Linz, 03.12.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, X, vertreten durch. RA Dr. X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 19. Oktober 2012, Zl. VerkR96-12885-2012-Kub, nach der am 3.12.2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird statt gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt;
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenkostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.3 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012 – VStG.
II.: § 66 VStG.
Entscheidungsgründe:
2. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:
3. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner als fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter mit nachfolgenden Berufungsausführungen entgegen: erhoben zu beurteilenden Berufung entgegen.
"I.
In umseits bezeichneter Rechtsache hat der Berufungswerber, X, geb. X, RA Dr. X, X, X, mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt. Dieser beruft sich auf die ihm erteilte Vollmacht.
Gegen das Straferkenntnis der BH Vöcklabruck vom 19.10.12, GZ VerkR96-12885-2012-Kub, zugestellt am 23.10.12, erhebt der Berufungswerber, X, durch den bevollmächtigten Vertreter, sohin binnen offener Frist
BERUFUNG
an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich und wird dies im Einzelnen begründet wie folgt:
II.
Es werden unrichtige rechtliche Beurteilung, Verfahrensmängel und unrichtige Sachverhaltsfeststellung geltend gemacht.
Am 16.5.12 um 13.35 Uhr hat der Berufungswerber mit dem PKW der Marke Volkswagen, pol. KZ X, auf der Autobahn A 1, Fahrtrichtung X, auf Höhe km 259.000, einen Fahrstreifenwechsel vom rechten auf den linken Fahrstreifen vorgenommen.
Vor dem Fahrstreifenwechsel hat sich der Berufungswerber durch Blick in die Außenspiegel aber auch in den Rückspiegel davon überzeugt, dass ein gefahrloses Wechseln des Fahrstreifens möglich ist.
Danach hat der Berufungswerber den linken Blinker betätigt und nachdem er sich nochmals davon überzeugt hat, dass ein Fahrstreifenwechsel gefahrlos möglich war, diesen vorgenommen.
Dabei kam es weder zu einer Gefährdung noch zu einer Behinderung anderer Straßenbenützer, insb. nicht zu einer Behinderung des PKW X. Vielmehr konnte der Berufungswerber das Polizeifahrzeug, welches weder Folgetonhorn noch Blaulicht eingeschalten hatte, im Rückspiegel (innen) wahrnehmen. Dies war noch vor dem Fahrstreifenwechsel, sohin auf dem rechten Fahrstreifen.
Dies lässt einzig den zwingenden Schluss zu, dass das gegenständliche Polizeifahrzeug noch weit hinter dem Fahrzeug des Berufungswerbers sich befunden hat.
Der Berufungswerber fuhr unmittelbar vor aber auch während des Fahrstreifenwechsels mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h, wobei er sein Fahrzeug noch geringfügig beschleunigte.
Die Meldunglegerin hat weder zum Zeitpunkt der Anhaltung noch in der Anzeige vorgebracht dass durch diesen Fahrstreifenwechsel eine Behinderung bzw. eine Gefährdung vorgelegen hat.
Es wurde lediglich vorgebracht, dass das Dienst-Kfz X abgebremst werden musste. Eine besondere Intensität bzw. Gefahrensituation wurde jedoch nicht beschrieben, da diese auch tatsächlich nicht stattgefunden hat
Auch in der schriftlichen Stellungnahme der Meldungslegerin n vom 17.7.12 wurde auch nicht präzisiert, weshalb der Fahrstreifenwechsel gefährlich bzw. rücksichtslos gewesen sei.
Im Übrigen brachte die Meldunglegerin auch vor, dass dem Berufungswerber in gleichbleibenden Abstand nachgefahren worden sei. Die Meldunglegerin widerspricht sich sohin.
Der Grund für die Anhaltung und Fahrzeugkontrolle in Oberwang durch die Meldungslegerin war, so die einschreitende Polizeibeamtin, die Geschwindigkeit im Tempo Hundertbereich.
Die Übertretung nach § 52 lit. a Ziff. 10 a StVO wurde gem. § 45 VstG jedoch eingestellt.
Auch das gegenständliche Faktum 1 ist aufgrund der widersprechenden Angaben der Meldungslegerin n aber auch aufgrund des geschilderten Sachverhaltes nicht erfüllt, sodass für die im Verwaltungsstrafverfahren an Sicherheit erforderliche Wahrscheinlichkeit nicht vorliegt.
