Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720285/23/BMa/Th

Linz, 12.10.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des P L M vom 29. November 2010, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. November 2010, GZ: 1030347/FRB, betreffend die Erlassung eines auf 7 Jahre befristeten Aufenthaltsverbots nach Aufhebung des Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 10. Mai 2011, VwSen-720285/4/BMa/Th, durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Juni 2012, Zl. 2011/21/0153-11, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 3. Oktober 2012 zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 3 Jahre herabgesetzt und weiters dem Berufungswerber gemäß § 70 Abs.3 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2012 ein Durchsetzungsaufschub von einem Monaten gewährt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 iVm § 67a Abs.1 Z1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. November 2010, AZ: 1030347/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf der Grundlage des § 86 Abs.1 iVm §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG 2005) ein auf 7 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Gleichzeitig wurde gemäß § 86 Abs.3 FPG 2005 dem Bw von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub – gültig ab Rechtskraft des Bescheides bzw. ab der Haftentlassung des Bw – erteilt.

 

Nach Darlegung des relevanten Sachverhalts und der Beschreibung des Verhaltens des Bw, das zu seinen Verurteilungen geführt hatte, zog die belangte Behörde den Schluss, dass ein weiterer Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit nachhaltig und maßgeblich gefährde und das gegenständliche Aufenthaltsverbot erforderlich sei, um das hohe Schutzinteresse des Staates an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter zu wahren.

 

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus:

Der Bw sei seit dem Jahr 2001 immer wieder straffällig geworden und insgesamt elfmal rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden. Bei den gerichtlichen Verurteilungen seien unbedingte Freiheitsstrafen ausgesprochen worden. Insbesondere die Verurteilungen wegen Übertretungen des Suchtmittelgesetzes seien als besonders gravierend anzusehen. Schon im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbots auch bei ansonsten völliger sozialer Integration eines Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche Interesse (an der Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit) in diesen Fällen ungleich schwerer wiege als das private Interesse des Fremden.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei nicht unzulässig, weil sich der Bw nicht "von klein auf" in Österreich aufhalte. Zwar hätte dem Bw gem. § 10 Abs.1 StbG 1985 die Staatsbürgerschaft verliehen werden können, der Bw sei jedoch zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden.

So sei er am 8. Oktober 2010 – gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des LG Wels 15 Hv 71/10z (Freiheitsstrafe von 10 Monaten) – vom Landesgericht Linz zu einer Zusatzstrafe von 5 Monaten verurteilt worden. Verurteilungen, die zueinander im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stehen würden, seien als Einheit zu werten. Maßgeblich sei das Gesamtausmaß der in den beiden als Einheit zu wertenden Urteilen verhängten Strafen (VwGH zum FrG vom 13.10.2000, 2000/18/0013).

 

Aufgrund des bisherigen Gesamtverhaltens des Bw könne es keinem Zweifel unterliegen, dass sein persönliches kriminelles Verhalten, auch im Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes, eine tatsächliche gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle.

 

Auch wenn davon ausgegangen werden könne, dass beim Bw ein nicht unerhebliches Maß an Integration gegeben und die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes mit einem nachhaltigen und massiven Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden sei, relativiere sich dieser Eingriff jedoch dahingehend, dass der Bw offensichtlich nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften zu akzeptieren.

 

Aufgrund der zahlreichen gerichtlichen Verurteilungen und deren Wertung könne keine günstige Zukunftsprognose getroffen werden. Die nachteiligen Folgen von der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes würden wesentlich schwerer wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Bw. Der durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes erfolgende Eingriff ins Privatleben sei zur Erreichung der in Artikel 8 Abs.2 EMRK genannten öffentlichen Interessen dringend geboten.

 

1.2. Gegen den Bescheid der belangten Behörde, der dem Bw persönlich in der Justizanstalt Ried zugestellt wurde, richtet sich seine rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 29. November 2010.

 

Im Berufungsschriftsatz führt der Bw an, er habe seit 1995 einen unbefristeten Aufenthalt in Österreich. In Rumänien habe er keine Verwandten, er spreche kaum rumänisch, daher wäre ein Aufenthaltsverbot nicht sinnvoll. Derzeit befinde er sich in der Justizanstalt Ried und er unterziehe sich einem Methadonprogramm, das bis April [2011] dauern würde. Werde er nach Rumänien ausgewiesen, gebe es für ihn keine Chance "clean" zu bleiben, weil es solche Maßnahmen in Rumänien nicht gebe. Er habe in Österreich einen 9-jährigen Sohn mit einer Österreicherin und daher Sorgepflichten für diesen Sohn. Ein Aufenthaltsverbot würde für seinen Sohn J fatale Folgen haben, dieser sei in psychologischer Betreuung, weil er derzeit (wieder) inhaftiert sei. Ein Aufenthaltsverbot würde seinen Sohn "kaputt" machen.

