Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166753/11/Bi/Ai

Linz, 19.11.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x, x, x, vom 9. Februar 2012 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Grieskirchen vom 13. Jänner 2012, VerkR96-14712-2011, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 15. Oktober 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsver­handlung zu Recht erkannt:

 

I.  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis

     hinsichtlich Schuld und Strafe bestätigt.

 

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 14 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 11 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 70 Euro (30 Stunden EFS) verhängt, weil er am 22. Juli 2011, 13.30 Uhr, als Lenker des Pkw x auf der A25 Welser Autobahn im Gemeindegebiet W. auf Höhe km 8.000 in FR Linz den Fahrstreifen nach links gewechselt habe, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sie.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 7 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 15. Oktober 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, des Zeugen x (E) und des kfz-technischen Amtssach­verständigen Dipl.HTL-Ing. x (SV) durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz war entschuldigt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsent­scheidung wurde verzichtet.   

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe damit argumentiert, der Privatanzeiger habe wegen seines Fahrstreifenwechsels nach links sein Fahrzeug stark abbremsen müssen, um einen Verkehrsunfall zu verhindern und dadurch stehe "zweifellos fest, dass er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen habe". Die Erstinstanz habe sich mit vorlie­genden Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht hinreichend auseinander­gesetzt. Sie habe von vornherein die Richtigkeit der Angaben des Privatanzeigers unterstellt. Er stehe bereits jahrelang im Dienste der Verkehrsabteilung der Bundespolizei und seine Verantwortung dahingehend, er habe sein Fahrmanöver rechtzeitig vorher durch Blinkzeichen angekündigt und es sei auch ausreichend Platz zur Verfügung gewesen, sei von der Erstinstanz infolge bereits gefasster Würdigung des Sachverhalts missachtet worden. Gerade dem Umstand, dass er als im Bereich der Verkehrssicherheit tätiger Beamter Geschwindigkeiten und räumliche Gegebenheiten im Sinne von nötigen Sicherheitsabständen besser einzuschätzen vermöge als eine nicht geschulte Person, wäre bei richtiger oder überhaupt erfolgter Würdigung des Sachverhalts entscheidende Bedeutung zuzumessen gewesen. Die Erstinstanz habe nicht in Betracht gezogen, dass unter Umständen auch der Privatanzeiger im Zuge des bereits durch ihn eingeleiteten Fahrmanövers seine Geschwindigkeit noch erhöht habe, um eben den ihm anlässlich des gerade eingeleiteten Fahrstreifenwechsels zur Verfügung stehenden Raum zu verringern. Er habe durch sein rechtzeitig angekündigtes Fahrmanöver den Privatanzeiger weder behindert noch gefährdet, zumal auch hinreichend Platz für ein derartiges Einreihen seines Fahrzeuges zur Verfügung gestanden sei und lediglich das (womöglich aggressive) Verhalten des Privat­anzeigers für eine etwaige Verringerung des Sicherheitsabstandes verantwortlich gewesen sei. Die Erstinstanz habe die unbestrittene Geschwindigkeit von ca 90 km/h am rechten und 100 bis 110 km/h der Kolonne am linken Fahrstreifen nicht zugrundegelegt. Er habe sich auch vor Durchführung seines Fahrmanövers hinreichend überzeugt, dass sein Manöver keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährden oder behindern würde; eine potentielle Behinderung oder gar Gefährdung des Privatanzeigers sei für ihn nicht ersichtlich gewesen. Eine solche könne nur auf die Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit des Privatanzeigers trotz des bereits durch ihn eingeleiteten Fahrmanövers zurückzuführen sein. Ihm ein derartiges Fehlverhalten aufzu­bürden, sei wohl nicht im Sinne des Gesetzes.