Der Berufungswerber hat in der Eingabe vom 7.9.12 bekannt gegeben, dass er einen Bruttomonatsverdienst iHv EUR 1.500,- hat
Ebenso wurden die Anträge gestellt, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu aufgrund der hier vorliegenden Voraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG von einer Verhängung einer Strafe abzusehen.
Es wurde nicht, wie im Straferkenntnis vom 12.10.12, Seite 3 angeführt, bekannt gegeben, dass sich das monatliche Nettoeinkommen auf EUR 1.500,-- brutto beläuft. Auch wurde kein Antrag gestellt, das Verwaltungsstrafverfahren zuzustellen.
Auch die Erwägungen der erkennenden Behörde, wonach der im Spruch angeführte Sachverhalt, sich auf die dienstliche Wahrnehmung einer geschulten Polizeibeamtin stütze, ist nicht bestimmt genug, um dieses Straferkenntnis zu fällen. Die Meldunglegerin gab zu keiner Zeit an, worin eine gefährliche Situation vorgelegen habe. Auch gab sie nicht an, mit welcher Intensität sie auf den Fahrstreifenwechsel des Berufungswerbers abbremsend reagieren musste.
Ein Verzögern eines schneller auffahrenden PKW ist noch nicht geeignet den Tatbestand des § 11 Abs.1 StVO zu erfüllen.
Zudem fehlt es an den erforderlichen Abstandsangaben, der Geschwindigkeit und wie bereits erwähnt der Schilderung der Behinderung bzw. Gefährdung.
Beweis: Einvernahme Berufungswerber;
X, X, X als Zeuge;
X, X, X als Zeugin.
Aus all den vorgenannten Gründen werden gestellt die
ANTRÄGE
1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge den angefochtenen Bescheid vom 19.10.12, GZ VerkR96-12885-2012-Kub, zugestellt am 23.10.12, ersatzlos aufheben und das Verfahren einstellen;
2. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung das Verfahren einstellen; in eventu
3. Eine Ermahnung aussprechen; in eventu
4. Die Strafhöhe angemessen herabsetzen.
X, am 05.11.12 X"
3.1. Die Behörde erster Instanz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen.
Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war gemäß §51e Abs.1 Z1 VStG durchzuführen.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt, sowie durch zeugenschaftliche Anhörung der Meldungslegerin und des Berufungswerbers als Beschuldigten. Die Behörde erster Instanz nahm entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teil, auf die Anhörung der Ehefrau des Berufungswerbers wurde letztlich verzichtet.
4. Sachverhalt:
Laut Anzeigetext habe der Berufungswerber auf der A1 bei Strkm 259.000 in Fahrtrichtung X vom rechten auf den linken Fahrstreifen gewechselt, wobei dadurch die mit dem Dienstfahrzeug unmittelbar dahinter mit ca. 140 km/h fahrende Polizeibeamtin abbremsen habe müssen um eine Kollision zu verhindern.
Der ebenfalls zur Anzeige gebrachte Vorwurf einer zwei bis vier Minuten später begangnen Geschwindigkeitsüberschreitung (Tachoablesung 140 km/h) im Beschränkungsbereich von 100 km/h (bei nasser Fahrbahn) zwischen Straßenkilometer 258,300 bis 256.200 wurde von der Behörde erster Instanz mit einem Aktenvermerk vom 17.10.2012 wegen falscher Tatanlastung (Nässehunderter) in der Strafverfügung eingestellt.
4.1. Die Verantwortung des Berufungswerbers lässt sich im Ergebnis dahingehend zusammenfassen, als es einen Widerspruch darstellte, wenn die Meldungslegerin einerseits von einem Nachfahren im gleichen Abstand und gleicher Geschwindigkeit von einer Behinderung durch plötzliches Umspuren spreche.
Diese Argumentation ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen.
Anlässlich der Berufungsverhandlung erklärt die Zeugin den Vorgang dahingehend, dass sie sich bei regennasser Autobahn einen auf dem linken Fahrstreifen mit etwa 140 km/h fahrenden Pkw anhängen wollte um diesen in der Folge anzuhalten. Dabei sei sie nicht einsatzmäßig unterwegs gewesen.
Im Zuge dieser Nachfahrt in einem Abstand von geschätzten 40 m zum Vorderfahrzeug habe sich der Berufungswerber, der vorher seine Fahrrichtungsänderung nach links anzeigte, auf ihre Fahrspur gesetzt und sie dadurch zum Abbremsen veranlasst um so wieder den erforderlichen Sicherheitsabstand herzustellen. Die Zeugin spricht von einer leichten Bremsung, wobei dies aber nicht wirklich überzeugend vermittelt werden konnte.
