Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281454/4/Kl/TK

Linz, 07.12.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzende Mag. Bismaier, Berichterin Dr. Klempt, Beisitzer Mag. Kühberger) über die Berufung des Herrn x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 30. August 2012, Ge96-25/1-2012, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben und die verhängte Geldstrafe auf 2.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 Tage herabgesetzt. Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßnahme bestätigt, dass in der verletzten Rechtsvorschrift gemäß § 44 a Z 2 VStG das ASchG "i.d.F. BGBl. I Nr. 51/2011" und die BauV "i.d.F. BGBl. II Nr. 33/2012" zu zitieren ist, und bei der Verwaltungsstrafnorm im Sinn des § 44 a Z 3 VStG anstelle der Zitierung "Z 1" der Ausdruck "Einleitung" zu treten hat.

 

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 200 Euro, das sind 10% der herabgesetzten Geldstrafe. Zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 64 und 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 30. August 2012, Ge96-25/1-2012, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 3.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 130 Abs. 5 Z 1 und 118 Abs. 3 ASchG iVm §§ 7 Abs. 1 und Abs. 2 Z 4 sowie Abs. 4 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x in x, zur Vertretung nach außen befugt und somit gem. § 9 VStG für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch dieses Unternehmen strafrechtlich verantwortlich ist.

 

Die x GmbH hat, wie vom Arbeitsinspektor DI x nach einer Unfallerhebung am 19.4.2012 festgestellt hat, am 18.4.2012 (Tatzeit) auf der Baustelle x, x (Tatort) den Arbeitnehmer x mit Elektroinstallationsarbeiten in einer Höhe von ca. 7,5 m ohne Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen beschäftigt, obwohl Absturzgefahr bestand. Bei Absturzgefahr sind gem. der Bauarbeiterschutzverordnung – BauV Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen und war der Arbeitnehmer trotz Fehlens dieser technischen Maßnahmen für die Arbeiten auch nicht gen. § 30 BauV sicher angeseilt. Die x GmbH in x hat daher als Arbeitgeberin nicht dafür gesorgt, dass die notwendigen Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht waren bzw. hat sie die Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung nicht überwacht.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Übertretung im Verantwortungsbereich des Geschäftsführers x liege. Der Nachweis sei der Behörde per E-Mail zugegangen und werde der Vertrag in Kopie beigelegt. In diesem Vertrag sei klar geregelt, dass Herr x für diesen Bereich die Verantwortung habe. Weiters sei Herr x bei der Polizeiinspektion x einvernommen worden. Schließlich wurde die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Ried, wonach Herr x als Verantwortlicher dieses Vorganges behandelt und das Verfahren eingestellt worden sei, beigefügt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

Weil eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer des Oö. Verwaltungssenates, zusammengesetzt aus drei Mitgliedern, zur Entscheidung berufen.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Da in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurde und eine öffentliche mündliche Verhandlung trotz Hinweis und Einräumung des Parteiengehörs vom Berufungswerber nicht beantragt wurde, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 51 e Abs. 3 Z 1 VStG unterbleiben.

 

4. Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

 

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in x. Als weiterer handelsrechtlicher Geschäftsführer ist Herr x bestellt. Mit dem GmbH-Geschäftsführervertrag, datiert mit 12.4.2011, wird Herr x mit Wirkung ab dem 16.4.2011 als Geschäftsführer der Gesellschaft angestellt. Gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrages wird dem bestellten Geschäftsführer das Ressort technische Leitung übertragen. Gemäß § 6 Abs. 2 des Vertrages "(Pflichten und Verantwortlichkeit des Geschäftsführers) nimmt der Geschäftsführer die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers sowohl in sozialversicherungs- und steuerrechtlicher als auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht wahr."

 

Am 18.4.2012 war der Arbeitnehmer x auf der Baustelle x, x, mit Elektroinstallationsarbeiten in einer Höhe von ca. 7,5 m ohne Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen beschäftigt. Er war auch nicht angeseilt.

Die Arbeitnehmer sind auf Sicherheitsbestimmungen geschult. Auch wurden sie hinsichtlich der Benutzung des Fangschutzes hingewiesen. Eine Kontrolle durch den Berufungswerber auf der Baustelle ist nicht erfolgt. Es ist ihm nicht möglich auf jeder Baustelle die Mitarbeiter zu überwachen.

Der Berufungswerber verfügt über ein Geschäftsführergehalt von netto 3.200 Euro und ist sorgepflichtig für seine Gattin.

 

Dieser Sachverhalt steht aufgrund der Angaben des Berufungswerbers sowie der Unfallserhebung des Arbeitsinspektorates am 19.4.2012 fest.

Hinsichtlich der Verantwortlichkeit wurde ein Firmenbuchauszug und ein GmbH-Geschäftsführervertrag vorgelegt.