Unter Zugrundelegung der Aussagen des Privatanzeigers, der demgemäß 100 bis 110 km/h gefahren sei, errechne sich ein Sicherheitsabstand von ca 30 m, der ausreichend sei im Sinne des § 18 StVO. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er Polizeibeamter sei, dem die Schätzung des Abstandes hintereinander­fahrender Fahrzeuge nach der Rechtsprechung möglich sei, sei ihm die Beurteilungsgabe zu unterstellen, dass mehr als ausreichend Abstand zwischen den auf der linken Fahrspur befindliche Fahrzeugen und damit ein gefahrloses Sich-Einordnen möglich gewesen sei. Sein Fahrzeug sei mit annähernd gleicher Geschwindigkeit wie jene des Privatanzeigers gelenkt worden. Damit könne nur das unangemessene Beschleunigen des Privatanzeigers dafür ursächlich sein, dass dieser gehalten gewesen sei, sein Fahrzeug abrupt abzubremsen, um einen Unfall zu vermeiden. Seiner rechtzeitigen Zeichensetzung komme daher durchaus Bedeutung zu, weil sich der Privatanzeiger auf den angezeigten Vorgang einstellen habe können. Dieser habe aber unangemessen reagiert. "In dubio pro reo" hätte daher das Verfahren gegen ihn eingestellt werden müssen, was der Bw beantragt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündliche Verhandlung, bei der der Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt, der Zeuge E unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen und ein Gutachten durch den AmtsSV erstattet wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw lenkte am Freitag, dem 22. Juli 2011, gegen 13.30 Uhr den Pkw x auf der A25 in Fahrtrichtung Linz. Zu dieser Zeit regnete es im Bereich W. – nach Aussage des Bw mit Hinweis auf eine Wetteraus­kunft des Flughafens Hörsching leicht, nach Aussage des Zeugen E stark – wobei sich auf der rechten, vom Bw befahrenen Spur Lkw befanden, die eine Geschwindigkeit von etwa 80 bis 90 km/h einhielten. Links fuhr eine Kolonne mit etwa 100 bis 110 km/h.

Nach der Schilderung des Bw hatte ein Lkw gerade einen anderen Lkw überholt, war aber schon dabei sich einzuordnen und hatte daher die nachkommenden Pkw etwas aufgehalten. Er habe auf den letzen Lkw rechts aufgeschlossen und beschlossen, auf die linke Fahrspur zu wechseln, zumal nach seinen Angaben die Kolonne links so weit versetzt gefahren sei, dass links eine Lücke in der Länge von jedenfalls drei Leitlinien frei gewesen sei. Er habe das für eine ausreichend große Lücke gehalten, um bei dieser Geschwindigkeit nach links zu wechseln. Er habe links geblinkt und den Fahrstreifenwechsel durchgeführt. Hinter ihm habe daraufhin ein schwarzer Golf mit dem Kennzeichen x ein "Hupkonzert von etwa 45 Sekunden geliefert". Er habe den vor ihm fahrenden 40-Tonner überholt und sich dann wieder nach rechts eingeordnet. Als er dann mit dem daraufhin ihn überholenden Golf auf gleicher Höhe gefahren sei, seien ein paar Unfreundlich­keiten gefallen. Er habe die Lücke für ausreichend groß gehalten, wobei der Lkw vor ihm ca 85 km/h und er selbst ca 95 km/h gefahren seien. Links zu blinken habe er schon begonnen, als er auf gleicher Höhe mit dem Golf gewesen sei. Da habe er auch gesehen, dass zwei Personen im Pkw waren. Er habe gedacht, das gehe sich leicht aus und sich an den freien drei Leitlinien orientiert. Beim Fahrstreifenwechsel an sich habe er nicht den Eindruck gehabt, dass der Lenker des Golfs schon am Beschleunigen gewesen wäre. 95 km/h sei seine Ausgangs­geschwindigkeit beim Fahrstreifenwechsel gewesen. Als er links drüben gewesen sei, habe er das Gefühl gehabt, der sei "fast schon beim Kofferraum herinnen", nach seinem Dafürhalten müsse der Golf beschleunigt haben. Da habe dieser dann zu Hupen begonnen. Im Übrigen habe er zunächst beabsichtigt, den Lenker anzuzeigen und habe sich notiert, dass sich der Vorfall um 13.25 Uhr bei ca km 6.5 bis 7.5 ereignet habe. 

