Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167338/6/Br/Ai

Linz, 29.11.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung der Frau X, geb. X, X, X, vertreten durch RA Dr. X, X, X, betreffend das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, vom 01. Oktober 2012 Zl.:VerkR96-30300-2012, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

 

 

I.       Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zehn Tage ermäßigt wird.

 

II.     Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 50 Euro; für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 65 VStG

 

 

B e g r ü n d u n g:

 

1. Mit dem oben angeführten Straferkenntnis wurde wider die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 900 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sechzehn Tagen ausgesprochen, weil sie  am 23.07.2012, 21:02 Uhr, als Lenkerin des Pkw mit dem Kennzeichen X in X in Fahrtrichtung X, auf der A1, bei km 217.638, die in diesem Bereich durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 104 km/h überschritten habe.

 

 

 

1.2. Zur Strafzumessung verwies die Behörde erster Instanz im Ergebnis auf das eklatante Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung und der damit einhergehenden Schutzzielverletzungen bzw. der dadurch bedingten erhöhten Unfallswahrscheinlichkeit. Ausgehend der Schätzung des Einkommens in Höhe von 1.400 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten wurde die Geldstrafe unter Hinweis auf spezialpräventive Überlegungen aber auch die Berufungswerberin von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten, die Geldstrafe in diesem Ausmaß der Tatschuld angemessen erachtet. Die von der Berufungswerberin vorgetragenen Umstände und die damit begründeten Eile wurden nicht gelten gelassen. Sehr wohl wurde in der Begründung von angespannten finanziellen Verhältnissen ausgegangen. Diese wurden jedoch ebenso wie die offenkundig von der Schätzung tatsächlich abweichenden wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erkennbar berücksichtigt.

Strafmildernd wurde wohl die bisherige Ungescholtenheit, straferschwerend wurde die gravierende Geschwindigkeitsübertretung gewertet.

 

 

2. Gegen diese ausgesprochene Bestrafung wendet sich die Berufungswerberin mit ihrer durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter  fristgerecht gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung. Gleichzeitig wird die Gewährung einer Ratenzahlung in der Höhe von monatlich 50 Euro beantragt.

Inhaltlich wird zu Rechfertigung auf die Verantwortung im Rahmen des Verfahrens verwiesen, sie sich zum Tatzeitpunkt in einem emotionalen Ausnahmezustand befunden habe, da kurz zuvor ihre Mutter verstorben wäre. Aus diesem völlig unerwarteten und persönlich tragischen Grund habe sie umgehend in die X fahren müssen. Dabei sei ihr wohl aus mangelnder Aufmerksamkeit die gegenständliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit unterlaufen. Dieser Ausnahmezustand hätte wohl als besonderer Milderungsgrund bei der Strafbemessung berücksichtigt werden müssen.

Dass die gegenständliche Geschwindigkeitsüberschreitung ein Einzelfall gewesen sei und ihren emotionalen Zustand zurückzuführen gewesen sei, sehe sie auch dadurch untermauert, dass sie bisher unbescholten  gewesen sei. Aus diesem Grunde bedürfe es auch aus spezialpräventiven Gründen nicht der Verhängung einer derart hohen Geldstrafe.

Sie sei Hausfrau und ohne eigenes Einkommen. Die über sie verhängte Geldstrafe treffe sie  daher besonders hart. Aus all den angeführten Gründen und auch aus der glaubwürdigen Versicherung, dass ihr der gegenständliche Vorfall leid tue und dies auch nicht mehr vorkommen werde, hätte die Erstbehörde daher mit eine geringere Geldstrafe aussprechen müssen.

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat die Berufung samt Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Damit wurde die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates begründet, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Ergänzend wurden ein Auszug aus dem Führerscheinregister, sowie der Witterungszustand am fraglichen Tag und zuletzt im Wege des Rechtsvertreters ein Nachweis über den zur Rechtfertigung angeführten Todesfall beigeschafft. Eine Berufungsverhandlung konnte hier unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z2 VStG).

 

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

Grundsätzlich gilt es festzuhalten, dass eine derart krasse Geschwindigkeitsüberschreitung weder mit einem fünfzehn Tage vorher liegenden Todesfallereignis im Inland, noch mit einer dadurch bedingten dringlichen Fahrt in die Türkei in einem Sachzusammenhang gebracht werden kann. Die Berufungswerberin ist seit 9.12.1994 im Besitz einer Lenkberechtigung. Sie trat bislang noch nie negativ im Straßenverkehr in Erscheinung. Dies muss grundsätzlich ein Beleg dafür gesehen werden, dass wohl besondere Umstände vorgelegen haben, die zu dieser an sich als rücksichtslos und insgesamt höchst risikogeneigt anmutenden Fahrweise geführt haben. Derartige Geschwindigkeitsexzesse sind im Übrigen bei weiblichen Verkehrsteilnehmern statistisch äußerst selten anzutreffen. Völlig unlogisch ist demnach, wenn diese offenbar für die Nachtzeit angelegte, insgesamt zwei Tage in Anspruch nehmende Fahrt in die Türkei, wegen eines fünfzehn Tage vorher sich in Österreich ereignenden Todesfalles im Familienkreis in Zusammenhang gebracht werden will. Dabei erhebt sich – was hier auf sich bewenden muss – sehr wohl die Frage nach dem Fahrverhalten auf der übrigen Strecke und die Verkehrszuverlässigkeit einer diesen Exzess in Kauf nehmenden Person, wenn selbst in einer Baustellenbeschränkung im ersten Zehntel der Wegstrecke bereits die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um mehr als 100 km/h überschritten wurde.

