglich dieser Verurteilung führt die belangte Behörde aus, dass

 

"B) Sie vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einem verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres (in der Folge: VE) angeboten haben, wobei Sie diese Straftat in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) begingen, indem Sie

1.) am 23.03.2009 in X dem VE erzählten, dass Sie und Ihr Partner über jede Menge Kokain von bester Qualität verfügen, welches einen Reinheitsgehalt von ca. 80% habe und regelmäßig geliefert werden könne, wobei der Grammpreis € 65,- betrage, und dem VE in der Folge anboten, dass dieser am 24.03.2009 gegen 16 Uhr eine Kokainprobe bekomme und, falls er mit der Qualität zufrieden sei, ca. 2 - 3 Stunden später ein Kilogramm Kokain zum Preis von € 65.000,- kaufen könne;

2.) am 24.03.2009 gegen 10:23 Uhr dem VE telefonisch mitgeteilt haben, dass dieser heute nur eine Probe erhalten werde und die Übergabe von einem Kilogramm Kokain am 26.03.2009 stattfinden soll;

3.) am 24.03.2009 gegen 11:15 Uhr dem VE telefonisch mitteilten, dass Ihre Partner nach telefonischer Rücksprache mit Ihnen ein Geschäft über vorerst 300 Gramm Kokain angeboten haben und die Übergabe der 700 Gramm Kokain für den 26.03.2009 geplant sei;

4.) am 24.03.2009 in Linz zwischen 17:30 Uhr und 18:05 Uhr dem VE als Folgegeschäft am 26.03.2009 statt 700 Gramm ein Kilogramm Kokain zum Kauf anboten;

 

C.) vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einem anderen überlassen oder verschafft haben, nämlich aus der im Anklagepunkt A.) II.) nach Österreich eingeschmuggelten Menge

I.) betrifft ausschließlich X und X;

II.) X, X und Sie am 24.03.2009 in Linz dem VE insgesamt 299,3 Gramm Kokain (enthaltend 8082 Gramm Reinsubstanz) zum Grammpreis von € 60,- verkauft und übergeben haben, und zwar:

1.) zunächst 0,5 Gramm Kokain (enthaltend 0,14 Gramm Reinsubstanz; 28,4%) zur Probe und

2.) in der Folge 298,8 Gramm Kokain (enthaltend 80,68 Gramm Reinsubstanz; 27%).

 

[...]

 

Weiters scheinen ho. über Sie zahlreiche verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen auf."

 

Zu seinen Privat- und Familienverhältnissen befragt, habe der Bw angegeben, dass aufgrund seiner

"familiären, gesellschaftlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Verankerung in Österreich keine aktuelle Gefährdung von öffentlichen Interessen vorliegen würde, welche ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen könnte.

So seien Sie seit 29.03.2008 mit Ihrer Ehegattin X, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitz, glücklich verheiratet. Sie leben gemeinsam in X. Es würde auch ein intensiver Kontakt zu den Eltern Ihrer Frau bestehen, da diese ebenfalls in einer Wohnung in der X leben.

Sie hätten bereits diverse Deutsch-Kurse besucht und nach intensiver Vorbereitung die Deutsch-Prüfung am 07.06.2008 positiv abgelegt. Die Kurse hätten Sie bereits als Asylwerber besucht.

Weiters geben Sie an, dass Sie bisher das freie Handels-Gewerbe ausgeübt hätten. Für die Zukunft würde die Möglichkeit bestehen, als Verkäufer in einem Handy-Shop zu arbeiten. Ihre Ehegattin ist bei der X angestellt und bezieht ein Monatsbruttoeinkommen iHv € 1.564,25 (16x jährlich). Zusätzlich betreibt sie als Einzelunternehmerin einen Damensalon in X. Sie und ihre Gattin hätten sich damit eine gesunde wirtschaftliche Basis geschaffen.

