Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253211/5/Kü/Ba

Linz, 25.10.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung von Herrn A H L, vertreten durch Prof. Dr. F & Coll. Rechtsanwälte, R, D-X, vom 25. Juni 2012 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 29. Mai 2012, BZ-Pol-77027-2012, wegen Übertretungen des Allgemeinen Sozialversicherungs­gesetzes  zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 29. Mai 2012, BZ-Pol-77027-2012, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 111 iVm 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zwei Geldstrafen in Höhe von je 365 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit jeweils Ersatzfreiheitsstrafen von 56 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben als Arbeitgeber und Betreiber des Zirkus B, welcher für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen Bevollmächtigten bestellt hat, folgende Verwaltungsübertretung zu verantworten:

 

Sie haben als Dienstgeber Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG am 10.11.2011 (Zeitpunkt der Kontrolle), in W, Gelände des S-Parkplatzes (Standort des Zirkus B) folgende Arbeitnehmer, in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, beschäftigt:

  1. S M, geb. X, lt Personenblatt beschäftigt seit 16.07.2011, jeweils 8 Std/Tag; 7 Tage/Woche, Entgelt € 200 bar/Woche und
  2. U J, geb. 01.04.1979, lt Personenblatt seit ca 1 Monat, somit seit 10.10.2011, 8 Std/Tag; 7 Tage/Woche, Entgelt € 800 pro Monat in bar.

Die in Rede stehenden Beschäftigten waren dem Arbeitgeber organisatorisch sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Auch bestand eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit. Die Höhe des Entgelts lag über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG.

 

Obwohl diese Dienstnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Kranken- Unfall- und Pensionsver­sicherung vollversichert sind, wurde hierüber, zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstr. 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger, nicht vor Arbeitsbeginn erstattet.

 

Es wurde somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht verstoßen."

 

Begründend wurde festgehalten, dass die objektive Tatseite der im Spruch beschriebenen Verwaltungsübertretung aufgrund des angeführten Sachverhalts (Angaben in der Anzeige des Finanzamtes Grieskirchen Wels) als erwiesen anzusehen sei.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter des Bw eingebrachte Berufung, mit der die Einstellung des Verfahrens beantragt wird.

 

Begründend wurde festgehalten, dass der Bw kein Dienstgeber für die Herren gewesen sei und diese weder organisatorisch noch im Rahmen einer Arbeitsver­pflichtung und Weisungsgebundenheit in den Betrieb eingegliedert gewesen seien.

 

Die Angaben von Ml S, täglich zwischen 8 und 10 Stunden zu arbeiten und 800 Euro im Monat zu bekommen, seien völlig unglaubwürdig. Sie hätten lediglich für zwei Tage ein Schlafquartier erhalten sollen. Die beiden Herren seien dann auf dem Zirkusgelände herumgegangen und hätten sich alles angeschaut. Irgendeine Arbeit hätten sie nicht geleistet. Sie hätten weder die Pflege der Pferde übernommen, noch sonstige Arbeiten geleistet. Der Zirkus B könne gar nicht wöchentlich an S 200 Euro ausbezahlen, da man so viel Geld gar nicht verdiene. Man lebe von der "Hand in den Mund". Gleiches gelte auch für J U.

 

Arbeit bedeute, dass man nach Anweisungen etwas leiste und sich in dem Gesamtbetriebsablauf eingliedere. Dies sei nicht der Fall gewesen. Es möge sein, dass die beiden Männer sich selbstständig und eigenmächtig in der Abwesenheit mit den Tieren beschäftigt hätten.

 

3. Der Bürgermeister der Stadt Wels hat die Berufung mit Schreiben vom 28.6.2012, eingelangt am 5.7.2012, samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Da sich bereits aus der Aktenlage ergibt, dass der ange­fochtene Bescheid zu beheben ist, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 1 ASVG regelt dieses Bundesgesetz die Allgemeine Sozialversicherung im Inland beschäftigter Personen einschließlich der den Dienstnehmern nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes gleichgestellten selbständig Erwerbstätigen und die Krankenversicherung der Pensionisten aus der Allgemeinen Sozialversicherung.

