Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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Linz, 14.11.2012

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf aus Anlass der Beschwerde des I, dzt. Polizeianhaltezentrum X, vertreten durch RA Dr. J, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck seit dem 15. Juni 2012 nach der am 13. November 2012 durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht:

 

I. Soweit sich die Beschwerde auf den vor dem Zeitpunkt der Zustellung dieser Entscheidung gelegenen Zeitraum der Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft bezieht, wird diese als unbegründet abgewiesen.

 

II. Dagegen wird festgestellt, dass eine weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nach dem Zeitpunkt der Zustellung dieser Entscheidung rechtswidrig wäre, weil sich im Zuge der öffentlichen Verhandlung ergeben hat, dass die hierfür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen gegenwärtig nicht mehr vorliegen. 

 

III. Das ho. zu VwSen-420763 protokollierte Maßnahmenbeschwerdeverfahren wird eingestellt.

 

IV. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 887,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 15. Juni 2012, Zl. Sich40-2528-2012, wurde über den Rechtsmittelwerber, einen Staatsangehörigen der Russischen Föderation, gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 50/2012 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie der Abschiebung die Schubhaft verhängt und diese durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum der BPD X umgehend vollzogen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Rechtsmittelwerber zunächst mit Wirkung vom 30. Jänner 2004 Asyl erteilt, ihm dieser Status jedoch in Folge einer Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe mit Bescheid des Bundesasylamtes Salzburg vom 23. Februar 2010 wieder aberkannt worden sei. Daher habe die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land gegen ihn mit Bescheid vom 24. Mai 2011 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, das seit dem 12. Jänner 2012 vollstreckbar sei. Am 7. Dezember 2011 sei er im unmittelbaren Anschluss an seine Strafhaft auf Grund eines Schubhaftbescheides der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land in Schubhaft genommen worden, aus der er sich jedoch am 25. Dezember 2011 im Wege eines Hungerstreiks wieder "freigepresst" habe. In der Folge sei er – vermutlich im Raum Bregenz – in der Anonymität untergetaucht und behördlich erstmals wieder im Zuge einer neuerlichen (dritten) Asylantragstellung am 12. Juni 2012 in Erscheinung getreten. Auf Grund seiner Mittellosigkeit sei ihm vorübergehend eine bundesbetreute Notunterkunft zugewiesen sowie eine rote Verfahrenskarte ausgestellt worden; die damit verbundene Verpflichtung, die zugewiesene Unterkunft nicht zu verlassen, habe jedoch nach fünf Tagen wieder geendet. Da er zum Aufenthalt in Österreich fraglos nicht berechtigt, sondern vielmehr auf Grund einer (seit dem 12. Jänner 2012) durchsetzbaren Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet sei, seine Identität zwar als glaubhaft, aber nicht als gesichert gelte, er die maßgeblichen Ordnungsvorschriften konsequent ignoriere und auch weder über einen ordnungsgemäß polizeilich gemeldeten Wohnsitz noch über nennenswerte finanzielle Mittel verfüge sowie keinerlei Interesse an einer Abwicklung des Asylverfahrens in der nach der Dublin-Verordnung hierfür zuständigen Slowakei zeige, sei sohin von einem evidenten Sicherungsbedarf auszugehen. Weil nämlich auf Grund dieser Umstände auf der Hand liege, dass er sich ansonsten dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde entziehen wird, sei daher im überwiegenden öffentlichen Interesse eines geordneten Fremdenwesens die Schubhaft zu verhängen gewesen, zumal gelindere Mittel erkennbar nicht in gleicher Weise geeignet wären, den damit verfolgten Zweck zu erreichen. Denn einerseits sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer in diesem Fall dem österreichischen Staat finanziell zur Last fallen oder versuchen könnte, sich die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel durch Schwarzarbeit zu beschaffen; und andererseits könnte im Wege bloß gelinderer Mittel das mit der Schubhaftanordnung vorfolgte Ziel – nämlich seine effektive Außerlandesschaffung im Wege der zwangsweisen Abschiebung – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden, weshalb von dieser Maßnahmenalternative zwingend Abstand zu nehmen gewesen sei.

1.2. Gegen die derzeit weiterhin andauernde Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft richtete sich zunächst eine am 19. Juni 2012 zur Post gegebene und am 22. Juni 2012 beim Oö. Verwaltungssenat eingegangene Beschwerde (protokolliert zu Zl. VwSen-401190).

Darin wurde vorgebracht, dass sich die Schubhaftverhängung insbesondere deshalb als unverhältnismäßig erweise, weil die Ehegattin des Rechtsmittelwerbers ein anerkannter Flüchtling sei und über eine Wohnung in X – in der auch deren gemeinsame sechsjährige Tochter lebe – sowie im Wege eines Pflegeberufes über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.100 Euro verfüge. Davon abgesehen sei er nach der seinerzeitigen Entlassung aus der Schubhaft am 25. Dezember 2011 in Wahrheit nicht in Österreich untergetaucht, sondern freiwillig in seinen Heimatstaat zurückgekehrt, wo er aber umgehend fortwährenden Repressalien der Behörden – insbesondere auch Misshandlungen und Verletzungen (Rippen- und Kieferbrüche) durch die Polizei – ausgesetzt gewesen sei. Von einem Verwandten habe er damals jedoch aus dem Gewahrsam der Polizei freigekauft und in der Folge in einem Krankenhaus behandelt werden können. Entgegen den – auffällig tendenziösen – Behauptungen und Formulierungen im Schubhaftbescheid sei dem Beschwerdeführer außerdem in keiner Weise mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag zurückzuweisen.

Da sein Hauptbestreben darin liege, weiterhin mit seiner seit 2005 in Österreich sesshaften Familie zusammen leben zu können und er in Wahrheit bloß eine – von der belangten Behörde hinsichtlich ihres Unrechtsgehaltes zudem unverhältnismäßig überschätzte – Straftat begangen habe, wurde die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft und stattdessen die Anordnung gelinderer Mittel beantragt.

1.3. Mit e-mail vom 21. Juni 2012 hat die Erstbehörde dem Oö. Verwaltungssenat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

 

Ergänzend wurde unter einem mitgeteilt, dass sich aus dem Beschwerdeschriftsatz wiederum deutlich ergebe, dass der Rechtsmittelwerber in keiner Weise gewillt sei, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen, sondern dass er vielmehr sämtliche gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen konsequent ignoriere. Da weiters auch seine Absicht, unter allen Umständen die Freiheit wieder zu erlangen, klar hervorgehe, werde damit aber zugleich auch ein Nachweis dafür geliefert, dass mit der bloßen Anordnung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden könne.

 

1.4. Mit h. Schriftsatz vom 25. Juni 2012, Zl. VwSen-401190/2/Gf/Rt, hat der Oö. Verwaltungssenat gemäß Art. 140 Abs. 1 i.V.m. Art. 129a Abs. 3 und Art. 89 B-VG einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung einiger Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes wegen Verfassungswidrigkeit gestellt.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der unter der Überschrift "Dauer der Schubhaft" stehende erste Satz des § 80 Abs. 4 FPG durch die Bestimmung des § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG sachlich ergänzt werde. Daraus scheine sich insgesamt folgende Systementscheidung des einfachen Gesetzgebers zu ergeben:

 

* Nach § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG darf eine Anhaltung in Schubhaft grundsätzlich die Dauer von vier Monaten nicht überschreiten;

 

* Ausnahmsweise darf die Schubhaft jedoch (u.a.) dann, wenn der Fremde – wie hier – deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates (noch) nicht vorliegt, zwar länger als vier Monate, jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden (§ 80 Abs. 4 Z. 2 erste Alternative FPG);

 

* Wiederum als Ausnahme von dieser Ausnahme ist schließlich eine Anhaltung in Schubhaft dann länger als sechs Monate, höchstens jedoch für zehn Monate zulässig, wenn entweder

 

– der Fremde deshalb nicht abgeschoben werden kann oder darf, weil die Feststellung seiner Identität bzw. Staatsangehörigkeit nicht möglich ist, die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt widersetzt und daher deren Nichtvornahme seinem Verhalten zuzurechnen ist oder

 

– die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass sich der Fremde bereits einmal dem Verfahren entzogen hat oder

 

– die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG, d.h. deshalb verhängt wurde, weil der Fremde ein Asylwerber ist und gegen ihn entweder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen (§ 76 Abs. 2 Z. 1 FPG) oder ein Ausweisungsverfahren eingeleitet (§ 76 Abs. 2 Z. 2 FPG) oder vor Stellung des Asylantrages eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen (§ 76 Abs. 2 Z. 3 FPG) wurde bzw. anzunehmen ist, dass sein Asylantrag mangels Zuständigkeit Österreichs zu dessen Prüfung zurückgewiesen werden wird (§ 76 Abs. 2 Z. 4 FPG).