Zu Ihrer Verurteilung geben Sie an, dass es durch äußerst unglückliche Umstände zu dieser Verurteilung gekommen sei. Bei einem Weiterbildungsseminar hätte Sie ein anderer Seminarteilnehmer, der Ihnen bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war, zu einer unüberlegten Handlung verleitet, welche schließlich Gegenstand der Verurteilung war. Sie wären bisher unbescholten gewesen.

Ferner geben Sie an, dass bei Ihnen eine beträchtliche Aufenthaltsverfestigung und Verankerung in X vorliegen würde. Demgegenüber würde die Verurteilung weniger schwer wiegen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wäre unter Berücksichtigung des Schutzes des Privat- und Familienlebens unzulässig, da Ihr Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit nicht gefährden würde. Abschließend weisen sie darauf hin, dass das Vollzugsgericht Ihre bedingte vorzeitige Entlassung bewilligt hätte."

 

In ihrer rechtlichen Beurteilung führt die belangte Behörde Folgendes aus:

 

"Wie bereits eingangs angeführt, wurden Sie vom Landesgericht Linz wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten, rechtskräftig verurteilt, weshalb die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG zweifellos gegeben sind.

 

Nach der seit 01.01.2006 durch das Inkrafttreten des FPG 2005 geltenden Rechtslage muss jedoch das persönliche Verhalten des Familienangehörigen über die Gefährdung der öffentlichen Ordnung hinaus eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Maßgeblich ist somit nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist daher zu prüfen, ob davon ausgegangen werden kann, dass Sie sich hinkünftig rechtskonform verhalten werden. Dabei sind die Umstände der von Ihnen begangenen Taten zu beleuchten.

Wie bereits oben ausführlichst beschrieben, haben Sie im März 2009 einer anderen Person (welche in Wahrheit ein verdeckter Ermittler des Innenministeriums war) Kokain, in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, zum Verkauf angeboten. Nach Übergabe einer Probe von 0,5 Gramm Kokain, teilte Ihnen der VE mit, dass er mit der Qualität des Kokains zufrieden sei, weshalb Sie Ihre „Partner" verständigten und ein Übergabeort vereinbart wurde. Bei der Übergabe des Kokains durch X an den VE wurden Sie und die weiteren Mittäter festgenommen.

 

Sowohl das Ausmaß der über Sie, als Ersttäter, verhängten Strafe, als auch die Art der von Ihnen gesetzten Delikte lässt Ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet als eine Gefahr für die Öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erscheinen.

Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse (an der Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit) in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiegt, als das private Interesse des Fremden. Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte, ganz gleich in welcher Form, ist schon deshalb dringend geboten, da der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft und hier wiederum vor allem bei Jugendlichen, führt.

Außerdem nimmt die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Suchtgiftkriminalität bereits Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führen.

Nicht zuletzt bezeichnet auch der EuGH Suchtgifte als „Geißel der Menschheit".

 

Die Suchtgiftkriminalität ufert bereits mit besorgniserregenden Wachstumsraten immer

mehr zu einem gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor aus, dessen wirksame

Bekämpfung gerade aus der Sicht seiner grenzüberschreitenden Intensivierung auf

immer größere Schwierigkeiten stößt.            i

Dass notorischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen und Risken, die mit Suchtgiftmissbrauch regelmäßig verbunden sind, hinreichend Anlass zu konsequenter Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten bieten, bedarf ebenso wenig einer weiterreichenden Erörterung, wie die Abhängigkeit der präventiven Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen vom Gewicht ihrer Täterbelastung und ihrem Bekanntheitsgrad in potentiellen Täterkreisen.

Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft, und hier vor allem wiederum der Jugendlichen, die diesen Gefahren auf Grund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt sind, ist eine derartige Maßnahme dringend erforderlich.

 

All dies rechtfertigt nach ha. Ansicht die Annahme, dass Ihr oben ausführlich beschriebenes persönliches kriminelles Verhalten auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, nämlich das Grundinteresse an der Verhinderung und Bekämpfung der besonders gefährlichen Suchtgiftkriminalität und der Kriminalität überhaupt, weshalb die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes auch nach den Bestimmungen des § 86 Abs. 1 FPG i.V.m. § 87 FPG zulässig scheint.

