Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167241/10/Br/Ai

Linz, 24.10.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, X, X, vertreten durch DDr. X, Rechtsanwalt, X, X, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich - Sicherheits- und verwaltungspolizeiliche Abteilung, Referat SVA 1 - Strafamt, vom 10.09.2012, Zl.: S-16229/12-VP, nach der am 24. Oktober 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht:

 

 

I.       Die Berufung wird statt gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.     Es entfallen sätmliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:        § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert   durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e          Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012 – VStG.

Zu II.:  § 66 Abs.1 u. 2  VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Behörde erster Instanz hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber, wegen der Übertretung nach § 26 Abs.3 iVm § 38 Abs.5 u.  § 99 Abs.2c Z6 StVO 1960 eine Geldstrafe von 72 Euro und im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von (einen) 1Tag verhängt, weil er am

21.01.2012 um 22.49 Uhr, in X, X Fahrtrichtung X, aus Richtung X kommend, Bereich Kreuzung X – X, das KFZ, PKW VW Touran, silber mit dem Kennzeichen X gelenkt und sind auf einer durch Lichtzeichen geregelten Kreuzung, bei deutlich sichtbarem Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage in den Kreuzungsbereich eingefahren, ohne die volle Gewissheit darüber zu haben, dass die Einfahrt in die Kreuzung ohne Gefährdung von Menschen oder Beschädigung von Sachen möglich ist.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:

"Der dem Spruch zugrundeliegende Sachverhalt ist durch die vorliegende Anzeige vom 20.04.2012, durch den Akteninhalt wie auch das durchgeführte Ermittlungsverfahren erwiesen. Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Sie wurden mit Beschuldigtenladungsbescheid vom 25.06.2012 für den 17.07.2012, 11.00 Uhr zum hsg. Amt geladen. Zugleich wurde Ihnen die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens ohne Ihre Anhörung angedroht, falls Sie diesem Ladungsbescheid unentschuldigt keine Folge leisten sollten. Der Ladungsbescheid wurde Ihnen am 26.06.2012 zu eigenen Händen zugestellt bzw. persönlich ausgefolgt. Aufgrund Ihrer urlaubsbedingten Abwesenheit erfolgte eine Stellungnahme bzw. Vernehmung erst am 01.08.2012. Sie brachten dabei sinngemäß vor, sich auf jene Angaben zu beziehen, welche von Ihnen bereits am 01.02.2012 zu Protokoll gegeben wurden. Es treffe zu, dass Sie den Funkwagen bei Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage in die Kreuzung eingelenkt hätten, allerdings hätten Sie vor der Kreuzung definitiv angehalten und sich danach tastend in die Kreuzung vorbeibewegt. Dabei sei Ihr Blick immer wieder nach rechts in Richtung Einhausung gegangen, wobei Sie auch festgestellt hätten, dass bereits Fahrzeuge angehalten hätten. Das Blaulicht wie auch Folgetonhorn seien eingeschaltet gewesen.

 

Gemäß § 26 Abs.3 StVO haben Organe der Straßen aufsieht, die auf einer Kreuzung den Verkehr durch Arm- oder Lichtzeichen regeln, den Einsatzfahrzeugen „Freie Fahrt" zu geben. Die Lenker von Einsatzfahrzeugen dürfen auch bei rotem Licht in eine Kreuzung einfahren, wenn sie vorher angehalten und sich überzeugt haben, dass sie hiebei nicht Menschen gefährden oder Sachen beschädigen. Einbahnstraße und Richtungsfahrbahnen dürfen sie in der Gegenrichtung nur befahren, wenn der Einsatzort anders nicht oder nicht in der gebotenen Zeit erreichbar ist oder, wenn Ausnahmen für andere Kraftfahrzeug oder Fuhrwerke bestehen.

 

Gemäß § 38 Abs.5 StVO gilt rotes Licht als Zeichen für „Halt". Bei diesem Zeichen haben die Lenker von Fahrzeugen unbeschadet der Bestimmungen des Abs.7 und des § 53 Zi.10a an den im Abs.1 bezeichneten Stellen anzuhalten.