 

Davon ausgehend scheine die Anordnung des § 80 Abs. 4 FPG zunächst gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG zu verstoßen, weil daraus mit Blick auf den gegenständlich anhängigen Fall insgesamt nicht hervorgehe, ob dann, wenn eine Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG – also über einen Asylwerber – verhängt wurde, auch der Grundsatz des § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG, wonach diese vier Monate nicht überschreiten darf, maßgeblich ist, oder ob der letzte Satz des § 80 Abs. 4 FPG vielmehr so zu verstehen ist, dass in diesem Fall die Dauer der Schubhaft schon a priori länger als sechs Monate betragen kann.

 

Soweit es den Normtext betrifft, sei dieser jedenfalls nicht eindeutig; er scheine eher für die letztere Alternative zu sprechen (vgl. aber dem gegenüber die Gesetzesmaterialien, 952 BlgNR, 22. GP, S. 105: "In den Fällen des Abs. 4 wird eine Schubhaft länger als zwei Monate – grundsätzlich längstens sechs Monate – dauern" [Hervorhebung nicht im Original]). Dies deshalb, weil die Formulierung bereits auf die ursprüngliche Fassung des FPG (BGBl.Nr. I 100/2005) zurückgehe, wonach die grundsätzliche Dauer der Schubhaft noch nicht vier, sondern lediglich zwei Monate betragen habe, was im (Normal-)Fall eines Asylwerbers ohne Reisedokumente aber wohl stets zu kurz und somit deren bis zu sechsmonatige Anhaltung die Regel gewesen sei.

 

Dem gegenüber verstehe die behördliche Praxis den letzten Satz des § 80 Abs. 4 FPG jedoch so, dass diese Bestimmung bloß subsidiär, nämlich erst dann zum Tragen komme, wenn mit der prinzipiell mit vier Monaten befristeten Regel-Anhaltedauer des § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG in concreto nicht das Auslangen gefunden werden könne. 

 

Weiters schienen diese Bestimmung und § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gegen das auch den einfachen Gesetzgeber bindende Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG und Art. I Abs. 1 RassDiskrBVG; vgl. dazu bspw. VfGH vom 9.3.2011, G 53/10 u.a., und vom 16.12.2010, U 1769/10), insbesondere in dessen Konnex mit dem Schutz der persönlichen Freiheit (Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG, Art. 5 Abs. 1 EMRK und Art. 14 EMRK), zu verstoßen, wenn sie – davon ausgehend, dass der letzte Satz des § 80 Abs. 4 FPG in keiner Korrelation zu dessen erstem Satz steht – es der Behörde ohne jede nähere Differenzierung ermöglichten, überhaupt und zudem in unverhältnismäßiger Weise in das nicht nur Staats- und Unionsbürgern, sondern – in adäquater Weise – auch einem Drittstaatsangehörigen verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit einzugreifen.

 

Denn selbst wenn man davon ausgehe, dass auch bei Asylwerbern nach § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG eine Schubhaftverhängung prinzipiell zulässig und § 80 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 FPG insgesamt dahin zu verstehen ist, dass die höchstzulässige Anhaltedauer in Schubhaft grundsätzlich bloß vier Monate beträgt und deren Ausdehnung auf sechs Monate nur dann zulässig ist, wenn eine der Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 erster Satz FPG erfüllt ist, sei in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass das Grundrecht der persönlichen Freiheit in einem demokratischen Rechtsstaat eines der höchsten Rechtsgüter verkörpere, sodass staatliche Beeinträchtigungen stets einer besonderen und zwingenden sachlichen Rechtfertigung bedürften. Aus der Sicht des einfachen Gesetzgebers scheine diese nach dem Normtext des § 76 Abs. 2 erster Satz FPG jedoch ausschließlich in der Notwendigkeit der Sicherung der Durchführung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens, nämlich der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme samt deren Vollstreckung im Wege der Abschiebung, zu bestehen. In diesem Zusammenhang werde aber lediglich auf die Eigenschaft des Fremden als "Asylwerber" abgestellt; hingegen mache es aber offenbar keinen Unterschied, ob es sich – als Extremfall auf der einen Seite – um einen Fremden handle, der in Österreich bereits durch strafgerichtlich zu ahndende Handlungen (wie z.B. Suchtgift- oder Vermögensdelikte) in Erscheinung getreten ist und somit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bildet(e), was wiederum eine erhöhte Sicherungsnotwendigkeit bedingt, oder – als Extremfall auf der anderen Seite – um einen solchen Fremden, der sich nur zufällig und/oder unauffällig im Bundesgebiet aufhalte und dieses auch freiwillig wieder (sogar) in einen außerhalb der EU gelegenen Staat verlassen wolle, was jedoch (primär bloß) an Formalien, nämlich an entsprechenden Reisedokumenten, scheitere. Der Umstand, dass in Konstellationen wie der zuletzt erwähnten, wo eine regelmäßig mehrmonatige (!) Anhaltung in Schubhaft ersichtlich ausschließlich dazu diene, die – vom Fremden selbst überdies in keiner Weise beeinflussbare – Zeitdauer der Ausstellung der erforderlichen Reisedokumente durch seinen Heimatstaat zu überbrücken, lasse eine derartige Anhaltung angesichts der eher bloß geringfügigen Verfehlungen des Fremden nicht nur als offenkundig unverhältnismäßig i.S.d. Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG erscheinen, sondern bereits bedrohlich in die Nähe einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK rücken (wobei der bloße Umstand, dass selbst für offensichtlich problemlose Fälle bislang in Österreich trotz langjähriger politischer Zusicherungen faktisch noch immer keine humaneren Methoden einer effektiven Verfahrenssicherung geschaffen wurden, aus rechtlicher Sicht naturgemäß nicht zum Nachteil des Fremden gereichen könne).

 

Dazu komme, dass in der gegenwärtigen fremdenpolizeilichen Vollzugspraxis für einen Fremden keine vorherseh- und berechenbare, sohin rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Garantie dafür bestehe, dass diese infolge mangelnder gesetzlicher Differenzierung übermäßige Bandbreite an von § 80 Abs. 2 und Abs. 4 FPG potentiell erfassten (Extrem-)Fallkonstellationen zumindest auf der nachgeordneten Ebene der Vollziehung entsprechend zuverlässig korrigiert wird. Denn die anstelle der Schubhaftverhängung vorgesehenen gelinderen Mittel kämen nach der Textierung des § 77 Abs. 1 FPG nunmehr zwar formal im Wege einer Rechtsentscheidung (vor der FPG-Novelle 2011: bloße Ermessensentscheidung) zum Tragen. Allerdings seien deren tatbestandsmäßige Voraussetzungen derart konzipiert, dass eine konkrete Heranziehung dieser Bestimmung – was für sich besehen wiederum einen Verstoß gegen das Determinierungsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG zu bedeuten scheine – nicht von objektiv nachprüfbaren Kriterien, sondern vielmehr ausschließlich von der subjektiv-persönlichen Einschätzung (des jeweiligen Organwalters) der jeweiligen Fremdenpolizeibehörde (arg.: "wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann") abhänge. Damit sei aber die Bestimmung des § 77 Abs. 1 FPG schon von vornherein nicht geeignet, das bislang in der Vollzugspraxis der Fremdenpolizeibehörden dominierende Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach die Schubhaftanordnung die Standardmaßnahme und ein gelinderes Mittel den Ausnahmefall bildet, entsprechend umzukehren (wobei mangels entsprechender Hinweise in den Erläuterungen [vgl. 1078 BlgNR, 24. GP, S. 37] offen bleibe, ob dies vom Gesetzgeber der FPG-Novelle 2011 in dieser Schärfe überhaupt intendiert gewesen sei). Denn es liege auf der Hand, dass aus der Sicht der Behörde eine Anhaltung in Haft deren jederzeitigen Zugriff auf die Person des Fremden mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit gewährleiste als die in § 77 Abs. 3 Z. 1 bis 3 FPG vorgesehenen Maßnahmen. Wegen sonach schon voraussetzungsgemäßer Ungleichheit könnten daher "Schubhaft" einerseits und "gelindere Mittel" andererseits der Fremdenpolizeibehörde seitens des einfachen Gesetzgebers nicht als adäquate Maßnahmen, sondern nur in der Form überantwortet werden, dass zweifelsfrei klargestellt werde, dass gelindere Mittel stets grundsätzlich anzuwenden sind, während eine Heranziehung der Schubhaft nur in ganz besonders begründeten Ausnahmefällen möglich ist. Indem der derzeitige Normtext des § 77 Abs. 1 zweiter Halbsatz FPG jedoch darauf abstelle, dass die Anwendung gelinderer Mittel nur dann in Betracht komme, wenn auch dadurch "der Zweck der Schubhaft ..... erreicht werden kann", werde durch diese zwingende Korrelation im Ergebnis eine Gleichstellung von sachlich nicht Vergleichbarem bewirkt. Damit scheine jedoch ein Verstoß gegen das auch den einfachen Gesetzgeber bindende Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes und/oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG und Art. I Abs. 1 RassDiskrBVG) vorzuliegen.