 

Wenn Sie in Ihrer Stellungnahme angeben, dass die Erlassung des gegenständliche Aufenthaltsverbot nicht gerechtfertigt scheint, da u.a. das Vollzugsgericht Ihrer vorzeitig bedingten Entlassung zugestimmt hätte, so ist dem entgegen zu halten, dass die Fremdenbehörden die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von dem die Strafbemessung und die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremden rechtes zu beurteilen haben (Erkenntnis des VwGH vom 20.06.2002, ZI. 2002/18/0180 und die darin zitierte Judikatur des VwGH).

 

Darüber hinaus ist die verfahrensgegenständliche Maßnahme jedoch unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und des gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Grundrechts auf den Schutz des Privat- und Familienlebens zu beurteilen."

 

Bezugnehmend auf die Einreisemodalitäten des Bw und die von der belangten Behörde angenommene fehlende berufliche Integration kommt die belangte Behörde zum Schluss, dass die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Bw zu kurz sei, um von einer umfassenden Integration ausgehen zu können. Insbesondere sei ihm - in Anbetracht seines strafbaren Gesamtfehlverhaltens - die Integration in sozialer Hinsicht völlig abzusprechen. Daran könne auch die Tatsache, dass der Bw die deutsche Sprache offensichtlich gut beherrsche, nichts ändern.

 

Weiters führt die belangte Behörde aus:

"Aufgrund der Tatsache, dass Sie hier gemeinsam mit Ihrer Ehegattin leben und Sie offensichtlich auch zu Ihren Schwiegereltern einen intensiven Kontakt pflegen, mag die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes mit einem nicht unwesentlichen Eingriff in Ihr Privat- und Familienleben verbunden sein. Dieser Eingriff relativiert sich jedoch dahingehend, dass es nicht einmal Ihrer Ehegattin bzw. deren Eltern gelungen ist, Sie davon abzuhalten in gravierender Form straffällig zu werden.

Wenn Sie in Ihrer Stellungnahme angeben, dass Ihr Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, indem Sie sich Ihres Aufenthaltes in Österreich sicher sein konnten, so ist dem entgegen zu halten, dass Sie Ihre Ehegattin während Ihres zweiten Asylverfahrens geheiratet haben. Zu diesem Zeitpunkt konnten Sie jedoch nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass Ihrem Asylantrag stattgegeben werden wird, zumal bereits über Ihren ersten Asylantrag negativ abgesprochen worden war. Auch waren Sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitel.

Wenn Sie in Ihrer Stellungnahme angeben, dass keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrecht vorliegen, so ist dem entgegen zu halten, dass ho. eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung nach § 31 i.V.m. § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG vom 13.03.2006 aufscheint.

 

Da Sie den Großteil Ihres Lebens im Libanon verbracht haben, und sich - laut Ihren eigenen Angaben im Zuge Ihres zweiten Asylverfahren - sowohl Ihre Eitern, als auch Ihre 7 Geschwister nach wie vor im Libanon aufhalten, verlieren Ihre Angaben Sie hätten zu Ihrem Heimatstaat keinen Bezug mehr, jede Glaubwürdigkeit.

 

Ihrer Behauptung, durch Ihr strafbares Verhalten sei das öffentliche Sicherheitsinteresse allenfalls im geringen Umfang beeinträchtigt, ist entgegen zu halten, dass vor allem im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die dieser innewohnenden Wiederholungsgefahr sehr wohl davon ausgegangen werden kann, dass das öffentliche Sicherheitsinteresse in großem Ausmaß beeinträchtigt wurde (siehe etwa Erkenntnis des VwGH vom 18.05.2006, ZI. 2005/18/0719).

 

Zusammenfassend ist nach ho. Ansicht die Annahme gerechtfertigt, dass auf Grund Ihres bisherigen Verhaltens - im Hinblick auf die für Ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose - die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wiegen würden, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf Ihre Lebenssituation.