Er sei seit 21 Jahren in Österreich zu Hause, habe hier die Schule und den Hort besucht, ihm komme daher das "Integrationsgesetz" zugute.

Der Berufung beigelegt wurde eine Vollmacht, ausgestellt für seine Mutter sowie eine Haftbestätigung, dass er sich voraussichtlich bis 27. September 2011 in Haft befinden werde.

Mit dieser Berufung wird – konkludent – beantragt, der Berufung Folge zu geben und den bekämpften Bescheid aufzuheben.

 

1.3. Mit Schreiben vom 30. November 2010, Zl. 1-1030347/FRB/10, übermittelte die Bundespolizeidirektion Linz den Verwaltungsakt samt Berufungsschrift dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

1.4. Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 wurde eine Berufungsergänzung vom

2. Dezember 2010 vorgelegt. In dieser Berufungsergänzung wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe den Gesundheitszustand des Bw sowie seine familiären Bindungen in Österreich unzureichend gewürdigt. Er befinde sich im Methadonprogramm und sei seit vielen Jahren suchtmittelabhängig. Seine Delikte hätten im Zusammenhang mit seiner Sucht (Beschaffungskriminalität) gestanden. Das Methadonprogramm laufe sehr erfolgreich, es habe die Dosis sogar schon reduziert werden können. Er habe den festen Wunsch, sein Leben zu ändern und bisherige Fehler künftig zu vermeiden. Daher habe er auch den Entschluss gefasst, eine Langzeittherapie zu machen. Ein erneuter Rückfall sei daher nicht zu befürchten und ihm sei eine positive Prognose zu bescheinigen. Das Aufenthaltsverbot greife massiv in sein Privat- und Familienleben ein. Die belangte Behörde habe eine Interessenabwägung in unzureichender Weise getroffen.

 

1.5. Mit Eingabe vom 19. Jänner 2011 wurde von der BPD Linz eine Kopie einer Anzeige an die StA Wels übermittelt, wonach der Bw am 12. Jänner 2011 wegen des Verdachts der Übertretung des Suchtmittelgesetzes angezeigt wurde.

 

1.6. Mit Erkenntnis vom 10. Mai 2011, VwSen-720285/4/BMa/Th, wurde der Berufung Folge gegeben und der Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. November 2011, GZ: 1030347/FRB, wurde aufgehoben. Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Amtsbeschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Juni 2011, E1/12633/2011, entschied der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Juni 2012, Zl. 2011/21/0153-11, dass der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 10. Mai 2011, Zl. VwSen-720285/4/BMa/Th, aufgehoben wird.

 

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt:

"Mit dem zweiten der zuletzt erwähnten Urteile wurde eine Zusatzstrafe gemäß den

§§ 31 und 40 StGB verhängt. Eine solche kommt nur dann in Betracht, wenn der Täter wegen einer Tat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in einem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werde können. Gemäß § 31 StGB darf die Zusatzstrafe das Höchstmaß der Strafe nicht übersteigen, die für die später abzuurteilende Tat abgedroht ist. Die Summe der Strafen darf die Strafe nicht übersteigen, die nach den Regeln über die Strafbemessung beim Zusammentreffen strafbarer Handlungen und über die Zusammenrechnung der Werte und Schadensbeträge zulässig wäre. Gemäß § 40 StGB ist die Zusatzstrafe innerhalb dieser Grenzen so zu bemessen, dass die Summe der Strafen jener Strafe entspricht, die bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen wäre. Wäre bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Strafe als die im früheren Urteil verhängte auszusprechen, so ist von einer Zusatzstrafe abzusehen. Diese Regelung soll eine Schlechterstellung jenes Täters verhindern, über dessen mehrere Straftaten in zeitlich getrennten Urteilen entschieden wurde, obwohl die Sanktionierung in einem einzigen möglich gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 2000/18/0013, mit dem Hinweis auf Ratz im Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Auflage, § 31, Rz 7).