 

Ergänzend sei schließlich – insbesondere im Lichte des jüngsten Erkenntnisses des VfGH vom 14. März 2012, U 466/11 u.a., wonach die in der EGRC gewährleisteten Verbürgungen als "verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte" i.S.d. Art. 144 Abs. 1 B-VG sowie als Prüfungsmaßstab in Verfahren nach Art. 139 Abs. 1 und Art. 140 Abs. 1 B‑VG anzusehen sind – auch noch darauf hinzuweisen, dass Art. 6 EGRC – im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK – keinen expliziten Vorbehalt zur Einschränkung der persönlichen Freiheit eines Fremden wegen dessen Betroffenheit von einem schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren mehr vorsehe; vielmehr stelle sich danach die persönliche Freiheit (zumindest grundsätzlich) als eine ebenso schrankenlose Gewährleistung wie die Menschenwürde, das Recht auf Leben, das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung und das Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit (Art. 1 und Art. 2 EGRC bzw. Art. 3 EGRC und Art. 4 EGRC) dar. Ob aber die in Art. 52 Abs. 1 EGRC (bloß als Ausnahme vom Grundsatz) vorgesehene Möglichkeit der Einschränkung (auch) der persönlichen Freiheit stets "den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer" diene, könne jedenfalls ebenso wenig vorbehaltlos bejaht werden wie die Frage, ob dadurch, dass in den "Erläuterungen zur Charta der Grundrechte" bezüglich Art. 6 EGRC explizit auf Art. 5 EMRK (und damit auch auf dessen Abs. 1 lit. f) hingewiesen wird, zum Ausdruck gebracht habe werden sollen, dass die unionsrechtliche Gewährleistung (i.S.d. Art. 52 Abs. 3 letzter Satz EGRC) inhaltlich nicht über die Garantie des Art. 5 EMRK hinausgehe.

 

Nach Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG bzw. Art. 5 Abs. 4 EMRK habe jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Entlassung angeordnet wird, wobei diese Entscheidung grundsätzlich binnen einer Woche zu ergehen hat. Dazu komme, dass Art. 13 EMRK vorsieht, dass derjenige, der sich in einem von der EMRK gewährleisteten Recht als verletzt erachtet (arg.: "Everyone whose rights ..... are violated"), einen verfassungsmäßig garantierten Anspruch darauf habe, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen.

 

Diese Garantie scheine jedoch – institutionell bedingt – immer dann missachtet zu werden, wenn gegen einen Fremden die Schubhaft angeordnet und diese auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG und/oder § 80 Abs. 2 und 4 FPG gestützt wird, der Fremde jedoch jene die Schubhaft tragende(n) Bestimmung(en) oder § 77 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz FPG für verfassungswidrig halte. Denn ein Individualantrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG scheide wohl mangels unmittelbarer Betroffenheit solange aus, bis über ihn die Schubhaft verhängt wurde. Aber auch eine unter Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlage erhobene Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 FPG oder ein in deren Zuge vom Unabhängigen Verwaltungssenat gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG gestellter Gesetzesprüfungsantrag würde – ebenso wie eine für den Fall der Abweisung der Schubhaftbeschwerde nach § 83 Abs. 2 FPG erhobene Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 zweite Alternative B-VG – jeweils nicht dazu führen, dass über die Verfassungsmäßigkeit des  76 Abs. 2 Z. 2 FPG bzw. § 80 Abs. 2 und 4 FPG bzw. § 77 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz FPG und damit über die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft effektiv und ehetunlich entschieden wird, im Gegenteil: Weil in jenem Gesetz, das das Verfahren des zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der als bedenklich erachteten gesetzlichen Bestimmungen zuständigen VfGH ein Provisorialrechtsschutz schon grundsätzlich nicht vorgesehen sei, scheine die Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit jener die Schubhaft tragenden gesetzlichen Grundlagen somit stets gleichsam "programmgemäß" jedenfalls zu einer massiven Überschreitung der in Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG normierten Höchstfrist von einer Woche, zumindest aber zu einer Verletzung des Rechtes auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art. 13 EMRK zu führen.

 

Da es dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Zuge einer Beschwerde wie der vorliegenden weder zukomme, selbst die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Grundlagen zu beurteilen, noch aus eigenem anstelle der Schubhaft gelindere Mittel anzuordnen oder der Fremdenpolizeibehörde einen diesbezüglichen verbindlichen Auftrag zu erteilen, sondern von diesem vielmehr bloß die Rechtmäßigkeit der (Schubhaftverhängung bzw.) weiteren Anhaltung zu beurteilen sei (vgl. z.B. VwGH vom 25.3.2010, Zl. 2009/21/0281), könne die gegenständliche Antragstellung sohin auch nicht dadurch gehindert sein, dass sich diese insoweit zum Nachteil der mitbeteiligten Partei auswirke, als dadurch die Entscheidung gemäß § 80 Abs. 7 FPG verzögert wird. Denn dies wäre nur dann der Fall, wenn diese a limine zugunsten des Fremden ausfallen müsste, was gegenständlich allerdings nicht zutreffe.

 

In seiner Erstkonzeption habe Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG noch keine Festlegung dahin, dass die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Festnahme und Anhaltung (regelmäßig) innerhalb von einer Woche zu ergehen hat, enthalten (vgl. dazu den Entwurf der sog. "Grundrechtskommission", in: BKA–Verfassungsdienst [Hrsg.], Der Schutz der persönlichen Freiheit, Wien 1987, 72 ff). Eine Motivation, die den Verfassungsgesetzgeber in der Folge – obwohl seitens Art. 5 Abs. 4 EMRK ("ehetunlich") in keiner Weise gefordert – dennoch zur Normierung dieser Wochenfrist veranlasste, lasse sich amtlichen Dokumenten, insbesondere den Gesetzesmaterialien, nicht entnehmen; denn in den E zur RV (134 BlgNR, 17. GP, 7) finde sich insoweit nur der den Rechtsschutzbehelf der Maßnahmenbeschwerde tangierende Hinweis: "Durch Abs. 1 zweiter Satz wird das Beschwerderecht vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts selbstverständlich nicht berührt" und auch der AB (667 BlgNR, 17. GP, 3) führe in diesem Zusammenhang lediglich aus: "Der Ausschuß hielt es für zweckmäßig, diese Regelung im Sinne des Art. 5 Abs. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu ergänzen. Es wird daher ausdrücklich vorgesehen, daß im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Freiheitsentzuges die Freilassung des Betroffenen anzuordnen ist." Auch die im engen Konnex damit stehende, "den vom Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit in Art. 6 vorgegebenen Standard" umsetzende (vgl. die E zur RV, 9 BlgNR 18. GP, 3) Novellierung des FPG 1954 (BGBl.Nr. 21/1991) liefere hierfür keinen Anhaltspunkt. Vor dem Hintergrund, dass damals Asyl- und Fremdenrechtsfälle – und damit auch Schubhaftbeschwerden – faktisch lediglich in vergleichsweise geringer Anzahl aufgetreten seien und zugleich auch dem Art. 13 EMRK in der Judikatur des EGMR noch keine maßgebliche Bedeutung gekommen sei, habe diese Wochenfrist in der Vollzugspraxis in aller Regel auch kein ernsthaftes Problem dargestellt (wobei schon die damalige – die Unabhängigen Verwaltungssenate in keiner Weise berücksichtigende – Prognose des Gesetzgebers bezüglich der künftigen finanziellen Zusatzbelastung symptomatisch erscheine: "Mehrkosten können sich in geringer Höhe durch eine Erhöhung des Verwaltungsaufwandes bei den Fremdenpolizeibehörden ergeben"; vgl. die E zur RV, 9 BlgNR 18. GP, 2). 