 

Nach § 3 Abs.3 ASVG gelten als im Inland beschäftigt unbeschadet und unvorgreiflich einer anderen zwischenstaatlichen Regelung insbesondere nicht die Dienstnehmer inländischer Betriebe für die Zeit ihrer dauernden Beschäftigung im Ausland, die ausschließlich für den Dienst im Ausland bestellten Reisenden, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, und Dienstnehmer, die sich in Begleitung eines Dienstgebers, der im Inland keinen Wohnsitz hat, nur vorübergehend im Inland aufhalten. Die Dienstnehmer eines ausländischen Betriebes, der im Inland keine Betriebsstätte (Niederlassung, Geschäftsstelle, Niederlage) unterhält, gelten nur dann als im Inland beschäftigt, wenn sie ihre Beschäftigung (Tätigkeit) von einem im Inland gelegenen Wohnsitz aus ausüben und sie nicht auf Grund dieser Beschäftigung einem System der sozialen Sicherheit im Ausland unterliegen. Als im Inland beschäftigt gelten auch Personen, die gemäß § 16 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988, bei einem inländischen Betrieb beschäftigt werden. Personen gemäß § 4 Abs. 4, die für einen ausländischen Betrieb, der im Inland keine Betriebsstätte (Niederlassung, Geschäftsstelle, Niederlage) unterhält, tätig sind, gelten nur dann als im Inland beschäftigt, wenn sie ihre Beschäftigung (Tätigkeit) von einem im Inland gelegenen Wohnsitz oder einer im Inland gelegenen Arbeitsstätte (Kanzlei, Büro) aus ausüben.

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.       Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.       Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.       Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.       gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

5.2. § 1 Abs.1 ASVG enthält den Grundsatz der Allgemeinen Sozialversicherung, wonach eine Beschäftigung im Inland als Voraussetzung für den Eintritt der Pflichtversicherung bestehen muss.

 

Im Sinne des § 3 Abs.3 ASVG gelten insbesondere Dienstnehmer, die sich in Begleitung eines Dienstgebers, der im Inland keinen Wohnsitz hat, nur vorüber­gehend im Inland aufhalten, nicht als im Inland beschäftigt. Die Dienstnehmer eines ausländischen Betriebes, der im Inland keine Betriebsstätte (Niederlassung, Geschäftsstelle, Niederlage) unterhält, gelten nur dann als im Inland beschäftigt, wenn sie ihre Beschäftigung (Tätigkeit) von einem im Inland gelegenen Wohnsitz aus ausüben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 26.1.2005, Zl. 2002/08/0165, im Zusammenhang mit der Frage der Auslegung der im ASVG verwendeten Begriffe "Betriebsstätte (Niederlassung, Geschäftsstelle, Nieder­lage)" festgehalten, dass eine Baustelle wegen Fehlens des Merkmals der Dauer auch dann keine Betriebsstätte darstellt, wenn sie für eine längere Zeit eingerichtet ist. Gleiches hat nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungs­senates auch für den Zirkusstandplatz zu gelten. Gemäß dem Akteninhalt sollte der Zirkus B in der Zeit von 5.11. bis 20.11.2011 am Standplatz in W gastieren.

 

Im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses wird dem Bw als Arbeitgeber und Betreiber des Zirkus B angelastet, näher bezeichnete Arbeiter am Standplatz des Zirkus am S-Parkplatz in W ohne vorherige Meldung beim Sozialversicherungsträger in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt zu haben. Im Gegenstand des gegenständ­lichen Straferkenntnisses ist als Sitz des Zirkus B D, D in Deutschland genannt.

 

Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt der Zirkusstand­platz in W keine Betriebsstätte im Inland dar. Im Sinne des § 3 Abs.3 ASVG kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die beiden im Spruch genannten Personen vom Bw im Inland beschäftigt worden sind, zumal sich diese in Begleitung des Bw als Verantwortlichen für den Zirkus B mit dem Sitz in Deutschland nur vorübergehend für die Zeit des Gastspiels in W im Inland aufgehalten haben und zudem nach dem Inhalt des Strafantrages keinen Wohnsitz im Inland haben. Da somit eine Beschäftigung im Inland nach § 3 Abs.3 ASVG nicht anzunehmen ist, ist die im Sinne des § 1 normierte Voraussetzung für den Eintritt der Pflichtversicherung als nicht gegeben zu erachten. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass der Bw, auch wenn er als Dienstgeber der beiden im Spruch genannten Arbeiter anzusehen wäre – was insgesamt nicht erwiesen ist –, keine Meldepflicht des § 33 ASVG verletzt hat und ihm deshalb auch keine Verwaltungsübertretung nach des § 111 Abs.1 ASVG angelastet werden kann.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Im Hinblick auf die dargestellten Gründe war daher der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

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