Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-531294/49/BMa/Ba

Linz, 27.11.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der P L GmbH, vertreten durch S, C & Partner Rechtsanwälte GmbH, W, gegen Spruchpunkt I. und III. des Bescheids des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 17. Juli 2012, Ge20-5006/19-2012, mit dem der P L GmbH auf Basis von vorgelegten Unterlagen für die Anpassung der Vorbehandlungsbäder der Großteileanlage an den Stand der Technik Maßnahmen auf der Grundlage des § 81b Abs.1 iVm § 81c und Anlage 3 der Gewerbeordnung 1994, BGBl.Nr. 194/1994 idgF und Verfahrenskosten vorgeschrieben wurden, betreffend die Betriebsanlage im Standort X, Gemeinde Vorchdorf, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und Spruchpunkt I. und III. des Bescheids vom 17. Juli 2012, Ge20-5006/19-2012, die Anordnung von Anpassungsmaßnahmen an den Stand der Technik und die Vorschreibung von Verfahrenskosten, werden aufgehoben.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a, 67d Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF BGBl. I Nr. 100/2011 sowie §§ 77 und 78 iVm § 76 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 100/2011


Entscheidungsgründe:

1.1. Der Bezirkshauptmann von Gmunden hat mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 17. Juli 2012, Ge20-5006/19-2012, der P L GmbH durch Anordnung Anpassungs­maßnahmen an den Stand der Technik betreffend Wirkbäder für Großteile in der Halle "Großteileanlage" vorgeschrieben, weil trotz eines in der Gewerbeordnung verankerten Übergangsdatums bis zum 31. Oktober 2007 bis zum heutigen Tag dieser Anlagenteil noch nicht dem Stand der Technik angepasst worden sei. Den Anpassungsmaßnahmen zugrunde gelegt wurde ein "Angebot Nr. 66112A der I GMBH vom 2. Mai 2012 – Wäscher und Wandeinhausung", welches von der P L GmbH der Behörde vorgelegt wurde.

Mit Spruchpunkt III dieses Bescheides wurden Verfahrenskosten für das erstinstanzliche Verfahren vorgeschrieben.

 

1.2. Der Spruchpunkt II. dieses Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid im Interesse des öffentlichen Wohls wegen Gefahr in Verzug  auf der Grundlage des § 64 Abs.2 AVG ausgeschlossen wurde, wurde mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats vom 25. September 2012 aufgehoben.

Diese Entscheidung stützt sich im Wesentlichen darauf, dass mit Urteil des EuGH vom 24. Mai 2012, C-352/11, die Verletzung der Verpflichtung der Republik Österreich festgestellt wurde, weil gegen die Verpflichtung aus Art. 5 Abs.1 der Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 15. Jänner 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung verstoßen worden sei und im Zuge des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zwar der BAT-konforme, also der  richtlinienkonforme Betrieb festgestellt wurde, jedoch ebenso zu Tage getreten sei, dass die Anlage nicht dem "Stand der Technik" nach der Österreichischen Rechtsordnung entsprechen würde.

 

So ist der Anpassungspflicht gemäß der Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 15. Jänner 2008 über die integrierte Vermeidung und Ver­minderung der Umweltverschmutzung ein anderer Maßstab zugrunde zu legen, als jenem der in § 81c GewO iVm § 71a Abs.1 GewO definiert wurde, wonach die österreichische Terminologie und Begrifflichkeit auf den "Stand der Technik" abstellt. Denn im österreichischen Anlagenrecht wird an der Einheitlich­keit der Technikklausel festgehalten und weiterhin auf den Begriff "Stand der Technik" aufgebaut. Die bisherige Definition wurde jedoch mit der GewRNov 2000 durch die Verhältnismäßigkeitsklausel ergänzt.

 

(In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass auch Art. 5 der Richtlinie 2008/1/EG (Genehmigungsauflagen für bestehende Anlagen) darauf abstellt, dass angemessen (Hervorhebung nicht im Original) durch Aktualisierung der Auflagen dafür zu sorgen ist, dass bestehende Anlagen … spätestens am 30. Oktober 2007 in Übereinstimmung mit den Anforderungen der in dieser Richtlinie genannten Artikel betrieben werden.

Daraus ist ersichtlich, dass dem Verhältnismäßigkeits­gebot im österreichischen Recht die Prüfung der Angemessenheit auf EU-Ebene korrespon­dierend gegenüber steht, also sowohl nach den europäischen Vorgaben als auch nach österreichischem Recht eine Interessensabwägung stattzufinden hat.

