Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750062/2/SR/WU

Linz, 08.11.2012

 

E R K E N N TN I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 16. Oktober 2012, GZ.: Sich96-277-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

            I.      Aus Anlass der Berufung wird das in Rede stehende Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

        II.      Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 44a und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm.

          § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

Zu II.: § 64ff. VStG.


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 16. Oktober 2012, GZ.: Sich96-277-2011, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) gemäß § 120 Abs. 3 Z. 2 FPG eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 96 Stunden) verhängt und ihr folgender Tatvorwurf gemacht:

 

Sie haben mit dem Vorsatz, das Verfahren zur Erlassung oder Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten, einem Fremden den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union erleichtert, indem Sie am 26.10.2011 um 21:35 Uhr in 4575 St. Pankraz, St. Pankraz 70 (Autobahnraststation) den unrechtmäßig aufhältigen Fremden X, geb. X, türkischer Staatsbürger, gegen den ein Aufenthaltsverbot sowie ein Festnahmeauftrag der Bundespolizeidirektion Graz zur Durchsetzung einer Abschiebung bestand, in Ihrem Personenkraftwagen, Marke Mazda 323, behördliches Kennzeichen X, von X in Richtung Deutschland beförderten.

 

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges, der Sachverhaltsfeststellung und Darstellung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen kommt die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Tat als erwiesen angesehen werden könne, da die "im Spruch" angeführte Verwaltungsübertretung nicht bestritten worden sei. Da der Bw bewusst war, dass gegen ihren Freund ein Aufenthaltsverbot vorgelegen ist, sie diesen in ihrem Auto nach Deutschland bringen wollte, werde von einer vorsätzlichen Tatbegehen ausgegangen.

 

Bei der Strafbemessung wurde auf § 19 VStG Bedacht genommen.

2. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis richtet sich die vorliegende fristgerechte Berufung vom 19. Oktober 2012.

Erschließbar wird die Aufhebung des in Rede stehenden Straferkenntnisses beantragt.

In der Begründung bringt die Bw vor, dass sie sich keiner Schuld bewusst sei. Herrn X habe sie nach Deutschland bringen wollen, da ihr seine Familie und er selbst mitgeteilt hatten, dass er sich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis nicht mehr in Österreich aufhalten dürfe. Um ein gemeinsames Familienleben zu ermöglichen, sei der Umzug nach Deutschland beschlossen worden. Erst bei der Kontrolle auf der Autobahnstation habe sie erfahren, dass gegen Herrn X ein Festnahmeauftrag bestanden hat. Da die Weiterreise nach Deutschland noch im Bereich des Möglichen war, habe sie vor der PI gewartet. Nach einer verbrachten Nacht im Auto sei ihr mitgeteilt worden, dass Herr X über Graz in die Türkei abgeschoben werde. In Kenntnis dessen habe sie sich ein Flugticket besorgt. Die behördlichen Schreiben habe sie, bedingt durch den Türkeiaufenthalt, nicht erhalten. Bis heute wisse sie nicht, ob sich das Österreichverbot auch auf ganz Europa beziehe. Da Herr X Österreich freiwillig verlassen wollte, habe er sie gebeten, ihn nach Deutschland zu bringen. Zum damaligen Zeitpunkt habe sie nicht gewusst, dass sich Her X bei der Fremdenpolizei melden hätte müssen. Sie sei davon ausgegangen, dass er nach Verbüßung der Haftstrafe mit der österreichischen Polizei nichts mehr zu tun habe. Da sie bis dato noch nie bestraft worden sei, wäre dies alles Neuland für sie gewesen. Derzeit sei sie in der 27. Schwangerschaftswoche, erhalte vom AMS monatlich 768 Euro, habe kein Vermögen und einen Autokredit von 1500 Euro zu bezahlen.

3. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Verwaltungssenat.

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt und die Berufungsschrift.

3.2. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG die Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung entfallen.

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 VStG zuständig, über Berufungen im Verwaltungsstrafverfahren zu entscheiden. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß § 51c VStG durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 120 Abs. 3 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen, wer mit dem Vorsatz, das Verfahren zur Erlassung oder die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten, einem Fremden den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union wissentlich erleichtert.

 

4.2. Nach § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

 

4.2.1. Der Spruch hat alle Tatbestandsmerkmale zu beinhalten. Neben der Anführung des objektiven Tatbestandes bedarf es dann auch der Nennung subjektiver Tatbestandsmerkmale im Spruch, wenn das Gesetz die vorsätzliche Tatbegehung unter Strafe stellt.

 

Darüber hinaus ist im Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu konkretisieren.

 

Die belangte Behörde hat dem Täter grundsätzlich nicht nur den objektiven Tatbestand sondern auch das Verschulden nachzuweisen. Die Verschuldensvermutung des § 5 Abs. 1 VStG bezieht sich ausschließlich auf die Schuld. Die Tatbestandsmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit hat die Behörde nachzuweisen.

 

Enthält die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses einen Alternativvorwurf, so liegt ein Verstoß gegen § 44a Z. 1 VStG vor (VwGH vom 17. September 1987, 86/08/0208).

 

4.2.2. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses widerspricht mehrfach den Voraussetzungen des § 44a VStG.

 

Der Gesetzgeber fordert im § 120 Abs. 3 Z. 2 FPG die wissentliche Tatbegehung. Die belangte Behörde hat, ohne auf die verschiedenen Vorsatzformen Bedacht zu nehmen, allgemein auf eine vorsätzliche Tatbegehung abgestellt, obwohl die einschlägige Norm Wissentlichkeit erfordert und daher den Spruch mit Rechtswidrigkeit belastet.

 

Weiters weist der Spruch nicht die erforderliche Konkretisierung auf. Die belangte Behörde hat der Bw innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nur teilweise die verba legalia vorgehalten und auf die Konkretisierung der Tat gänzlich verzichtet.

 

Darüber hinaus hat die belangte Behörde der Bw einen Alternativvorwurf (Erlassung oder Durchsetzung) gemacht.

 

Anzumerken ist, dass sich die belangte Behörde auch in der Begründung nicht mit der erforderlichen Vorsatzform (als Tatbestandmerkmal) auseinandergesetzt und in der rechtlichen Beurteilung auf einen Tatwurf (wie im Spruch dargestellt) hingewiesen hat, der der Bw in dieser Form innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nie gemacht wurde.

 

Da eine Spruchkorrektur gemäß § 31 VStG nicht mehr zulässig war, hatte der Oö. Verwaltungssenat auf Grund mangelnder Spruchkonkretisierung der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

5. Spruchgemäß waren keine Kosten vorzuschreiben. 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

 

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