Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150951/15/Lg/Ba

Linz, 20.11.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des Herrn M T, H, L, vertreten durch Rechtsanwälte K & N H, M, L, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 5. März 2012, Gz. 0023451/2011, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.         Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen und das angefochtene Strafer­kenntnis insofern bestätigt. Die Geldstrafe wird jedoch auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 17 Stunden herab­gesetzt.

 

II.        Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich auf 15 Euro. Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs.2, 19, 20, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden verhängt, weil er als Lenker des Kfz mit dem Kennzeichen X (A) am 7.3.2011 um 06.56 Uhr die A7, Mautabschnitt Linz Hafenstraße – Linz Prinz Eugenstraße, km 11,000 (mautpflichtige Bundesstraße A, Bundesautobahn) benützt habe, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Nach den Bestimmungen des Bundesstraßen-Mautgesetzes unterliege die Benützung von Mautstrecken (Bundesautobahnen und Bundesschnellstraßen) mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen betrage, einer fahrleistungsabhängigen Maut.

 

Begründend führt das angefochtene Straferkenntnis aus:

 

"Der im Spruch angeführte Sachverhalt wurde mit Schreiben der ASFINAG vom 30.5.2011 angezeigt. Über die vorhandene Go-Box sei keine Maut entrichtet worden.

 

Mit Strafverfügung vom 7.7.2011 wurde gegen den Beschuldigten wegen der im Spruch dargestellten Verwaltungsübertretung ein ordentliches Verwaltungsstraf­verfahren eingeleitet.

 

Der Beschuldigte erhob gegen diese Strafverfügung fristgerecht Einspruch und brachte vor:

 

Sofort nach akustischem Signal der Go-Box teilte ich dies meinem direkten Vorgesetzten mit (Herrn M O, Fa. O Transporte, K, L), welcher für mich der Ansprechpartner ist. Dieser wies mich an, weiterzufahren, da dies nichts bedeute. Auf diese Weisung hin, musste ich weiterfahren.

 

Für die erkennende Behörde ist der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen. Der Beschuldigte hat nicht bestritten, dass eine Mautentrichtung nicht stattgefunden hat.

 

In rechtlicher Würdigung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes hat die erkennende Behörde erwogen:

 

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (BStMG) lauten auszugsweise wie folgt:

 

Mautprellerei

§ 20

…                                                                                                                                                                              

(2) Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 6 geschuldete fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, begehen eine Verwaltungs­übertretung und sind mit Geldstrafe von 300 € bis zu 3000 € zu bestrafen.

(3) Taten gemäß Abs. 1 und 2 werden straflos, wenn der Mautschuldner nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 bis 5 der Aufforderung zur Zahlung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut entspricht Fahrleistungsabhängige Maut

 

Mautpflicht

§ 6

Die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Ge­samtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, unterliegt der fahrleistungs­abhängigen Maut. Mehrspurige Kraftfahrzeuge, die noch nie zum Verkehr zugelassen waren und ein Probefahrt- oder Überstellungskennzeichen führen, unterliegen der fahrleistungsabhängigen Maut, sofern ihr Eigengewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt. Sofern kein Nachweis des Eigengewichtes erbracht wird, gelten diese Fahrzeuge als solche mit einem Eigengewicht von mehr als 3,5 Tonnen.

 

Mautentrichtung

§ 7

(1) Die Maut ist durch Einsatz zugelassener Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Kraftfahrzeuglenker ihre Fahrzeuge vor der Benützung von Mautstre­cken mit diesen Geräten ausstatten können.

 

Pflichten der Fahrzeuglenker und Arbeitgeber

§ 8

(1) Soweit Lenker nicht von anderen in der Mautordnung vorgesehenen Formen der Mautentrichtung Gebrauch machen, haben sie vor der Benützung von Mautstrecken ihr Fahrzeug mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten.

(2) Sie haben sich bei Verwendung von Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken der Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Funktionsstörungen unverzüglich zu melden, die Anzahl der Achsen ihres Fahrzeuges und - mit Ausnahme des Falles gemäß § 9 Abs. 3 letzter Satz - des von diesem gezogenen Anhängers auf dem Gerät zur elektronischen Entrichtung der Maut einzustellen und Nachweise mitzuführen, die eine Zuordnung des Fahrzeuges zu einer Tarifgruppe gemäß § 9 Abs. 5 und 6 ermöglichen.