In Bindung an die Rechtskraft des Schuldspruches ist von der Lenkereigenschaft der Berufungswerberin im Sinne ihrer Lenkerauskunft auszugehen.   

 

 

4.1. Andererseits mindert das Faktum des zu dieser Tageszeit bereits geringen Verkehrsaufkommens, der optimalen Witterungsverhältnisse und noch weitgehend bei Tageslichtverhältnissen (Abenddämmerung), den objektiven Tatunwert und die abstrakte Gefährlichkeit dieses Fahrverhaltens. Wäre der/die LenkerIn etwa auf ein anderes Fahrzeug im Beschränkungsbereich aufgelaufen, wäre diese Fahrgeschwindigkeit letztlich nicht möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund reduziert sich der Tatunwert letztlich auf den bloßen Ordnungswidrigkeitsgehalt, wobei jedoch subjektiv tatseitig bei der Lenkerin oder dem Lenker eine besonders geringe Verbundenheit mit dem rechtlich geschützten Gut der Verkehrssicherheit zu orten und auf die technische Grenzwertigkeit einer solchen Fahrweise in einem beengten Baustellenbereich hinzuweisen ist. Vor diesem Hintergrund ist ein derartiges Fahrverhalten einer bislang im Straßenverkehr unauffällig gebliebenen Führerscheinbesitzerin schlichtweg als nicht wirklich nachvollziehbar zu bezeichnen.

Da der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist, müssen letztlich Überlegungen betreffend die Lenkertätigkeit der Zulassungsbesitzerin dieses Mercedes 270 CDI, der einerseits wohl auch nicht von ihr selbst finanziert worden sein dürfte und andererseits die zu einem hohen Treibstoffverbrauch führende Fahrweise auch nicht für die Bescheidenheit der dargestellten Einkommensverhältnisse zu sprechen scheint,  auf sich bewenden bleiben.

Dennoch kommt der Strafberufung mit Blick auf die hier überwiegenden Milderungsgründe (Einsichtigkeit, bisherige Unbescholtenheit, aber auch ob des fehlenden eigenen Einkommens in Verbindung mit der Sorgepflicht für zwei Kinder) Berechtigung zu.

Schließlich ist auch noch auf den gesetzlich bedingten und ebenfalls als Strafe zu empfindenden 6-monatigen Entzug der Lenkberechtigung iSd § 7 Abs.3 Z3 iVm § 26 Abs.1 FSG hinzuweisen.

 

 

5. Gemäß § 19 VStG ist  Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

 

5.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen  (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140, mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Umfang von (verkehrsfehlerkorrigiert) 104 km/h ist – wie oben schon dargelegt - grundsätzlich als schwerwiegend und ignorant gegenüber den Verkehrsvorschriften einzustufen.

Angemerkt sei, dass sich etwa bei der hier erlaubt gewesenen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h, unter Annahme einer realistischen Bremsverzögerung von 7,5 m/sek2  und einer Reaktionszeit von einer Sekunde sowie einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden, der Anhalteweg nur auf knappe 37 Meter belaufen würde. Bei der hier gemessenen Fahrgeschwindigkeit beträgt dieser jedoch nahezu 207 Meter.  Jene Stelle an der das Fahrzeug aus 60 km/h zum Stillstand gelangt, wird bei der bei der Berufungswerberin gemessenen Geschwindigkeit noch mit der Ausgangsgeschwindigkeit durchfahren (Berechnung mit Analyzer Pro 4.5). Diese Feststellungen mögen den Normzweck und den zumindest abstrakten Unwertgehalt eines derartigen auch in der Schuldform des Vorsatzes zu ahndenden Ungehorsamsdeliktes verdeutlichen.

 

Dennoch war mit Blick auf die oben genannten Kriterien mit einer auf 500 Euro  etwa einem Viertel der Höchststrafe bemessenen Geldstrafe das Auslangen gefunden werden. Dies insbesondere mit Blick auf die von der erstinstanzlichen Annahme abweichenden, nämlich ungünstigeren wirtschaftlichen Umstände, anderseits aber auch angesichts der Begehung der Übertretung zur verkehrsarmen Zeit und der darin sich eher auf den Ungehorsam und die bloße Ordnungswidrigkeit reduzierende Interessenschädigung. Aber auch noch mit Blick auf den Entzug der LB.

 

5.2. Über das Ratenzahlungsersuchen hat die Behörde erster Instanz zu entscheiden.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

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