 

Im Fall der Verhängung einer Zusatzstrafe gemäß den §§ 31 und 40 StGB hat der Fremde die der zweiten Verurteilung zu Grunde liegenden Tathandlungen schon vor dem Zeitpunkt der ersten Verurteilung begangen. In einem solchen Fall manifestiert sich der besondere Unwertgehalt mehrfachen deliktischen Handelns – anders als bei einem Rückfall nach dem früheren Gerichtsurteil – nicht darin, dass der Fremde trotz dieser Verurteilung wieder eine strafbare Handlung gesetzt hat. Es liegt aber in dem insgesamt verwirklichten deliktischen Verhalten. Verurteilungen, die zueinander im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stehen, sind somit insoweit als Einheit zu werten (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 2000, Zl. 98/18/0134, vom 13. Oktober 2000, Zl. 2000/18/0013, vom 24. Jänner 2002, Zl. 99/21/0054, vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0050, und vom 20. Oktober 2011,

Zl. 2008/21/0178; in diesem Sinn auch das zu § 8 Strafregistergesetz ergangene Erkenntnis vom 3. Mai 2000, Zl. 99/01/0453)."

 

Weiters hat der VwGH ausgeführt:

"Auch im vorliegenden Zusammenhang ist aus der Aleatorik der Anzahl – bei identem deliktischen Verhalten – erlittener Verurteilungen ein weiteres Argument für eine zusammenfassende Betrachtung im Verhältnis des § 31 StGB stehender Urteile für die Bewertung der Gefährlichkeit eines Fremden zu gewinnen. Hieraus folgt, dass – wie die Beschwerdeführerin zutreffend darlegt – bei der Beurteilung gemäß § 61 Z.3 FPG das Gesamtausmaß der verhängten Strafen für die Zulässigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes maßgeblich ist (vgl. idS zu § 61 Z.4 FPG bereits das schon genannte Erkenntnis vom 20. Oktober 2011, Zl. 2008/21/0178).

§ 61 Z. 3 FPG (in der genannten Fassung) machte somit die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Mitbeteiligten aus diesem Grund nicht unzulässig."

 

Das aufhebende Erkenntnis des VwGH ist beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 19. Juli 2012 eingelangt.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs.1 FPG in der geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs.1 Z1 AVG).

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie in den Fremdenakt der Bundespolizeidirektion Linz, Zl. 1-1030347/FRB/10 und am 3. Oktober 2012 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Berufungswerber in rechtsfreundlicher Vertretung und ein Vertreter der Organpartei gekommen sind.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Ergänzend zu dem bereits im Erkenntnis vom 10. Mai 2011, VwSen-720285/4/BMa/Th, festgestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt, der vom Berufungswerber auch nicht bestritten wird, werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Bereits vor seiner Inhaftierung ist der Bw in ein Methadonprogramm übernommen worden, dass während seiner Haft, die von ca. Mai 2010 bis ca. Ende September 2011 gedauert hat, fortgesetzt wurde. Während der Zeit in Haft hat der Bw viermal Haschisch geraucht und wurde zweimal dabei betreten. Auch nach seiner Haftentlassung hat er das Methadonprogramm fortgesetzt. Er benötigt derzeit nur mehr eine geringe Dosis und beabsichtigt, das Methadonprogramm in ca. 3 Monaten gänzlich erfolgreich zu beenden.

 

Seit seiner Haftentlassung hat der Bw keine Suchtmittel mehr konsumiert. Nach Beendigung des Methadonprogramms beabsichtigt der Bw, sich für ca. 6 Monate bis zu ca. 1 Jahr einer Therapie in einem Kloster in Thailand zu unterziehen, die er sich selbst organisiert hat.

Der Bw und seine Mutter, die in einer gemeinsamen Wohnung leben, unterstützen sich gegenseitig, beide sind jedoch selbsterhaltungsfähig.

Der Bw hat zu seinem Sohn, der in Linz lebt, ca. einmal pro Woche Kontakt und eine freundschaftliche Beziehung zur Kindsmutter. Überdies hat er eine Freundin, die weitere Beziehung zu dieser Frau ist aber noch nicht geklärt.

Der Freundeskreis des Bw befindet sich auch in Österreich. Zwar geht der Bw derzeit keiner Arbeit nach und lebt von Notstandshilfe, nach Abschluss des Methadonprogramms beabsichtigt er jedoch, sich wieder um Arbeit zu bemühen.

Verwandte oder Bekannte hat der Bw in Rumänien nicht. Er beherrscht die rumänische Sprache, jedoch nicht fehlerfrei.