Gemäß § 99 Abs.2c Zi.6 StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstraße von EUR 72,-- bis EUR 2.180,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges bei rotem Licht nicht anhält und dadurch Lenker von Fahrzeugen, für die gemäß § 38 Abs.4 auf Grund grünen Lichts „Freie Fahrt" gilt, zu unvermittelten Bremsen oder zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigt.

 

Es steht unbestritten fest, dass Sie am 21.01.2012 um 22.49 Uhr das KFZ, VW Touran mit dem Kennzeichen X (Polizeikraftfahrzeug) auf der X in Fahrtrichtung Lastenstraße gelenkt haben und beabsichtigten die Kreuzung mit der X in gerader Richtung zu überqueren. Zur gleichen Zeit lenkte der Zweitbeteiligte, Herr X, das KFZ, VW Passat mit dem Kennzeichen X auf der X in Fahrtrichtung stadteinwärts und beabsichtigte die Kreuzung mit der X seinerseits ebenso in gerader Richtung zu durchfahren. Fest steht auch, dass die gegenständlichen Kreuzung X- X zum Unfallzeitpunkt durch eine Verkehrslichtsignalanlage geregelt war und für Herrn X Grünlicht anzeigte. Von Ihnen erfolgte die Einfahrt in die gegenständliche Kreuzung bei Rotlicht der VLSA. Im Bereich der Kreuzung kam es zu einer Kollision der beiden Fahrzeuge, wobei der Hauptanstoßbereich an dem von Ihnen gelenkten Fahrzeug im gesamten Frontbereich lag und an dem von Herrn X gelenkten Fahrzeug links hinten im Bereich der hinteren Türe. An beiden Fahrzeugen entstand Sachschaden und wurden die Insassen des VU Passat verletzt.

Von Ihnen wurde im Wesentlichen vorgebracht zwar bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren zu sein, allerdings hätten Sie zuvor vor der Kreuzung angehalten und sich danach tastend in die Kreuzung bewegt. Unter Verwendung von Blaulicht und Folgetonhorn seien Sie vorsichtig in die Kreuzung eingefahren und hätten kurz vor der Kreuzungsmitte erneut angehalten. Nachdem aus der Einhausung kommend, rechts von Ihnen, die Fahrzeuge trotz für sie geltendem Grünlicht bereits angehalten hätten, hätten Sie angenommen die Kreuzung gefahrlos übersetzen zu können. Sie hätten den 1. Gang eingelegt und seien losgefahren, als plötzlich völlig überraschend von rechts ein Fahrzeug aus der Einhausung auf Sie zugekommen sei. Mit der Fahrzeugfront seien Sie in der Folge gegen die linke hintere Türe des Zweitbeteiligten gestoßen, wobei Sie keine Chance mehr gehabt hätten zu reagieren.

Trotz der Einwendungen des Zweitbeteiligten und dessen Mitfahrer, wonach behauptet wird an dem von Ihnen gelenkten Polizeifahrzeug seien weder Blaulicht noch Folgetonhorn aktiviert gewesen, hegt die erkennende Behörde keine Zweifel daran, dass diese Warnsignale sehr wohl aktiviert waren. Dies aus dem Grund,, dass erwiesenermaßen ein Auftrag zu einer Einsatzfahrt zum Zwecke der Unterstützung von Polizeibeamten nächst der PI L. vorgelegen hat, eine längere Fahrstrecke zum Einsatzort überwunden werden musste (Fahrtstrecke: Xstraße - X) und darüber hinaus Zeugenaussagen der Beamten im Zivilstreifenwagen sowie jene Ihres Beifahrers vorliegen, welche die Verwendung der Warnsignale widerspruchsfrei und vor allem nachvollziehbar bestätigen. Letztlich wurde auch vom Mitfahrer des Zweitbeteiligten bestätigt, ein Blaulicht gesehen zu haben. Zwar brachte dieser vor, es hätte sich um jenes des Zivilstreifenfahrzeuges gehandelt, fest steht aber, dass blaues Drehlicht jedenfalls wahrzunehmen war.