 
Der Zeuge E führte aus, er sei damals mit seiner Gattin in Richtung Amstetten unterwegs gewesen, es habe stark geregnet. Er sei auf der linken Spur gefahren und rechts ca 15 bis 20 m vor ihm auf dem rechten Fahrstreifen ein Lkw. Vor ihm auf Höhe des Lkw sei auch noch ein Pkw und hinter ihm mehrere Pkw gefahren. Ein von hinten kommender Pkw habe ihn sozusagen "rechts über­holt" und dann direkt vor ihm auf den linken Fahrstreifen herübergewechselt. Er sei ca 100 bis 110 km/h gefahren; es habe geschüttet und die Sicht sei wegen der Fontänen, die der Lkw aufgewirbelt habe, ziemlich schlecht gewesen. Dieser Pkw sei ihm das 1. Mal aufgefallen, als er die Spur von rechts her gewechselt habe. Er habe abbremsen müssen, weil er den Eindruck gehabt habe, sonst würde ihn dieser Pkw touchieren. Ob der Pkw geblinkt habe, habe er nicht wahrgenommen. Das Ganze sei für ihn überraschend gewesen und er habe gebremst um einen Unfall zu vermeiden, weil der Abstand nach seinem Dafürhalten unter einer Pkw-Länge betragen habe. Der Seitenabstand dieses Pkw zu seinem Pkw vor dem Umspuren sei schon fragwürdig gewesen. Er habe den Eindruck gehabt, dass dieser Pkw schon mit dem Einschervorgang begonnen habe, als er mit dem Heck an ihm noch nicht ganz vorbei gewesen sei. Der Abstand dieses Pkw habe sich nach dem Einreihen vor ihm links nicht schnell vergrößert; er sei beim Einscheren vielleicht etwas schneller gewesen als er. Der Lkw rechts sei mit "normaler Geschwindigkeit" gefahren. Er sei, als sich der Pkw vor ihm einordnete, nicht nur vom Gas weggegangen, sondern er habe definitiv gebremst. Danach habe sich der Pkw vor ihm in einer Entfernung von ca 2 Pkw-Längen befunden. Er habe gebremst, "damit der Pkw überhaupt hereinkonnte". Das sei nach seinem Dafürhalten so knapp gewesen, dass er sich zu einer Anzeige entschlossen habe. Er meine, wenn er nicht so reagiert hätte, "hätte es gekracht".

Auf Vorhalt der Ortsangabe "km 8.000" gab der Zeuge an, das stamme nicht von ihm; der Vorfall habe nach seiner Erinnerung nach der Auffahrt Weißkirchen stattgefunden, aber eine genaue Kilometrierung könne er nicht nennen. Er habe noch nie jemanden angezeigt, das sei das 1. Mal gewesen. Er sei zur PI B. S. gegangen und man habe ihm dort gesagt, er müsse eine Privat­anzeige machen, wenn er das wolle. Er habe nicht gewusst, dass er einen Polizisten angezeigt habe. Sein Fahrzeug sei ein schwarzer Golf Plus gewesen.

Auf Vorhalt des Bw, seine Zeugenaussage vom 12. Oktober 2011 sei genauer gewesen als bei der Verhandlung gab der Zeuge E an, er könne sich jetzt nur mehr an die Situation unmittelbar rund um sein Fahrzeug erinnern. Damals, vor ca einem Jahr, habe er sich sicher  besser erinnern können.

 

Der Bw hat konkret die Schilderung des Zeugen E von der Intensität des Regens bestritten und außerdem, dass der Zeuge, wenn der Vorfall so dramatisch gewesen wäre wie geschildert, nicht zur API Haid gefahren sei, die am Weg liege. Er unterstellte dem Zeugen, er habe "Stress" gehabt, um zu seinem Termin zu kommen, daher sei er links gefahren. Der Zeuge E bestritt das alles mit dem Hinweis auf die damalige Terminvereinbarung "zwischen 14.00 und 15.00 Uhr" in Amstetten; das sei sich trotz des schlechten Wetters leicht ausgegangen.

 

Laut AustroControl Wetterschlüssel steht die Abkürzung "SHRA" "Shower" + "Rain", demnach für "Regenschauer". Die vom Bw markierte Wetterauskunft bezieht sich örtlich auf den Flughafen Linz-Hörsching (LOWL) am 22. Juli 2011, 13.20 Uhr mitteleurop. Sommerzeit. Ein vom Bw für den Raum Weißkirchen behaupteter "leichter Nieselregen" ergibt sich daraus nicht.  