Im aktuellen Verfahren erübrigt sich jedoch eine Auseinandersetzung mit der Begrifflichkeit "angemessen", wurde die EU-Konformität doch – wie bereits im Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats vom 25. September 2012 dargetan - festgestellt.)

 

2. Am 8. Oktober 2012 wurde in Vorchdorf eine mündliche Verhandlung mit Lokalaugenschein durchge­führt, zu der Vertreter der P L GmbH, auch in rechtsfreundlicher Vertretung, ein Vertreter der belangten Behörde und ein Vertreter des Arbeits­inspektorats für den 18. Aufsichtsbezirk gekommen sind. Als Sachverständige haben eine Amtssachverständige für Chemie und Luftreinhaltung und ein Amtssachver­ständiger für Maschinenbautechnik und Anlagensicherheit teilgenommen.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgende Feststellungen liegen der Beurteilung zugrunde:

 

3.1.1. Die Amtssachverständige für Chemie und Luftreinhaltung hat unter Zugrundelegung der Feststellung, dass die HCl-Bäder nicht beheizt sind, folgende sachverständige Äußerung abgegeben:

"Im Zuge der heutigen Verhandlung wurde ein Messbericht für Gefahrstoffe erstellt vom Arbeitsinspektorat datiert mit 30.03.2006 vorgelegt. Darin werden im Bereich der Wirkbäder Messwerte für Chlorwasserstoff (ermittelt mit Prüfröhrchen Salzsäure 1/a der Firma Dräger) im Bereich von 1 bis 2 ppm ausgewiesen. Damit wird der in Österreich geltende MAK-Wert, der Stand der Technik ist, von 8 mg/m³ (= 5 ppm) eingehalten. Der vorgelegte Messbericht ist plausibel und konnte im Zuge des heutigen Lokalaugenscheines festgestellt werden, dass die ausgewiesenen Messwerte jedenfalls nachvollziehbar sind.

 

Im Zuge der Verhandlung wurde vom Arbeitsinspektorat ein weiterer Messbericht vom 19.09.1996, von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt vorgelegt. Auch darin wird eine Chlorwasserstoffkonzentration < 0,7 mg/m³ ausgewiesen, was weniger als 1/10 des Grenzwertes bedeutet.

 

Die zur Beurteilung herangezogenen BAT-Dokumente sehen als Stand der Technik den Nachweis über die BAD-Parameter vor. Zum derzeitigen Zeitpunkt wird die Temperatur nicht gemessen, sondern bei den Beizbädern nur die Eisen- und Säurekonzentration 1x monatlich. In diese Aufzeichnungen wurde im Zuge des Lokalaugenscheines Einsicht genommen und wurde vereinbart, zukünftig auch die BAD-Temperatur mit aufzuzeichnen.

 

Weil die Einhaltung des Stands der Technik sich ausschließlich auf den Arbeitnehmerschutz auswirken würde, so halten sich im Bereich der Bäder keine Kunden oder Nachbarn auf, wird von Seiten des Arbeitsinspektorats darauf hingewiesen, dass die Einhaltung der MAK-Werte das wesentliche Kriterium des Arbeitnehmerschutzes ist. Im konkreten Fall werden die geforderten Werte aber um ca. ein Zehnfaches unterschritten, sodass von Seiten des Arbeitsinspektorats keine Forderungen zur Verbesserung der Anlage gestellt werden."

 

3.1.2. Zur Frage, ob die mit Bescheid vom 17. Juli 2012 vorgeschriebene Forderung zur Anpassung an den Stand der Technik nach Durchführung des nunmehrigen Ermittlungsverfahrens aus technischer Sicht aufrecht erhalten wird, gibt die Amtssachverständige an:

 

"Betreffend die Aussage zur BAT-Konformität der verfahrensgegenständlichen Anlage wird auf die Ausführungen in der Niederschrift vom 14. September verwiesen, wonach die BAT-Konformität eindeutig gegeben ist. Gleichzeitig wurde damals auch ausgeführt, dass die Errichtung von Neuanlagen ohne Einhausung und Absaugung jedenfalls nicht dem österreichischen Stand der Technik entsprechen würde.