Gemäß § 19 Abs.2 StVO haben Fahrzeuge iSd § 2 Abs.l Zi.25 StVO an sich immer den Vorrang. Allerdings verhält es sich bei einer durch Lichtzeichen geregelten Kreuzung so, dass § 19 StVO nicht anwendbar ist, zumal hier die Sondernormen §§ 38 und 26 Abs.3 StVO Geltung haben. Gemäß § 38 Abs.5 gilt rotes Licht als Zeichen für „Halt" und haben Lenker von Fahrzeugen vor der Haltelinie bzw. vor der Kreuzung anzuhalten. Gemäß § 26 Abs.3 StVO dürfen die Lenker von Einsatzfahrzeugen auch bei rotem Licht in eine Kreuzung einfahren, wenn sie vorher angehalten und sich überzeugt haben, dass hierbei nicht Menschen gefährdet oder Salchen beschädigt werden. Daraus folgt, dass rotes Licht auch von Einsatzfahrzeugen zu beachten ist, angehalten werden muss und die entsprechende Überzeugung vorliegen muss, dass eine Gefährdung/ Beschädigung odgl. ausgeschlossen werden kann. § 26 Abs.5 StVO ist laut Judikatur des OGH nicht so zu verstehen, das andere Straßenbenützer trotz für sie geltendem Grünlicht vor der Kreuzung anhalten zu müssen. Vielmehr ist es am Lenker des Einsatzfahrzeuges, der wegen Rotlichts der VLSA nicht im Vorrang ist, anzuhalten und darauf zu achten, dass er erst einfährt, wenn er sich überzeugt hat, dass hierbei weder Menschen gefährdet noch Sachen beschädigt werden (vgl. OGH 27.05.1993, 2 Ob 30/93).

Zwar verhält es sich im gegenständlichen Fall so, dass von Ihnen das Polizeikraftfahrzeug unter Verwendung von Blaulicht und Folgetonhorn gelenkt, vor der Haltelinie und erneut im Bereich der Kreuzungsmitte angehalten wurde, dennoch kam es zu einer Kollision mit einem Vorrangberechtigten. Es wäre nach der oben angeführten Judikatur an Ihnen gewesen sich von der konkreten Situation und der Gefahrlosigkeit des Übersetzens der Kreuzung zu überzeugen. Dies war augenscheinlich aufgrund der eingetretenen Kollision nicht der Fall und war daher spruchgemäß zu entscheiden. Auch wenn der Zweitbeteiligte etwa zu schnell bzw. unaufmerksam unterwegs war, ändert dies nichts an der Ihnen zur Last gelegten Übertretung, zumal § 26 Abs.3 StVO neben dem Anhalten zusätzlich die Überzeugung verlangt, dass durch das Einfahren in die Kreuzung weder Menschen gefährdet noch Sachen beschädigt werden. Die Überzeugung muss in der konkreten Verkehrssituation vorliegen und war dies nicht der Fall, da Sie selbst beschrieben aufgrund des bereits haltenden Fahrzeugs davon ausgegangen zu sein, dass ein Übersetzen gefahrlos möglich sei.

 

Somit war für die Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführte Bestimmung der Straßenverkehrsordnung schuldhaft verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war. Die Behörde geht zwar lediglich von Fahrlässigkeit aus, ein geringfügiges Verschulden war allerdings schon aufgrund der eingetretenen Folgen nicht mehr argumentierbar.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht somit dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Als mildernd bei der Strafbemessung war das Fehlen ha. verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen zu werten; erschwerende Umstände lagen keine vor.

 

Weiters wird bei der Strafbemessung, wie von Ihnen angegeben, davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen, die Sorgepflicht für eine Tochter haben und über ein Einkommen von EUR 1.700,-  monatlich verfügen.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet."

