Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167158/8 /Ki/CG

Linz, 07.11.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung von Frau M.S., vom 8. August 2012 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 31. Juli 2012, VerkR96-1433-2012, wegen einer Übertretung der StVO 1060, nach Durchführung einer mündlichen  Berufungsverhandlung am 5. November 2012, zu Recht erkannt:

 

I.                   Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen, das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

II.                Zusätzlich zu den Verfahrenskosten I. Instanz hat die Berufungswerberin als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 16,00 Euro, das sind 20% der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu I.: §§ 19, 24 und 51 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG.

Zu II. § 64 Abs. 1 und 2 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.            Mit Straferkenntnis vom 31. Juli 2012, VerkR96-1433-2012, hat die Bezirkshauptmannschaft Freistadt der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 16.04.2012, 11:41 Uhr, in der Gemeinde X, Xstraße X, L 1472 bei km 5.900, Fahrtrichtung X, mit dem Fahrzeug "Kennzeichen: x, LKW, als Wartepflichtiger durch Einbiegen auf der Kreuzung einem Fahrzeug, das sich im fließenden Verkehr befunden hat, nicht den Vorrang gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Bremsen genötigt. Sie habe dadurch § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.6 StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von 80,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 37 Stunden) verhängt. Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 8,00 Euro, das sind 10 % der verhängten Geldstrafe, verpflichtet.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Rechtsmittelwerberin am 8. August 2012 Berufung erhoben.

 

Sie bestreitet, dass sie bei km 5.900 um 11:41 Uhr die Tat begangen habe, da es dort keine Straßenkreuzung gebe und die Beschuldigte dort nicht um 11:41 Uhr gefahren sei.

 

Als Beweis der Anzeige wäre eine präzise Skizze mit den eingezeichneten Gegebenheiten und der Kilometerangabe 5900 sowie eventueller Zeugen und eine lückenlose Aufzeichnung des Fahrtenbuches des Meldungslegers, aus dem das Vorkommnis örtlich und zeitmäßig hervorgehe, vorzulegen. Widrigenfalls werde ein Lokalaugenschein beantragt.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 20. August 2012 vorgelegt.

 

2.2.  Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs. 1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung verbunden mit einem Augenschein an Ort und Stelle am 5. November 2012. An dieser Verhandlung nahm die Berufungswerberin mit einem Vertreter teil, als verkehrstechnischer Amtssachverständige fungierte T.OAR. Dipl.-HTL-Ing. x (Amt der Oö. Landesregierung), als Zeuge wurde der Meldungsleger, GI. x (Polizeiinspektion X), einvernommen.

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt bzw. als Ergenis der mündlichen Berufungsverhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Polizeiinspektion Pregarten vom 16. April 2012 zu Grunde. Danach lenkte die Berufungswerberin zur angeführten Zeit den angeführten Kastenwagen von der Hauszufahrt des Anwesens x zur Kreuzung mit der L1472 auf Höhe km 5,9. An der Kreuzung sei die Berufungswerberin mit dem Kastenwagen nach links auf die L1472 eingebogen und habe ihre Fahrt Richtung Pregarten fortgesetzt. Im Zuge des Einbiegemanövers sei GI. x als Lenker des Streifenwagens, welcher auf der L1472 aus Richtung Pregarten kommend in Richtung Gutau unterwegs war, zu unvermitteltem Bremsen genötigt worden.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat zunächst gegen die Berufungswerberin eine Strafverfügung (VerkR96-1433-2012 vom 14.06.2012) erlassen, welche am 19. Juni 2012 beeinsprucht wurde.

 

Nach Durchführung weiterer Ermittlungen hat die Bezirkshauptmannschaft Freistadt das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung wurde die Örtlichkeit im Beisein des verkehrstechnischen Amtssachverständigen in Augenschein genommen und der Meldungsleger als Zeuge einvernommen.

