Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-166841/12/Bi/Rt

Linz, 22.11.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau x, x, x, vom 17. Februar 2012 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Vöcklabruck vom 31. Jänner 2012, VerkR96-23850-2011-Heme, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 21. Juni 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung sowie des Gutachtens des kfz-technischen Amtssach­verständigen vom 25. September 2012 nach Wahrung des Parteiengehörs zu Recht erkannt:

 

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch bestätigt.

 

II. Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 40 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.2 2.Satz iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 200 Euro (96 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 9. September 2011, 12.55 Uhr, im Ortsgebiet x, Kreuzungsbereich x Haus Nr.x mit der x, mit dem Pkw x mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und nicht sofort die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt habe.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 20 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 21. Juni 2012 wurde am Unfallort eine öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesenheit der Bw, der Vertreterin der Erstinstanz Frau x und des Zeugen Herrn x (S) durchgeführt. In der Folge wurde ein kfz-technisches Gutachten eingeholt und Parteiengehör gewahrt.

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, sie sei um ca 13.00 Uhr vom x in die x eingefahren, dabei habe sich hinter ihr ein Radfahrer befunden. Sie habe sich der Kreuzung zur x genähert und, da die Eisenbahnkreuzung geschlossen gewesen sei, habe man erkennen können, dass sich kein Fahrzeug der Kreuzung näherte. Sie habe sich im Spiegel überzeugt, dass sich niemand in der Nähe ihres Pkw befunden habe und, nachdem der Radfahrer nicht zu sehen gewesen sei, sei sie weitergefahren. Hätte sie den Radfahrer gesehen, hätte sie sofort erste Hilfe geleistet. Durch Begutachtung ihres Pkw sei der Sachverhalt des Fahrradfahrers immer unglaubwürdiger geworden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört wurden und  der damalige Fahrradfahrer, der Zeuge S, unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB zeugenschaftlich einvernommen wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Bw lenkte am 9. September 2011 gegen 12.55 Uhr den Pkw x von ihrem Wohnhaus über die x zur Kreuzung mit der x, in der Absicht dort nach rechts einzubiegen. Als sie nach links auf die x einbog, fiel ihr der von rechts auf dem Fahrrad kommende Zeuge S auf, wobei sie aber nicht stehenblieb, sondern weiter einbog und dem Zeugen nur etwas mehr Platz ließ, damit dieser seine Fahrt in dieselbe Richtung wie die Bw fortsetzen konnte. Der Zeuge S fuhr dann hinter dem Pkw der Bw und beabsichtigte, bei der Kreuzung mit der x nach links einzubiegen. Auf der Fahrt zur Kreuzung bemerkte die Bw, dass sie ihre Geldbörse zu Hause vergessen hatte und beschloss, bei der Kreuzung umzu­kehren und heimzufahren, um die Geldbörse zu holen.

 

Die Kreuzung x – x in x ist ungeregelt; in der Fahrbahn­mitte der x befindet sich ein mit niedrigen Sträuchern bewachsener ovaler Fahrbahnteiler, der die Sicht in keiner Weise beeinträchtigt. Die Fahrzeuge auf der x sind aufgrund des Vorschriftszeichens "Vorrang geben" warte­pflichtig gegenüber Fahrzeugen auf der x. Die x weist im Einmündungstrichter in Fahrtrichtung der Bw zwei Fahrstreifen auf, einen zum Linkseinbiegen und einen zum Rechtseinbiegen mit den jeweiligen Richtungspfeilen in Form von Bodenmarkierungen.

Die Bw ordnete sich links zum Linkseinbiegen ein, wobei sich auf der x zu dieser Zeit eine stehende Kolonne in Richtung zum geschlossenen Bahnschranken, also nach links, befand, die über die Kreuzung mit der x hinausreichte. Die rechte in Richtung x führende Fahrspur war frei.