Begründung: Der Gehalt an Chlorwasserstoff in der Gasphase über einer Salzsäure-Beize ist temperaturabhängig und abhängig von der Konzentration der Beize. Der Grenzwert von 10 mg/m³ wird erfahrungsgemäß nicht überschritten, wenn der Betriebspunkt (Temperatur und Massenkonzentration an HCl) des Bades innerhalb des gestrichelten Feldes der Grenzkurve für Salzsäurebäder liegt. Ist die Einhaltung des Grenzwertes nicht sichergestellt, so ist eine Erfassung und Behandlung der Emissionen erforderlich. So ist zB. bei einer BAD-Konzentration von 15 % HCl und einer Temperatur von 21° diese Bedingung nicht mehr erfüllt. (Literatur: BAT-Dokument Eisenverarbeitung bzw. VDI 2579 vom Mai 2008) Durch Einhausung und Absaugung der Beizbäder ist dann jedenfalls sichergestellt, dass in jedem einzelnen Betriebszustand diese Bedingungen eingehalten werden. Bei der gegenständlichen Alt-Anlage ist diese Einhaltung nicht in jedem einzelnen Betriebszustand gewährleistet."

 

3.1.3. Zum Nutzen der mit dem bekämpften Bescheid vorgeschriebenen Absauganlage wurde im Wesentlichen folgendes festgestellt:

 "Der Nutzen, der sich bei einer Reduktion des Richtwertes für die Notwendigkeit einer Absaugung von 15 auf 12 % ergeben würde, ist eine zusätzliche Sicherheit zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren. Zusätzlich würde dies zu einer Verringerung der Korrosion von Anlagenteilen und damit zu einer höheren Anlagensicherheit führen." (1 Absatz auf  Seite 4 der Niederschrift vom 14. September 2012)

"Der Nutzen, der sich durch die projektierte Anlage ergibt, wurde bereits in der Niederschrift vom 14.09.2012, Seite 4, 1. Absatz, dargestellt, wonach dies lediglich zu einer Reduktion der HCl-Konzentration und damit einer weiteren Reduktion der Arbeitsplatzkonzentrationen, die aber ohnehin die geforderten Werte um ca. ein Zehnfaches unterschreiten, führen. Eine Beeinträchtigung von Nachbarn ist von vornherein ausgeschlossen."

 

"Die nunmehr projektierte Absaugung (Projekt vom 2.5.2012 "Angebot Nr. 66112A der I GmbH") würde die entstehenden Dämpfe nur teilweise absaugen. Aus den vorliegenden Unterlagen geht auch nicht hervor, ob durch diese Absauganlage, die aus technischer Sicht nicht primär zu präferieren ist, überhaupt ein vermehrter Schutz der Arbeitnehmer sich ergeben würde. Zur Randabsaugung oder Einhausung wird ergänzend ausgeführt, dass dies den Charakter der derzeit bestehenden Bäder wesentlich ändern würde, weil damit die Produktion von einer durch einen Kran manipulierten auf eine halb- oder vollautomatische Anlage umzustellen wäre." (Seite 4, 2 Absatz der Niederschrift vom 14. September 2012)

 

"Die Aussage, dass die projektierte Absauganlage aus technischer Sicht nicht primär zu präferieren sei, ist so zu verstehen, dass es keine sinnvolle Variante für den Umbau dieser Anlage gibt und auch die projektierte Anlage mit massiven Nachteilen insbesondere auch für den Arbeitnehmerschutz verbunden wäre."

 

3.1.4. Dazu hat der Vertreter des Arbeitsinspektorats angegeben:

"Die ohnehin eingehaltenen MAK-Werte würden durch die Randabsaugung bzw. Einhausung noch weiter reduziert werden. Demgegenüber würde sich aber der Bedarf der vorgewärmten Zuluft ergeben, da ohne Vorwärmung die Raumtemperatur wesentlich absinken würde und dies dann zu Problemen mit dem Arbeitnehmerschutz führen würde, müssten die Arbeiter doch bei Temperaturen von mehr als -15°C ihre Arbeit in der Halle verrichten. Zum konkreten Projekt müsste das Arbeitsinspektorat die Forderung der vorgewärmten Zuluft erheben. Dies würde jedoch eine Ergänzung des Projekts um einen wesentlichen Anlagenteil bedingen."