 

Das gegenständliche Aufenthaltsverbot ist daher auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK -unter besonderer Berücksichtigung des § 66 Abs. 2 und 3 FPG 2005 - erforderlich um das hohe Schutzinteresse des Staates an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter zu wahren."

 

Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist nach § 63 Abs. 2 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen.

 

Die belangte Behörde schließt ihre Begründung mit Erwägungen zur Gültigkeitsdauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbots.

 

1.2. Gegen diesen, am 22. Juli 2009 zugestellten, Bescheid erhob der Bw per Fax am 5. August 2009 – und damit rechtzeitig – Berufung.

 

Darin gibt der Bw im Wesentlichen an, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, Feststellungen zu den Lebensumständen des Bw zu treffen. Der Bw hält fest, mit seiner Frau seit 29. März 2008 glücklich verheiratet zu sein und gemeinsam mit den Schwiegereltern in einer näher bezeichneten Wohnung zu leben. Ferner gibt er an, am 7. Juli 2008 eine nicht näher bezeichnete Deutschprüfung abgelegt zu haben. Zum Familieneinkommen gibt der Bw an, dass seine Frau ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 1.564,25 (16 Mal jährlich) ins Verdienen bringe.

    

Betreffend die rechtliche Beurteilung rügt der Bw, dass die belangte Behörde in der Prognoseentscheidung ausschließlich auf die strafrechtliche Verurteilung Bezug genommen habe. Für Prognoseentscheidung seien aber nicht nur die Umstände der begangenen Taten zu beleuchten; die jüngere Rechtsprechung anerkenne die Notwendigkeit einer umfassenden Betrachtung aller Lebensumstände des Fremden und halte eine Aufenthaltsbeendigung bei umfassender Sozialintegration des Betroffenen nicht für dringend geboten.

Diese umfassende Betrachtung aller Lebensumstände habe die Erstbehörde nicht vorgenommen.

Der Bw habe das Haftübel erstmals verspürt, es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass ihn diese Haftstrafe von weiteren strafbaren Handlungen abhalten werde. Diese positive Zukunftsprognose werde auch dadurch dokumentiert, dass der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe lediglich sechs Monate betragen hat und bereits nach Verbüßen eines Teils von vier Monaten der Rest der Strafe von zwei Monaten bedingt nachgesehen worden sei.

Außerdem sei festzuhalten, dass durch die Aufenthaltsbeendigung ein nicht wieder zu gutmachender Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw vorgenommen werden würde.

Die Abwägung der Straftat des Bw und dem Eingriff in das Familienleben des Bw könne nur zum Ergebnis führen, dass ein Aufenthaltsverbot unzulässig sei.

Abschließend stellt der Bw den Antrag, der Berufung Folge zu geben und den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. Juli 2009 aufzuheben.

 

Mit Schriftsatz vom 12. August 2009 legte der Bw einen Dienstvertrag vor und ein handschriftliches Schreiben seiner Ehefrau, in dem sie die Familienverhältnisse und ihre enge Bindung zwischen ihr und dem Bw darlegt.

Mit Schriftsatz vom 9. März 2011 legte der Bw die Geburtsurkunde seiner Tochter, geboren am X, vor und gab an, nach wie vor mit seiner Ehefrau verheiratet zu sein.

Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2011 legte der Bw einen Arbeitsvertrag und Lohnzettel vor.

Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2012 teilte der Bw mit, dass er unverändert mit seiner Ehefrau verheiratet sei und mit dem gemeinsamen Kind im gemeinsamen Haushalt lebe. Das Dienstverhältnis des Bw sei aufgrund des Konkursverfahrens seines Dienstgebers beendet worden, was er durch Urkundenvorlage belegt. Weiters legt der Bw ärztliche Bestätigungen vor, aus denen hervor geht, dass die Ehefrau des Bw an Rheuma leide und nicht in der Lage sei, einer Arbeit nachzugehen. Diesbezüglich legt der Bw ua. einen Mietvertrag für einen Rollstuhl vor. Weiters bringt er vor, vom AMS darüber informiert worden zu sein, dass er aufgrund des Aufenthaltsverbots derzeit nicht vermittelbar sei.