(3) Die näheren Bestimmungen über die Pflichten der Fahrzeuglenker sind in der Mautordnung zu treffen.

 

Ersatzmaut

§19

(1) In der Mautordnung ist für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen, die den Betrag von 250 € einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf.

(5) Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 zu keiner Betretung, so sind die Mautaufsichtsorgane ermächtigt, anlässlich einer Kontrolle der ordnungs­gemäßen Entrichtung der Maut jenes Fahrzeuges, mit dem die Tat begangen wurde, den Zulassungsbesitzer mündlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs, 2 auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht und die Tat nicht bereits verjährt ist. Die Aufforderung ist an den Lenker zu richten, der bei der Leistung der Ersatzmaut als Vertreter des Zulassungsbesitzers fungiert. Ihr wird entsprochen, wenn der Lenker unverzüglich die Ersatzmaut zahlt. Hierüber ist eine Bescheinigung auszustellen.

(6) Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Auffor­derungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht.

 

Nach Punkt 8.2.4.3 der Mautordnung werden dem Kraftfahrzeuglenker bei Durchfahren jeder Mautabbu­chungsstelle folgende akustische Signale zur Kenntnis gebracht, wobei zwischen informativen und zu beachtenden Signalen zu unterscheiden ist.

 

Während der Fahrt

8.2.4.3.2 Vom Kunden zu beachtendes akustisches Signal

• Vier kurze Signal-Töne: Es hat keine Mautentrichtung stattgefunden, weil insbesondere vom Kunden Bestimmungen der Mautordnung Teil B nicht beachtet wurden, oder bei GO-Box Sperre aufgrund Rück­rufes der GO-Box zum Austausch, technischer Mängel bzw. festgestellter Unregelmäßigkeiten im Zu­sammenhang mit der Mauteinhebung oder Hinterlegung der falschen EURO-Emissionsklasse. In diesem Fall hat dann jeder Kunde seiner Nachzahlungsverpflichtung im Sinne von Punkt 7.1 im vollen Umfang nachzukommen, andernfalls der Tatbestand der Mautprellerei gemäß Punkt 10 verwirklicht wird.

 

Der Beschuldigte hat als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen X (A) am 07.03.2011 um 06.56 Uhr die A7, Mautabschnitt Linz Hafenstraße - Linz Prinz Eugenstraße, km 11,000 (mautpflichtige Bundesstraße A, Bundesautobahn) benützt, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsge­mäß entrichtet zu haben.

 

Es ist somit der Tatbestand der dem Beschuldigten angelasteten Verwaltungsübertretung in objek­tiver Hinsicht erfüllt.

 

Schuldfrage:

 

Das BStMG sieht keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens vor. Es kommt daher § 5 Abs. 1 VStG zum Tragen, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist immer dann anzunehmen, wenn

·         einem Verbot zuwidergehandelt oder ein Gebot nicht befolgt wird und

·         zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Ge­fahr nicht gehört (sogenanntes Ungehorsamsdelikt) und

·         der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Der Beschuldigte hat im vorliegenden Fall ein Ungehorsamsdelikt begangen.

 

Den Schuldentlastungsbeweis im Sinne der vorstehenden Gesetzesbestimmung konnte er mit seiner Rechtfertigung nicht erbringen.

 

Der Beschuldigte ist seinen Pflichten als Fahrzeuglenker nicht nachgekommen ist, da er die viermaligen Piepstöne der GO-Box, welche ihm gem. Punkt 8.2.4.3.2 der Mautordnung die Nichtabbuchung der Maut angezeigt haben, missachtet hat. Die Lenkerpflichten bei Ertönen der vier akustischen Signale der GO-Box bei jeder Durchfahrt durch einen Mautbalken sind eindeutig.

 

Die gegenständliche Verwaltungsübertretung ist daher auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit erwiesen.

 

Zur Strafhöhe ist festzustellen, dass gemäß § 19 Abs. 1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, ist. Nach Abs. 2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschul­dens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungs­strafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Dies bedeutet, dass die erkennende Behörde auf der Grundlage des § 19 Abs. 1 VStG ihre Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens darzutun hat. Eine Strafbe­messung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den in § 19 leg.cit. festgelegten Kriterien vorzunehmen ist.

 

Als strafmildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten gewertet, straferschwerend war kein Umstand.

 

Bei der Berücksichtigung der Vermögens-, Einkommens- und Familienver­hältnisse des Beschuldigten ging die Behörde aufgrund einer realistischen Schätzung von einem monatlichen Nettoeinkommen von € 1.200,-aus.

 

Bei entsprechender Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 19 VStG maßgebender Bemessungs­gründe erscheint daher die verhängte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Verschulden des Beschuldigten angemessen.

 

Das Ausmaß der gemäß § 16 VStG festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe entspricht dem Unrechts- und Schuldgehalt der Verwaltungsübertretung."

 

 

2. In der Berufung wird Folgendes vorgebracht:

 

"Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften seinem gesamten Inhalte nach angefochten.

 

Aus der Anzeige der ASFINAG Mautservice GmbH geht hervor, dass der Lenker des mehrspurigen Kraftfahrzeuges (über 3,5t) mit dem KZ: X am 07.03.2011 um 06.56 Uhr die A7, Mautabschnitt Linz Hafenstraße - Linz Prinz Eugenstraße, Km 11,000 benützt habe, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben.

 

Gemäß § 19 Abs. 4 Bundesstraßenmautgesetz 2002 sei der Zulassungsbesitzer, nicht aber der Lenker am 04.03.2011 schriftlich (Einschreiben) zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert worden. Namen und Anschrift des Zulassungsbesitzers seien gemäß § 30 Abs. 2 Bundesstraßenmautgesetz ermittelt worden. Dieser Aufforderung sei nicht entsprochen worden, die Ersatzmaut sei nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehen Frist geleistet worden.

 

Es hat aber nunmehr nicht der Zulassungsbesitzer ein Verwaltungsstrafverfahren gemäß §§ 6, 7 Abs. 1 und 20 Abs. 2 BStMG erhalten, sondern lediglich der Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem KZ: X.

 

Der gegenständliche Bescheid ist folglich mit einem Verfahrensmangel behaftet, da neben dem Zulassungsbesitzer auch der Lenker und Verwaltungsstraf­beschuldigte, M T, die Möglichkeit erhalten hätte müssen, diese Ersatzmaut zu bezahlen. Von diesem Strafausschließungsgrund wurde der Verwaltungsbeschuldigte und Lenker überhaupt nicht informiert und hat folglich auch keine Möglichkeit gehabt, von diesem Strafausschließungsgrund Gebrauch machen zu können.

 

Es stellt auch eine sachlich nicht berechtigte Schlechterstellung des Lenkers dar, sollte der­selbe nicht die Möglichkeit erhalten die Ersatzmaut bezahlen zu können, obwohl der Zulassungsbesitzer diese Möglichkeit hat. Warum abermals lediglich der Kraftfahrzeuglenker und nicht der Zulassungsbesitzer gemäß § 20 BStMG mit einer Geldstrafe von EUR 300,00 bis zu EUR 3.000,00 zu bestrafen sei, ist sachlich weniger nachzuvollziehen; dies umsomehr als Mautschuldner nach § 4 BStMG der Kraftfahrzeuglenker und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand seien. Offensichtlich ist § 19 Abs. 4 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 BStMG verfassungswidrig, da es eine völlige Schlechterstellung für einen Fahrzeuglenker in Bezug auf das Verwaltungsstrafverfahren gegenüber einem Zulassungsbesitzer wäre, dem Zulassungsbesitzer einerseits von der Verwaltungsstrafbarkeit überhaupt auszuschließen und die Verwaltungsstrafbarkeit des Fahrzeuglenkers davon abhängig zu machen, ob der Zulassungsbesitzer die geschuldete Maut bezahlt bzw. bezahlen kann oder nicht.

 

Gemäß § 7 BStMG ist die Maut durch den Einsatz zugelassener Geräte (GO-Box) zur elekt­ronischen Entrichtung der Maut Im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. hat sich der Fahrzeuglenker, sohin der Verwaltungsstrafbeschuldigte, bei Verwendung von Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken über die Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Funktionsstörungen unverzüglich zu melden.