 

3.1.5. Von Sachverständigenseite wird zur Frage, ob es eine technische Möglichkeit gibt, mit geringerem Aufwand als die vorgeschriebene Anlage zu dem Erfolg zu kommen, um den österreichischen Stand der Technik einzuhalten, angegeben:

 

"Es ist jedenfalls ein Projekt erforderlich, mit dem eine Randabsaugung dargestellt wird. Jede Einhausung die aber erforderlich wäre, würde den Charakter der Anlage ändern."

 

3.1.6. Zu den Kosten, die sich bei Realisierung der mit dem bekämpften Bescheid angeordneten Maßnahmen ergeben würden, werden folgende Feststellungen getroffen:

Die Investitionskosten für die vorgeschriebene Absaugung betragen 375.000 Euro bis 400.000 Euro (Angebot Nr. 66112A der I GmbH vom 02.05.2012). Die Angabe dieser Kosten ist plausibel (Seite 4 der Beilage zur Niederschrift vom 8. Oktober 2012). Dazu kommt ein Kostenaufwand (laut Bw zwischen 400.000 Euro und 600.000 Euro) für die Anschaffung der bei Errichtung der mit dem bekämpften Bescheid vorgeschriebenen Absauganlage notwendigen Zuluftanlage für die Produktionshalle (Kostenaufstellung für die Zuluftanlage für die Produktionshalle der X GesmbH vom 9. Oktober). Die Plausibilität dieser Kosten wurde von amtssachverständiger Seite nicht bestätigt. Es wurden auch keine Angaben gemacht, aus welchem Grund die Plausibilität der für diesen notwendigen zusätzlichen Anlagenteil entstehenden Kosten nicht beurteilt werden konnte (Mailverkehr insbes. vom 18. und 19. Oktober 2012 sowie 12. und 13. November 2012).

Die notwendigen finanziellen Aufwendungen könnten zum derzeitigen Zeitpunkt die Fortführung der betrieblichen Aktivitäten gefährden und stellen eine existentielle Bedrohung für die L GmbH dar (Stellungnahme des Steuerberaters Mag. D vom 21. September 2012 und Seite 5 der Niederschrift vom 8. Oktober 2012).

 

3.1.7. Vom Unabhängigen Verwaltungssenat wurden zum Kriterium "Stand der Technik" aufgrund der amtssachverständigen Aussage in der niederschriftlichen Befragung am 14. September 2012, die wie folgt lautet,

"Der Stand der Technik nach österreichischem Recht wird beurteilt aufgrund des Referenzdokuments für die Oberflächentechnik, verfasst von der ARGE OBERFLÄCHENTECHNIK. Die aktuelle Fassung hat den Stand April 2008.

In diesem Regelwerk wird auf Seite 107 ausgeführt, "..... Bei Konzentrationen über 120 g/l HCl wird der Dampfdruck so groß, dass HCl-Gas entweicht und abgesaugt werden muss.

........

 

Konkretisiert bedeutet dies, dass die Differenz gemäß BAT-Dokument von 15 % gegenüber dem in Österreich geforderten Wert von  ca. 12 % (in der Österreichischen Richtlinie ist auch nicht definiert, ob es sich hiebei um einen Mittel- oder Spitzenwert handelt) lediglich eine geringe Differenz darstellt."

 

weitere Erhebungen getätigt, ob

1.) von der Arge Oberflächentechnik angegeben werden kann, ob der genannte Wert von 12 % einen Spitzen- oder Mittelwert darstellt und

2.) Welcher Wert von der  Arge Oberflächentechnik aktuell als österreichischer Stand der Technik angesehen wird.

 

Mit Mail vom 20. November 2012 wurde vom Leiter des Arbeitskreises Technik & Umwelt, Arbeitsgemeinschaft Oberflächentechnik (AOT), Wien, dazu wie folgt Stellung genommen:

 

"Einleitend dürfen wir festhalten, dass es sich beim Referenzdokument für die Oberflächentechnik, verfasst von der ARGE Oberflächentechnik, Stand: April 2008, um einen branchenspezifischen Leitfaden handelt, mit dem versucht wurde, einen Stand der Technik vereinfacht und verkürzt darzustellen. Eine normative Wirkung dieses Referenzdokumentes für die Oberflächentechnik war von uns nicht vorgesehen. Das Referenzdokument kann aus unserer Sicht nicht mit öffentlich verlautbarten Rechtsdokumenten wie Gesetzen oder Verordnungen verglichen werden.   