 

Nach den Ausführungen des SV, der im Übrigen auf die Regeln der Beweis­würdigung verwies, ist beim Einschervorgang festzuhalten, dass nach technischer Fachliteratur davon auszugehen sei, dass, wenn beim Einscher­vorgang des Überholenden ein Abstand zwischen dem Heck des Überholenden und der Front des eigenen Fahrzeuges geringer sei als 5 m, also ca eine Fahrzeuglänge, der überholte Lenker subjektiv den Eindruck des Geschnitten-Werdens habe, worauf im Allgemeinen ein Reaktionsanlass gegeben sei. Diese ca 5 m als Minimal­abstand seien in der technischen Fachliteratur allgemein anerkannt. Der Zeuge E habe nach seinen Ausführungen den Eindruck gehabt, dass bereits der Seitenabstand zwischen dem Überholenden und seinem Fahrzeug sehr gering gewesen sei. Dieser geringe Seitenabstand sei ein Hinweis darauf, dass der Eindruck des Geschnitten-Werdens bestanden habe. Bei einem ordnungs­gemäßen Einschervorgang müsse das Heck des überholenden Fahrzeuges mehr als 5 m von der Front des überholten Fahrzeuges entfernt sein. Bei einer solchen Konstellation habe der Überholte möglicherweise den Eindruck, dass der Tiefenabstand nicht ausreiche, aber nicht, dass der Seitenabstand zu gering sei. 

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist im Rahmen der Beweiswürdigung zunächst darauf zu verweisen, dass der Zeuge E – im Übrigen nicht auffallend abweichend von seinen Aussagen vom 12. Oktober 2011: damals hat er ausgeführt, dass er bereits ca 400 bis 500 m auf dem linken Fahrstreifen mit ca 100 bis 110 km/h in einer Kolonne gefahren sei, während rechts eine Lkw-Kolonne mit vermutlich 90 km/h, der letzte 10 bis 15 m seitlich versetzt vor ihm unterwegs gewesen seien; es habe geregnet und reger Verkehr geherrscht; der Pkw x habe auf den letzten Lkw rechts aufgeschlossen, etwas beschleunigt, als er sich auf seiner Höhe befunden habe, sei dann nach links ausgeschert und habe sich vor seinen Pkw hineingezwängt; da sein Abstand vom Vordermann nicht sonderlich groß gewesen sei, habe er abbremsen müssen, um ein Touchieren zu vermeiden; aufgrund dieser Situation habe er die Hupe betätigt und seine Gattin habe das Kennzeichen notiert – nach dem Vorfall vom 22. Juli 2011 am nächsten Tag bei der PI seines Wohnortes Anzeige erstattet habe gegen den Lenker des genannten Pkw. Am 24. Juli 2011 teilte ein Beamter der PI Bad Schallerbach den angezeigten Sachverhalt telefonisch der örtlich zuständigen API Wels mit, die die vorliegende Anzeige erstattete.

 

Aus der Sicht des UVS besteht kein Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen E, der nach mehr als einem Jahr den Vorfall in der Berufungsverhandlung aus seiner Sicht schilderte und glaubhaft angab, er habe nicht gewusst, dass der angezeigte Lenker Polizist sei. Abgesehen davon schmälert dies seine Glaub­würdigkeit in keiner Weise, weil er nicht persönlich den Bw angezeigt hat, sondern ein von ihm wahrgenommenes Verhalten eines Lenkers, der ihm nach eigenen Aussagen bedrohlich nahe gekommen war, schilderte. Wer in dieser Sache mit wem telefonierte oder über welche polizeiinterne Leitung Informationen weitergab, wie der Bw rügte, kann wohl nicht dem Zeugen E zugerechnet werden.   

 

Übereinstimmend angegeben haben beide außer der Geschwindigkeit der beiden Kolonnen – links 100 bis 110 km/h, rechts ca 90 km/h – dass der Pkw des Zeugen E dem des Bw nach dem Spurwechsel sehr nahe kam, wobei beide auch das Hupen des Zeugen E bestätigt haben. Auch den Regen haben beide bestätigt; nur die Intensität wurde unterschiedlich geschildert. Die vom Zeugen E glaubhaft bestätigten von Lkw-Reifen aufgewirbelten Fontänen haben mit der Regenintensität nichts zu tun, wobei solche aber die Sicht stark einschränken können und erhöhte Konzentration erfordern, speziell wenn ein Lkw einen anderen Lkw überholt und damit eine Geschwindigkeitsverminderung innerhalb der links befindlichen Kolonne erforderlich macht. Dass im Zuge dessen beim seitlich versetzten Abstand hinter dem Lkw dem Zeugen E das Blinken des rechts auf den letzten Lkw aufschließenden Bw nicht auffiel, ist glaubwürdig und macht auch die Überraschung des Zeugen E nachvollziehbar. Als erwiesen anzusehen ist der von beiden geschilderte geringe Abstand zwischen den beiden Pkw auf dem linken Fahrstreifen unmittelbar nach dem Spurwechsel des Bw. Sein Bremsmanöver hat der Zeuge E so geschildert, dass der Bw bereits mit dem Fahrstreifenwechsel begann, als er sich mit dem Heck noch in einem sehr geringen Seitenabstand auf Höhe des vom Zeugen gelenkten Pkw befand, worauf dieser den Eindruck hatte, wenn er nicht bremsen würde, käme es zu einem Unfall. Der Zeuge E hat zwar bestätigt, dass der Bw etwas beschleunigt habe, aber auf der linken Fahrspur habe der Abstand nach seinem Bremsmanöver nur 2 Pkw-Längen betragen.

