Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523198/25/Bi/Th

Linz, 07.11.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau X, X, X, vertreten durch Herrn RA Dr. X, X, X, vom 26. Juni 2012 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 8. Juni 2012, VerkR21-113-2012-Hol, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, aufgrund des Ergebnisses der am 24. September 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung sowie weiterer Erhebungen samt Parteiengehör zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerberin (Bw) gemäß §§ 7 Abs.3 Z4, 24 Abs.1 und 3, 26 Abs.3 und 4 und 29 Abs.3 FSG die für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung (Führerschein ausgestellt am 15.11.1999 zu VerkR20-834-1999/SD) wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides entzogen. Weiters wurde ihr das Recht aberkannt, für die Dauer der Entziehung von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenk­berechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Die Ablieferung des Führer­scheins bei der Erstinstanz unverzüglich nach Rechtskraft des Bescheides wurde angeordnet. Weiters wurde ihr als begleitende Maßnahme die Absolvierung einer Nachschulung für verkehrsauffällige Lenker bei einer ermächtigten Stelle auf­getragen mit dem Hinweis, dass die festgesetzte Entziehungsdauer nicht vor positiver Absolvierung dieser Nachschulung endet.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 15. Juni 2012.

 

2. Dagegen wendet sich die von der Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Am 24. September 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesenheit der Bw, ihres Rechtsvertreters RA Dr. X und des technischen Amtssachverständigen Dipl.-HTL-Ing. X (AmtsSV) durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsent­scheidung wurde verzichtet. 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, sie sei nicht gefahren; vielmehr habe ihr Gatte X den auf sie zugelassenen Pkw X am 2. Juni 2011 im Zuge eines Aufenthalts beim GTI-Treffen gelenkt. Dafür machte sie zunächst vier Zeugen geltend. Dafür dass sie sich selbst mit ihrem einjährigen Kind an diesem Tag in X bzw X aufgehalten habe, macht sie ihre Eltern und ihre Schwester samt Ehegatten und Kindern als Zeugen geltend. Beantragt wurde die Beischaffung des Verwaltungsstrafaktes der BH Klagenfurt sowie der Radarbilder, um zu prüfen, ob es sich um Frontbilder handle. Sie macht weiters unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR geltend, sie sei nie darüber belehrt worden, dass im Fall einer Bestrafung zwingend und automatisch ein Entzug der Lenkberechtigung erfolge; ansonsten hätte sie natürlich sofort das Straf­erkenntnis mit Berufung bekämpft. Es liege auch keine Geschwin­dig­keits­überschreitung um mehr als 70 km/h vor; ihr Gatte behaupte nicht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten zu haben, aber er sei unter 200 km/h gefahren; allenfalls sei die Messtoleranz noch nicht abgezogen worden. Sie habe den Pkw nicht gelenkt.

Der EGMR habe im Urteil X gegen X vom 6. Oktober 2011, BNr.43490/08, im automatischen Punkteabzug im Führerscheinsystem eine strafrechtliche Anklage erblickt, was umso mehr für einen Entzug der Lenk­berechtigung gelten müsse. Man dürfe daher nicht im ggst Lenk­berechtigungs-Entzugsverfahren von einer Bindung an das Straferkenntnis hinsichtlich ihrer damaligen Lenkereigenschaft ausgehen und keine Beweise zum Nachweis des Gegenteils zulassen. Das abzuführende Beweisverfahren werde ergeben, dass die Entziehung der Lenkberechtigung zu Unrecht erfolgt sei, weil sie den Pkw zum damaligen Zeitpunkt nicht gelenkt habe und daher nicht verkehrsunzuverlässig geworden sein könne. Beantragt wird Verfahrenseinstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, Durchführung weiterer Erhebungen samt Einholung des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt zu GZ:KL9-STR-7579/2011 sowie der beiden Radarbilder und des Eichscheins sowie Durch­führung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der die Bw und ihr Rechtsvertreter gehört und die vorgelegten Unterlagen samt den Fotos erörtert wurden und ein technisches Gutachten des AmtsSV zur Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit eingeholt wurde.