Die Bw beschrieb in der Verhandlung ihr Verhalten so, dass sie am Ende des x-Parkplatzes, gut 30 m vor der Kreuzung, im Spiegel gesehen habe, dass sich der Radfahrer hinter ihr etwa auf Höhe der Parkplatz-Zufahrt befand. Sie habe sich dann links eingeordnet, auch links geblinkt und musste zunächst verkehrsbedingt anhalten. Bei der Kreuzung habe sie den Radfahrer dann nicht mehr gesehen, weshalb sie vermutete, er könnte in die x, die letzte Seitenstraße rechts vor der Kreuzung, eingebogen sein. Tatsächlich fuhr der Zeuge S hinter ihr und, da die Bw links blinkte, nahm er an, dass sie stehenbleiben würde, um die Öffnung des Schrankens und die Weiterfahrt der Kolonne abzuwarten. Er wollte, da dafür ausreichend Platz gewesen sei, links am stehenden Pkw vorbeifahren und nach links einbiegen. Er rechnete nach eigenen Angaben nicht damit, dass die Bw den Fahrbahnteiler umrunden und die Bahnhofstraße zurückfahren würde, sodass er, als die Bw um den Fahrbahnteiler herumfuhr, mit dem Gummiteil des vorderen Radreifens gegen den Pkw stieß etwa beim rechten hinteren Radkasten. Dabei kam er zu Sturz und verletzte sich am linken Knie. Die Bw setzte ihre Fahrt fort. Sie gab in der Berufungs­verhandlung an, sie habe einen Anstoß weder gehört noch den Zeugen stürzen gesehen. Sie habe, da sie Raucherin sei, immer das Seitenfenster einen Spalt offen und auch das Autoradio sei eingeschaltet gewesen. Sie habe vom Sturz des Zeugen S nichts mitbekommen und ihn auch nicht rufen gehört. Der Zeuge  gab an, er habe der Bw nachgerufen und, als sie nicht reagiert habe und weiter­gefahren sei, bei der Polizei Anzeige erstattet, wobei er zwar einräumte, dass mangels Metallteilen am Reifen der Anstoß nicht laut gewesen sei, jedoch den Eindruck gehabt habe, die Bw habe zu ihm direkten Blick­kontakt gehabt und trotzdem die Fahrt fortgesetzt.

 

Der technischen AmtsSV hat zur Frage, inwieweit der Sturz des Zeugen S für die Bw wahrnehmbar gewesen sei, nach entsprechenden Stellproben in seinem Gutachten vom 25. September 2012, Verk-210002/521-2012, ausgeführt, je nach Spiegeleinstellung des linken Außenspiegels am Pkw der Bw sei bei einem geringen Anstoßwinkel (20 bis 30 Grad) des Fahrrades der Radfahrer beim Anstoß gut erkennbar. Hingegen befinde sich bei einem großen Anstoßwinkel von ca 70 Grad der Radfahrer lange Zeit in einem toten Winkel und werde erst bei einer Annäherung auf etwa 80 cm für die Bw im Außenspiegel erkennbar. Zur Anstoßzeit selbst sei der Zeuge S für die Bw erkennbar gewesen, allerdings sei es möglich, dass, wenn die Bw zügig beschleunigt und eingelenkt habe, der Radfahrer aus dem Sichtbereich verschwunden sei, weil dann der Pkw zum Rad eine größere Schrägstellung erreicht und sich der Abstand der beiden Fahrzeuge vergrößert habe. Durch einen Schulterblick wäre der über den linken Außen­spiegel kurzzeitig nicht einsehbare Bereich aber einsehbar gewesen.

Die Bw hat sich im Rahmen des Parteiengehörs nicht geäußert.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die Verantwortung der Bw insofern glaubwürdig, als diese sich entschlossen hat, beim dort befindlichen Fahrbahnteiler umzukehren, wobei sie – möglicherweise weil sich der Zeuge S gerade in einem toten Winkel hinter dem Pkw befunden hat – diesen kurz vor der Kreuzung nicht mehr hinter sich gesehen hatte und deshalb vermutete, er sei vor der Kreuzung rechts eingebogen. Als sie erkannte, dass sie durch die stehende Kolonne auf der x am Umfahren des Fahrbahnteilers nicht gehindert war und auch von links kein Fahrzeug kam, setzte sie die Fahrt rund um den Fahrbahnteiler fort. Dabei hatte die Bw auch auf die Verkehrsver­hältnisse im Einmündungs­bereich x – x zu achten – dort befinden sich mehrere Geschäfte mit Parkplätzen davor und am Beginn der Bahnhofstraße ein Schutz­weg.