 

Zwischenzeitlich hätten sich jedoch die maßgeblichen Rahmenbedingungen drastisch geändert: 1.) hätten sich die im Jahresdurchschnitt wenigen Fälle zu Beginn der 90-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mittlerweile zu einer nicht mehr abebbenden Flüchtlingswelle entwickelt, die keineswegs nur die in geographischer Randlage situierten Mitgliedsstaaten tangiere, sondern der heute die Europäische Union insgesamt politisch hilflos gegenüberstehe. Dazu komme 2.), dass die nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften ausschließlich zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Schubhaftverhängung zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenate seither kontinuierlich – vornehmlich im Zuge der Verwaltungsreformgesetze – mit einer Fülle von weiteren gesetzlichen Aufgaben betraut worden seien, die im Zuge einer Gesamtbetrachtung die Schubhaftprüfung (wie aus den entsprechenden Tätigkeitsberichten hervorgehe) als eine bloße und angesichts der Einrichtung des Asylgerichtshofes zudem auch "artfremde" Nebenaufgabe erscheinen lassen würden. Von entscheidendster Bedeutung sei jedoch in diesem Zusammenhang 3.), dass – wie im Zuge der Rechtsentwicklung allgemein üblich – auch hier die von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts entwickelten Anforderungen an eine Schubhaftprüfung in den vergangenen 20 Jahren sowohl in inhaltlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht stetig angestiegen seien (wie – um hier nur die markantesten Entwicklungslinien anzuführen – etwa: [regelmäßig] keine Beschränkung auf Beschwerdepunkte; keine bloße Grobprüfung; Prognoseentscheidung bezüglich der Absicht, sich dem Verfahren zu entziehen; Kooperationsbereitschaft und soziale Integration des Fremden, insbesondere etwa auch unter Einbeziehung des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 EU-Türkei; strafrechtlich relevantes Verhalten; faktische Durchsetzbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen, insbesondere auch unter Einbeziehung der aktuellen politischen Situation im Abschiebestaat unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK; vollumfängliche Einbeziehung des parallel laufenden und allenfalls auch Familienmitglieder betreffenden Asylverfahrens bzw. Prognostizierung des hypothetischen Ergebnisses desselben – z.B., ob ein humanitäres Bleiberecht nach dem NAG gewährt werden wird – als Vorfrage; Verhältnismäßigkeitsprüfung im Hinblick auf gelindere Mittel; Identitätsfeststellung und Feststellung der Minderjährigkeit des Fremden; Prüfung der Haftfähigkeit, insbesondere des Vorliegens einer behaupteten Traumatisierung; Prüfung der örtlichen Zuständigkeit; Durchführung einer mündlichen Verhandlung, selbst wenn dies innerhalb der einwöchigen Entscheidungsfrist nicht möglich ist [vgl. jüngst VwGH v. 28. August 2012, Zl. 2010/21/0291, S. 12: "Die gesetzlich gebotene mündliche Verhandlung kann auch nicht deswegen unterbleiben, weil die belangte Behörde ihre Durchführung innerhalb der Entscheidungsfrist für 'faktisch unmöglich' hält"] – freilich ohne dass der VwGH [nach zweijähriger Verfahrensdauer] in diesem Zusammenhang eine entsprechende Konfliktlösung zumindest andeuten würde). Es sei offensichtlich, dass diese Kriterien – insbesondere wenn sie, was in der Praxis ja regelmäßig der Fall sei, in Kombination auftreten – innerhalb der Frist von einer Woche nicht erfüllt werden könnten, zumal die Fremdenpolizeibehörde auch nicht einmal eine Pflicht zur Aktenvorlage treffe, ganz abgesehen davon, dass diese im Regelfall schon von Gesetzes wegen bloß einen Mandatbescheid gemäß § 57 AVG zu erlassen habe (und ihrerseits hierbei nicht an eine Wochenfrist gebunden sei !). 

 

All dies berücksichtigend liege daher nach h. Auffassung auf der Hand, dass die ursprüngliche Sichtweise, dass sich der Unabhängige Verwaltungssenat jeweils selbst so zu organisieren habe, dass diese Frist jedenfalls eingehalten werden kann, gegenwärtig nicht mehr aufrecht erhalten werden könne. Im Lichte der zuvor aufgezeigten aktuellen Rahmenbedingungen sei Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz PersFrBVG heute vielmehr so auszulegen, dass eine entsprechende Aufgabenübertragung durch den Fremdenrechtsgesetzgeber an eine Institution wie die Unabhängigen Verwaltungssenate, die vorrangig mit dem Vollzug anderer Materien betraut seienund zudem in keiner Weise über eine eigenständige Personal- und Budgethoheit verfügen würden, bei sonstiger Verfassungswidrigkeit nur in der Weise erfolgen könne, dass zugleich auch eine adäquate Ressourcenausstattung erfolgt.

 

Dem sei jedoch – wie zuvor gezeigt – schon a priori nicht entsprochen worden. Indem der einfache Gesetzgeber diese Anforderungen auch anlässlich der jüngsten Novellierung des FPG trotz explizit eingestandener zusätzlicher Aufgabenübertragung zweifelsfrei wiederum nicht erfüllt habe (vgl. die RV, 1078 BlgNR, 24. GP, 1 f und 5), erweise sich die Bestimmung des § 83 Abs. 2 FPG nunmehr offenkundig als verfassungswidrig, weil sie im Lichte der effektiv und nachhaltig geänderten rechtlichen und faktischen Rahmenbedingungen schon von vornherein nicht geeignet sei, die Verheißungen des Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz PersFrBVG zu erfüllen.

 

(Nur ergänzend dürfe darauf hingewiesen werden, dass den Vorgaben der letztgenannten Verfassungsbestimmung erst recht nicht entsprochen werden könne, wenn jene die Schubhaft tragenden Bestimmungen vom Fremden selbst im Wege eines Individualantrages gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG angefochten worden wären, weil § 63 Abs. 3 VfGG in diesem Zusammenhang eine [längere] Frist von einem Monat vorsieht [wobei sich selbst diese im Regelfall als viel zu kurz erweist], die jedoch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz PersFrBVG ihrerseits als verfassungsrechtlich offenkundig bedenklich erscheine).

 

Die angefochtenen Bestimmungen erschienen schließlich auch noch insoweit als verfassungsrechtlich bedenklich, als im FPG keine Möglichkeit eingeräumt sei, dem Rechtsbehelf der Schubhaftbeschwerde eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

Das Fehlen jeglicher effektiver Form eines vorläufigen Rechtsschutzes scheine nicht nur zur bewussten Inkaufnahme einer unverhältnismäßigen Dauer der vorangehenden Freiheitsentziehung für den Fall, dass die Schubhaft ex post als rechtswidrig festgestellt werden sollte, und damit zu einer Verletzung der Gewährleistung des Art. 1 Abs. 1 PersFrBVG zu führen, sondern auch insoweit zu einer Missachtung des Art. 13 EMRK und/oder des rechtsstaatlichen Grundprinzips der Bundesverfassung.

 

1.5. In der Folge hat der Rechtsmittelwerber mit Eingabe vom 17. September 2012 neuerlich eine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft (protokolliert zu Zl. VwSen-401218) sowie eine gesonderte Beschwerde gegen die Haftbedingungen, insbesondere gegen die in diesem Zusammenhang ausgeübte Befehls- und Zwangsgewalt (protokolliert zu Zl. VwSen-420763), eingebracht.

 

Begründend wurde hierzu ausgeführt, dass seine Anhaltung gegenwärtig noch immer andauere und diese nach wie vor als rechtswidrig erscheine. Dazu komme, dass ihm trotz mehrmaligen Ersuchens jegliche psychologische und psychiatrische Betreuung in gleicher Weise verweigert worden sei wie eine ausreichende medizinische Behandlung, obwohl er an einer psychischen Erkrankung und an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide; insbesondere werde sein Wunsch nach Verabreichung und Verschreibung des Medikamentes "Tramal" konsequent missachtet. Außerdem gebe es keine Möglichkeit, sich im Stand der Schubhaft sinnvoll zu beschäftigen, und auch die Verpflegung sei sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht äußerst mangelhaft.

 

Abschließend wurde auch darauf hingewiesen, dass die Anhalteordnung als i.S.d. Art. 18 Abs. 1 B-VG nicht ausreichend gesetzlich determinert erscheine.

 

1.6. Mit e‑mail vom 9. Oktober 2012 hat die Erstbehörde den Bezug habenden Akt neuerlich vorgelegt und gemäß § 80 Abs. 7 FPG die Feststellung begehrt, dass die Anhaltung des Fremden über vier Monate hinaus zulässig ist (ho. protokolliert zu Zl. VwSen-401223).