 

Die Bw wurde mit Straferkenntnis des Bezirks­haupt­mannes von Klagenfurt vom 17. Jänner 2012, KL9-STR-7579/2011, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.2e StVO 1960 schuldig erkannt und bestraft, weil sie als Lenker des Kraftfahrzeugen mit dem behördlichen Kennzeichen X am 2. Juni 2011, 13.18 Uhr, in der Gemeinde X, A2 Südauto­bahn Pörtschach-Ost bei km 334.924 in Fahrtrichtung X, die auf Auto­bahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 71 km/h über­schritten habe, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu ihren Gunsten abgezogen worden sei.

Dieser Schuldspruch beruht auf einer Anzeige des LPK für Kärnten, der weiters zu entnehmen ist, dass die Geschwindigkeitsfeststellung mit dem Messgerät "03 MUVR 6FA 2645", einem Fixradargerätes ("Kabine"), erfolgt ist.

Dem vorgelegten Verfahrensakt ist zu entnehmen, dass an die Bw zunächst mit der Zulassungs­adresse X in X, die Aufforderung zur Lenkerauskunft vom 6. Juli 2011 gerichtet wurde, die aber mit dem Vermerk "verzogen" retourniert wurde. Mit der Aufforderung vom 6. Juli 2011, gerichtet an die nunmehrige Meldeadresse X, X, wurde die Bw im Sinne des § 103 Abs.2 KFG als Zulassungs­besitzerin des Pkw X aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der BH Klagenfurt schriftlich mitzuteilen, wer das Kraftfahrzeug X am 2. Juni 2011 um 13.18 Uhr in Pörtschach-Ost, Südautobahn A2, Fahrtrichtung X, Gemeinde X, Höhe Strkm 334.924, gelenkt hat. Auf die Folgen bei Verletzung der Auskunftspflicht wurde hingewiesen und auch darauf, dass die Auskunftspflicht auch bestehe, wenn die Adressatin der Meinung sein sollte, dass sie das betreffende Delikt nicht begangen habe oder der Strafbetrag ihrer Meinung nach schon beglichen sei. Laut Rückschein wurde das Schreiben nach einem erfolglosen Zustellversuch am 25. Juli 2011 mit Beginn der Abholfrist am selben Tag hinterlegt. Eine Reaktion darauf erfolgte nicht.     

Mit Schreiben der BH Klagenfurt vom 1. September 2011 wurde der Bw eine Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 insofern zur Last gelegt, als sie "als Lenker des Kfz X am 2. Juni 2011, 13.18 Uhr, in der Gemeinde X, A2 Südauto­bahn, Pörtschach-Ost bei km 334.924 in Fahrtrichtung X, die auf Auto­bahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 71 km/h über­schritten" habe, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu ihren Gunsten abgezogen worden sei. Sie wurde ein­geladen, sich binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens schriftlich zu rechtfertigen und die ihrer Verteidigung dienlichen Tatsachen und Beweismittel bekanntzugeben, und weiters aufgefordert, ihre finanziellen Verhältnisse binnen der selben Frist mit Nachweis bekanntzugeben. Dieses Schreiben wurde laut Rückschein am 7. September 2011 nach einem erfolglosen Zustellversuch mit Beginn der Abholfrist am selben Tag hinterlegt. Eine Reaktion darauf erfolgte nicht.

Nach Einholung der Vormerkungen von der BH Schärding erging schließlich das Straferkenntnis vom 17. Jänner 2012 – laut Rückschein zugestellt nach einem erfolglosen Zustellversuch am 20. Jänner 2012 durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am selben Tag. Eine Reaktion darauf erfolgte wiederum nicht.

 

Das Straferkenntnis wurde von der BH Klagenfurt der Wohnsitzbehörde BH Schärding unter Hinweis auf die mit 4. Februar 2012 eingetretene Rechtskraft übermittelt.

Seitens der BH Schärding wurde mit Schreiben vom 15. März 2012, VerkR21-113-2012-Hol, der Bw eine Ablichtung dieses Straferkenntnisses übermittelt, ihr mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihr wegen dieser Geschwindigkeitsüber­schrei­tung und des Umstandes, dass ihr bereits einmal wegen einer Geschwin­dig­­­keits­überschreitung die Lenkberechtigung entzogen werden habe müssen (Bescheid der BH Schärding vom 23. Dezember 2010, VerkR21-457-2010-Hol), die Lenkberechti­gung gemäß § 26 Abs.3 FSG für die Dauer von sechs Monaten zu entziehen, und ihr eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens für eine allfällige Stellungnahme eingeräumt.