Der Zeuge S führt nicht weniger glaubwürdig als die Bw aus, nach seinem Eindruck habe ihn die Bw direkt angeschaut und sei trotzdem weiterge­fahren; genau das habe ihn so geärgert, dass er gleich zur Polizei gefahren sei. Die Bw hat jeden Blickkontakt ebenso bestritten wie jegliche Wahrnehmung von Zeichen bzw Rufen des Zeugen S.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.2 2.Satz StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, die im Abs.1 genannten Personen – das sind alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht – die nächste Polizei- oder Gendarmerie­dienst­stelle sofort zu verständigen.

 

Bei einem zu Sturz gekommenen Radfahrer muss mit Verletzungen gerechnet werden (VwGH 25.11.1985, 85/02/0208).

Auch geringfügige, nicht nennenswerte Verletzungen lösen die Verständigungs­pflicht aus (VwGH 20.4.1988, 87/02/0118; 16.4.1997, 96/03/0370).

Der Tatbestand des Abs.2 ist schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalls, insbesondere aber die Möglichkeit der Verletzung einer Person zu erkennen vermocht hätte. Bereits in diesen Fällen setzt die Verständigungspflicht des Abs.2 ein (vgl VwGH 17.10.1980, 159/80). 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt im Rahmen der Beweiswürdigung zur Auffassung, dass es durchaus sein mag, dass die Bw den Sturz des Zeugen S mangels das Autoradio übertönendes Geräusch trotz des geöffneten Seiten­fensters nicht bemerkt hat. Da sich aber der Anstoß, wie in der Verhandlung von beiden Beteiligten bestätigt wurde, ganz vorne am Fahrbahn­teiler ereignete, wo die Sicht in keiner Weise durch dessen Bewuchs eingeschränkt war, musste ihr der unmittelbare Anstoß des Rades an ihrem Pkw, auch wenn dieser durch eine rasche Veränderung der Pkw-Position im Zuge des Umfahrens des Fahrbahn­teilers nur kurz gedauert haben mag, als nicht der erwarteten Situation entsprechende Bewegung unmittelbar beim Fahrzeug im linken Außenspiegel, der unmittelbar in ihrem Blickfeld vom Lenkerplatz aus liegt, auffallen.

Der Lenker eines Kraftfahrzeuges hat den Geschehnissen rund um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden, die sich jeden­falls auf den unmittel­baren Nahbereich des gelenkten Fahrzeuges zu beziehen hat, dh auf unmittelbar im Blickfeld liegende Gegebenheiten, insbesondere auch die im Außenspiegel sichtbaren Änderungen der Verkehrssituation. Damit geht der Unabhängige Verwaltungssenat davon aus, dass die Bw den im Außenspiegel laut Gutachten zweifellos sichtbaren Anstoß jedenfalls bei Aufwendung der in dieser Situation gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit bemerken hätte müssen, um ihren Verpflichtungen, insbesondere im Hinblick auf den gestürzten Radfahrer, bei dem eine Verletzung geradezu zu erwarten ist, nachkommen zu können. Dazu gehört auch die Unfallmeldung bei der nächsten Polizeidienststelle auch bei nur kleinen Verletzungen. 

 

Die Bw hat daher ohne Zweifel den ihr zur Last gelegten Tatbestand verwirklicht und, da ihr die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens an der Nicht­meldung im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist, ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung  zu verantworten.  

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 von 36 bis 2.180 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

 

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses – zutreffend – keine Milderungs- oder Erschwerungsgründe berücksichtigt und sind solche auch nicht zutage getreten. Die Bw ist aufgrund einer rechtskräftigen Vormerkung vom August 2011 nicht unbescholten. Weiters wurde das von der Bw angegebene Einkommen von netto von 1.000 Euro monatlich berücksichtigt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die von der Erstinstanz vorgenommene Strafbemessung deren Ermessensspielraum in irgend einer Weise überschreitet. Die verhängte Strafe berücksichtigt unter Bedacht­nahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG den nicht erheblichen Unrechts- und den Schuldgehalt der Übertretung, liegt noch im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll die Bw in Zukunft zu mehr Sorgfalt gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern anhalten. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe bemessen. Die Voraussetzungen der §§ 20 und 21 VStG lagen nicht vor. Der Bw steht es frei, bei der Erstinstanz als Vollzugsbehörde um die Möglichkeit der Bezahlung der Strafe in Teilbeträgen anzusuchen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 


 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Verkehrsunfall mit  Personenschaden (Radfahrer)
Kanzleivermerk:

Erl.2 samt Akt und Erkenntnisausfertigung nachweislich zustellen

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum