Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522910/7/Kof/CG

Linz, 19.12.2012

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung der Frau x, geb. x, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt x, xstraße x, x gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz (nunmehr: Landes-polizeidirektion Oberösterreich) vom 06. Juli 2011, AZ: FE-563/2011, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, Aberkennung des Rechts von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, Lenkverbot, Verkehrscoaching und Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, zu Recht erkannt:

 

I.     

Der erstinstanzliche Bescheid wird betreffend die/das

-         Entziehung der Lenkberechtigung

-         Aberkennung des Rechts, von einer allfällig bestehenden  

     ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen

-         Verbot des Lenkens eines Motorfahrrades,

      vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges

für den Zeitraum von acht Monaten – vom 30. April 2011 bis einschließlich 30. Dezember 2011 –    sowie

-         die Anordnung der Absolvierung eines Verkehrscoaching  

als rechtmäßig bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 25 Abs.3 iVm §§ 7 Abs.1 Z1, 7 Abs.3 Z1 und

7 Abs.4 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2010

§§ 30 Abs.1, 32 Abs.1 Z1 und 24 Abs.3 FSG

 

 

 

 

 

 

II.           

Betreffend die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens wird der Berufung stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 Abs.4 FSG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid der/die nunmehrigen Berufungswerberin (Bw) wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG

-         die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von zehn Monaten, gerechnet ab 30. April 2011 entzogen

-         für die Dauer die Entziehung der Lenkberechtigung

·         das Recht aberkannt, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen

·         das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges verboten.

-         verpflichtet, ein Verkehrscoaching zu absolvieren und

-         verpflichtet, ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 8 FSG beizubringen.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Bw innerhalb offener Frist eine begründete Berufung erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a AVG) erwogen:

 

Die Bw lenkte am 30. April 2011 um 15.30 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW auf der X, Xautobahn, Richtungsfahrbahn Nord.

Auf der Xbrücke verschuldete die Bw einen Verkehrsunfall mit Personen-schaden und beging Fahrerflucht.

Nachdem mehrere vergebliche Anhaltungen versucht wurden, konnte die Bw am Autobahnende von zwei Polizeistreifen angehalten werden.

Ein bei der Bw unmittelbar nach der Anhaltung vorgenommener Alkovortest hat einen Wert von 0,00 mg/l ergeben.

 

Die Bw befand sich jedoch offensichtlich in einem beeinträchtigten Zustand.

 

 

 

Anlässlich der Amtshandlung nach diesem Verkehrsunfall einschl. Fahrerflucht wurde die Bw vom Amtsarzt der belangten Behörde untersucht. –

Dieser führt im Ergebnis aus, dass die Bw zur Tatzeit sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befunden hat.

 

Demgegenüber bringt die Bw vor, es seien ihr offensichtlich – von ihr unbemerkt – vor dem Lenken „KO-Tropfen“ verabreicht worden.

 

Entscheidungswesentlich ist somit im gegenständlichen Verfahren, ob die Bw sich zur „Tatzeit“ in einem

-     durch Suchtgift beeinträchtigen Zustand (§ 5 Abs.1 StVO) befunden hat –

    in diesem Fall wäre die Zurechnungsfähigkeit

    iSd § 11 StGB bzw. § 3 Abs.1 VStG gegeben oder

-     durch „KO-Tropfen“ – welche der Bw unbemerkt verabreicht wurden – beeinträchtigen Zustand befunden hat –

     in diesem Fall wäre die Zurechnungsfähigkeit nicht gegeben.

siehe dazu ausführlich VwGH vom 16.10.2012, 2011/11/0214.

 

Betreffend den oa. Verkehrsunfall mit Personenschaden ist beim Bezirksgericht Linz zu 17 U 161/11 h ein gerichtliches Strafverfahren anhängig und wurde
von Herrn Prim. Dr. FF das Gutachten vom 22. Oktober 2012 mit folgendem Ergebnis erstellt:

"Die Bw hatte zum Tatzeitpunkt keine tiefgreifende neurologische oder psychiatrische Störung, die durch Substanzen oder psychische Krankheiten herbeigerufen wurde, die dem § 11 StGB entspreche."

 

Dieses beim Bezirksgericht Linz anhängige Strafverfahren wurde bisher noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

 

Es wird daher vom UVS gemäß § 38 AVG die Vorfrage – ob die Bw zur Tatzeit zurechnungsfähig war oder nicht (§ 3 Abs.1 VStG sowie das zitierte Erkenntnis des VwGH vom 16.10.2012, 2011/11/0214) – beurteilt und

kommt der UVS – auf Grund des Gutachten des Herrn Prim. DR. FF

zum Ergebnis, dass die Bw zur Tatzeit

-         sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand

     (§ 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1b StVO) befunden hat und dadurch

-         iSd § 3 Abs.1 VStG zurechnungsfähig war.

 

 

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird.

Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrs-zuverlässigkeit (§ 7 FSG) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von KFZ die Verkehrssicherheit insbes. durch Suchtgiftbeeinträchtigung gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 leg.cit. zu gelten, wenn jemand ein KFZ gelenkt und hiebei eine Übertretung gemäß (§ 5 iVm)
§ 99 Abs.1b StVO begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind,  kein wie immer geartetes Beweisthema;

Erkenntnisse v. 30.5.2001, 2001/11/0081; vom 23.4.2002, 2000/11/0182;

vom 11.4.2002, 99/11/0328; vom 28.9.1993, 93/11/0142 mit Vorjudikatur;

vom 25.2.2003, 2003/11/0017; vom 4.10.2000, 2000/11/0176.

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern;

VfGH v. 14.3.2003, G203/02; v. 11.10.2003, B1031/02; v. 26.2.1999, B 544/97

VwGH vom 18.3.2003, 2002/11/0062; vom 22.11.2002, 2001/11/0108;

vom 23.4.2002, 2000/11/0184; vom 22.2.2000, 99/11/0341 mit Vorjudikatur vom 6.4.2006, 2005/11/0214.

 

Die Bw hat in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand einen Verkehrs-unfall mit Personenschaden verschuldet und anschließend Fahrerflucht begangen.

 

Eine Beeinträchtigung durch Suchtgift iSd § 5 Abs.1 StVO ist einer Beeinträchtigung durch Alkohol – mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,40 mg/l oder mehr aber weniger als 0,60 mg/l – gleichzuhalten; siehe

-     die Strafbestimmung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1b StVO bzw.

-     VwGH vom 9.2.1999, 98/11/0154 zur Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung

 

Der VwGH hat in einem vergleichbaren Fall – allerdings mit deutlich höherem Alkoholisierungsgrad – eine Entziehungsdauer von 10 Monaten als rechtmäßig bestätigt; VwGH vom 08.08.2002, 2001/11/0210.

 

Es wird daher bei der Bw eine Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung von
acht Monaten – vom 30. April 2011 (= Datum der vorläufigen Abnahme des Führerscheines) bin einschließlich 30. Dezember 2011 – als rechtmäßig bestätigt.

 

Gemäß § 32 Abs.1 Z1 FSG ist Personen, welche nicht iSd § 7 leg.cit verkehrszuverlässig sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, das Lenken eines derartigen KFZ ausdrücklich zu verbieten.

 

Gemäß § 30 Abs.1 FSG kann Besitzern von – allfällig bestehenden – ausländischen Lenkberechtigungen das Recht aberkannt werden, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen;

VwGH vom 17.3.2005, 2005/11/0057 und vom 20.03.2012, 2012/11/0014.

 

Es wird somit

-         die Aberkennung des Rechts, von einem ausländischen Führerschein

      in Österreich Gebrauch zu machen  sowie

-         das Verbot von Lenkens eines Motorfahrrades,

      vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges und Invalidenkraftfahrzeuges

für den Zeitraum 30. April 2011 bis einschließlich 30. Dezember 2011

als rechtmäßig bestätigt.

 

Im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung ist die Entziehungs- bzw. Verbotsdauer bereits abgelaufen ist und wurde der Bw der Führerschein am 10. Jänner 2012 wieder ausgefolgt.

 

 

 

Der UVS hat im Rahmen seiner Kontrollfunktion gegenüber dem Erstbescheid
zu beurteilen, ob die Bw während der von der Erstbehörde festgesetzten Entziehungsdauer verkehrsunzuverlässig gewesen ist;             

VwGH vom 23.5.2003, 2003/11/0129

VwGH vom 28.5.2002, 2002/11/0074 und vom 22.3.2002, 2001/11/0041 mwH.

 

Lenkt jemand in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand (§ 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1b StVO) ein KFZ, dann ist der/die Betreffende gemäß § 24 Abs.3 FSG zu verpflichten, ein Verkehrscoaching zu absolvieren.

 

Die belangte Behörde hat daher die Bw völlig zu Recht verpflichtet, ein derartiges Verkehrscoaching zu absolvieren. –

Diese Verpflichtung wurde von der Bw – noch vor der Wiederausfolgung des Führerscheines – erfüllt.

 

Betreffend die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens ist auszuführen:

Der Bw wurde am 10. Jänner 2012 der Führerschein wieder ausgefolgt –

die Bw ist somit seit beinahe einem Jahr wieder im Besitz der Lenkberechtigung.

 

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehen keine wie immer gearteten Bedenken im Sinne des § 24 Abs.4 FSG –

siehe z.B. VwGH vom 28.6.2011, 2009/11/0095 mit Vorjudikatur –

Betreffend die Aufforderung, ein amtsärztliches Gutachten beizubringen, war somit der Berufung stattzugeben und der erstinstanzliche Bescheid aufzuheben.

 

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. 

 

 

Ausdrückliche Feststellung zur Beurteilung der Vorfrage:

 

Sollte das Gericht im anhängigen Strafverfahren zum Ergebnis gelangen, dass

die Bw zur Tatzeit iSd § 11 StGB bzw. § 3 Abs.1 VStG nicht zurechnungsfähig war,
bildet dies einen Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs.1 Z3 AVG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;  diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

   

 

 

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