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der (insgesamt dritte) Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesasylamtes EAST West vom 1. September 2012 neuerlich abgewiesen und der dagegen erhobenen Beschwerde vom Asylgerichtshof keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei; somit sei seine Ausweisung seit dem 26. September 2012 vollstreckbar. Mit Schreiben vom nächsten Tag sei daher an die russische Botschaft ein Antrag auf Rückübernahme des Rechtsmittelwerbers sowie ein Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates gestellt worden.

1.7. Mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a. (ho. eingelangt am 8. November 2012), hat der VfGH die h. Gesetzesprüfungsanträge teilweise zurück- und teilweise abgewiesen.

In der Sache wurde dazu begründend ausgeführt (vgl. die RN 35 ff dieser Entscheidung), dass ein Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit gemäß Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG nur dann und insoweit gerechtfertigt sei, wenn dieser zur Erreichung des mit einer Maßnahme verfolgten Zweckes notwendig ist und zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht außer Verhältnis steht; dieses ausdrücklich formulierte Verhältnismäßigkeitsgebot erlaube der Behörde sohin nur dann die Verhängung der Schubhaft, wenn dies zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens notwendig ist und soweit der Freiheitsentzug zu diesem Zweck nicht außer Verhältnis steht. Angesichts der sich schon aus dem Grundrecht ergebenden Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und Verhältnismäßig ist (VfSlg 14981/1997 u. 17288/2004), belaste es daher eine Regelung wie § 76 Abs. 1 FPG nicht mit Verfassungswidrigkeit, wenn es der Gesetzgeber den vollziehenden Behörden überlässt, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahren einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen andererseits vorzunehmen (VfSlg 17891/2006 u. 18145/2007).

Weiters spreche auch schon der klare Gesetzeswortlaut des § 77 Abs. 1 FPG gegen ein Verständnis dieser Bestimmung dahin, dass es dadurch zu einer unsachlichen rechtlichen Gleichbehandlung von Schubhaft und gelinderen Mitteln komme. Denn § 77 Abs. 1 FPG gebe der Behörde keine freie Wahlmöglichkeit zwischen der Anordnung gelinderer Mittel und der Verhängung der Schubhaft; vielmehr sei ein – nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG auch verfassungsrechtlich gebotener (VfSlg 19323/2011) – klarer Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel festgelegt. Unter Heranziehung dieser verfassungsrechtlich zwingenden Auslegung sei der Inhalt des § 77 Abs. 1 FPG gegenüber der Behörde ausreichend determiniert und differenziere dieser auch im gebotenen Maße zwischen der Verhängung von Schubhaft und der Anordnung von gelinderen Mitteln.

Auch die Bedenken, dass die §§ 76 und 77 FPG eine Verletzung von Art. 13 EMRK darstellen, seien deshalb unbegründet, weil ein Fremder, der auf Grund von Gesetzen, die gegen die EMRK verstoßen, in Schubhaft genommen wird, die Möglichkeit hätte, gemäß § 82 FPG eine Beschwerde beim UVS einzubringen; dieser hätte binnen einer Woche über die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft zu entscheiden (VfSlg 18081/2007); gegen einen negativen Bescheid wäre dann eine Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den VfGH zulässig, der ihr auf Antrag des Fremden die aufschiebende Wirkung zuerkennen könne. Selbst wenn die Schubhaft also aufgrund von gegen die EMRK verstoßenden Gesetzen verhängt werden würde, stünde eine den Anforderungen des Art. 13 EMRK genügende wirksame Beschwerdemöglichkeit zur Verfügung.

Die gegen § 80 Abs. 2 und 4 FPG vorgebrachten Bedenken, dass danach die im Einzelfall geltende höchstzulässige Schubhaftdauer nicht festzustellen sei, seien schon deshalb nicht zu teilen, weil aus dem klaren Wortlaut des § 80 Abs. 2 Z. 1 FPG abgeleitet werden könne, dass gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, die Schubhaft grundsätzlich nur für eine Höchstdauer von vier Monaten verhängt werden darf; die in § 80 Abs. 3 und 4 FPG formulierten Fälle seien also als ausdrückliche Ausnahmen zu der in Abs. 2 Z. 1 festgelegten höchst zulässigen Dauer der Schubhaft zu verstehen. Außerdem bestehe die Pflicht zur Achtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei der Vollziehung des FPG zu jedem Zeitpunkt des Vollzuges der Haft, sodass § 80 Abs. 4 FPG keineswegs eine undifferenzierte Dauer der Verhängung der Schubhaft ermögliche.

Schließlich könne eine strukturelle Überlastung des UVS, die zu einer Missachtung der gesetzlichen Entscheidungsfrist führt, nicht auf die Verfassungsmäßigkeit einer einfachgesetzlichen Bestimmung, die der verfassungsmäßig vorgegebenen Frist entspricht, zurückwirken.

1.8. Mit ho. am 14. November 2012 eingelangten Schreiben des UVS Wien vom 9. November 2012, Zl. UVS-01/48/15466/2012-4, wurde dem Oö. Verwaltungssenat eine vom Beschwerdeführer dort am 8. November 2012 eingebrachte weitere Schubhaftbeschwerde übermittelt (ho. protokolliert zu Zl. VwSen-401234).

Darin wird insbesondere auf die familiäre Situation des Rechtsmittelwerbers hingewiesen und vorgebracht, dass er in seinem Heimatstaat überhaupt keine Zukunft habe und daher keinesfalls dorthin zurückkehren, sondern unbedingt in Österreich bleiben möchte.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Zl. Sich40-2528-2012 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 13. November 2012, zu der als Parteien der Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter RA Dr. J sowie M S als Vertreter der belangten Behörde und die Zeugin A I (Gattin des Rechtsmittelwerbers) erschienen sind.

 

2.1.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

 

2.1.1.1. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 9. April 2010, Zl. 0321461-BAS (vollstreckbar seit 14. April 2010, befristet bis zum 9. Juli 2016), und vom 10. Juli 2010, Zl. 1004815-EAST-West (vollstreckbar seit dem 12. Juli 2010, befristet bis zum 21. Oktober 2016), wurden Asylanträge des Beschwerdeführers abgewiesen und dieser aus Österreich ausgewiesen.

 

2.1.1.2. In der Folge wurde über ihn mit Bescheid der Bezirkshauptfrau von Steyr-Land vom 24. Mai 2011, Zl. Sich41-3-2009 (i.V.m. dem Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 10. Jänner 2012, Zl. VwSen-730340), auch ein seit dem 10. Jänner 2012 vollstreckbares, auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.

 

2.1.1.3. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 15. Juni 2012, Zl. Sich40-2528-2011, wurde über den Rechtsmittelwerber gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt; seit dem 15. Juni 2012 wird der Beschwerdeführer im Polizeianhaltezentrum X in Schubhaft angehalten.

 

2.1.1.4. Mit einer dem Rechtsmittelwerber am 15. Juni 2012 zugestellten Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 13. Juni 2012 wurde ihm gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag zurückzuweisen.

 

2.1.1.5. Mit Bescheid des Bundesasylamtes EAST West vom 1. September 2012 wurde der (dritte) Asylantrag des Beschwerdeführers neuerlich abgewiesen, der dagegen erhobenen Beschwerde vom Asylgerichtshof zunächst keine aufschiebende Wirkung zuerkannt und diese schließlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 2. November 2012, Zl. D4-411960-3/2012/6E, rechtskräftig abgewiesen; die damit verbundene Ausweisung ist daher seit dem 26. September 2012 vollstreckbar.

 

2.1.1.6. Mit e‑mail vom 9. Oktober 2012 hat die Erstbehörde den Bezug habenden Akt neuerlich vorgelegt und gemäß § 80 Abs. 7 FPG die Feststellung begehrt, dass die Anhaltung des Fremden über vier Monate hinaus zulässig ist.

 

2.1.1.7. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 27. September 2012 wurde im Wege des Bundesministeriums für Inneres an die Botschaft der Russischen Föderation ein Antrag auf Rückübernahme des Rechtsmittelwerbers sowie ein Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates gestellt.

 

2.1.1.8. Der belangten Behörde liegen zwar auf den Beschwerdeführer bezogene Identitätsdokumente – und zwar in Form eines mit Lichtbild versehenen russischen Personalausweises sowie einer Sterbeurkunde seiner Mutter –, allerdings keine gültigen Reisedokumente vor. Die vom Rechtsmittelwerber im Zuge seiner Einvernahme im Asylverfahren angegebene Einreise ins Bundesgebiet von der Slowakei aus wurde in der Folge seitens dieses Staates nicht bestätigt, weshalb die Slowakei auch einer Rückübernahme nach dem Dublin-Abkommen nicht zugestimmt hat.