Der Bw legt ein Diplom über die am 9. Oktober 2012 bestandene Deutschprüfung auf Niveau B1 vor. Er gibt ferner an, sich seit seiner Enthaftung bis dato wohl verhalten zu haben.

 

2.1. Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung in Verbindung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ergibt sich, dass der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, die ergänzend vorgelegten Unterlagen des Bw, einen aktuellen Melderegisterauszug und aktuelle Auszüge aus dem Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem.

 

2.2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 65b des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 112/2011 unterliegen Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z. 12) der Visumpflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs. 2, 66, 67 und 70 Abs. 3 FPG.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG ist Familienangehöriger: wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, die Drittstaatsangehörige sind.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist § 65b FPG einschlägig, da der Bw Ehegatte einer österreichischen Staatsangehörigen ist. Ausschlaggebend ist dabei, wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt zweifelsfrei ergibt, dass die offensichtlich gültig geschlossene Ehe bislang nicht geschieden wurde.

 

Die Verhängung von Aufenthaltsverboten gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ist in § 67 FPG geregelt, der durch § 65b FPG als anwendbar erklärt wird.

 

3.2.1. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. [...]

 

3.2.2. Es ist – im Hinblick auf die oa. Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich zu gefährden, wobei diese Tatbestandselemente zur Rechtfertigung eines Aufenthaltsverbots kumulativ vorliegen müssen. Um dies beurteilen zu können, ist es in der Folge erforderlich, die unbestimmten Gesetzesbegriffe "tatsächlich", "gegenwärtig" und "erheblich" ihrem Wortsinn nach auszulegen.

 

Durch den Begriff "tatsächlich" wird ausgedrückt, dass die Gefahr de facto vorliegen muss. Gegenwärtigkeit setzt in diesem Zusammenhang voraus, dass das Verhalten des Bw nicht bloß in der Vergangenheit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dargestellt hat, sondern, dass sich diese bis in die Gegenwart auswirkt und andauert. "Erheblich" erfordert, dass die Gefährdung außergewöhnlich, also nicht einer Durchschnittsbetrachtung entsprechend, gegeben sein muss.

 

3.2.3. Im vorliegenden Fall wird das von der belangten Behörde erlassene Aufenthaltsverbot auf ein vom Bw begangenes Delikt gestützt, das mittlerweile mehr als dreieinhalb Jahre zurück liegt. Der Bw wurde diesbezüglich zu einer teilbedingten Haftstrafe verurteilt, wobei aus dem Verwaltungsakt ersichtlich ist, dass er vorzeitig aus der Haft entlassen wurde.

Aus dem Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem ist ersichtlich, dass die og. Verurteilung die einzige gerichtliche Verurteilung des Bw ist und er sich seither wohl verhalten hat.

 

Auch wenn nicht übersehen werden darf, dass gerade im Bereich von Suchtgiftdelikten ein entsprechend ausgedehnter Zeitraum des nachträglichen Wohlverhaltens erforderlich ist, da hier ein besonders hoher Grad an Rückfälligkeit zu verzeichnen ist, muss nicht zuletzt aufgrund der Urteilsbegründung festgestellt werden, dass der Bw vor Begehung der og. Tat – und, wie oben dargelegt, offensichtlich auch danach – nicht in Kontakt mit der Suchtmittelszene gestanden ist und abgesehen von der og. Verurteilung nicht gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen hat und auch nicht wegen anderer Delikte gerichtlich verurteilt wurde. Aus derzeitiger Sicht kann daher nicht per se davon ausgegangen werden, dass das ursprünglich gegebene Gefährdungspotential weiterhin aufrecht besteht.

 

Diesbezüglich mangelt es also in Hinblick auf § 67 Abs. 1 FPG – unter Heranziehung der oben getroffenen Begriffsbestimmungen – sowohl am tatsächlichen Vorliegen, als auch an der Gegenwärtigkeit und am wirksamen Andauern der dadurch entstandenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bzw. deren erheblicher Gefährdung.