 

Dieser führte aus, er sei damals mit dem Dienstfahrzeug auf der B1472 aus Pregarten kommend unterwegs gewesen. Die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges habe ca. 90 km/h beschleunigend auf 100 km/h betragen. Er habe einen  Kastenwagen stehend wahrgenommen, wobei er sich nicht mehr exakt erinnern könne, welche der 3 Ausfahrten benutzt wurde (es bestehen dort 3 Ausfahrten). Die Kilometerangabe 5.900 habe er geschätzt.

 

Der Zeuge bezeichnete in der Folge jene Stelle, von wo aus er das von der Berufungswerberin benutzt Fahrzeug wahrgenommen habe, diese Stelle wurde vom Sachverständigen markiert und in weiterer Folge wurde die Strecke von dort bis zu jener Stelle, wo die Berufungswerberin auf die B1472 eingebogen ist vermessen, es handelt sich dabei in Richtung Gutau gesehen um die dritte Ausfahrt. Es wurde eine Entfernung von genau 100 m festgestellt.

 

Die Berufungswerberin erklärte dazu, dass sie das Polizeifahrzeug zunächst nicht als solches erkannt habe. Sie habe jedoch ein Fahrzeug erkannt, dieses habe sich geschätzt in einer Entfernung von ca. 230 m befunden.

 

Der Zeuge erklärte, er habe bedingt durch das Fahrmanöver der Rechtmittelwerberin sein Fahrzeug, ohne das Reifen quietschen mussten, auf eine Geschwindigkeit von ca. 70 km/h abbremsen müssen. Ein Ablenken des Fahrzeuges bzw. ein Fahrstreifenwechsel sei nicht erforderlich gewesen, es habe sich um keine gefährliche Situation gehandelt. Die Betätigung der Betriebsbremse sei schon etwas stärker erfolgt. Bei der Ausfahrt habe es sich um ein übliches Fahrmanöver gehandelt.

 

Die Rechtsmittelwerberin erklärte hingegen, dass sie ihr Ausfahrmanöver ganz normal empfunden habe. Die Begegnung der beiden Fahrzeuge habe etwa im Bereich der mittleren Ausfahrt stattgefunden.

 

Auf Basis all dieser Angaben stellte der verkehrstechnische Amtssachverständige resümierend fest, dass aufgrund der errechneten Verzögerungswerte davon auszugehen sei, dass, wenn man die Fahrgeschwindigkeit des Polizeiautos mit 90 – 100 km/h zu Grunde lege und ein zügiges Ausfahren des Kastenwagens berücksichtigt werde, das Polizeiauto abgebremst werden musste. Dabei habe es sich aber um eine Betriebsbremsung gehandelt, der rechnerische Wert beträgt 2,8 m/s².

 

Die Berufungswerberin bemängelte auch, dass die Zeitangabe (11:41 Uhr) nicht stimmen könne, tatsächlich sei sie um 11:46 Uhr weggefahren, sie habe diese Zeit auf ihrer Funkuhr feststellen können.

 

2.6.            In freier Beweiswürdigung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass die Angaben des Zeugen sowie die Berechnung durch den verkehrstechnischen Amtssachverständigen der Entscheidung zu Grunde gelegt werden können. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Zeuge als Polizeibeamter sehr wohl in der Lage ist, ein Verkehrsgeschehen korrekt zu beurteilen, weiters ist zu berücksichtigen, dass er zur Wahrheit verpflichtet war.

 

Die Ausführungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen widersprechen nicht den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzes. Anhand der Angaben einerseits der Berufungswerberin und andererseits des Zeugen sowie der gegebenen Örtlichkeit konnte er eine korrekte Berechnung des Bremsvorganges durchführen.

 

Die Berufungswerberin selbst konnte sich in jede Richtung verteidigen. Dieser Umstand darf zwar nicht schlechthin gegen sie gewertet werden, im vorliegenden Falle jedoch ist es ihr nicht gelungen, den zur Last gelegten Sachverhalt zu widerlegen.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei Wochen, zu bestrafen, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstößt und das Verhalten nicht nach dem Abs.1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e, oder 4 zu bestrafen ist.