 

Zu Ihrer Anfrage: Der aktuelle Stand der Technik bei IPPC-Anlagen wird in den europäischen BAT-Dokumenten ("best available techniques"), veröffentlicht von der Europäischen Kommission, festgelegt. Diese werden laufend aktualisiert. In unserem Referenzdokument haben wir auf den Seiten 12 und 13 ausdrücklich darauf hingewiesen. Besonders relevant für die Oberflächentechnik sind die beiden BAT-Dokumente "Ferrous Metals Processing Industry" und "Surface Treatment of Metals and Plastics". Wir dürfen darauf hinweisen, dass das BAT-Dokument "Ferrous Metals Processing Industry" gerade überarbeitet wird.   

 

Wir haben versucht, mit unserem Referenzdokument eine verständliche und einfach handhabbare Unterlage zu erstellen, wobei auf Grund der hohen Komplexität der Materie nicht auf alle Aspekte und Details eingegangen werden konnte. Im vorliegenden Referenzdokument wird auf der Seite 107 in einer nicht vollständigen Aufzählung von möglichen Emissionen, unter anderem Salzsäure in einer Konzentration von 120g/l HCl erwähnt. Auf die Erwähnung näherer technischer Parameter, wie z.B. die Temperatur oder die Beschreibung der möglichen Zugabe von anderen Hilfsstoffen, welche den Dampfdruck deutlich verändern können, musste verzichtet werden, da diese den Rahmen dieses Referenzdokumentes bei weitem sprengen würden.

 

Besonders relevant für die Beurteilung des aktuellen Sachverhaltes sind aus unserer Sicht wie in Kapitel 2.3 des Referenzdokumentes erwähnt die MAK- und TRK-Werte."

(Die Technische Richtkonzentration (TRK-Wert) wurde für krebserzeugende, -verdächtige und erbgutverändernde Stoffe angegeben, für die kein MAK-Wert angegeben werden darf – Wikipädia 23.11.2012. Im konkreten Fall wurden aber MAK-Werte angegeben, sodass TRK-Werten keine Relevanz zukommt, diese wurden von den Amtssachverständigen auch gegenständlich nicht thematisiert).

3.2. Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den schlüssigen und nachvollziehbaren Aussagen der Sachverständigen in der niederschriftlichen Befragung am 14. September 2012 und der mündlichen Verhandlung am 8. Oktober 2012, sowie den ergänzenden Erhebungen durch den Unabhängigen Verwaltungssenat.

Die Einräumung eines Parteiengehörs zu den nach der mündlichen Verhandlung vom Unabhängigen Verwaltungssenat getätigten Erhebungen konnte unterbleiben, weil diese nur der Klarstellung des Sachverhalts gedient haben und für keine der Parteien nachteilige Aspekte beinhalten.

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

3.3.1. Gemäß § 81c GewO 1994 müssen bestehende in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlagen den Anforderungen des § 77a bis spätestens 31. Oktober 2007 entsprechen. Als bestehend gilt eine in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlage, wenn sie vor Ablauf des 31. Oktober 1999 rechtskräftig genehmigt wurde oder ein Genehmigungsverfahren am 31. Oktober 1999 anhängig war und die Betriebsanlage bis zum 31. Oktober 2000 in Betrieb genommen wurde. § 81b Abs.1 und Abs.3 gilt sinngemäß.

 

Nach § 81b Abs.1 GewO 1994 hat der Inhaber einer in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführten Betriebsanlage jeweils innerhalb einer Frist von 10 Jahren zu prüfen, ob sich der seine Betriebsanlage betreffende Stand der Technik (§ 71a) wesentlich geändert hat und gegebenenfalls unverzüglich die erforderlichen wirtschaftlich verhältnismäßigen (Abs.2 Z1) Anpassungs­maßnahmen zu treffen. ... § 81a bleibt unberührt. Hat der Betriebsan­lageninhaber Maßnahme im Sinne des ersten Satzes nicht ausreichend getroffen, so hat die Behörde entsprechende Maßnahmen mit Bescheid anzuordnen. § 81a ist auf die Durchführung solcher behördlich angeordneter Maßnahmen nicht anzuwenden.

 

Gemäß Abs.3 leg.cit. hat die Behörde § 79 Abs.3 sinngemäß anzuwenden, wenn die gemäß Abs.1 oder 2 vorzuschreibenden Maßnahmen eine in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführten Betriebsanlage in ihrem Wesen verändern.