Weiters liegt ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Ried vom 30. August 2012, 30 BAZ 712/12b-1, vor, wonach das Verfahren gegen Herrn x gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt wurde.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Gemäß § 118 Abs. 3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 7 Abs. 1 BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

Gemäß § 7 Abs. 2 Z 4 BauV liegt Absturzgefahr an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe vor.

Gemäß § 7 Abs. 4 BauV kann die Anbringung von Absturzsicherungen (§ 8) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) entfallen, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer entsprechend § 30 sicher angeseilt sein.

 

Im Grunde des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes ist daher der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt. Die Absturzhöhe beträgt mehr als 2 m und waren keine technischen Schutzmaßnahmen vorhanden. Auch war der Arbeitnehmer nicht mit persönlicher Schutzausrüstung angeseilt. Der Sachverhalt blieb auch unbestritten.

Nach dem vorliegenden Firmenbuchauszug ist der Berufungswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer bestellt. Es liegt daher eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers vor. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift durch juristische Personen, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Wenn hingegen der Berufungswerber einwendet, dass ein weiterer handelsrechtlicher Geschäftsführer bestellt ist, welcher auch in seinem Aufgabenbereich die technische Leitung inne hat, so ist ihm die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach jeden der zur Vertretung nach außen Berufenen die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung trifft (VwGH vom 14.12.1994, 94/03/0138 sowie vom 4.7.2001, 2001/17/0034). Eine bloß interne Aufgaben- und Verantwortungsaufteilung ist irrelevant (VwGH vom 5.9.1997, 97/02/0235, vom 5.9.2002, 98/070220, vom 14.9.2001, 2000/02/02281 und vom 8.9.2004, 2002/03/0307). Sind daher wie im gegenständlichen Fall zwei handelsrechtliche Geschäftsführer bestellt und namhaft gemacht, so ist die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit jedes Geschäftsführers grundsätzlich gegeben.

Wenn hingegen der Berufungswerber auf den GmbH-Geschäftsführervertrag verweist, so scheint in diesem eine Aufgabenaufteilung auf. Auch ist diesem zu entnehmen, dass der mit Vertrag angestellte Geschäftsführer in arbeitsrechtlicher Hinsicht die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers wahrnimmt. Im Hinblick auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG ist jedoch auszuführen, dass einerseits im Geschäftsführervertrag nicht ausdrücklich zu entnehmen ist, dass ein verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Beauftragter mit diesem Geschäftsführervertrag bestellt werden soll. Ein vertraglich begründetes Angestelltenverhältnis wie es der Geschäftsführervertrag darstellt samt Umschreibung des Tätigkeitbereiches allein ist aber nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht als Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten mit der Konsequenz des Überganges der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit zu sehen. Darüber hinaus ist aber wesentlich, dass für den Bereich des Arbeitnehmerschutzes § 23 Arbeitsinspektionsgesetz – ArbIG vorsieht, dass die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten erst mit Einlagen der Mitteilung über die Bestellung an das zuständige Arbeitsinspektorat wirksam wird. Eine solche Mitteilung an das zuständige Arbeitsinspektorat gemäß § 23 ArbIG ist nicht erfolgt und wurde auch nicht vom Berufungswerber geltend gemacht (vgl. insbesondere einen gleichgelagerten Fall zu VwGH vom 21.8.2008, Zlen. 2007/02/0167 und 2007/02/0168-6). Es kann daher nicht von einer wirksamen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten ausgegangen werden. Es war daher die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers gegeben.

 

5.2.         Der Berufungswerber macht mangelndes Verschulden geltend, weil sein weiterer handelsrechtlicher Geschäftsführer für die technische Leitung und daher für die Baustelle zuständig ist.

Dieses Vorbringen kann den Berufungswerber nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht entlasten. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann nicht jedes Vorstandsmitglied darauf vertrauen, dass die jeweils anderen Mitglieder ihre sich nach der internen Aufteilung ergebenden Pflichten ordnungsgemäß wahrnehmen. Richtig ist, dass jede der mehreren jeweils zur Vertretung nach außen berufenen physischen Personen die Verantwortung nur insoweit trifft, als ihr ein Verschulden zur Last fällt. Der Berufungswerber hätte im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG ein entsprechendes Vorbringen im Verfahren zu erstatten gehabt, das ihn an den verfahrensgegenständlichen Übertretungen kein Verschulden trifft (VwGH vom 8.9.2004, 2002/03/0307). Insbesondere hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.6.1996, 96/97/097, dargelegt, dass ein Vorstandsmitglied gerade dann, wenn das nach der internen Geschäftsverteilung im Vorstand für die Einhaltung der Vorschriften zuständige Vorstandsmitglied den zum Anlass der Bestrafung genommenen Misstand trotz entsprechender Mahnungen und Erinnerungen durch die zuständige Behörde durch 4 Jahre hindurch nicht abstellt, zu einer Kontrolle dieses anderen Vorstandsmitgliedes verpflichtet ist. Der bloße Rückzug auf eine interne Unzuständigkeit ohne jegliches weiteres Vorbringen stellt ein zur Entlastung im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG untaugliches Argument dar. Insbesondere sprach der VwGH aus, dass Auswahl und Überwachung auch zwischen Ehegatten, die juristisch geschult sind, erforderlich ist (z.B. VwGH 10.12.1996, 96/04/0154, 0155).