 

Nach der auf entsprechende Erfahrungen in analogen Verfahren gegründeten Einschätzung der belangten Behörde geht diese davon aus, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat noch in diesem Jahr auch faktisch durchführbar sein wird, weil die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Botschaft der Russischen Föderation durchschnittlich zwischen zwei und drei Monatn in Anspruch nimmt; als Stichtag für eine erste diesbezügliche Urgenz ist Ende November vorgemerkt.

 

Hinsichtlich alternativer Maßnahmen wurde seitens der BH Vöcklabruck zwar erwogen, ob allenfalls "verschärfte gelindere Mittel" – wie z.B. eine tägliche Meldepflicht bei einer Sicherheitsdienststelle oder eine Sicherheitsleistung – angewendet werden können; letztlich wurde davon aber insbesondere deshalb Abstand genommen, weil eine hohe Fluchtgefahr bestünde und der Beschwerdeführer das Vertrauen der Behörde bereits mehrmals missbraucht habe; zudem habe er selbst angegeben, völlig mittellos zu sein.

 

2.1.1.9. Der Rechtsmittelwerber ist – was von der belangten Behörde unwidersprochen blieb – mit einer russischen Staatsangehörigen verheiratet, die seit dem Jahr 2004 in Österreich als Flüchtling anerkannt ist. Mit seiner Gattin und seiner sechsjährigen Tochter verfügt er über eine gemeinsame Wohnung, die sich derzeit in der F-straße Nr. xx in L befindet und ca. 53 m2 groß ist. Seine Gattin ist gegenwärtig in einem Altenheim in X teilzeitbeschäftigt und verdient ca. 815 Euro netto im Monat; den Umfang dieser Tätigkeit und damit ihren Verdienst könnte sie im Bedarfsfall auch ausweiten. Da sie im Februar 2013 ein weiteres gemeinsames Kind erwartet, wird sie ab dem 21. Dezember 2012 Mutterschaftsschutz in Anspruch nehmen.

 

2.1.2. Diese sowie die zuvor in Pkt. 1.1. bis 1.8. getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt zu Zl. Sich40-2528-2011 sowie aus dem in der öffentlichen Verhandlung erstatteten, jeweils glaubhaften, in sich schlüssigen und insoweit wechselseitig jeweils auch unbestritten gebliebenen Parteienvorbringen.

 

2.1.3. Hinsichtlich der Frage, ob sich der Beschwerdeführer nach seiner damaligen Freilassung aus der Schubhaft im Dezember 2011 in Österreich oder in seinem Heimatstaat aufgehalten hat, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 2. November 2012, Zl. D4-411960-3/2012/6E, keineswegs hervorgeht, dass dieser nicht in Zweifel gezogen hätte, dass sich der Rechtsmittelwerber zwischen Februar und Juni 2012 nicht in Österreich befunden habe, im Gegenteil: Dort wird vielmehr detailliert ausgeführt, dass und weshalb sein diesbezügliches Vorbringen unglaubwürdig ist (vgl. S. 67 ff dieser Entscheidung).

 

Dieses Beweisergebnis wird insbesondere auch dadurch erhärtet, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Verhandlung selbst angegeben hat, dass seine Gattin im Februar 2013 ein zweites Kind von ihm erwartet; dies legt die Annahme eines Empfängnistermines im Mai 2012 nahe.

 

2.1.4. Ergänzend wird das Verhandlungsprotokoll (ONr. 10 des h. Aktes) zum integrierenden Bestandteil der Begründung des gegenständlichen Bescheides erklärt.

2.2. Im vorliegenden Fall wurde bzw. wird der Rechtsmittelwerber auf Grund eines auf § 76 FPG gestützten Bescheides einer Behörde, die ihren Sitz im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich hat, angehalten; nach § 83 Abs. 1 FPG ist damit die örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde gegeben.

2.3. Dieser hatte gemäß § 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67a AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 


3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Fremdenpolizeibehörde bei Vorliegen der in § 76 FPG genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch die Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Voraussetzung für die Anordnung eines gelinderen Mittels ist nach § 77 Abs. 2 FPG, dass der Fremde seiner erkennungs-dienstlichen Behandlung zustimmt, wenn diese nicht bereits ohnehin von Amts wegen erfolgt ist. Als gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen (Z. 1), sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden (Z. 2) und/oder eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen (Z. 3) in Betracht.

 

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG kann die Fremdenpolizeibehörde u.a. über einen Asylwerber zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft anordnen, wenn gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde. In diesem Zusammenhang legt § 27 Abs. 1 Z. 1 AsylG fest, dass ein Ausweisungsverfahren ex lege als eingeleitet gilt, wenn dem Asylwerber im Zulassungsverfahren gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 oder 5 AsylG mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag zurück- bzw. abzuweisen. Nach § 10 Abs. 1 Z. 1 und 2 AsylG ist eine auf das AsylG gegründete Entscheidung dann mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag zurück- oder abgewiesen wird.

 

Nach § 80 Abs. 1 erster Satz FPG ist die Behörde dazu verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf gemäß § 80 Abs. 2 Z. 1 FPG grundsätzlich vier Monate nicht überschreiten. Kann oder darf jedoch ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil entweder 1.) die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder 2.) die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder 3.) der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt widersetzt, dann kann die Schubhaft nach § 80 Abs. 4 FPG wegen desselben Sachverhaltes innerhalb eines Jahres bis zu 6 Monaten, wenn in einem der zuvor unter 1.) bis 3.) angeführten Fälle jedoch a) entweder die Nichtabschiebung dem Verhalten des Fremden zuzurechnen ist oder b) die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass sich der Fremde bereits einmal dem Verfahren entzogen hat oder c) die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG verhängt wurde, bis zu 10 Monaten in 11/2 Jahren aufrecht erhalten werden.

 

3.2. Von der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der eine Schubhaftanordnung tragenden einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage bzw. davon ausgehend, dass diese nach dem zuvor dargestellten Erkenntnis des VfGH vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., unter Rückgriff auf Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG dahin auszulegen ist, dass die Fremdenpolizeibehörde während des Verfahrens zur zwangsweisen Durchsetzung einer Abschiebung zu jeder Zeit zu gewährleisten hat, dass diese Vollstreckungsmaßnahme "klar vorrangig" durch – in § 77 Abs. 3 FPG bloß demonstrativ normierte – sog. "gelindere Mittel" (und nur im Ausnahmefall im Wege der ultima-ratio-Maßnahme der Schubhaft) gesichert wird, ist daher im Zuge einer gemäß § 82 Abs. 1 FPG erhobenen Beschwerde vom Unabhängigen Verwaltungssenat als gemäß Art. 6 Abs. 1 PersFrSchG zuständige Haftprüfungsinstanz, die hierüber binnen einer Woche zu entscheiden hat, – gleichsam schrittweise – zu prüfen,

 

1.) ob die gesetzlichen Formalvoraussetzungen (nämlich: im Wege der Abschiebung vollstreckbarer Bescheid, mit dem eine Aufenthaltsbeendigung des Fremden angeordnet wird) einerseits und beim Beschwerdeführer die subjektiven Haftbedingungen (Haftfähigkeit etc.) andererseits (weiterhin) vorliegen,

 

2.) ob sich die Fremdenpolizeibehörde unter dem Aspekt der Zweckbindung (nämlich: Verfahrenssicherung im Wege der Verhältnismäßigkeit) der von ihr intendierten Maßnahmen – nachweislich – zunächst mit der Frage der Anordnung gelinderer Mittel auseinandergesetzt und ob sie dabei die Auswahl jenes gleichermaßen zur Zweckerreichung noch geeignete sowie den geringsten Rechtseingriff nach sich ziehende Mittel überhaupt sowie auch sachlich zutreffend in Erwägung gezogen hat, und

 

3.) ob und welche Belege dafür vorliegen, dass und aus welchen konkreten Gründen die Anordnung dieses gelinderen Mittels zur Zweckerreichung nicht geeignet erschien, sondern, dass und ab welchem Zeitpunkt nachweislich eine solche ultima-ratio-Situation gegeben war, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erforderte, und dass bzw. wie lange diese Fakten gegebenenfalls auch über den Zeitpunkt einer vom Unabhängigen Verwaltungssenat nach § 83 Abs. 4 FPG zu treffenden Entscheidung noch vorliegen werden, sowie

 

4.) gegebenenfalls, welche konkreten Umstände – nachweislich – gegeben sind, die die Annahme rechtfertigen, dass und wie lange diese ultima-ratio-Situation auch nach Ablauf der gemäß § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG in aller Regel mit vier Monaten beschränkten Höchstdauer der Schubhaft fortbestehen wird.        