 

Der Stand der Technik im Sinne des § 71a GewO 1994 ist der auf den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen, Bau- oder Betriebsweisen, deren Funktionstüchtigkeit erprobt und erwiesen ist. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere jene vergleichbare Verfahren, Einrichtungen, Bau- oder Betriebsweisen heranzuziehen, welche am wirksamsten zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus insgesamt sind; weiters sind unter Beachtung der sich aus einer bestimmten Maßnahme ergebenden Kosten und ihres Nutzens und des Grundsatzes der Vorsorge und der Vorbeugung im Allgemeinen, wie auch im Einzelfall die Kriterien der Anlage 6 zu diesem Bundesgesetz zu berücksichtigten.

 

3.3.2.1. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, wäre der Nutzen der Realisierung der mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Anlage eine zusätzliche Sicherheit zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren. Zusätzlich würde dies zu einer Verringerung der Korrosion von Anlagenteilen und damit zu einer höheren Anlagensicherheit führen. Anders ausgedrückt würde dies zu einer Reduktion der HCl-Konzentration und damit zu einer weiteren Reduktion der Arbeitsplatzkonzentrationen, die aber ohnehin die geforderten Werte um ca. ein 10-faches unterschreiten, führen. Eine Beeinträchtigung von Nachbarn ist von vornherein ausgeschlossen.

Dem gegenüber steht, dass die entstehenden Dämpfe durch die nunmehr projektierte Absaugung nur teilweise abgesaugt werden würden. Fraglich ist auch, ob sich überhaupt ein vermehrter Schutz der Arbeitnehmer durch die Realisierung des Projekts ergeben würde. Zwar würden durch die Randabsaugung die ohnehin eingehaltenen MAK-Werte noch weiter reduziert werden, es würde sich aber ein Bedarf der vorgewärmten Zuluft ergeben und damit wäre die projektierte Absaugung durch ein Zuluftprojekt zu ergänzen.

Das vorliegende Projekt würde überdies den Charakter der derzeit bestehenden Bäder wesentlich ändern, weil damit die Produktion von einer durch einen Kran manipulierten auf eine halb- oder vollautomatische Anlage umzustellen wäre.

 

Diesem Nutzen, nämlich der Reduktion von bereits ohnehin eingehaltenen MAK-Grenzwerten, steht der Aufwand der Realisierung eines Anlagenteiles gegenüber, der die Betriebsanlage in ihrem Wesen verändern würde und mit einem Kostenaufwand von zumindest 375.000 Euro (möglicherweise sogar bis zu 1.000.000 Euro) verbunden wäre. Dieser Investitionsaufwand jedoch würde zum jetzigen Zeitpunkt die Fortführung der betrieblichen Aktivitäten gefährden und eine existenzielle Bedrohung für die L GmbH darstellen.

Daraus aber ergibt sich - ist doch für jeden einsichtig, dass eine Investition, die den Fortbetrieb einer Anlage gefährdet, für den Betrieb dieser, insbesonders weil keine Gefährdungen oder Belästigungen von dieser ausgehen und die Anlage BAT-konform ist, unangemessen ist - dass die Verhältnismäßigkeit, die in einem Verfahren gemäß § 81c unter sinngemäßer Anwendung des § 81b Abs.1 und Abs.2 Z1 zu berücksichtigen ist, bei der Realisierung der unter Spruchpunkt 1 des bekämpften Bescheids angeordneten Anlage zu verneinen ist. Bereits aus diesem Grund war der angefochtene Spruchpunkt 1 des Bescheids des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 17. Juli 2012 aufzuheben.

 

3.3.2.2. Die projektierte Absauganlage ist zudem aus technischer Sicht nicht primär zu präferieren, so gibt es keine sinnvolle Variante für den Umbau dieser Anlage, es wäre jedenfalls ein Projekt erforderlich, mit dem eine Randabsaugung dargestellt würde. Jede Einhausung aber, die erforderlich wäre, würde den Charakter der Anlage und damit deren Wesen ändern.

Gemäß § §81b Abs. 3 GewO 1994 hat die Behörde § 79 Abs. 3 sinngemäß anzuwenden, wenn die gemäß Abs. 1 oder 2 vorzuschreibenden Maßnahmen eine in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändern würde.

Die Vorlage eines Sanierungskonzepts gem. § 79 Abs.3 GewO ist der Erlassung des nunmehr bekämpften Bescheids aber nicht vorangegangen, sodass dieser auch aus diesem Grund aufzuheben ist.

