Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253297/5/Py/TO/HU

Linz, 15.11.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.in Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, wegen einer Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Steyr vom 3. September 2012, GZ: SV-35/11, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 (1) i.V.m. § 111 (1) und (2) ASVG, BGBl. 189/1955 i.d.g.F. eine Geldstrafe in Höhe von 750 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 48 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 75 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma x., in x, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, dass die ungarische Staatsbürgerin x, geb. am x, zumindest am 10.5.2011 gegen 13:20 Uhr, von oa. Firma auf dem Parkplatz der A25 in Sinnersdorf, mit dem Lenken des KFZ, mit dem behördlichen Kennzeichen: x (Fahrt vom BFI Wels nach Steyr) als Dienstnehmerin beschäftigt wurde, ohne dass diese Dienstnehmerin vor Arbeitsantritt von oa. Firma als verantwortlicher Dienstgeber beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Der Monatslohn von Fr. x lag (bei Annahme des kollektivvertraglichen Lohnes für Vollbeschäftigung) über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 (2) ASVG. Fr. x arbeitete gemäß den Anweisungen und auf Rechnung oa. Firma. Sie war somit Dienstnehmerin. Da die Dienstgeber jeden von ihnen Beschäftigten vor Arbeitsantritt beim Krankenversicherungsträger anzumelden haben, stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) dar."

 

In der Begründung wird auf die Anzeige des Finanzamtes Linz verwiesen und ausgeführt, dass sich der Beschuldigte zum Tatvorwurf nicht geäußert hat.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass als strafmildernd die bisherige Unbescholtenheit gewertet wurde, straferschwerende Gründe waren nicht vorhanden und ging die Behörde von einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 3.000 Euro und keinen Sorgepflichten aus.

 

2. Dagegen erhob der Bw rechtzeitig vor der belangten Behörde mündlich  Berufung und führte aus, dass Frau x nicht organisatorisch in den Betrieb des Bw eingegliedert war. Frau x erledige die Buchhaltung über die Firma x (x) in den Räumlichkeiten jener Zahnarztpraxis, die mit der Firma x eine Bürogemeinschaft bildet. Am Tag der Kontrolle war Frau x im Rahmen einer Ausbildungsmaßnahme des AMS vormittags bei der Firma x tätig und sie absolvierte nachmittags einen Kurs am BFI Wels. An diesem 10.05.2012 war ihr eigenes Auto nicht verfügbar und hätte sie ihre begonnene Buchhaltungstätigkeit nicht abschließen können, da sie auf die Zugsverbindung von Steyr nach Wels angewiesen gewesen wäre. Damit Frau x ihre Arbeit abschließen und dann in Folge auch pünktlich zum Kurs in Wels gelangen konnte, habe er ihr das Firmenauto unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

 

3. Mit Schreiben vom 20. September 2012 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Veraltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

Dem Finanzamt Linz wurde die gegenständliche Berufung in Wahrung des Parteiengehörs vorgelegt. In diesem Zusammenhang würde auf die Stellungnahme vom 16. Oktober 2012 des Finanzamtes Linz  verwiesen.

 

5. In der Sache hat der  Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs.2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten nach bürgerlichem Recht können Verpflichtungen nach dem ASVG, besonderes die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden (§ 539a Abs.2 ASVG). Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer, den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539a Abs.3 ASVG).

 

In § 33 Abs. ASVG wird normiert, dass die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person, vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden haben.

 

§ 111 Abs.1 ASVG legt fest, dass ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht erstattet.

 

Gemäß § 111 Abs.2  des ASVG sind Ordnungswidrigkeiten nach Abs.1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis 5.000 Euro zu bestrafen.

 

5.2. Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs.2 ASVG ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Ein wesentliches Merkmal ist die Entgeltlichkeit der Tätigkeit, wobei sich der Anspruch des Arbeitenden auf Bezahlung aus einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung, allenfalls aber auch unmittelbar aus arbeitsrechtlichen Vorschriften (aus gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen) ergeben kann. Nicht nur Geldleistungen erfüllen dieses Tatbestandsmerkmal, sondern alle Leistungen, die der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung erhält (auch Naturalleistungen wie freie Unterkunft, freies Essen als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft). Ist hingegen glaubhaft – sei es ausdrücklich oder auch konkludent – für die Tätigkeit Unentgeltlichkeit vereinbart, fehlt es an der persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit.

 

Zunächst ist auszuführen, dass im ASVG keine widerlegliche gesetzliche Vermutung analog der Bestimmung des § 28 Abs.7 AuslBG normiert ist. Eine Beweislastumkehr findet daher nicht statt. Allein aufgrund des Umstandes, dass Frau x in einem auf die Firma x zugelassenen PKW angetroffen wurde, ergibt sich daher nicht die Vermutung, dass eine Beschäftigung in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit gegen Entgelt vorliegt, sofern nicht zusätzliche Sachverhaltsmerkmale eine solche Annahme rechtfertigen. Derartige  Sachverhaltselemente sind dem Akt jedoch nicht zu entnehmen, vielmehr stützen die bei der Kontrolle aufgenommenen Wahrnehmungen und Beweismittel das Berufungsvorbringen des Bw.

 

In dem mit Frau x am 10. Mai 2011 aufgenommenen Personenblatt gab diese an, dass sie seit 2. Mai 2011 über die AMS Stiftung gegen einen Lohn von 980 Euro monatlich im Ausmaß von 30 Wochenstunden an 5 Tagen in der Woche als Buchhalterin bei der Firma x beschäftigt ist, wobei neben der Praxiszeit auch Schulungen durchzuführen sind. Aus den amtlichen Vermerken am Personenblatt geht hervor, dass Frau x das Fahrzeug der Firma x lenkte, dass ihr vom nunmehrigen Bw übergeben wurde und mit dem sie vom BFI Wels nach Steyr gefahren ist. Diese Angabe wird auch durch die der Anzeige beiliegenden Anwesenheitsliste über die Schulungsmaßnahmen am BFI Wels bestätigt.

 

Abgesehen vom Umstand, dass Frau x ein auf das vom Bw vertretene Unternehmen zugelassenes Fahrzeug lenkte, liegen daher keine Umstände vor, aus denen auf eine Beschäftigung von Frau x durch die Firma x in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit gegen Entgelt geschlossen werden kann. Vielmehr gehen auch die Anzeigenleger davon aus, dass Frau x am Kontrolltag bei der Rückfahrt von einer Schulungsmaßnahme angetroffen wurde. Die Fahrt mit dem Firmenauto zum BFI Wels und zurück erfolgte, um hier einen Kurs zu besuchen. Aufgrund der Feststellungen in der Anzeige handelte es sich weder um eine beauftragte Zustellfahrt, die namens der Firma x ausgeführt wurde, noch kann diese als entgeltliche Personenbeförderungsfahrt gewertet werden. Die Bereitstellung des Fahrzeugs durch den Bw erfolgte freiwillig und unentgeltlich. Eine Beschäftigung der Frau x am 10.05.2012 durch den Bw in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit gegen Entgelt lag somit nicht vor.

 

6. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

7. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.in  Andrea Panny

 

 

 

 

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