Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222587/17/Bm/Th

Linz, 07.11.2012

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn T D, vertreten durch Rechtsanwalt DDr. K R H, S, B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 19.01.2012, Ge96-169-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der GewO 1994 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.05.2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.             Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.          Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 19.01.2012, Ge96-169-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 100 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 iVm § 81 Abs.1 GewO 1994 verhängt.

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 09.12.1998, Ge20-138-1998, wurde Ihnen die gewerberechtliche Genehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage im Standort I, B, durch Errichtung und den Betriebe einer Karosseriewerkstätte mit Lackieranlage erteilt, wobei entsprechend den genehmigten Projektsunterlagen folgende Betriebszeiten genehmigt worden sind:

An Werktagen von 08.00 bis 18.00 Uhr

 

Nunmehr haben Sie jedoch zumindest am Montag den 25.07.2011 zwischen 23.25 und 23.40 Uhr die genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung nach einer Änderung betrieben, indem die Abluftsaugung in Betrieb war. Die Genehmigungspflicht der Verlängerung der Betriebszeiten ergibt sich daraus, dass die Nachbarn durch den Lärm der Absauganlage belästigt werden können."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw durch seine anwaltliche Vertretung innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und diese im wesentlichen damit begründet, im Antrag vom 03.08.1998 sei die Betriebszeit mit: "Je Auftragslage, von Montag bis Samstag, eventuell auch sonntags" bezeichnet worden. Offenbar sei danach handschriftlich der Vermerk "08.00 bis 18.00 Uhr" eingetragen worden. Gemäß dem Antrag sei die Anlage auch bewilligt worden; ob sich dieser zeitliche Vermerk auf den Passus "je Auftragslage" beziehe, sei dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht zu entnehmen. Gemäß dem vorliegenden Antrag sei aber ein handschriftlicher Vermerk gesetzt worden.

Der gegenständliche Betrieb befinde sich im ausgewiesenen Industriegebiet x. Die Betriebszeiten anderer großer Betriebe in unmittelbarer Umgebung seien mit 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr festgesetzt, also während des gesamten Tages. Der Bw habe bislang noch nie ein Problem mit den Betriebszeiten gehabt, weshalb er auch der Meinung gewesen sei, dass angesichts der Betriebszeiten manch anderer Betriebe in der Industriezeile eine behauptete Lärmbelästigung des Nachbarn zu vernachlässigen sei. Man könne davon ausgehen, dass die zeitliche Einschränkung nur für den Normalbetrieb gelte und je nach Auftragslage auch außerhalb der Zeiten der Betrieb zulässig sei. So sei zumindest der Wissenstand des Bw bis zum gegenständlichen Vorfall gewesen, wobei aber darauf hingewiesen werde, dass es nie Probleme gegeben habe und der Bw auch nicht die Notwendigkeit gesehen habe, konkret die Frage der Betriebszeiten bei der BH Braunau zu hinterfragen. Die Interpretation der Behörde sei zwischenzeitlich vom Bw vollinhaltlich zur Kenntnis genommen worden. Als der Bw am 03.02.2012 die diesbezüglich Interpretation der Behörde erfahren habe, habe er sich entschlossen, umgehend einen Antrag auf Ausweitung der Betriebszeiten von 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr zu beantragen. Es bestehe deshalb spezialpräventiv keine Notwendigkeit hier mit einer Bestrafung vorzugehen, sodass eine Vorgangsweise im Sinne des § 21 VStG angemessen erscheine. Aufgrund der vorgelegten Lärmschutzgutachten könne der Nachbar gar keinen Lärm gehört haben, außer er wäre direkt an der Grundgrenze zum Grundstück des Bw gestanden und hätte bewusst und vorsätzlich versucht, einen Lärm zu hören. Fraglich sei auch, wie der Nachbar P in seiner Nachtruhe gestört sein wolle, wenn er um 23.25 Uhr noch Gäste empfange. Laut Aussage des Zeugen A M habe er dieser vereinbarungsgemäß um 23.25 Uhr einen Schlüssel an Herrn P überbracht. Der Nachbar P habe also gewusst, dass er noch einen Besuch empfangen würde. Wenn die Aussage des Zeugen M richtig wäre, wäre dieser ja bis 23.40 Uhr im Anwesen des P gewesen und hätte genau sagen können, dass ab dieser Zeit kein Lärm gewesen sei. Wenn dies richtig wäre, wäre auch die Nachtruhe des Nachbarn nicht beeinträchtigt gewesen, weil dieser ja auch selbst offenbar nicht vor 23.40 Uhr zu Bett gegangen wäre. Eine tatsächliche Beeinträchtigung des Nachbarn wäre dann nicht gegeben gewesen. Dann und nur dann wenn ein Lärm überhaupt entstanden wäre, was aufgrund des lärmtechnischen Gutachtens nicht möglich sei, wäre die Frage der Tatbestandsmäßigkeit zu prüfen. Wenn diese Vorfrage aufgrund der Zeugenaussagen aber gar nicht objektiviert bzw. objektivierbar sei, könne der Tatbestand nicht gegeben sein. Ansonsten müsste man ja von der Behörde auf Verdacht einen konsenswidrigen Betrieb annehmen. Dass das Verhalten des Nachbarn dem Bw gegenüber alles andere als wohlwollend sei, sei meines Erachtens auch der Erstbehörde nicht unbekannt. Unter diesem Gesichtspunkt könnte ja jedermann, der behauptet, er hätte irgendwas gehört, was er nicht hören habe können, eine Anzeige erstatten und müsste sich dann der Gewerbeinhaber dahingehend frei beweisen, dass er nichts Verbotenes gemacht hätte. Da es sich um ein Strafverfahren handelt, hätte vielmehr die Behörde im Zweifel annehmen müssen, dass der Tatbestand gar nicht gesetzt worden sein könnte, weil der Nachbar von seinem Wohnobjekt aus gar nichts gehört haben könnte, was sich aufgrund des Lärmschutzgutachtens ergäbe. Wenn er aber gar nichts hören könnte, erscheine die Anzeige des Nachbarn als nicht geeignet, den Tatbestand als gegeben anzusehen. Der Zweifelsgrundsatz sei offenbar rechtlich verfehlt angewendet und sei der Bw im Zweifel verurteilt, statt im Zweifel freigesprochen worden. Ein Freibeweis könne nicht erbracht werden. Es werde sohin beantragt, der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren einzustellen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt sowie in die vom Bw beigebrachten Unterlagen. Weiters wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung am 30.05.2012 durchgeführt an der Rechtsvertreter des Bw anwesend war und gehört wurde.