Nach etwa 500 Meter hätte sie dann den Berufungswerber überholt und diesen in der Folge angehalten. Dabei sei er mit dem Vorwurf konfrontiert und ihm ein OM in Höhe von 20 oder 30 Euro angeboten worden, dessen Bezahlung er jedoch verweigerte.
Der Berufungswerber bestreitet eine Behinderung des Polizeifahrzeuges, das er bereits über mehrere Kilometer, nämlich ab der Auffahrt X, hinter sich im gleichen Abstand wahrgenommen gehabt hätte.
Es sei zu keinerlei Konflikt mit diesem Fahrzeug gekommen, jedoch sei er in der Folge durch ein von diesem Dienstkraftwagen aus gegebenen Anhaltezeichen angehalten worden. Dabei sei ihm eine zu hohe Fahrgeschwindigkeit bei Regen vorgehalten worden und hierfür eine OM-Strafe von 35 Euro angeboten worden. Mangels eines Schuldbewusstseins habe er die Bezahlung verweigert.
Seine Ehefrau sei im Fahrzeug mitgefahren und könne dies ebenfalls bezeugen.
4.2. Selbst sollte es im Zuge des Umspurens zu einer geringfügigen Geschwindigkeitsreduzierung und einer kurzfristigen Verkürzung des Sicherheitsabstandes durch das Polizeifahrzeug gekommen sein, wäre dies vor dem Hintergrund der Kürze des im Weg-Zeitablauf zu beurteilenden Geschehens noch nicht als Verstoß nach § 11 Abs.2 StVO zu sehen.
Die Meldungslegerin fuhr einerseits selbst bei regennasser Fahrbahn nicht einsatzmäßig mit etwa 140 km/h, sodass alleine vor diesem Hintergrund zumindest von keinem "erzwungenen Abbremsen" die Rede sein kann. Wie insbesondere aus einer Vielzahl von Überholvorgängen von Lkw´s geradezu typisch, ist eine geringfügige Geschwindigkeitsreduktion noch nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 11 Abs.2 u. Abs.3 VStG zu qualifizieren. Im übrigen ist bei einer Fahrgeschwindigkeit von 140 km/h der sich in einem sehr kurzen Zeitintervall verändernde Abstand im Zuge eines Umspurens zum Vorderfahrzeug unter den hier gegebenen Umständen als kaum beweissicher zu werten, weil für den Lenker eines Kraftfahrzeuges (selbst wenn es sich dabei um ein geschultes Straßenaufsichtsorgan handeln mag) kaum wirklich realistisch einzuschätzen ist.
Im Übrigen ist hier auch die übrige Darstellung des Weg-Zeit-Ablaufes nicht schlüssig nochvollziehbar. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 140 km/h werden in drei Minuten etwa sechs Kilometer zurückgelegt. Wenn nun die Berufungswerberin als Ort der vermeintlichen Behinderung der Straßenkilometer 259,000 angegeben wird und die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit bei 258,300 erfolgt sein soll, steht dies jedenfalls auch nicht mit der Zeitspanne von zwei bis drei Minuten zur angeblichen Geschwindigkeitsüberschreitung im Einklang. Des Weiteren, ist dies insbesondere ebenfalls nicht mit der von der Meldungslegerin vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat geschilderte Wegstrecke bis zur Anhaltung bereits nach etwa 500 Meter im Einklang bzw. durchaus als widersprüchlich zu bezeichnen.
Insgesamt kann demnach die dem Berufungswerber noch in einem Punkt angelastete Verwaltungsüberübertretung nicht in einer für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen angesehen werden. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde bereits von der Behörde erster Instanz eingestellt.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass offenbar die Meldungslegerin selbst, welche nicht einsatzmäßig unterwegs war, mit nahezu identer Geschwindigkeit wie der Berufungswerber unterwegs gewesen sein muss. Ein Umspuren bestreitet einerseits der Berufungswerber und könnte letztlich, wenn dies zu einer bloß geringfügigen Geschwindigkeitsreduktion des Nachfolgeverkehrs geführt haben mag, noch nicht als Regelverstoß, sondern vielmehr als verkehrstypischer Ablauf zu qualifizieren, welcher sich auf Autobahnen, insbesondere bei Überholvorgängen von LKW´s, geradezu ständig ereignet.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r