Das gegenständliche Aufenthaltsverbot stützt sich zudem ausschließlich auf eine einmalige Verurteilung. § 67 Abs. 1 FPG regelt hingegen explizit, dass strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können und dass vom Einzelfall gelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen nicht zulässig sind.

In ihrer Begründung verweist die belangte Behörde auf die Umstände, die zur Verurteilung des Bw geführt haben und begründet ihre Gefährdungsprognose ausschließlich mit allgemeinen Ausführungen zur Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, ohne explizit auf das Verhalten des Bw Bezug zu nehmen. Aus der Begründung geht nicht hervor, welche Überlegungen die Behörde dazu veranlasst haben, von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Bw auszugehen. Da aus der Begründung kein Bezug zu einer aktuellen Gefährdung durch den Bw hergestellt werden kann, ist dem gegenständlichen Aufenthaltsverbot wohl ein generalpräventiver Charakter nicht abzusprechen.

 

3.2.4. Somit ist festzuhalten, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 67 Abs. 1 FPG zur Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes schon dem Grunde nach nicht vorliegen.  

 

4. Selbst wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 67 Abs. 1 FPG zur Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbots noch vorlägen, wäre zu prüfen, ob ein Aufenthaltsverbot einen Eingriff in das gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs gerechtfertigt wäre.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Nach § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der       bisherige         Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.         der Grad der Integration;

5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des     Asyl-   Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem            Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

Mit rund acht Jahren Dauer kann der Bw auf einen relativ langen Aufenthalt in Österreich verweisen, wobei sich der Bw seit 8. Jänner 2009 aufgrund seines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger – bzw. derzeit aufgrund eines rechtzeitig gestellten Antrags auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels –rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird jedoch angesichts der ständigen Judikatur des VwGH dadurch gemindert, als der Aufenthalt des Bw während des Asylverfahrens nur aufgrund eines Antrages, welcher sich letztendlich als unberechtigt erwiesen hat, temporär berechtigt war. Dem Bw musste bewusst sein, dass er ein Privatleben während eines Zeitraumes, in dem er einen "unsicheren" Aufenthaltsstatus hatte, geschaffen hat, (vgl. etwa Erkenntnis vom 08.11.2006, Zahl 2006/18/0344 sowie Zahl 2006/18/0226 ua.). Er durfte nicht von vornherein damit rechnen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

Im Hinblick auf den mehrjährigen Aufenthalt in Österreich ist im Besonderen auf die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen. Wie folgt wiedergegeben, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, GZ 2009/21/0348, einer sozialen Integration, obwohl sie in einem Zeitraum entstanden ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen:

 

Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (E. vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; E. vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; E. des VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, Rodrigues da Silva und Hoogkaamer gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Der EGMR stellt in den angesprochenen Urteilen darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK (vgl.: E vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, E. vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086). In diesem Sinn ist nach der Z. 8 des § 66 Abs. 2 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2010/22/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Sachlage eines knapp über 10 Jahre bestehenden Aufenthaltes dem persönlichen Interesse des Fremden am Verbleib in Österreich ein solches Gewicht beigemessen, dass eine Ausweisung unzulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei wie folgt ausgeführt:

 

Der Beschwerdeführer verweist auf seine Erwerbstätigkeit und darauf, dass er sich während seines Aufenthaltes in Österreich "in privater Hinsicht sehr gut integriert" habe. Die belangte Behörde hob zwar zu Recht hervor, dass dem Beschwerdeführer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages die Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er somit nicht mit einem legalen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Sie ist auch darin im Recht, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. für viele etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 2010, 2008/22/0688). Dementsprechend haben Fremde nach Abweisung ihres Asylantrages grundsätzlich den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herzustellen. Demgegenüber vermag der Beschwerdeführer jedoch einen bereits über zehnjährigen Aufenthalt in Österreich für sich ins Treffen zu führen und es stellte die belangte Behörde auch fest, dass er erwerbstätig ist. Diese Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Ausweisung unverhältnismäßig erscheint (vgl. zu ähnlichen Fällen etwa die E. vom 26. August 2010, 2010/21/0206 und 2010/21/0009).