 

Davon ausgehend ergibt sich für den gegenständlichen Fall konkret Folgendes:

 

3.2.1. Gegen den Beschwerdeführer lagen zum Zeitpunkt seiner Inschubhaftnahme und liegen auch derzeit mehrere vollstreckbare aufenthaltsbeendende behördliche Verfügungen vor, nämlich

 

* die mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 9. April 2010, Zl. 0321461-BAS (vollstreckbar seit 14. April 2010, befristet bis zum 9. Juli 2016), und vom 10. Juli 2010, Zl. 1004815-EAST-West (vollstreckbar seit dem 12. Juli 2010, befristet bis zum 21. Oktober 2016), erlassene Ausweisung, sowie

 

* die mit Bescheid des Bundesasylamtes EAST West vom 1. September 2012, Zl. 1207139-EAST-West verfügte (und mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 2. November 2012, Zl. D4-411960-3/2012/6E, bestätigte), seit dem 1. September 2012 vollstreckbare Ausweisung.

 

Dafür, dass der Rechtsmittelwerber seit seiner Anhaltung in Schubhaft haftuntauglich gewesen wäre bzw. zwischenzeitlich geworden ist, haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben; insbesondere hat auch er selbst kein diesbezügliches Vorbringen erstattet.

 

In gleicher Weise wurde von ihm auch nicht in Abrede gestellt, dass er über keine gültigen Reisedokumente verfügt und zum Aufenthalt in Österreich nicht berechtigt ist, weshalb er ja auch entsprechende Asylanträge gestellt hat.

 

Auf Basis dieser Faktenlage war daher die belangte Behörde auch prinzipiell dazu berechtigt, über den Beschwerdeführer als Asylwerber zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG und zur Sicherung der Abschiebung ihren auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gegründeten Bescheid vom 15. Juni 2012, Zl. Sich40-2528-2011, zu erlassen und damit die Schubhaft anzuordnen, zumal gegen ihn auf Grund der auf § 29 AsylG gegründeten Mitteilung vom 15. Juni 2012 ex lege ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet galt (§ 27 Abs. 1 Z. 1 AsylG).

 

Die gesetzlichen Formalvoraussetzungen und die subjektiven Haftbedingungen sind daher im vorliegenden Fall gegeben.

 

3.2.2. Dass der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck auch jenes die beiden behördlichen Handlungsalternativen jeweils in gleicher Weise determinierende (vgl. § 77 Abs. 1 FPG: "bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe") und im vorzitierten Schubhaftbescheid bereits ausführlich begründete Sicherungsbedürfnis zutreffend angenommen hat, liegt schon deshalb auf der Hand, weil der Beschwerdeführer – was auch von ihm selbst gar nicht bestritten wird – selbst mehrfach zu erkennen gegeben hat, dass er gegenwärtig keinesfalls gewillt ist, freiwillig wieder in seinen Heimatstaat zurückzukehren (vgl. insbesondere auch oben, 1.2. und 1.8.): Dies nicht bloß deshalb, weil er dort neuerlich behördliche Misshandlungen befürchten müsste, sondern insbesondere auch, weil seine bereits dauerhaft zum Aufenthalt in Österreich berechtigte und hier vollständig integrierte Gattin in naher Zukunft ihr zweites gemeinsames Kind erwartet; daher hat der Rechtsmittelwerber nach dem Eindruck, den er im Zuge seiner Einvernahme im Rahmen der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat hinterlassen hat, den festen Willen, bei seiner Familie in Österreich zu bleiben und sich hier auf Dauer niederzulassen.

 

3.2.3. Vorrangig zu prüfen bleibt allerdings, ob die belangte Behörde die nach dem zuvor unter Pkt. 1.7. näher dargestellten Erkenntnis des VfGH vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., primär gebotene Heranziehung gelinderer Mittel – als eine grundlegende materielle Voraussetzung der Zulässigkeit der Schubhaftverhängung – erwogen und im Ergebnis zutreffend verworfen hat, sodass sie davon ausgehend zur Anwendung der ultima-ratio-Maßnahme der Inschubhaftnahme berechtigt war.

 

Wenngleich dies in der Begründung des Schubhaftbescheides nur unzureichend zum Ausdruck kommt, hat sich doch im Zuge der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat ergeben, dass die Erstbehörde diesen Aspekt ausreichend gewürdigt und in ihre Beurteilung einbezogen hat (vgl. S. 4 des VH-Protokolles, ONr. 10 des h. Aktes).

 

3.2.3.1. Davon ausgehend ist diese Frage zunächst bezüglich der Anhaltung des Beschwerdeführers im Zeitraum zwischen dem 15. Juni 2012 und dem 15. Oktober 2012 aus folgenden Gründen zu bejahen:

 

Angesichts des hier gegebenen – und, wie zuvor in Pkt. 3.2.2. ausgeführt: nicht bloß mit einer geringfügigen, sondern vielmehr mit der Notwendigkeit einer vergleichsweise erhöhten faktischen Effizienz verbundenen – Sicherungsbedürfnisses wären als (in § 77 Abs. 3 FPG bloß demonstrativ aufgezählte) gelindere Mittel nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles zwar neben der Zusicherung, sich in der gemeinsamen Wohnung der Familie aufzuhalten, insbesondere auch die zusätzliche Anordnung einer periodischen (allenfalls auch mehrmaligen täglichen) Meldepflicht bei einem Polizeikommando sowie die Hinterlegung einer den Beschwerdeführer einschneidend treffenden finanziellen Sicherheitsleistung bei der Fremdenpolizeibehörde in Betracht gekommen.

 

In diesem Zusammenhang konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht belegen, dass er bislang zum Aufenthalt in der von ihm bezeichneten Wohnung überhaupt rechtlich befugt gewesen wäre; außerdem hat er selbst angegeben, über keine finanziellen Mittel zur Bestreitung seines bis zur Durchführung der Abschiebung währenden Aufenthaltes in Österreich zu verfügen. 

 

Davon ausgehend kann aber die Einschätzung der belangten Behörde, dass unter solchen Umständen die allein verbleibende bloße Verpflichtung zur periodischen Meldung bei einem Polizeikommando nicht hinreicht, um die Vollstreckbarkeit der Außerlandesschaffung des Rechtsmittelwerbers effektiv sicherzustellen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

 

Vor dem Hintergrund, dass ein gravierendes Sicherungsbedürfnis gegeben war, das nicht bloß die Anordnung eines einzigen, sondern vielmehr eine Kombination mehrerer – hier jedoch faktisch nicht umsetzbarer – gelinderer Mittel erfordert hätte, lag sohin faktisch jene ultima-ratio-Situation vor, die die Verhängung der Schubhaft als nicht unverhältnismäßig i.S.d. Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG erscheinen ließ.

 

3.2.3.2. Anderes gilt jedoch bezüglich der vom Unabhängigen Verwaltungssenat nach § 83 Abs. 4 FPG vorzunehmenden Prüfung, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen auch weiterhin vorliegen:

 

Gemäß § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG darf die Dauer der Schubhaft grundsätzlich 4 Monate nicht überschreiten. Dieser Zeitraum wäre hier bereits seit dem 16. Oktober 2012 überzogen.

 

Der belangten Behörde kann allerdings in diesem Zusammenhang zugute gehalten werden, dass sie die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 Z. 2 FPG, wonach die Schubhaft dann auf eine Gesamtdauer von 6 Monaten – das wäre im vorliegenden Fall: bis zum 15. Dezember 2012 – verlängert werden kann, wenn und weil der Rechtsmittelwerber deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil die für eine Einreise erforderliche Bewilligung seines Heimatstaates (gegenwärtig noch) nicht vorliegt, zutreffend beurteilt hat. Denn vom Vertreter der BH Vöcklabruck wurde in diesem Zusammenhang in der öffentlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft der Russischen Föderation nicht vor dem 27. September 2012 abgefertigt werden konnte und derartige Anbringen in aller Regel ohnehin in zwei bis drei Monaten erledigt werden.