 

Tatsächlich hat der Verwaltungsstrafbeschuldigte, wie dessen Eingabe zu entnehmen ist, unverzüglich mit Wahrnehmung des akustischen Signals der GO-Box die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit dem direkten Vorgesetzten, nämlich Herrn M O, der Fa. O Transporte, K, L, gemeldet. Der Vorgesetzte teilte mit, dass er die entsprechende Meldung weiterleiten werde, es habe der Fahrzeuglenker die Fahrt fortzusetzen.

 

Das Verfahren ist mit einem weiteren Verfahrensmangel behaftet, da die erkennende Behör­de Herrn M O, soweit für den Verwaltungsstrafbeschuldigten nachvollziehbar, nicht einvernommen hat und diesen Sachverhalt nicht weiter objektiviert hat. In § 8 Abs. 2 Bundesstraßenmautgesetz 2002 ist lediglich ausgeführt, dass der Fahrzeuglenker Funkti­onsstörungen unverzüglich zu melden habe. Im Gesetz ist nicht normiert, an wen diese Meldung unverzüglich zu erfolgen habe. Der Verwaltungsstraf­beschuldigte hat sich an den Zulassungsbesitzer, nämlich die entsprechend vertretungsbefugte Person gewendet und um weitere Meldung ersucht. Inwieweit diese weitere Meldung tatsächlich seitens des Arbeitgebers erfolgt ist, entzieht sich naturgemäß der Kenntnis des Verwaltungsstrafbeschuldigten. Jedenfalls ist der Verwaltungsstrafbeschuldigte seiner Verpflichtung gemäß § 5 Abs. 2 Bundesstraßenmautgesetz 2002, nach unverzüglicher Meldung einer Funktionsstörung nachgekommen. Folglich ist das Weiterfahren mit der funktionsgestörten GO-Box keinesfalls ein Verschulden im Sinne des § 5 VStG. Im Übrigen konnte und musste der Verwaltungsstrafbe­schuldigte darauf vertrauen, dass der Zulassungsbesitzer ordnungsgemäß allenfalls auch im Nachhinein wegen der funktionsgestörten GO-Box die Mautgebühren fristgerecht leisten wird, auch dann hat ein Strafverfahren zu unterbleiben [Strafausschließungsgrund]!

 

Hilfsweise wird weiters die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG beantragt, da dem Verwal­tungsstrafbeschuldigten, wenn überhaupt, nur ein geringfügiges Verschulden treffe, wobei das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Bedenkt man, dass der Verwaltungsstrafbeschuldigte lediglich Dienstnehmer des Zulassungsbesitzers und folglich der Dienstnehmer keinen Einfluss auf die Abgaben- und Gebührenverpflichtungen des Arbeitgebers hat, der Dienstnehmer sogar die mangelnde Funktionalität der GO-Box dem Dienstgeber meldete, so ist eine Bestrafung des Dienstnehmers im konkreten Fall eine besondere Härte und ist nicht einzusehen, warum hier der Dienstgeber und Zulassungsbesitzer sogar noch privilegiert ist. Eine Abmahnung des Dienstnehmers wäre ausreichend.

 

Hilfsweise wird weiters die Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Strafmilderung) beantragt, da auf Seiten des Verwaltungsstrafbeschuldigten keinerlei Erschwerungsgründe vorliegen, die Milderungsgründe (Unbescholten­heit, geringes Einkommen gegenüber dem Einkommen des Zulassungsbesitzers, Meldung an den Zulassungsbesitzers über die Beeinträchtigung der Funktionalität der GO-Box, usw.) überwiegen die Erschwerungsgründe. Es ist daher jedenfalls die Verwaltungsstrafe auf die Hälfte der Mindeststrafe herabzusetzen.

 

Aus all den angeführten Gründen wird an den UVS der Antrag auf ersatzlose Behebung des gegenständlichen Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gestellt."

 

 

3. Der Akt enthält die im angefochtenen Straferkenntnis bezogenen Aktenteile.

 

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden die Berufungen gegen die einschlägigen Straferkenntnisse des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 5.3.2012 gemeinsam verhandelt. Dazu folgender Überblick:

 

 

VwSen Zl.