Die Meterangaben des Zeugen E beim Abstand zwischen der Front seines Pkw und dem Heck des Lkw am Beginn des Spurwechsels des Bw sind von seiner früheren Aussage geringfügig abgewichen – im Oktober 2011 sprach er von 10 bis 15 m, jetzt von 15 bis 20 m. Dabei ist zu bedenken, dass der Zeuge den Abstand lediglich nach dem Augenmaß geschätzt hat, wobei auch von der Größenordnung her keine wesentliche Abweichung vorliegt. Bedenkt man, dass beide Pkw mit ca 95 bis 100 km/h fuhren, der Pkw des Bw, ein R. K., etwas über 4 m lang ist, wobei zusätzlich ein Abstand zum vorderen Lkw einzuhalten war, ist der vom SV im Hinblick auf das subjektiv erforderliche Abbremsen des Zeugen E wegen des von ihm beschriebenen Eindrucks, "ansonsten hätte es gekracht", bei einem Abstand von zumindest 5 m – oder "einer Pkw-Länge" – nicht unglaubwürdig.

 

Die Ansicht der Örtlichkeit im DORIS ergibt, dass die Auffahrt Weißkirchen in Fahrtrichtung Linz kurz vor km 8.0 endet, "nach der Auffahrt", wie der Zeuge E ausgesagt hat, ist daher mit "km 8.0" ausreichend umschrieben. Die Leitlinien sind in diesem Bereich – auch bei km 7.5 bis 6.5 – exakt 6 m und die Abstände dazwischen 12 m lang. Demnach sind auf der Autobahn drei Leitlinien mit dem üblichen Abstand dazwischen, wie auch vom SV in der Verhandlung dargelegt, 42 m (3x6 + 2x12m). Abgesehen von der Länge der zur Verfügung stehenden Lücke ist zu berücksichtigen, in welchem Abstand zum Lkw der Bw zum Umspuren angesetzt hat und dass er vorher auf die auf der linken Spur gefahrene Geschwindigkeit beschleunigen musste, um sich dort einordnen zu können. Abgesehen davon sind auch die witterungsbedingt schlechten Sichtbedingungen und damit verbunden erhöhten Anforderungen an Abstände zu berücksichtigen.

 

Geht man davon aus, dass der Zeuge E das Blinken wegen der schlechten Sicht aufgrund der Wasserfontänen nicht gesehen und deshalb den Spurwechsel überraschend empfunden hat, sind seine Schilderungen durchaus nachvollziehbar und glaubwürdig. Abgesehen davon ist auch angesichts des Umstandes, dass der Zeuge am nächsten Tag bei der PI seines Wohnortes Anzeige erstattet hat, dh die Sache für ihn trotz der inzwischen vergangenen Zeit nicht beendet war, davon auszugehen, dass die subjektiv ungehörig empfundene Verhaltens­weise des ihm unbekannten Lenkers von größerer Intensität war, was angesichts der Schilderung des Bremsvorgangs nachvollziehbar ist.         

 

Der Bw hat in der Berufungsverhandlung darlegt, er sei der Meinung gewesen, da er geblinkt habe, habe sich der andere Lenker auf den angekündigten Spurwechsel einstellen können und die drei Leitlinien seien nach seinen  Dafürhalten jedenfalls ausreichend. Er habe sich geärgert, dass die Erstinstanz sein Blinken nicht entsprechend gewürdigt habe. Gleichzeitig hat er seinen Unmut über die Nichtbeachtung des Rechtsfahrgebotes nicht nur durch den Zeugen E kundgetan.