 

Gemäß § 19 Abs. 7 StVO 1960 darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

 

Gemäß § 19 Abs.6 StVO 1960 haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl. kommen.

 

Im gegenständlichen Falle ist die Berufungswerberin von einer Grundstücksausfahrt auf eine Landesstraße eingebogen. In dieser Situation waren jene Fahrzeuge, welche auf der Landesstraße unterwegs waren, im Fließverkehr und somit die Vorrangberechtigten. Es bestand daher für die Berufungswerberin in dieser konkreten Situation Wartepflicht.

 

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat nun aber ergeben, dass sie den Zeugen, welcher zum Zeitpunkt, als sie von der Grundstücksausfahrt auf die Landesstraße eingebogen ist, zu einem Abbremsen seines Fahrzeuges genötigt hat. Die Bremsverzögerung betrug lt. Berechnung des verkehrstechnischen Amtssachverständigen 2,8 m/s².

 

Hinsichtlich derartiger Situationen haben sich die Höchstgerichte in mehrfachen Entscheidungen geäußert. Der OGH hat etwa festgestellt, dass eine Bremsung mit einer Verzögerung von 2,6 m/s² keine dem Vorrangberechtigten zumutbare geringfügige Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit ist (OGH 9.10.1984, 2OB56/84, ZVR.1985/91). Auch in einer weiteren Entscheidung hat der OGH festgestellt, dass eine Bremsverzögerung von 2 – 2,5 m/s² nicht geringfügig ist (OGH 14.09.1995, 2OB69/95, ZVR.1997/16).

 

Dadurch, dass die Berufungswerberin durch das Einbiegen von der Grundstücksausfahrt in die Landesstraße den herannahenden Berufungswerber nötigte, sein Fahrzeug mit einer Verzögerung von 2,8 m/s² abzubremsen, hat sie den zur Last gelegten Tatbestand in objektiver Hinsicht verwirklicht und es sind auch keine Umstände hervorgekommen, welche sie im Bereich der subjektiven Tatseite entlasten würden.

 

Was die Tatzeit anbelangt, so sind die Angaben der Berufungswerberin einerseits und die des Zeugen andererseits um 5 Minuten divergierend. Dieser Umstand ist im vorliegenden Fall jedoch nicht von Relevanz, zumal nach allgemeiner Lebenserfahrung in derartigen Situationen durchaus eine geringfügige Abweichung hingenommen werden kann. Die Berufungswerberin wurde hiedurch weder in ihren Verteidigungsrechten eingeschränkt, noch besteht die Gefahr einer Doppelbestrafung.

 

Der Schuldspruch ist somit zu Recht erfolgt.

 

3.2. Zur Straffestsetzung (§ 19 VStG) wird festgestellt, dass Grundlage für die Bemessung stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind im ordentlichen Verfahren die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 – 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat festgehalten, dass die Tat in nicht unerheblichem Maß das Interesse anderer Verkehrsteilnehmer und das Interesse an der Aufrechterhaltung der Verkehrsflüssigkeit schädigt, weshalb der Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering sei. Dieser Auffassung schließt sich der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich an.

 

Als straferschwerend wurde eine einschlägige Vormerkung gewertet, strafmildernde Gründe wurden nicht festgestellt.

 

Hinsichtlich der sozialen Verhältnisse wurden ein monatliches Einkommen von 760,00 Euro, keine Sorgepflichten und kein relevantes Vermögen zu Grunde gelegt. Diesbezüglich gab es keine Einwendungen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erachtet, dass unter Berücksichtigung des gesetzlich festgelegten Strafrahmens, sowohl die verhängte Geld- als auch die Ersatzfreiheitsstrafe durchaus im Rahmen des der Behörde eingeräumten Ermessens gelegen ist. Das Strafausmaß wird auch sowohl generalpräventiven als auch spezialpräventiven Überlegungen gerecht.

 

Dem gemäß erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass eine Herabsetzung nicht in Betracht zu ziehen ist, die Berufungswerberin wurde auch durch die Strafbemessung nicht in ihren Rechten verletzt.

 

  4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Alfred Kisch

 

 

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