 

3.3.2.3. Überdies ist zu erwägen, dass von der Amtssachverständigen zwar ein Anpassungsbedarf an den Stand der Technik gem. § 71a GewO 1994 idgF festgestellt wurde, weil die Einhaltung des Grenzwertes 10 mg/m3 HCl nicht in jedem einzelnen Betriebszustand gewährleistet ist.

Von der AOT werden als besonders relevant zur Beurteilung eines Sachverhalts die MAK-Werte angesehen.

 

Daraus aber ist ersichtlich, dass von Expertenseite unterschiedliche Zugänge zur Definition des Stand der Technik nach § 71a GewO 1994 idgF bestehen.

 

Gegenständlich wird der von der AOT (Stellungnahme vom 20. November 2012) als maßgeblich angesehene MAK-Wert um ca. das Zehnfache unterschritten (Seite 2 der Beilage zur Niederschrift vom 8. Oktober 2012) und die BAT-Konformität der Anlage ist ohnehin unbestritten (Seite 3 der Beilage zur Niederschrift vom 8. Oktober 2012 mit Hinweis auf die Niederschrift vom 14. September 2012), dennoch besteht nach Ansicht der Amtssachverständigen ein Anpassungsbedarf, weil der Grenzwert von 10 mg/m3 HCl nicht in jedem Betriebszustand eingehalten wird.

 

Diese Rechtsunsicherheit aber kann der Anlagenbetreiberin nicht zur Last gelegt werden, sodass bis zur Klarstellung der maßgeblichen Parameter zur Bestimmung des Stands der Technik nach österreichischem Recht zugunsten der Berufungswerberin davon auszugehen ist, dass die Anlage auch dem Stand der Technik gem. § 71a GewO 1994 idgF entspricht.

 

Aus all diesen Gründen war Spruchpunkt I. des Bescheids vom 17. Juli 2012, Ge20-5006/19-2012, aufzuheben.

 

3.3.2.4. Die Kostenentscheidung unter Spruchpunkt III stützt sich auf die §§ 77 und 78 AVG iVm der Bundesabgabenverordnung 1983 und der Landeskommissionsgebührenverordnung 2005.

Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war aufzuheben, denn § 77 verweist auf § 76 AVG, wonach für die Kosten die Partei aufzukommen hat, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Wurde die Amtshandlung von amtswegen angeordnet, wie hier, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind. Beide dieser Voraussetzungen sind jedoch zu negieren, weshalb die Vorschreibung der Verfahrenskosten unter Spruchpunkt III einer rechtlichen Grundlage entbehrt.

 

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Ergänzend wird festgehalten, dass die von der Amtssachverständigen geforderten monatlichen Erfassung und Dokumentation der BAD-Temperatur im Zuge der Messungen der Beiz-BAD-Parameter zum Nachweis zur Einhaltung des Standes der Technik nach BAT-Dokument keiner gesonderten Vorschreibung bedarf, sondern diese Messungen zum Nachweis der BAT-Konformität ohnehin zu erbringen sind.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.)   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den          Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen          Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten        Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht       werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro      zu entrichten.

2.)   Im gegenständlichen Fall sind Stempelgebühren in Höhe von 51,70 Euro    angefallen.

 

 

Mag.a Gerda Bergmayr-Mann

 

 

 

VwSen-531294/49/BMa/Ba vom 27. November 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

GewO 1994 §71a;

GewO 1994 §81c

 

 

- Die Rechtsunsicherheit, die sich daraus ergibt, dass von Expertenseite unterschiedliche Parameter als "Stand der Technik" gem § 71a GewO 1994 zugrundegelegt werden, kann der Anlagenbetreiberin nicht zur Last gelegt werden. Bis zur Klarstellung der maßgeblichen Parameter zur Bestimmung des Stands der Technik nach österreichischem Recht ist zugunsten der Berufungswerberin davon auszugehen, dass die Anlage auch dem Stand der Technik gem. § 71a GewO 1994 idgF entspricht.

 

- Eine Investition, die den Fortbetrieb einer Anlage gefährdet, ist für den Betrieb dieser, insbesonders weil keine Gefährdungen oder Belästigungen von der Anlage  ausgehen und diese BAT-konform ist, unangemessen. Daher ist die Verhältnismäßigkeit, die in einem Verfahren gemäß § 81c unter sinngemäßer Anwendung des § 81b Abs.1 und Abs.2 Z1 zu berücksichtigen ist, zu verneinen.

 

 

 

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