Aus der Sicht des UVS hat der Bw letztlich nichts anderes getan, als sich rechts an der Kolonne vorbeizubewegen, bis er auf den letzten Lkw aufschloss, und  dann der Meinung war, wenn er blinke, könne er ohne weiteres auf die linke Spur hinüberwechseln und die Lkw überholen. Tatsache ist aber, dass sich nicht der die Spur beibehaltende Lenker auf durch Blinken einen beabsichtigten Spurwechsel anzeigende Fahrzeuglenker einstellen müssen, sondern umgekehrt die Lenker, die einen Spurwechsel beabsichtigen, sich auf den dort herrschenden Verkehr einstellen müssen, dh die Spur nur dann wechseln dürfen, wenn sie sich davon überzeugt haben, dass durch den beabsichtigten Spurwechsel die dort fahrenden Lenker nicht behindert und schon gar nicht gefährdet werden.  Der Bw hat insofern die Rechtslage verkannt. Seine Behauptung, der von beiden bestätigte sehr geringe Abstand nach dem Fahrstreifenwechsel sei vom Zeugen E zu verantworten, der beschleunigt habe, ist im Zusammenhang auch angesichts der witterungsbedingten Sichtverhältnisse unglaubwürdig. Auch wenn auf dem linken Fahrstreifen wesentlich schneller gefahren worden wäre, wäre es Sache des Bw gewesen, das zu berücksichtigen und auf den Spurwechsel eben zu verzichten.   

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 11 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrt­richtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßen­benützer möglich ist.

 

Das strafbare Verhalten nach Abs.1 besteht lediglich in der Unterlassung des Lenkers, sich davon zu überzeugen, dass der Wechsel des Fahrstreifens ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, wobei zum Tatbild nicht gehört, dass ein Gefährdung oder Behinderung anderer Straßen­benützer erfolgt ist (vgl VwGH 25.1.2005, 20021/02/0154).

 

Dem Bw wurde damit lediglich der Tatbestand des § 11 Abs.1 StVO vorgeworfen, dh keine tatsächliche Behinderung oder Gefährdung.

Ein Fahrstreifenwechsel hat zu unterbleiben, wenn die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung besteht; eine Behinderung liegt insbesondere dann vor, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer zum Bremsen oder Auslenken genötigt wird. Die Frage der Zeichengebung ist von untergeordneter Bedeutung und stellt nur eine zusätzliche Verpflichtung für den Lenker dar, der den Fahr­streifen­wechsel vornehmen will (vgl OGH 28.6.1978, 8 Ob 103/78).  

Das "Kolonnenspringen" ist grundsätzlich nicht verboten, es ist aber dann zu unterlassen, wenn mit dem hiebei durchzuführenden Wechsel des Fahr­streifens eine Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer verbunden ist (vgl VwGH 9.9.1983, 82/02/0256).

 

Aus der Sicht des UVS ist die Schilderung des Vorfalls durch den Zeugen E glaubwürdig, auch wenn keinerlei technisch auswertbares Bildmaterial oder eine Aussage gänzlich unbeteiligter Zeugen vorliegt. Die vom Bw in der Verhandlung geschilderte Ansicht, er könne bei rechtzeitigem Blinken den Fahrstreifen wechseln, wenn nur eine Lücke in der Länge von 3 Leitlinien frei seien, vermag die Beschreibung des Abstandes zwischen den beiden Fahrzeugen beim Fahrstreifenwechsel und vor allem die Schilderung des Bremsvorgangs und den Anlass dafür nicht zu relativieren. Dass – nach der Rechtsprechung des VwGH – der Bw als Polizist jede Verkehrssituation verlässlich einschätzen und beurteilen kann, schließt nicht aus, dass er den ggst Fahrstreifenwechsel unter Missachtung zu knapper Platzverhältnisse bei witterungsbedingt schlechter Sicht durchge­führt hat, die den Zeugen E zum durchaus glaub­würdig geschilderten Bremsmanöver veranlasst haben. Der UVS gelangt in freier Beweiswürdigung zur Auffassung, dass der Bw den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, wobei ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.  

   

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

 

Der Bw ist laut Begründung des angefochten Straferkenntnisses unbescholten, was die Erstinstanz bereits berücksichtigt hat; erschwerend wurde nichts gewertet. Zugrundegelegt wurde – unbestritten – ein Einkommen von 1.300 Euro netto monatlich und das Fehlen von Vermögen und Sorgepflichten.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz damit den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die im untersten Bereich des Strafrahmens angesetzte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG dem nicht geringen Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll den Bw in Zukunft von derartigen Fahrmanövern abhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

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