 

Mit rund acht Jahren Dauer kann der Bw auf einen langen Aufenthalt in Österreich verweisen. Bezüglich des von der belangten Behörde ins Treffen geführten unsicheren Aufenthalts des Bw zum Zeitpunkt des Entstehens des Privatlebens ist insbesondere auf die oben zitierte jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 Z.2 FPG ist bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen, ob tatsächlich ein Familienleben besteht.

 

Der Bw ist seit 29. März 2008 – also seit etwa viereinhalb Jahren – mit seiner Gattin, einer österreichischen Staatsbürgerin, verheiratet. Am X kam das gemeinsame Kind zur Welt. Das Kind ist österreichische Staatsangehörige. Der Bw lebt mit seiner Ehefrau und seiner Tochter an gemeinsamer Adresse. Es steht somit zweifelsfrei fest, dass tatsächlich ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK besteht.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0420-9 Fall festgestellt hat, ist auch die Lebenssituation der – nach einer allfälligen Ausreise des Bw – in Österreich verbleibenden Familie zu berücksichtigen. Abgesehen vom Recht des Kindes, persönlichen Kontakt zum Vater zu pflegen, würde durch die Ausreise des Bw in das Interesse der Ehefrau an Unterstützung - sowohl finanzieller als auch persönlicher Natur – durch den Ehemann erheblich eingegriffen. Dies insbesondere in Anbetracht der erheblichen Erkrankung der Ehefrau des Bw, die offensichtlich auf seine Unterstützung angewiesen ist, zumal sie aufgrund dieser Erkrankung derzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann.

 

Es kann dem Bw wohl nach einem rund achtjährigen Aufenthalt ein hohes Maß an Integration zugemessen werden. Dafür sprechen auch die vom Bw glaubhaft vorgebrachten, mittels Zertifikat dokumentierten Deutschkenntnisse auf Niveau "B1".

 

Weiters genießt im vorliegenden Fall die soziale Integration einen hohen Stellenwert. Belegt ist dies durch die frühere Erwerbstätigkeit des Bw. Dass er unverschuldet, aufgrund des Konkurses seines ehemaligen Arbeitgebers, seinen Arbeitsplatz verloren hat und ihm vom AMS mitgeteilt wurde, dass er aufgrund des gegenständlichen Aufenthaltsverbots derzeit nicht vermittelbar sei, vermag seine berufliche Integration nicht zu schmälern.

 

Nach dem in Rede stehenden Zeitraum ist durchaus nachvollziehbar, dass die Bindung an den Heimatstaat keine relevante Ausprägung mehr erreicht. Demgegenüber ist nicht unerheblich, dass der Bw 22 Jahre im Libanon gelebt hat. Die Tatsache, dass seine Kernfamilie aus österreichischen Staatsbürgern besteht, denen aufgrund ihrer Verwurzelung in Österreich eine Integration im Libanon, einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen und mit dessen Kultur sie nicht vertraut sind, nicht zugemutet werden kann, lässt allfällige noch bestehende Kontakte des Bw zu Personen in seinem Herkunftsstaat im Rahmen der Interessenabwägung als nicht relevant erscheinen. Ein Familienleben ist der Kernfamilie des Bw nur in Österreich zumutbar.

 

Gemäß der oben angeführten Judikatur des VwGH und VfGH ist in diesem Fall hinsichtlich der Frage eines unsicheren Aufenthalts nach § 61 Abs. 2 Z. 8 FPG bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden privaten Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK überwiegen.

 

Die dargelegten Umstände verleihen sowohl dem persönlichen Interesse des Bw als auch dem seiner aus österreichischen Staatsbürgern bestehenden  Kernfamilie an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass das Aufenthaltsverbot unverhältnismäßig ist.

 

4.2. Es war daher der in Rede stehende Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Nachdem der Bw offenkundig der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden. 

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 36,10 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

 

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