 

3.2. Der ergänzende Sachverhalt ergibt sich durch die Aussagen des Bw in der mündlichen Verhandlung vom 3. Oktober 2012.

 

3.3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.3.1. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens 10 Jahren erlassen werden.

 

3.3.2. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nachhaltig und schwerwiegend zu gefährden.

 

Nachdem der Bw seit über 20 Jahren im Bundesgebiet aufhältig ist, kommt der besondere erhöhte Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1, 5. Satz FPG zum Tragen, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen Personen, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, dann zulässig ist, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

 

Zunächst ist das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik näher auszulegen. Es muss sich demnach um eine Gefährdung eines Sicherheitsinteresses der Republik handeln, das seiner Natur nach ein nicht punktuelles, sondern ein, der Beeinträchtigung nach, breit gestreutes Phänomen darstellt und bei dem der Staat ein besonders hohes Interesse haben muss, dessen Bedrohung und Verletzung nachhaltig und effektiv abzuwenden.

 

Ein geradezu klassisches Beispiel hiefür bildet fraglos der Suchtgifthandel. Dies hat nicht nur der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt festgestellt, sondern auch der Verwaltungsgerichtshof. Die Suchtgiftdelinquenz stellt – auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben – ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und es besteht an dessen Verhinderung ein besonders großes  Interesse. Angesichts dessen ist es nicht rechtswidrig, in diesen Fällen die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 86 Abs. 1 (nunmehr § 67 Abs. 1) FPG als gegeben anzusehen (VwGH vom 12. Oktober 2010, 2010/21/0335).

 

Im vorliegenden Fall steht außer Zweifel, dass der Bw wiederholt im Bereich der Suchtgiftkriminalität aktiv wurde. Die von ihm verübten Eigentumsdelikte sind großteils typische für Beschaffungskriminalität. Dafür spricht auch, dass der Bw nach eigenen Angaben als ca. 15-jähriger mit Suchtgift in Kontakt gekommen ist und er die ersten Eigentumsdelikte auch ca. zu dieser Zeit begangen hat. Die verhängten Strafen waren jedoch nicht geeignet, den Bw von weiteren kriminellen Handlungen abzuhalten, es ist seit der ersten Tatzeit 1999 bis zur Verhängung der letzten Strafen, die der Bw auch verbüßt hat, eine Steigerung des Unrechtsgehalts erkennbar und der Bw hat auch Suchtgifthandel betrieben. Trotz Absolvierung eines Methadonprogramms hat der Bw sogar in Haft Suchtmittel konsumiert. Damit wird eine besonders gefestigte Zugehörigkeit des Bw zum Suchtgiftmilieu manifestiert. Damit einher gehend zeigten sich auch verschiedene – durchaus häufig mit der Suchtgiftkriminalität in Zusammenhang stehende – Eigentumsdelikte.

 

Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und künftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten werde.

 

Dazu wird teils auf die obigen Feststellungen verwiesen und zudem angemerkt, dass keinerlei stichhaltige Gründe auszumachen sind, dass der Bw tatsächlich seine rund 13-jährige "kriminelle Laufbahn" hinter sich gelassen hätte. Angesichts der von ihm verwirklichten Delikte und der Tatsache, dass er sich erst seit ca. einem Jahr wieder in Freiheit befindet, wäre ein solcher Schluss ohnehin zu früh. Die Tatsache allein, dass er in diesem Jahr nicht wieder belangt wurde, ist für eine positive Zukunftsprognose nicht ausreichend. Im Gegensatz dazu muss – ohne den Grundsatz "in dubio pro reo" außer Acht zu lassen - auch weiterhin von einem akuten, nachhaltigen und besonders hohen Gefährdungspotential für die Sicherheit der Republik Österreich ausgegangen werden, weshalb die Tatbestände des § 67 Abs. 1 FPG als gegeben anzunehmen sind.

 

Allerdings ist im in Rede stehenden Fall auch besonders auf das Privat- und Familienleben des Bw im Sinne einer Interessensabwägung Bedacht zu nehmen.

 

3.3.3. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

  1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;
  2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  4. der Grad der Integration;
  5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
  6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
  8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;
  9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG  gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der Sicherheit der Republik Österreich effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

Es steht außer Frage, dass das in Rede stehende Aufenthaltsverbot massiv sowohl in das Privat- als auch Familienleben des Bw eingreift. Er hat einen 10-jährigen Sohn in Linz, mit dem er wöchentlich Kontakt hat, und lebt bei seiner Mutter. Sein gesamter Freundeskreis befindet sich in Österreich, wo er auch seit über 20 Jahren lebt.

