Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222626/3/Bm/Ba

Linz, 02.11.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die
6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichterin: Mag. Michaela Bismaier, Beisitzerin: Dr. Andrea Panny) über die Berufung des Herrn A P, vertreten durch S, C & Partner Rechtsanwälte GmbH, E, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­mannschaft Freistadt vom 26.7.2012, Ge96-33-2012, wegen einer Verwaltungs­übertretung nach der GewO 1994 zu Recht erkannt:

 

 

I.             Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.          Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 26.7.2012, Ge96-33-2012, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 3.600 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 366 Abs.1 Z 3, 74 Abs.2 und 81 Abs.1 GewO 1994 verhängt.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben es als nach außen vertretungsbefugter gewerberechtlichen Geschäftsführer der P B GmbH, H, P, zu verantworten, dass bei der mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 15.04.1975, Ge-179-1975, vom 19.09.1994, Ge20-57-1994, vom 26.07.2000, Ge20-35-2000, vom 10.12.2001, Ge20-62-2001, vom 07.07.2003, Ge20-25-2003, vom 02.06.2004, Ge20-26-2004, vom 01.06.2004, Ge20-52-2004 und vom 15.12.2008, Ge2ÖTl20-2007 in der Fassung des Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats für Oberösterreich vom 04.12.2009 gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage am Standort H, P, durch die Erweiterung des mit Bescheid vom 19.09.1994, Ge20-57-1994, gewerbebehördlich genehmigten Förderbandes durch die Errichtung und den Betrieb einer Palettieranlage ab der Achse 11 in der zuletzt mit Bescheid vom 07.07.2003, Ge20-25-2003, gewerbebehördlich genehmigten Lagerhalle und Betreiben dieses Anlagenteils seit zumindest 27.10.2010 (Datum der Niederschrift der Überprüfung) bis zum 28.11.2011 (Datum der Meldung der Stilliegung des Anlagenteils aufgrund der Verfahrensanordnung vom 08.11.2011) in geänderter Form betrieben worden ist, ohne dass hierfür eine gewerbebehördliche Änderungsgenehmigung vorliegt."

 

2. Dagegen hat der Bw durch seine anwaltliche Vertretung innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt, die Tatvorwürfe seien an sich unklar, unbestimmt bzw. mehrdeutig. Für den Bw sei aus dem Spruch nicht erkennbar, ob ihm eine Verwaltungsübertretung "(…) durch die Erweiterung des mit Bescheid vom 19.9.1994, Ge20-57-1994, gewerbebehörd­lich genehmigten Förderbandes durch die Errichtung und den Betrieb einer Palettieranlage ab der Achse 11" vorgeworfen werde oder mehrere Verwaltungs­übertretungen, nämlich i) "(…) durch die Erweiterung des mit Bescheid vom 19.9.1994, Ge20-57-1994, gewerbebehördlich genehmigten Förderbandes" und ii) "(…) durch die Errichtung und den Betrieb einer Palettieranlage ab der Achse 11". Letzteres lege zwar die Begründung nahe, sei aber von der Formulierung des Spruchs nicht gedeckt. Damit sei entweder der Spruch unbestimmt oder stehe die Begründung im Widerspruch zum Strafausspruch. Das Straferkenntnis sei daher schon deshalb rechtswidrig und aufzuheben. Abgesehen davon seien die in der Begründung angeführte Errichtung und der Betrieb von Erweiterungen der Förderanlage im oa. Zeitraum dem Bw in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht vorwerfbar. Der Bw sei insbesondere im Tatzeitraum davon ausgegangen, dass die Palettieranlage ab der Achse 11 Bestandteil der genehmigten Förder­strecke/Förderbandanlage sei. Aufgrund der Genehmigungsunterlagen, insbe­sondere für die "Lagerhalle 2000" und die Lagerhalle 2003" sei der Bw als gewerberechtlicher Geschäftsführer in vertretbarer Weise immer davon ausge­gangen, dass die verfahrensgegenständliche Förderanlage einschließlich der "Palettieranlage ab der Achse 11" als integrierender Bestandteil Förderband­anlage vom Genehmigungskonsens umfasst sei. Dies umso mehr, als offenbar auch die Behörde selbst – jedenfalls bis zur Verfahrensanordnung vom 28.11.2011 – von einem genehmigten Bestand ausgegangen sei. Diesbezüglich habe der Bw bereits in der Stellungnahme vom 16.3.2011 ausgeführt:

"ad 3d) Ge20-25-2003:

-         Palettenförderanlage, Fabrikat Bühler, Baujahr 2004 mit integrierter Palettenwickelmaschine, Fabrikat Bornbinder, Baujahr 2004

 

Die gegenständliche Förderanlage ist Bestandteil des Genehmigungsbe­scheides 1994; dies ergibt sich aus der Niederschrift der BH Freistadt 1997 Ge20-57-1994 über die Überprüfung der Betriebsanlage iSd § 338 GewO, mit der zusätzliche Sicherheitseinrichtungen vorgeschrieben wurden (vgl Seite 3 Punkt 4)."

