Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222613/3/Bm/Ba

Linz, 02.11.2012

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die
6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichterin: Mag. Michaela Bismaier, Beisitzerin: Dr. Andrea Panny) über die Berufung des Herrn A P, vertreten durch S, C & Partner Rechtsanwälte GmbH, E, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­mannschaft Freistadt vom 21.5.2012, Ge96-79-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der GewO 1994 zu Recht erkannt:

 

 

I.             Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.          Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 21.5.2012, Ge96-79-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 3.600 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 366 Abs.1 Z 3, 74 Abs.2 und 81 Abs.1 GewO 1994 verhängt.

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben es als nach außen vertretungsbefugten gewerberechtlichen Geschäftsführer der P B GmbH, H, P, zu verantworten, dass im Areal der P B GmbH, H, P, auf dem Gst. X, KG P an der im beiliegenden DORIS-Ausdruck markierten Stelle vom 11.07.2011 bis 29.12.2011 ein Waschplatz zur Reinigung der firmeneigenen Fahrzeuge (LKW, Hänger) mittels Hochdruckreiniger betrieben worden ist, ohne dass hier für eine gewerbebehördliche Änderungs­genehmigung vorliegt."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw durch seine anwaltliche Vertretung innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt, der dem Bw von der Behörde vorgeworfene Tatzeitraum "vom 11.07.2011 bis zum 29.12.2011" basiere auf unrichtigen und unsubstanziierten Annahmen der Behörde, denen keine eigenen Feststellungen zugrunde liegen würden. Genau genommen beschränke sich der Vorwurf auf eine Wiedergabe der zugrunde liegenden Anzeige eines Privatdetektivs. Die Behörde wäre aber gerade im gegenständlichen Fall zu umfassenden Ermittlungen schon deshalb verpflichtet gewesen, da die gegenständliche Anzeige offensichtlich auf einen vom Mitbewerber B Ö GmbH und B I GmbH in das Unternehmen der P B GmbH eingeschleusten Betriebsspion zurückgehe. Da der Spruch nicht von Beweisergebnissen getragen werde, handle es sich hierbei um einen wesentlichen Verfahrensmangel. Die belangte Behörde habe im bekämpften Straferkenntnis unterlassen, sich mit dem vom Bw im Rahmen der Rechtfertigung erstatteten Vorbringen auseinanderzu­setzen.

Wenn die Behörde im Spruch des Straferkenntnisses als Tatvorwurf festhalte, dass "ein Waschplatz zur Reinigung der firmeneigenen Fahrzeuge mittels Hoch­druckreiniger betrieben worden" sei und in der Begründung hiezu lediglich sinngemäß ausführe, dass die LKW-Wäsche nicht im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung erfolgt sei, so ist der Tatvorwurf ("Reinigung") hochgradig unbestimmt und fehle es an Tatsachenfeststellungen, die eine Bestrafung des Bw rechtfertigen könnten. Insbesondere unter Berücksichtigung der vom Bw vertretenen Rechtsansicht, dass es sich bei den Reinigungsvorgängen um bloße Reinigungsvorgänge iSd § 102 KFG gehandelt habe, sei die Umschreibung des Tatvorwurfes nicht ausreichend. Da es die belangte Behörde verabsäumt habe, den Tatvorwurf hinlänglich zu konkretisieren, werde diesem Sprucherfordernis nicht entsprochen und werde gegenständliches Straferkenntnis angesichts des Verstoßes gegen das in § 44a Z 1 VStG normierte Konkretisierungsgebot mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Im Zusammenhang mit der subjektiven Vorwerfbarkeit der erhobenen Tatvorwürfe habe es die belangte Behörde gänzlich verabsäumt, auf das Vorbringen in der Rechtfertigung des Bw einzugehen, wonach es sich bei den inkriminierten Tathandlungen um einfache Reinigungsvorgänge im Sinne des § 102 KFG gehandelt habe und daher davon auszugehen gewesen sei, dass eine gewerbebehördliche Änderungsgenehmigung nicht erforderlich sei. Vor diesem Hintergrund habe der Bw unter Ausschluss der subjektiven Vorwerfbarkeit mit gutem Grund darauf vertrauen können, dass die maßgeblichen gewerberecht­lichen Vorschriften eingehalten werden.