 

 

1.1. Diese Ausführungen vermögen den Schuldspruch letztlich nicht stützen.

 

 

 

2. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung:

"In außen bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebt der Einschreiter gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 10-09-2012, Zahl: S-28199/12-VP, zugestellt am 13.09.2012, innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der

 

BERUFUNG:

 

1. Das zitierte Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 10.09.2012 wird vollinhaltlich angefochten und werden als Berufungsgründe materielle Rechtswidrigkeit, wesentliche Verfahrensverstöße, unzweckmäßige Ermessensübung und unrichtige Beweiswürdigung geltend gemacht. Es wird die Einstellung des Verfahrens beantragt

 

2. Ich habe bereits am 06.03.2012 eine Stellungnahme an die Polizei übermittelt.

 

3. Der im Straferkenntnis geschilderte Sachverhalt stimmt mit dem tatsächlichen Lebenssachverhalt nicht überein.

 

4. Vielmehr hat sich der Vorfall wie folgt zugetragen. Am 21012012 fuhr ich von der X in Richtung stadteinwärts zur Kreuzung mit der X. Ich durchfuhr den Tunnel und passierte die Ampelkreuzung mit der X bei grünem Licht. Erst im Kreuzungsbereich bemerkte ich von links auf der X kommend ein Polizeifahrzeug (PKW) ohne Blaulicht und ohne Folgetonhorn. Das Polizeifahrzeug wollte anscheinend die Kreuzung geradeaus auf der X übersetzen.

 

Ich fuhr auf dem rechten Fahrstreifen der X stadteinwärts mit ca. 40 - max. 50 km/h auf der rechten Spur.

 

Im Kreuzungsbereich kollidierte das Polizeifahrzeug gegen die linke hintere Fahrzeug meines PKWs VW Passat, wodurch mein PKW herumgeschleudert bzw. versetzt wurde; es entstand erheblicher Sachschaden an meinem PKW. Ich erlitt Verletzungen in Form einer Zerrung der Wirbelsäule.

 

In meinem PKW befand sich am Beifahrersitz: vorne Herr X aus X und hinten rechts Herr X aus X.

 

Am Zustandekommen des Verkehrsunfalls trifft mich keine Verantwortung, zumal ich die Kreuzung mit der X bei grünem Licht durchfahren bin und die Annäherung des Polizeifahrzeuges so rasch und überraschend erfolgte, dass ich keine Reaktionsmöglichkeit und keine Unfallverhinderungsmöglichkeit hatte.

 

5. Aufgrund des erlittenen Schadens wird kurzfristig ein Zivilverfahren vor dem BG Linz beantragt werden - die Aufforderung nach § 8 Amtshaftungsgesetz ist bereits erfolgt.. Es ist sinnvoll und zweckmäßig dieses Berufungsverfahren bis zu dessen Beendigung nicht weiter zu führen, zumal die Beweisergebnisse in jenem Zivilverfahren auch auch für die verwaltungsrechtliche Beurteilung des Unfallgeschehens von Bedeutung sind.

 

Der Beschuldigte stellt deshalb folgende

 

BERUFUNGSANTRÄGE:

 

Die Berufungsbehörde wolle:

 

a) dieser Berufung Folge geben und das Verwaltungaverfahren einstellen;

 

b) eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen

 

c) das gegenständliche Berufungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des kurzfristig beim BG Linz einzuleitenden Verfahrens unterbrechen.

 

X, am 27.09,2012                                                                             X."

 

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung des Inhaltes des vorgelegten Verfahrensaktes, sowie das im Vorfeld im Rahmen eines Ortsaugenscheines und der Beischaffung eines maßstabsgetreuen Luftbildes ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme. Die sich daraus rechnerisch ergebenden Gefahrensichtweiten und Weg-Zeit-Abläufe wurden ebenfalls zur Erörterung gebracht.

Anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurden die Polizeibeamten bzw. Besatzungen der Einsatzfahrzeuge, Inspin. X, GrInsp. X und RevInsp. X als Zeugen und der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen.     