 

Darüber hinaus habe die Gewerbebehörde anlässlich eines im Zusammenhang mit dem Zwischenfall vom 25.10.2004 eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Bw die gegenständliche Förderanlage besichtigt und offensichtlich als vollumfänglich genehmigt angesehen. Aufgrund des Vorfalles vom 25.10.2004 habe die P B GmbH über Auftrag der Behörde eine sicherheits­technische Analyse erstellt und der Behörde zur Kenntnis gebracht. Die Behörde habe daher seit 2004 Kenntnis vom gegenständlichen Anlagenbestand gehabt. Seitens der Behörde sei die rechtmäßige Errichtung und der Betrieb der nunmehr in Rede stehenden Förderanlage zu keiner Zeit angezweifelt worden, sodass auch der Bw mit gutem Grund von einem genehmigten Bestand ausgehen habe können. Jedenfalls aber sei dem Bw eine allfällige Verkennung der Genehmigungslage als Rechtsirrtum nicht vorwerfbar, zumal auch die Behörde selbst die Konsenslage offenbar verkannt habe. Auch wenn eine stillschweigende Zurkenntnisnahme der Errichtung und der Betrieb der gegenständlichen Förderanlage eine Genehmigung nicht ersetzen könne, schließe dieser Umstand zumindest in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht ein Verschulden des Bw aus. Aufgrund der stillschweigenden Zurkenntnisnahme des Anlagenbestandes durch die Behörde über Jahre habe der Bw zumindest von der Rechtmäßigkeit ausgehen können. Die subjektive Vorwerfbarkeit der inkriminierten Daten sei daher nicht gegeben und ein Verschulden an der objektiv rechtswidrigen Praxis zu verneinen. Ungeachtet dessen wäre selbst ein allenfalls anzunehmendes Verschulden auf Seiten des Bw nur geringfügig.

 

Es werde daher der Antrag gestellt,

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge der Berufung Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis der BH Freistadt vom 26.7.2012 ersatzlos aufheben; in eventu unter Anwendung des § 21 VStG eine bescheidmäßige Ermahnung aussprechen; in eventu für den Fall einer Bestrafung die Mindeststrafe verhängen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer (bestehend aus drei Mitgliedern) berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage fest steht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung (§ 51e Abs.2 Z 1 VStG).

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z 3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f).

 

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mit­tätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

 

die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

 

die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

 

die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

 

eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im §74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Demnach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1.     die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,

2.     die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

 

Was den vorstehenden Punkt 1 anlangt, sind entsprechende, das heißt in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den Punkt 2 anlangt, muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, zu § 44a Z1 VStG).

 

5.2. Die Behörde hat im Strafverfahren nach § 366 Abs.1 Z 3 GewO 1994 die Genehmigungspflicht selbstständig auf Grundlage des § 74 Abs.2 GewO 1994 zu beurteilen (VwGH 30.1.1996, 95/04/0139 ua.).

 

Ein Schuldspruch nach § 366 Abs.1 Z 3 GewO 1994 muss, um das Erfordernis des § 44a Z 1 VStG zu erfüllen, somit auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahingehend zulassen, ob die vorliegende Änderung der Betriebsanlage die in § 74 Abs.2 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet und daher genehmigungs­pflichtig ist (VwGH 22.12.1992, 91/04/0199).

 

Eine solche konkretisierte Umschreibung der Interessen, die durch die vorliegende Änderung der Betriebsanlage beeinträchtigt werden können, ist gegenständlich weder der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16.5.2012 noch dem Spruch des ange­fochtenen Straferkenntnisses zu entnehmen; eine ausreichende Tatumschreibung wurde somit nicht vorgenommen. Der Tatvorwurf entspricht damit nicht dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44a Z 1 VStG. Wegen bereits abgelaufener Verfolgungsverjährungsfrist konnte eine entsprechende Ergänzung auch nicht vom Oö. Verwaltungssenat vorgenommen werden.

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das diesbe­zügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag nicht zu leisten (§ 66 Abs.1 VStG).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

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