Gz. Mag. Linz

Tatzeit

150945

0023559

4.3.11/06:53

150946

0023472

1.3.11/17:04

150947

0023622

1.3.11/07:03

150948

0023486

2.3.11/11:20

150949

0023686

2.3.11/17:32

150950

0023680

3.3.11/07:30

150951

0023451

7.3.11/06:56

150952

0023555

8.3.11/08:41

 

Tatorte waren jeweils Mautabschnitte der A 7, Stadtautobahn in Linz (Hafenstraße – Prinz Eugenstraße, Muldenstraße Bindermichl – Salzburgerstraße – Neue Welt und umgekehrt, VOEST – Wiener Straße).

 

Der Bw führte dazu aus, er sei immer dieselbe Strecke gefahren; er habe im Linzer Hafen (bei der G W) aufgeladen und dann an verschiedenen Orten in Oberösterreich zugestellt. Wenn er mehrmals an einem Tag auffällig wurde, dann deshalb, weil er mehrmals zum Hafen fahren musste. Dann habe er aber zwischen den jeweiligen Fahrten stets die Autobahn verlassen und sei er jeweils neu auf die Autobahn aufgefahren.

 

Die "zweimaligen" Piepstöne habe der Bw gehört und dazu seinen Chef informiert. Der Chef habe gesagt, der Bw solle auf seine (= des Chefs) Verantwortung weiterfahren. Der Chef werde das schon regeln. Der Bw habe den Chef täglich bei den G W getroffen und immer dieselbe Auskunft zu den Piepstönen erhalten. Der Bw solle sich keine Sorgen machen und weiterfahren.

 

Der Vertreter des Bw führte aus, dass die zitierten Äußerungen des Chefs als Weisungen zu verstehen seien, bei deren Nichtbefolgung der Bw seinen Job verloren hätte.

 

Weiters legte der Vertreter des Bw eine Auskunft der ASFINAG vor, wonach einige Monate vor Ablauf der Gültigkeitsdauer die GO-Box automatisch zurück­gerufen werde. Im Zeitraum vom 26.2.2011 bis 9.3.2011 sei die GO-Box aufgrund einer missachteten Tauschaufforderung gemäß Pkt. 5.6.2. der Maut­ordnung, Teil B, gesperrt gewesen. Der Bw habe die jeweils zweimaligen Signaltöne für die Erinnerung (40 x) bzw. viermaligen Signaltöne für die Sperre (217 x) ignoriert.

 

Der Vertreter des Bw verwies darauf, dass laut § 4 des Bundesstraßen-Mautge­setzes Mautschuldner der Kraftfahrzeuglenker und der Zulassungsbesitzer seien und mehrere Mautschuldner zur ungeteilten Hand haften würden. Daraus ziehe der Vertreter des Bw die Schlussfolgerung, dass eine asymmetrische Behandlung in Bezug auf die Ersatzmaut gleichheitswidrig wäre.

 

Ferner trug der Vertreter des Bw nochmals das Argument vor, dass in § 8 Abs.2 BStMG eine "Meldepflicht" festgelegt sei und der Lenker bzw. der Bw diesen Begriff dahingehend interpretiert habe, dass er eine Funktionsstörung bzw. das Piepsen dem Chef melden müsse. Diese Frage sei verschuldensrelevant. Dies auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in der Mautordnung nähere Bestimmungen über diese Obliegenheit getroffen würden und von einer Melde­pflicht im wörtlichen Sinn im Zusammenhang mit den Obliegenheiten der Maut­ordnung eigentlich nicht gesprochen werden könne.

 

Der Vertreter des Bw beantragte zu eruieren, ob die Aufforderungen zu Leistungen der Ersatzmaut dem Zulassungsbesitzer tatsächlich zugegangen sind. Aus der dem Vertreter des Bw zugeleiteten Korrespondenz des Unabhängigen Verwaltungssenates mit der ASFINAG zog der Vertreter des Bw in einer abschließenden Stellungnahme den Schluss, dass dies nicht der Fall gewesen sei.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Unbestritten steht fest, dass der Bw als Lenker die gegenständlichen Maut­abschnitte zu den vorgeworfenen Tatzeiten benutzte, ohne dass die ent­sprechenden Mautabbuchungen erfolgten. Ursache war nach dem (vom Bw vorgelegten und unbestrittenen Schreiben der ASFINAG) die Sperre der GO-Box infolge der missachteten Tauschaufforderung gemäß Pkt. 5.6.2. der Mautordnung, Teil B. Die Nichtabbuchung zieht gemäß Pkt. 8.2.4.3. der Maut­ordnung viermalige Signaltöne bei Durchquerung der Mautbalken nach sich. Der Bw nahm diese Signaltöne wahr und informierte darüber mehrmals seinen Chef, den Zulassungsbesitzer. Dieser vertröstete den Bw mit dem Hinweis, er werde dafür sorgen, dass dem Bw keine Probleme entstehen und hielt ihn an, weiterhin zu fahren.