Am 23.10.2012 wurde vom Unabhängige Verwaltungssenat ein Ortsaugenschein vorgenommen, wobei mit Laserentfernungsmessgerät die Gefahrensichtweiten nachvollzogen und von der Örtlichkeit auch drei Fotos ausgenommen wurden.

 

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Die Fahrbahn der X weist gemäß dem maßstabsgetreuen Luftbild an der Ausfahrt des nördlichen Tunelportals etwa ab 15 m vor der einem Schutzweg unmittelbar vorgelagerten Haltelinie vier durch Sperrlinien getrennte Fahrspuren auf. Während die zwei mittleren Spuren mit Richtungspfeilen "geradeaus" versehen sind, ist die rechte und linke Spur als ebenfalls mit entsprechenden Richtungspfeil ausgetattete Abbiegespur (nach rechts bzw. links) versehen. Die Haltelinie liegt relativ exakt auf vertikalter Ebene zur "Dachkante" des Portals angebracht.

Die Gefahrensichtweite nach links in Richtung X beträgt von der rechten Geradeausspur etwa 25 m.  Der spätere Kolissionspunkt ist etwa 18 m nach dem Tunnelportal in Verlängerung der rechten Geradeausspur anzunehmen.

Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 50 m werden in der Sekunde ca. 14 m zurückgelegt. Der Anhalteweg liegt bei dieser Geschwindigkeit selbst unter optimalsten Fahrbahnbedingungen (bei einer Reaktionszeit von einer Sekunde, 0,2 sek. Bremsschwellzeit und einer höchstmöglichen Verzögerung von 7,5 m/sek2) bei 28 m.  Dieser Wert an Bremsverzögerung hätten jedoch bei der herrschenden Fahrbahnässe und der Fahrbahntemperatur mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gar nicht erreicht werden können.

Der Berufungswerber verantwortet sich auch im Berufungsverfahren wie schon bisher und erklärt das Polizeifahrzeug erst unmittelbar vor der seitlichen Kolission, welche im Bereich der linken Hintertür seines Fahrzeuges erfolgte, wahrgenommen zu haben. Er habe keine Bremsung mehr eingeleitet, sondern eher noch Gas gegeben um allenfalls noch aus der Fahrlinie des von links kommenden Einsatzfahrzeuges zu gelangen.

Die Zeugen X  und X, waren ebenfalls mit Blaulicht in einem anderen Fahrzeug zur Unterstütung zur Polizeiinspektion L. unterwegs. Sie hielten wegen Rotlichtes an der Kreuzung (X/X) vor der Haltelinie an und tasteten sich dann von Fahrspur zu Fahrspur nach vorne, ehe das auf der rechten Geradeausspur das Fahrzeug des Berufungswerbers aus dem Tunel kommend wahrgenommen wurde. Sie hielten daher an. Unmittelbar danach kam es dann links vor ihnen zur Kolision mit dem zweiten Polizeifahrzeug, welches sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht wahrgenommen hatten.

Der als Beifahrer im Unfallfahrzeug mitfahrende Zeuge X blickte zum Unfallszeitpunkt bereits zum nahe gelegenen Fahrziel (Polizeiinspektion), glaubte jedoch der Lenker hätte  kurz vor der Kolission das Fahrzeug ebenfalls angehalten gehabt. Dem steht jedoch entgegen, dass wohl das zweite Polizeifahrzeug am anhaltenden Blaulichtfahrzeug vorbeibeweg worden sein musse, wobei offenbar das Fahrzeug des Berufungswerbers schlichtweg übersehen worden sein dürfte. Anders lässt sich weder der Unfall noch das Verhalten des Lenkers des anderen Polizeifahrzeuges erklären.