Der daraufhin bei der BH Schärding eingelangte "Einspruch bez. der Lenker­berechtigungsentziehung" der Bw vom 4. April 2012 mit der – erstmalig behaupteten – Begründung, nicht sie habe den Pkw am 2. Juni 2011 in X gelenkt sondern ihr Gatte X, wurde an die BH Klagenfurt weitergeleitet und vom Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten mit Bescheid vom 10. August 2012, KUVS-1559/3/2012, als verspätet zurück­gewiesen.

Seitens der BH Schärding erging der nunmehr angefochtene Bescheid wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zugestellt an die Bw mit Rsa am 15. Juni 2012 durch Hinterlegung.

 

Vom Unabhängigen Verwaltungssenat wurden vom LPK für Kärnten die beiden Radarfotos (A- und B-Foto, von hinten aufgenommen) sowie der am 2. Juni 2011 gültige Eichschein für das Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerät MUVR 6FA, IdNr.2645, – dieses  wurde zuletzt am 14. April 2009 mit Nacheichfrist bis 31. Dezember 2012 vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen geeicht – und von der Postfiliale X die von der Bw am 9. September 2011 unterschriebene Übernahmsbestätigung des Schriftstückes der BH Klagenfurt vom 1. September 2011 – die damit sogar trotz irrtümlicher Anführung ihrer früheren Adresse der Bw zuge­gangen ist – angefordert.

 

In der Berufungsverhandlung hat die Bw auf den Vorhalt der Hinterlegung der Aufforderung zur Lenkerauskunft und die Tatanlastung (im Sinne einer Auf­forderung zur Rechtfertigung), die ordnungsgemäß an der Melde­adresse hinter­legt und von der Post nicht als unzustellbar retourniert wurden, zunächst behauptet, ihr sei als einziges Schriftstück im gesamten Verwaltungsstraf­verfahren nur das Straferkenntnis zugestellt worden. Da ihr ein Bekannter, der Polizist sei, geraten habe, die Strafe von 510 Euro einzuzahlen und abzuwarten, "ob von der Behörde noch etwas kommt", habe sie (zunächst) keine Berufung erhoben. Auf Vorhalt der von ihr am 9. September 2011 unterschriebenen Übernahmebestätigung für das Schreiben der BH Klagenfurt von 1. September 2011 hat die Bw bestätigt, das das ihre Unterschrift sei, aber nicht zu erklären vermocht, warum sie sich nicht bereits zu diesem Zeitpunkt zur nunmehr behaupteten Lenkereigen­schaft ihres Gatten geäußert hat, auch wenn in diesem Schreiben ein zu erwartender Strafbetrag noch nicht angeführt war.

 

Der technische AmtsSV hat im Rahmen der Berufungsverhandlung ausgeführt, er habe anhand der beiden Radarfotos die vom angezeigten Pkw eingehaltene Geschwindigkeit durch fotogrammetrische Auswertung nachvollzogen und sei zum Schluss gelangt, dass der Pkw 214,61 km/h eingehalten habe. Bei Abzug der vom Hersteller vorgeschriebenen Toleranzen sei die Geschwindigkeit von 201 km/h im Sinne der Bw angelastet worden. Er schloss dezidiert eine Foto­aus­lösung durch das auf dem B-Foto erkennbar hinter dem Pkw der Bw fahrende Fahrzeug aus, weil dieses ebenso wie der auf der links vom Pkw der Bw fahrende Pkw nur eine Geschwindigkeit von ca 150 km/h gefahren sei. Das B-Foto ist ein automatisch nach 0,5 Sekunden ausgelöstes Foto, das in keinem Zusammenhang mit der Geschwindigkeitsmessung steht. Zwar geht die Identifikationsnummer aus den Bildleisten der beiden Fotos nicht hervor – dort sind nur Tag, Uhrzeit, gemessene Geschwindigkeit und die Bezeichnung "Multanova 6F" angeführt – jedoch erfolgt der Einbau des Radargerätes in die Kabine – dazu ist nur ein Hineinschieben samt Arretierung, aber keine Einstellarbeiten jeglicher Art erforderlich – durch einen Polizeibeamten, dem diese Identifikationsnummer bekannt ist und der auf die gültige Eichung des verwendeten Radargerätes zu achten hat; die Identifikationsnummer ist in der Anzeige angeführt. Der vorgelegte Eichschein wurde für das Radargerät mit der in der Anzeige genannten Identifikationsnummer ausgestellt; dieses war damit am 2. Juni 2011 ordnungsgemäß geeicht.