Darüber hinaus sei von der belangten Behörde in Widerspruch zur herrschenden Rechtsprechung ein Absehen von der Bestrafung deshalb verneint worden, da das Verschulden des Bw als nicht geringfügig zu werten gewesen sei. Die Ansicht, dass ein geringfügiges Verschulden bei vorsätzlichen Handlungen ausgeschlossen sei, sei unzutreffend und werde von der Rechtsprechung abge­lehnt. Danach könne das Verschulden auch dann bloß geringfügig sein, wenn der Täter vorsätzlich gehandelt hat, sofern besondere Umstände bei der Begehung diesen Schluss rechtfertigen. Dabei bedürfe es zur Beurteilung der Frage, ob das Verschulden bloß geringfügig sei, konkreter Feststellungen durch die Behörde, da diese Frage erst beantwortet werden könne, wenn dargelegt sei, worin das Verschulden genau bestehe. Entsprechende Ausführungen würden im bekämpften Straferkenntnis fehlen.

 

Es werde daher der Antrag gestellt,

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge der Berufung Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufheben; in eventu unter Anwendung des § 21 VStG eine bescheidmäßige Ermahnung aussprechen; in eventu für den Fall einer Bestrafung die Mindeststrafe verhängen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer (bestehend aus drei Mitgliedern) berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage fest steht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung (§ 51e Abs.2 Z 1 VStG).

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z 3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt.

 

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mit­tätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

 

die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

 

die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

 

die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

 

eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im §74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Demnach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1.     die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,

2.     die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

 

Was den vorstehenden Punkt 1 anlangt, sind entsprechende, das heißt in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den Punkt 2 anlangt, muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, zu § 44a Z1 VStG).

 

Diesen Anforderungen entspricht der Tatvorwurf nicht.

 

Eine Änderung liegt in jedem Abweichen von jener Erscheinungsform der Betriebsanlage vor, wie sie nach dem Inhalt des Genehmigungsbescheides genehmigt wurde. Ob eine Änderung vorliegt, bemisst sich ausschließlich nach dem die Betriebsanlage genehmigenden Bescheid (VwGH 24.5.1994, 93/04/0031 ua.).

 

Die Erfüllung des Straftatbestandes des § 366 Abs.1 Z 3 GewO 1994 setzt damit eine (von der genehmigungspflichtigen Änderung betroffene) genehmigte Betriebsanlage voraus.

 

Um § 44a Z1 VStG zu entsprechen muss daher dem Spruch des Straferkenntnisses zu entnehmen sein, dass es sich bei der vorgeworfenen konsenslosen Änderung um die einer gewerberechtlich genehmigten Betriebsanlage handelt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dieser Umstand, dass der gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigungsbescheid im Spruch des Straferkenntnisses genannt wird (VwGH 28.1.1993, 91/04/0246; 25.4.1995,94/04/0026). Dies insbesondere auch deshalb, um die Erscheinungsform der Betriebsanlage wie sie nach dem Inhalt des Genehmigungsbescheides genehmigt wurde, festzulegen und damit klar zum Ausdruck zu bringen, dass die im Spruch angeführten Änderungen vom bisherigen Genehmigungskonsens nicht umfasst sind.

 

Der Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses lässt eine solche nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderliche Nennung des (der) betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungsbescheide(s) vermissen.

 

Mangels Benennung der ursprünglich erteilten gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheide im Spruch des Straferkenntnisses und in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21.12.2011 als erste Verfol­gungshandlung ist dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44a Z 1 VStG nicht entsprochen und war daher das Straferkenntnis gemäß § 45 Abs.1 Z 3 VStG aufzuheben und das Verwaltungs­strafverfahren einzustellen.

 

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass ein Spruch nach § 366 Abs.1 Z 3 GewO 1994 auch jene Tatumstände enthalten muss, die eine Beurteilung dahingehend zulassen, ob die vorliegende Betriebsanlage die in § 74 Abs.2 GewO 1994 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet und daher genehmigungs­pflichtig ist. Auch diesbezüglich erfüllt der Tatvorwurf nicht das Konkretisierungs­gebot nach § 44a Z 1 VStG.

 

6. Aufgrund dieses Verfahrensergebnisses entfällt für den Bw die Verpflichtung zur Entrichtung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge (§ 66 Abs.1 VStG).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

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