 

Damit steht fest, dass der vorgeworfenen Tatbestand in objektiver Hinsicht verwirklicht wurde.

 

Zum Verschulden ist zu bemerken, dass der Bw nach dem Regelungssystem des BStMG die Verantwortung dafür trägt, dass er eine mautpflichtige Strecke nur unter den rechtlich vorgesehenen Voraussetzungen, konkret: mittels einer die Mautabbuchung gewährleisteten GO-Box, benützt. Diese Verantwortung kann der Lenker nicht auf seinen Arbeitgeber überwälzen (geschweige denn, dass bei Situationen wie der gegenständlichen die Strafbarkeit beider entfiele). Wenn der Vertreter des Bw aufgrund des (angeblich) drohenden Jobverlusts auf entschuldigenden Notstand (§ 6 VStG) anspielt, so ist dem entgegenzuhalten, dass mögliche wirtschaftliche Nachteile des in einem Dienstverhältnis stehenden Täters selbst im Falle einer von ihm befürchteten Kündigung bei Nichtbefolgung einer Weisung seines Arbeitgebers keine Notstandssituation zu begründen vermögen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.11.2004, Zl. 2003/03/0297 m.w.N.).

 

Ebenso wenig vermag ein allfälliger Rechtsirrtum den Bw zu entschuldigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es dem Lenker, sich über die Regeln des Straßenverkehrs, einschließlich der Regelungen der Benützung mautpflichtiger Strecken, zu informieren. Dies muss im Besondern für abwegige Interpretationen der einschlägigen Rechtsgrundlagen gelten, wofür die Meinung, mit der Meldung des Auftretens von Signaltönen an den Arbeitgeber den Pflichten des Lenkers nach dem BStMG bzw. der Mautordnung Genüge getan zu haben, ein Beispiel gibt. Auch die Meinung des Lenkers, sein Arbeitgeber werde "alles regeln" (o.ä.) vermag ihn nicht zu entschuldigen.

 

Die Taten sind daher dem Bw auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Als Schuldform ist Fahrlässigkeit infolge Rechtsunkenntnis anzunehmen.

 

Was den Strafausschließungsgrund der Leistung der Ersatzmaut betrifft, ist die Regelung des § 19 Abs.6 BStMG zu beachten, wonach subjektive Rechte auf Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut nicht bestehen. Aus diesem Grund ist es gleichgültig, ob eine solche Aufforderung überhaupt erfolgte und ob sie dem Zulassungsbesitzer zugestellt wurde. Die diesbezügliche Argumentation des Bw geht daher ins Leere. Die Regelung gilt nach ihrem Wortlaut gleichermaßen für den Lenker und den Zulassungsbesitzer – insofern besteht keine "Asymmetrie". Darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Bedenken (insbesondere unter dem Aspekte des Gleichheitssatzes) gegen diese Regelung teilt der UVS nicht.

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin die gesetzliche Mindestgeldstrafe (und eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Mildernd wirken die Unbescholtenheit des Bw sowie der Umstand, dass sein Arbeitgeber nicht nur seine Unerfahrenheit systematisch ausnützte, sondern überdies den beschriebenen Druck auf ihn ausübte. Daher scheint die Anwendung des § 20 VStG und die volle Ausschöpfung des so gewonnenen Strafrahmens vertretbar. Überwiegende Milderungsgründe im Sinne des § 20 VStG sind nicht ersichtlich. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt wäre. Schon die jeweilige einzelne Übertretung erfüllt den deliktstypischen Unrechtsgehalt voll. Umso mehr gilt dies bei geradezu regelmäßiger Deliktsver­wirklichung in einem Zeitraum von rund einer Woche.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Ewald Langeder

 

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