In Österreich hat er seine Schulausbildung abgeschlossen, er konnte sich aber beruflich nicht integrieren.

Seine soziale Integration relativiert sich merklich dadurch, dass der Bw zwar mit ca. 5 Jahren ins Bundesgebiet gekommen ist, seit seinem 15. Lebensjahr jedoch regelmäßig straffällig wurde und dies über ca. 13 Jahre beibehielt. Sein Aufenthalt war grundsätzlich rechtmäßig und er beherrscht die deutsche Sprache. Seine nächsten Angehörigen, seine Mutter und sein Sohn leben im Bundesgebiet.

 

Der Bw hat aber auch bis zu seinem 5. Lebensjahr in seinem Herkunftsstaat gelebt und beherrscht die rumänische Sprache – wenn auch nicht fehlerfrei, was für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht unwesentlich ist. Eine Integration ist daher – wenn auch unter manchen Schwierigkeiten – durchaus nicht undenkbar.

Zwar hat sich auch herausgestellt, dass der Bw, der bei seiner Mutter lebt, von dieser unterstützt wird und auch diese unterstützt, dennoch ist davon auszugehen, dass der 27-jährige Bw ein eigenständiges Leben führen kann und auch die Mutter des Bw nicht auf dessen Hilfeleistung angewiesen ist.

 

Im vorliegenden Fall ist aber auch das Interesse des 10-jährigen Kindes des Bw zu erörtern (vgl. § 61 Abs.3 FPG).

 

Das Interesse des Sohnes am Verbleib des Vaters im Bundesgebiet ist fraglos als hoch und schützenswert zu qualifizieren, allerdings beabsichtigt der Bw ohnehin, nach Beendigung seines Methadonprogramms das Bundesgebiet für 6 Monate bis zu einem Jahr zu verlassen, um in einem Umkreis zu leben, in dem er niemanden kennt, der ihm Drogen verschaffen könnte (Seite 5 des Tonbandprotokolls vom 03.10.2012).

 

Unter den besonderen gegebenen Umständen dieses Falls kann sich der Bw also auch nicht durchschlagend auf das Privat- und Familienleben seines Sohnes berufen. Überdies kann der Bw beim Verlassen des Bundesgebietes auf die Möglichkeit der modernen Kommunikationsmittel zurückgreifen, um den Kontakt zu seinem Sohn während der Dauer seines Aufenthaltsverbots aufrecht zu erhalten. Bei der Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbots wird aber auf die Interessen der Familienangehörigen Rücksicht zu nehmen sein.

 

Angesichts der massiven Straffälligkeiten des Bw und dem damit verbundenen Interesse des Staates an seiner dauerhaften Außerlandesschaffung ist festzuhalten, dass, obwohl von einem besonders drastischen Maß an persönlicher Beeinträchtigung des Lebens durch die Maßnahme auszugehen ist, das öffentliche Interesse als noch höherrangig einzuschätzen ist.

 

Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist als maximaler Rahmen nach

§ 67 Abs. 2 FPG 10 Jahre vorgesehen. In Anbetracht der familiären Situation, des langjährigen Aufenthalts des Bw im Bundesgebiet und seiner grundsätzlichen sozialen Integration erachtet das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates einen Zeitraum von 3 Jahren für angemessen, um dem Bw die Möglichkeit zu geben, den von ihm behaupteten Gesinnungswandel entsprechend unter Beweis zu stellen.

Eine mittelfristige Trennung vom bislang gepflogenen Umgang soll dem Bw einen Neuanfang nach Ablauf ermöglichen – stets ein Wohlverhalten vorausgesetzt.

 

In diesem Punkt war also zugunsten des Bw vom angefochtenen Bescheid abzuweichen.

 

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

Es war daher im Ergebnis der Berufung hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes stattzugeben, diese auf 3 Jahre herabzusetzen, den Durchsetzungsaufschub zuzusprechen und im Übrigen den angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

Nachdem der Bw offenkundig der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden.

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.



Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 18,20 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Mag.a Bergmayr-Mann

Beachte:

Der Beschwerde wurde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass in Stattgebung der gegen das erstinstanzliche Aufenthaltsverbot erhobenen Berufung diese ersatzlos behoben wurde.

VwGH vom 14. November 2013, Zl.: 2013/210046-6

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