Als Zeugen wurden Herr J P und Herr A M einvernommen.

 

4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

 

Der Bw verfügt über die Gewerbeberechtigung für die Ausübung des Gewebes Karosseriebau und betreibt im Rahmen dieser Gewerbeberechtigung eine Karosseriewerkstätte mit Lackieranlage im Standort I, B.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 09.12.1998, Ge20-138-1998 wurde dem Bw die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb dieses Betriebsanlagenteiles erteilt.

Die Betriebszeiten wurden wie folgt festgelegt: "im Regelfall von 08.00 bis 18.00 Uhr an Werktagen, fallweise soll die Anlage auch ausschließlich vom Anlagenbetreiber selbst an Sonntagen betrieben werden".

Mit Eingabe vom 17.10.2011 legte der Zeuge P bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn Anzeige darüber, dass am 25.07.2011 zwischen 23.25 und 23.40 Uhr die Abluftabsaugung bei der in Rede stehenden Betriebsanlage in Betrieb gewesen sei.

Im näheren Umfeld des Anwesens des Zeugen P und der Betriebsanlage finden sich mehrere Betriebe, die rund um die Uhr betrieben werden. Weiters befindet sich in der näheren Umgebung die x, welche ein Verbindungsstück zur Autobahn x in Richtung x darstellt.

Das Anwesen des Zeugen P ist ca. 60 m von der in Rede stehenden Betriebsanlage bzw. der Abluftabsaugung entfernt.

In der mündlichen Verhandlung wurde vom Zeugen P ausgesagt, er habe zum angegebenen Tatzeitpunkt Lärm wahrgenommen, welcher eindeutig von der Abluftabsaugung bei der Betriebsanlage des Bw stamme. Allerdings konnte der Zeuge nicht nachvollziehbar und begründet darlegen, weshalb ausgehend vom der örtlichen Lärmsituation mit Sicherheit davon auszugehen sei, dass der vernommene Lärmpegel von der Betriebsanlage des Bw stamme.

Vom Zeugen M wurde zwar glaubwürdig dargelegt, zum Tatzeitpunkt einen Dauerton vernommen zu haben, allerdings war der Lärm für ihn vorerst nicht zuordenbar. Erst über Hinweis des Zeugen P ging Herr M davon aus, dass dieses Geräusch von der Abluftabsaugung stamme, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Wahrnehmung völlig unbeeinflusst erfolgte und Zweifel über den tatsächlichen Betrieb der Absauganlage offen geblieben sind. Diese Zweifel werden auch durch die Vorlage eines lärmtechnischen Berichtes bestärkt, wonach eine Lärmmessung ergeben hat, dass der Betrieb der Absauganlage in einer Entfernung von ca. 60 m einen sehr niedrigen Lärmpegel, nämlich 40 dB, ergibt.

Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens konnte die Aussage des Bw, dass ein Betrieb nicht stattgefunden habe, nicht begründet widerlegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung  ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

5.2. Die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses enthaltene Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat geht dahin, zum angegebenen Zeitpunkt die genehmigte Betriebsanlage ohne erforderliche Genehmigung nach einer Änderung betrieben zu haben, indem die Abluftabsaugung in Betrieb war.

Eben diesen Tatvorwurf, nämlich der Betrieb der Abluftabsaugung, konnte im Rahmen des Beweisverfahrens nicht mit einer für das Strafverfahren an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, weshalb nach dem Grundsatz in dubio pro reo das Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren einzustellen ist.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

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