   

Die Bw hat mittlerweile insgesamt neun Zeugen für die Behauptung, nicht sie sondern ihr Gatte habe den Pkw am 2. Juni 2011 um 13.18 Uhr in Kärnten gelenkt, geltend gemacht; ihrem Beweisantrag auf Zeugeneinvernahme wurde vonseiten des UVS nicht entsprochen. Seitens des UVS wurde bei der BH Klagenfurt unter konkreter Anführung aller Zeugen – großteils Familienmitglieder – die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens angeregt, worauf seitens der BH Klagenfurt – schriftlich am 10.Oktober 2012 und nochmals telefonisch am 19. Oktober 2012 – eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens dezidiert abgelehnt wurde, zum einen weil die Bw ohnehin ausdrücklich nach dem Lenker zum oben genannten Zeitpunkt gefragt worden sei, keine Antwort gegeben habe und auch die Tatanlastung, in der von ihrer Lenkereigenschaft ausgegangen wurde, im Verfahren nicht bestritten hat, zum anderen weil der Strafbetrag bereits einbezahlt wurde.

 

Die Bw hat im Rahmen des Parteiengehörs über ihren Rechtsvertreter mit Äußerung vom 25. Oktober 2012 zwar eingeräumt, es handle sich bei den angegebenen Zeugen um solche aus dem Bekannten- und Familienkreis, hat aber nunmehr eine Zeugin – X – neu benannt, die offenbar Kenntnis von ihrer telefonischen Buchung eines "Familienzimmers für fünf männliche Gäste" in X habe zum Beweis dafür, dass keine Frau dabei, dh sie zur Tatzeit nicht in Kärnten gewesen sei.

Im Übrigen wiederholt die Bw ihr Vorbringen dahingehend, dass keine Bindungswirkung im Verfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung  an den rechtskräftigen Schuldspruch des Straferkenntnisses der BH Klagenfurt vom 17. Jänner 2012, KL9-STR-7579/2011, im Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.2e StVO 1950 bestehe, sondern im Verfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung sämtliche Beweise, insbesondere auch die zur Lenkereigen­schaft ihres Gatten nachgereichten, neu aufzunehmen seien.

 

Aus der Sicht des UVS war dem Beweisantrag auf Zeugeneinvernahme von Frau X ebenso wie dem Beweisantrag auf Zeugeneinvernahme der im Berufungsverfahren genannten Familienmitglieder und Bekannten – X, X, X, X, X und X und X und X – keine Folge zu geben.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunken­heit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beein­träch­tigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z4 FSG zu gelten, wenn jemand die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde.

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeugen, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freiland­straßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

 

Auf der Südautobahn A2 gilt bei km 334.924 in Fahrtrichtung Klagenfurt eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Beweisverfahrens, nämlich der beiden Radarfotos und des Eichscheins sowie des dazu eingeholten SV-Gutachtens, ist davon auszugehen, dass der auf die Bw zugelassene Pkw am 2. Juni 2011 um 13.18 Uhr dort mit einer tatsächlichen Geschwindigkeit von zumindest 212 km/h gelenkt wurde, was nach Abzug der 5%igen Toleranz (aufgerundet 11 km/h) zu einer zugrunde­zulegenden Geschwindig­keit von 201 km/h und damit zu einer Überschreitung der erlaubten Höchst­geschwindigkeit um 71 km/h führt. Zusammenfassend konnten im Berufungsverfahren keine Anhaltspunkte dahingehend festgestellt werden, dass die Feststellungen im Straferkenntnis der BH Klagenfurt zur angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit einem ordnungsgemäß geeichten technischen Gerät festgestellt wurde, inhaltlich unrichtig wären.