Der Berufungswerber hat lediglich auf die Zuständigkeit des weiteren handelsrechtlichen Geschäftsführers hingewiesen. Er macht auch geltend, dass er die Baustelle nicht kontrolliert hat bzw. es nicht möglich ist, dass sämtliche Baustellen von den Geschäftsführern kontrolliert werden. Er verweist auf Schulungen des Arbeitnehmers und auch auf den Hinweis bei der Baustelle den Fangschutz zu benutzen. Dies ist nicht ausreichend, um ein lückenloses Kontrollsystem aufzuzeigen.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Der Berufungswerber bringt weder eine Kontrolle noch Berichtspflicht gegenüber dem weiteren handelsrechtlichen Geschäftsführer im Hinblick auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen vor, noch führt der Berufungswerber selbst Kontrollen auf der Baustelle durch. Es fehlt daher schon an einem geeigneten Vorbringen des Berufungswerbers zu seiner Entlastung. Auch wurden keine weiteren Beweise geltend gemacht. So hat der Verwaltungsgerichtshof auch in seinem Erkenntnis vom 23.3.2012, 2010/02/0263 ausgeführt, dass das entsprechende Kontrollsystem auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen hat. Es kann daher kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten. Auch in der Beschwerde wird kein Vorbringen erstattet, welche wirksame Kontrolle über die Erteilung von Weisungen hinaus erfolgte.

Es war daher auch vom Verschulden des Berufungswerbers, nämlich zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat im Rahmen der objektiven Strafbemessungsgründe auf die erhebliche Verletzung des Schutzzweckes der Norm hingewiesen und auch die eingetretenen nachteiligen Folgen durch den Arbeitsunfall berücksichtigt. Sie hat als Strafbemessung die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers, nämlich ein monatliches Nettoeinkommen von 3.200 Euro, kein Vermögen und die Sorgepflicht für die Gattin zugrunde gelegt. Besondere Milderungsgründe hat sie nicht berücksichtigt.

Die persönlichen Verhältnisse stimmen mit den Angaben des Berufungswerbers überein. Besondere Milderungsgründe wurden vom Berufungswerber auch in seiner Berufung nicht vorgebracht. Allerdings liegen im erstbehördlichen Akt keine Verwaltungsvorstrafen vor. Es war daher die Unbescholtenheit als Milderungsgrund zu werten. Hingegen war – wie die belangte Behörde zu Recht ausführte – die nachteilige Folge durch die schwere Verletzung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Es war daher mit einer angemessenen Strafe vorzugehen. Diese ist im Hinblick auf das überdurchschnittliche Einkommen des Berufungswerbers nicht als überhöht zu werten, zumal sie nicht einmal ein Drittel des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens ausmacht. Sie war aber im Hinblick auf die besondere Gefährdung des Arbeitnehmers, dies insbesondere im Grunde der hohen Absturzhöhe, erforderlich, um den Berufungswerber zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuleiten und ihn vor einer weiteren Tatbegehung abzuschrecken. Auch war sie erforderlich, um den Berufungswerber dahin zu bewegen, in seinem Betrieb eine entsprechende Organisation einzurichten, dass den Anforderungen an ein Kontrollsystem entsprochen wird und in Hinkunft eine weitere Tatbegehung ausgeschlossen ist. Im übrigen war aber neben der Unbescholtenheit wesentlich zu berücksichtigen, dass das Unternehmen im Aufbau ist, der Berufungswerber im Unternehmen selbst nicht für die technische Leitung zuständig ist und sein Verschulden nur in der mangelnden Überwachung des zuständigen (anderen) Geschäftsführers liegt. Es kann daher mit dem nunmehr festgesetzten Strafausmaß das Auslangen gefunden werden.

 

6. Weil die Berufung teilweise Erfolg hatte, entfällt ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 65 VStG. Der Kostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 10% der verhängten Geldstrafe, das sind 200 Euro (§ 64 VStG).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bismaier

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem, Verantwortlicher Beauftragter, Verschulden, mehrere Geschäftsführer

 

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