Es ist wohl durchaus möglich, dass Fahrzeuge auf der  linken Geradeausspur, wegen der bei Rotlicht in die Kreuzung einfahrenden Einsatzfahrzeuge, trotz Grünlicht anhielten,  was andererseits die Wahrscheinlichkeit stärkt, dass einerseits die beidseitige Sicht auf die später am Unfall beteiligten Fahrzeuge zusätzlich eingeschränkt wurde. Faktum ist auch, dass frühestens am Ende des Tunelportals für den Berufungswerber die Einsatzfahrzeuge erkennbar wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich dem Kolissionspunkt bereits auf 18 Meter angenähert gehabt.  Offenbar zu diesem Zeitpunkt wurde er vom Lenker des zweiten Einsatzfahrzeuges auch  tatsächlich wahrgenommen, der die Situation, im Gegensatz zum Lenker des andereren Einsatzfahrzeuges richtig einschätzte und anhielt.

Dies wurde von der Beifahrerin X als auch vom Lenker X bestätig. Daraus ergibt sich aber andererseits  zwingend die Frage, ob der Lenker des offenbar links an ihnen vorbeifahrenden Einsatzfahrzeuges das von rechts kommende Fahrzeug des Berufungswerbers einfach übersehen, oder dessen präsumtiven Anhalteweg einfach falsch eingeschätzt hat.

Ausgehend von einer glaubhaften Fahrgeschwindigkeit des Berufungswerbers mit 50 km/h, hat dieser sich drei Sekunden vor der Kolision  noch knappe 30 m im Tunel und von der späteren Unfallstelle 45 m entfernt befunden. Dort konnte er glaubhaft weder ein Folgetonhorn noch ein Blaulicht von links wahrgenommen haben, weil selbst an der Ausfahrt des Tunelportals die Gefahrensichtweite nach links von der zweiten Geradeausspur nur knappe 25 m beträgt. Dies belegt schließlich auch das von der Zeugin X beschriebene Vortasten um den Verkehr von rechts einsehen zu können. Daher war wohl auch für den  Berufungswerber gleichsam erst im letzten Moment das von links kommende Einsatzfahrezug wahrnehmbar, wobei kein Zweifel daran besteht, dass dem Lenker keine kollisionsvermeidende Handlung mehr möglich war.

Demnach lag des Gesetz des Handels beim Lenker des Blaulichtfahrzeuges, was er jedoch in der entscheidenden Phase nicht genützt hat. Er sagte etwa vor der Behörde erster Instanz selbst, er hätte in dieser Phase bereits die nahe gelegene Polizeiinspektion im Auge gehabt, wo Unterstützung angefordert worden war.

Bei einer Gefahrenerkennungsmöglichkeit erst innerhalb des  Anhalteweges – der mit zumindest 28 m anzunehmen ist -  konnte daher der Berufungswerber dem Einsatzfahrzeug in keiner wie immer gearteten Form mehr den Vorrang einräumen oder Platz machen.

 

 

4.1. Aus diesem Grund wurde wider ihn wohl auch, ebenfalls mit Straferkenntnis vom 10.9.2012, Zl. S-16229/12-VP, wegen einer inhaltsgleichen Übertretung der StVO eine Strafe verhängt. Diese scheint in Rechtskraft erwachsen zu sein.

Dieser Schuldvorwurf kann demnach in Würdigung der obigen Faktenlage gegen den Berufungswerber nicht aufrecht erhalten werden.

Vor diesem Hintergrund geht der Tatvorwurf ins Leere bzw. kann ein schuldhaftes Verhalten jedenfalls nicht in einer für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit als erwiesen gelten.

 

Nach § 45 Abs.1 Z1 VStG ist ein Strafverfahren einzustellen wenn ein schuldhaftes Verhalten nicht erwiesen werden kann.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

VwSen-167241/10/Br/Ai vom 24. Oktober 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

StVO 1960 §26 Abs3;

StVO 1960 §38 Abs5

 

Wenn ein sich mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit fortbewegender Lenker ab Gefahrenerkennung nicht rechtzeitig anhalten kann, um einem bei Rotlicht in eine Kreuzung einbiegendem Einsatzfahrzeug den Vorrang einzuräumen, dann kann der Tatvorwurf nach § 26 Abs 3 iVm § 38 Abs 5 StVO 1960 nicht aufrecht erhalten werden.

 

 

 

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