 

Zur Lenkereigenschaft der Bw ist zu bemerken, dass sie im Verwaltungs­strafverfahren trotz nachweislicher Kenntnis sowohl des konkreten Tatvorwurfs als auch der Tatsache der Annahme ihrer persönlichen Lenker­eigenschaft durch die Strafbehörde erster Instanz nie mit dieser Behörde in Kontakt getreten ist, nie die Tatanlastung diesbezüglich abgestritten oder Zeugen geltend gemacht hat und trotz ausdrücklicher Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG auch keine Lenkerauskunft erteilt hat. Erstmals in der – nach Zustellung des eine aus­führliche Rechtsmittelbelehrung enthaltenden Straferkenntnisses am 20. Jänner 2012 ganz offensichtlich ver­späteten, weil erst am 4. April 2012 und auch da noch bei der unrichtigen Behörde eingebrachten – Berufung hat die Bw plötzlich ihren Ehegatten als damaligen Lenker bezeichnet und – noch später – dafür Zeugen angeführt.

    

Richtig ist, dass sie im Verfahren vor der BH Klagenfurt nicht ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung im vorgeworfenen Ausmaß eine Entziehung der Lenkberechtigung zur Folge haben würde. Jedoch wurde der Bw bereits früher, nämlich vom 23. Dezember 2010 bis 6. Jänner 2011, die Lenkberechtigung wegen einer Geschwindigkeitsüber­schreitung im Ausmaß von 64 km/h – begangen am 18. Juni 2010 auf der A25, X, erlaubte Höchstgeschwindigkeit 100 km/h – für die Dauer von zwei Wochen entzogen, sodass sie nicht nur davon ausgehen konnte, sondern sie geradezu erwarten musste, dass erst Recht eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 71 km/h eine Entziehung der Lenk­berechtigung zur Folge haben wird.

Insofern ist die Sachlage auch nicht mit der in der Berufung zitierten EGMR-Judikatur Wagner gegen Luxemburg, Nr.43490/08, vergleichbar.

 

Aber auch ihre "einschlägige Vorerfahrung" war für die Bw noch kein Anlass, dem Tatvorwurf in Verwaltungsstrafverfahren in irgendeiner Weise entgegenzutreten, sodass sie nunmehr die Rechts­­­kraft des Straferkenntnisses gegen sich gelten lassen muss. Ihrem Beweis­antrag auf Einvernahme von insgesamt zehn – davon neun überhaupt erst im Berufungsverfahren wegen der Entziehung der Lenk­berechtigung erstmalig genannten – Zeugen zur behaupteten Lenkeigenschaft ihres Ehegatten war aus diesen Überlegungen mit Hinweis auf die Rechtskraft des Straferkenntnisses nicht mehr zu entsprechen.

 

Zu den Ausführungen der Bw im Rahmen des Berufungsverfahren ist zu sagen, dass der Bw zum einen schon im Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz vor der BH Klagenfurt keinesfalls der Zugang zu einem Tribunal verwehrt wurde. Allerdings hat sie offensichtlich entschieden, mit der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz nicht zu kommunizieren, auch als ihr schon aufgrund der Tatanlastung klar sein musste, dass dieser Tatvorwurf weitreichende Folgen, ähnlich wie auch die anlässlich ihrer Geschwindigkeitsüber­schreitung um 64 km/h im Jahr 2010, nämlich eine nicht geringe Geldstrafe sowie einer Entziehung der Lenkberechtigung, nach sich ziehen würde. Sie hat auch die Berufungsfrist (bei weitem) nicht eingehalten, was sie mit einer angeblichen Auskunft eines Polizisten erklärt, die sie aber schon aus ihrer eigenen Erfahrung als höchst bedenklich einstufen hätte müssen – abgesehen davon hat die Bw auch die Zustellung der Lenkeranfrage und des inhaltlich als Aufforderung zur Rechtfertigung zu sehenden Schreibens der BH Klagenfurt vom 1. September 2012 geleugnet. Letztlich ist mit der (vorhersehbaren) Zurückweisung der Berufung im Verwaltungsstrafverfahren wegen verspäteter Einbringung das Straferkenntnis in Rechtskraft erwachsen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung eine Bindungs­wirkung der Berufungs­instanz im Führerscheinentziehungsverfahren an rechts­kräftige Strafbescheide in Verfahren wegen der der Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zugrunde­zulegenden Verwaltungsüber­­tretun­­gen, die die Grundlage für die Annahme einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z4 FSG bilden, insofern bejaht, als sich die Bindung jedenfalls auf den (im Strafbescheid rechtskräftig festgestellten) Umstand bezieht, dass der Beschuldigte eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde (vgl VwGH 24.2.2009, 2007/11/0042; 27.1.2005, 2003/11/0169; 13.8.2003, 2002/11/0023; 20.9.2001, 2001/11/0237; 23.4.2002, 2002/11/0063; 8.8.2002, 2001/11/0210; 26.11.2002, 2002/11/0083; 25.11.2003, 2003/11/0200; 6.7.2004, 2004/11/0046, jeweils mit Vor­judikatur; uva).