 

In der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat hat sich allerdings darüber hinaus noch Folgendes ergeben:

 

Die Gattin des Rechtsmittelwerbers hat glaubhaft dargelegt, dass auch der Beschwerdeführer dazu berechtigt ist, in ihrer Wohnung in der F-str. xx in  L seinen Aufenthalt zu nehmen; mit einem Gesamtausmaß von 53 m2 weist diese zudem eine Größe auf, die ein Zusammenleben mit seiner Gattin, der gemeinsamen Tochter und dem für Februar 2013 zu erwartenden weiteren gemeinsamen Kind als problemlos erscheinen lässt. Darüber hinaus verfügt seine Ehegattin über ein regelmäßiges Monatseinkommen als Teilzeitkraft, das sich im Bedarfsfall auch noch dadurch steigern ließe, dass sie ihre Dienstzeit ausweitet. Weiters hat der Beschwerdeführer in der Verhandlung auch glaubhaft angegeben, im Frühjahr 2012 von seiner Schwester problemlos einen Geldbetrag in Höhe von 900 Euro für seine Heimreise nach Tschetschenien erhalten zu haben; daraus resultiert für den Oö. Verwaltungssenat insgesamt die Überzeugung, dass es dem Rechtsmittelwerber keine allzu große Schwierigkeiten bereiten dürfte, eine angemessene (d.h.: auch eine ihn einschneidend treffende) finanzielle Sicherheit i.S.d. § 77 Abs. 3 FPG bei der Fremdenpolizeibehörde hinterlegen zu können.

 

Von maßgeblicher Bedeutung ist schließlich noch der Umstand, dass der Beschwerdeführer in der öffentlichen Verhandlung den Eindruck hinterlassen hat, dass ihm durchaus bewusst ist, dass eine auch nur einmalige Missachtung einer Maßnahme, die von der Fremdenpolizeibehörde als gelinderes Mittel angeordnet werden würde, eine neuerliche Inschubhaftnahme nach sich ziehen würde.

 

Unter derartigen, nunmehr entscheidungswesentlich geänderten sachlichen Voraussetzungen ist es daher – wenngleich ein entsprechend gravierendes Sicherungsbedürfnis weiterhin vorliegt – gemäß § 77 Abs. 1 FPG geboten, zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens vorderhand nur mehr gelindere Mittel zum Einsatz zu bringen.

 

Ob eine verpflichtende (allenfalls sogar mehrmalige tägliche) Meldung bei einem Polizeikommando, die Hinterlegung einer für den Rechtsmittelwerber ins Gewicht fallenden finanziellen Sicherheit, die Verpflichtung zur ausschließlichen Unterkunftnahme in der gemeinsamen ehelichen Wohnung und/oder ähnliche Maßnahmen bzw. diese allein oder kumulativ geboten sind, um dem Sicherungsbedürfnis effektiv gerecht zu werden, hat die Fremdenpolizeibehörde dabei aus eigenem zu beurteilen.

 

Die für eine weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft erforderliche ultima-ratio-Situation liegt jedoch aus den zuvor genannten Gründen gegenwärtig nicht mehr vor.         

 

3.3.1. Aus allen diesen Gründen war daher die gegenständliche Beschwerde, soweit sich diese auf den vor dem Zeitpunkt der Zustellung dieser Entscheidung gelegenen Zeitraum der Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft bezieht, nach § 83 Abs. 1 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

 

3.3.2. Dagegen war gemäß § 83 Abs. 4 FPG festzustellen, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nach dem Zeitpunkt der Zustellung dieser Entscheidung rechtswidrig wäre, weil sich im Zuge der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat ergeben hat, dass die hierfür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen gegenwärtig nicht mehr erfüllt sind. 

 

3.3. Das Verfahren über die ho. zu VwSen-420763 protkollierte Maßnahmenbeschwerde war einzustellen, weil sich diesbezüglich in der öffentlichen Verhandlung ergeben hat, dass dieser Rechtsbehelf offenbar von einem unbekannten Dritten ohne Wissen des Beschwerdeführers erhoben wurde; im Übrigen wurde der entsprechende Schriftsatz der belangten Behörde infolge der Notwendigkeit der vorgängigen Klärung der Frage der Zurechnung bislang noch nicht übermittelt, sodass ihr insoweit auch tatsächlich noch kein Aufwand entstanden ist.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführer im Hinblick auf Pkt. 3.3.1. dazu zu verpflichten, der belangten Behörde nach § 79a Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 887,20 Euro (Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro; Verhandlungsaufwand: 461 Euro; Vorlageaufwand: 57,40 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 71,50 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

 

VwSen-401223/12/Gf/Rt vom 14. November 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

PersFrBVG Art1 Abs3;

PersFrBVG Art6 Abs1;

FPG §76;

FPG §77;

FPG §80;

FPG §82;

FPG §83

 

* Davon ausgehend, dass die §§ 76 i.V.m. § 77 FPG dahin auszulegen sind (vgl. VfGH vom 3. Oktober 2012, G 140/11), dass die Fremdenpolizeibehörde während des Verfahrens zur zwangsweisen Durchsetzung einer Abschiebung zu jeder Zeit zu gewährleisten hat, dass eine solche Vollstreckungsmaßnahme klar vorrangig durch – in § 77 Abs. 3 FPG bloß demonstrativ normierte – sog. gelindere Mittel (und nur im Ausnahmefall im Wege der ultima-ratio-Maßnahme der Schubhaft) gesichert wird, ist im Zuge einer gemäß § 82 Abs. 1 FPG erhobenen Beschwerde vom Unabhängigen Verwaltungssenat als (bloße) Haftprüfungsinstanz, die hierüber binnen einer Woche zu entscheiden hat, – gleichsam schrittweise – zu prüfen,

 

1.) ob die gesetzlichen Formalvoraussetzungen (nämlich: im Wege der Abschiebung vollstreckbarer Bescheid, mit dem eine Aufenthaltsbeendigung des Fremden angeordnet wird) einerseits und beim Beschwerdeführer die subjektiven Haftbedingungen (Haftfähigkeit etc.) andererseits (weiterhin) vorliegen,

 

2.) ob sich die Fremdenpolizeibehörde unter dem Aspekt der Zweckbindung (nämlich: Verfahrenssicherung im Wege der Verhältnismäßigkeit) der von ihr intendierten Maßnahmen – nachweislich – zunächst mit der Frage der Anordnung gelinderer Mittel auseinandergesetzt und ob sie dabei die Auswahl jenes gleichermaßen zur Zweckerreichung noch geeignete sowie den geringsten Rechtseingriff nach sich ziehende Mittel überhaupt sowie auch sachlich zutreffend in Erwägung gezogen hat, und

 

3.) ob und welche Belege dafür vorliegen, dass und aus welchen konkreten Gründen die Anordnung dieses gelinderen Mittels zur Zweckerreichung nicht geeignet erschien, sondern, dass und ab welchem Zeitpunkt nachweislich eine solche ultima-ratio-Situation gegeben war, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erforderte, und dass bzw. wie lange diese Fakten gegebenenfalls auch über den Zeitpunkt einer vom Unabhängigen Verwaltungssenat nach § 83 Abs. 4 FPG zu treffenden Entscheidung noch vorliegen werden, sowie

 

4.) gegebenenfalls, welche konkreten Umstände – nachweislich – gegeben sind, die die Annahme rechtfertigen, dass und wie lange diese ultima-ratio-Situation auch nach Ablauf der gemäß § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG in aller Regel mit vier Monaten beschränkten Höchstdauer der Schubhaft fortbestehen wird.

 

* Nichtvorliegen einer ultima-ratio-Situation mit der Konsequenz der verpflichtenden Anordnung gelinderer Mittel (als Einzelmaßnahme oder in kumulierter Form, nämlich: Verpflichtung zur Unterkunftnahme in einer bestimmten Wohnung und/oder periodische [allenfalls auch mehrmals tägliche] Meldepflicht und/oder Hinterlegung einer ihn auch einschneidend treffenden finanziellen Sicherheit) anstelle der weiteren Anhaltung in Schubhaft, wenn sich in der öffentlichen Verhandlung ergeben hat, dass der Fremde dazu berechtigt ist, mit seiner Gattin und seiner Tochter eine gemeinsame Wohnung zu benützen, seine Ehegattin über ein regelmäßiges monatliches Nettoeinkommen verfügt, er auch von seiner im Ausland lebenden Schwester finanzielle Unterstützung erfahren kann und ihm nach dem in der Verhandlung gewonnenen Eindruck bewusst ist, dass eine auch bloß einmalige Missachtung der behördlichen Anordnungen seine umgehende Inschubhaftnahme nach zieht.   

 

 

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