Diese Bindungswirkung besteht nach der Rechtsprechung des VwGH nicht in Ansehung des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung (vgl E 24.2.2009, 2007/11/0042; 23.5.2003, 2003/11/0127; 27.1.2005,2003/11/0169; uva).

 

Die Bw war in der Berufungsverhandlung nicht in der Lage, überhaupt auch nur einen Grund für ihr beharrliches Schweigen im Verwaltungsstrafverfahren vor der BH Klagenfurt anzugeben. Sich nun im Berufungsverfahren auf "Fairness" zu berufen, ist aus der Sicht des UVS nicht angebracht.     

Auf der Grundlage des rechtskräftigen Straferkenntnisses und der Ergebnisse des durchgeführten Beweisverfahrens war davon auszugehen, dass die Bw am 2. Juni 2011, 13.18 Uhr, im Gemeindegebiet X, A2 Südauto­bahn bei km 334.924 in Fahrtrichtung X, als Lenkerin des Pkw X die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h nach Toleranzabzug um 71 km/h überschritten hat. Sie hat damit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z4 FSG verwirklicht.

  

Gemäß § 26 Abs.3 FSG hat die Entziehungsdauer im Falle der erstmaligen Begeh­ung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung – sofern die Über­tretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizu­führen oder nicht mit beson­derer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßen­benützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1 oder 2 vorliegt –

1. zwei Wochen,

2. wenn die jeweils zulässige Höchst­geschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 60 km/h oder außerhalb des Orts­gebietes um mehr als 70 km/h überschritten wurde, sechs Wochen,

3. wenn die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit  im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 90 km/h überschritten wurde, drei Monate zu betra­gen.

Bei wiederholter Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren hat die Entziehungsdauer, sofern in keinem Fall eine Qualifizierung im Sinne der Z2 oder 3 gegeben ist, sechs Wochen, sonst mindestens sechs Monate zu betragen. Eine nach Ablauf von zwei Jahren seit der letzen Begehung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.

 

Unter Zugrundelegung der erstmaligen Entziehung der Lenkberechtigung der Bw vom 23. Dezember 2010 bis 6. Jänner 2011 nach Begehung einer Geschwindig­keits­über­schreitung außerhalb des Ortsgebietes um 64 km/h am 18. Juni 2010 ist davon auszugehen, dass die Bw mit der zweiten Geschwindigkeitsüber­schreitung am 2. Juni 2011 außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 71 km/h innerhalb sogar eines einzigen Jahres die Voraussetzungen für die Qualifikation der Z2 erfüllt hat, sodass ihr die Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten – gerechnet ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses – zu entziehen war.

 

Mangelnde Verkehrszuverlässigkeit ist auch das Kriterium für die gemäß § 30 Abs.1 FSG erfolgte Aberkennung des Rechts, während der Entziehungsdauer von einem allfällig bestehenden ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen.

Gemäß § 29 Abs.3 FSG ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungs­bescheides der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzu­liefern. Dies gilt auch für die Fälle des § 30, sofern  sich der Lenker noch in Österreich aufhält.

 

Gemäß § 24 Abs.3 2.Satz FSG hat die Behörde ... eine Nachschulung anzuordnen 2. wegen einer zweiten in § 7 Abs.3 Z4 genannten Übertretung innerhalb von zwei Jahren.

Die Bw hat auf dieser Grundlage zweifellos auch die Voraus­setzungen für die Anordnung einer Nachschulung für verkehrsauffällige Lenker erfüllt, wobei gemäß § 24 Abs.3 6.Satz FSG die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung endet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 42,90 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

 

Beschlagwortung:

Entziehung der Lenkberechtigung nach Geschwindigkeitsüberschreitung um 71 km/h (Autobahn), 2. derartige Übertretung innerhalb 1 Jahres -> 6 Monate bestätigt.

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 06.06.2013, Zl.: B 15/2013-9

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 21. November 2013, Zl.: 2013/11/0174-5

 

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