Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101350/12/Weg/Ri

Linz, 20.10.1993

VwSen - 101350/12/Weg/Ri Linz, am 20.Oktober 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des M S , vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. G H, vom 26. Mai 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.Krems vom 19. April 1993, VerkR96/3029/1993/Ro/Hu nach der am 15. September 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, idF BGBl.Nr. 866/1992 (AVG), iVm § 24, § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z2 und 3, § 51 Abs.1, und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, idF BGBl.Nr. 666/1993 (VStG).

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.Krems hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 16 Abs.1 lit.a und § 16 Abs.1 lit.c, sowie 2.) § 16 Abs.2 lit.b, jeweils StVO 1960 in Anwendung des § 99 Abs.3 lit.a Geldstrafen von 1.) 1.000 S und 2.) 1.000 S (im Nichteinbringungsfall jeweils 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil dieser am 22. Juni 1992 um 8.30 Uhr den PKW auf der V.straße B 122 im Ortsgebiet von K von B kommend in Richtung S fahrend gelenkt hat, wobei er bei Straßenkilometer 60,810 auf Höhe der Tischlerei M 1. ein Fahrzeug überholte, obwohl dadurch ein entgegenkommender Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden hätte können und obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang einordnen können würde, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, zumal er zu Beginn des Überholvorganges auf Grund der Tiefenabstände der vor ihm fahrenden Fahrzeuge eine Behinderung oder Gefährdung der Lenker dieser Fahrzeuge nicht ausschließen konnte und den Lenker des überholten Fahrzeuges zum Abbremsen nötigte und 2. versuchte, trotz ungenügender Sicht mehrere Fahrzeuge zu überholen.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 200 S in Vorschreibung gebracht.

2. Der Berufungswerber bestreitet die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen und bezweifelt ua die Tatörtlichkeit. Zur Rechtzeitigkeit der Berufung ist auszuführen, daß der Berufungswerber im Zuge ergänzender Erhebungen glaubhaft machen konnte, am 10. Mai 1993 und am 11. Mai 1993 berufsbedingt ortsabwesend gewesen zu sein, sodaß die am 26. Mai 1993 dem Postweg übergebene Berufung als rechtzeitig zu werten war.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch die Vernehmung des Beschuldigten sowie durch zeugenschaftliche Vernehmung des Privatanzeigers F K im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, mit der auch ein Lokalaugenschein verbunden war.

Die Vernehmung dieser Personen und insbesondere der Lokalaugenschein brachte zutage, daß das dem Beschuldigten angelastete Überholmanöver nicht bei Straßenkilometer 60,810 auf Höhe der Tischlerei M im Ortsgebiet von K stattgefunden hat, sondern 240 m bis 300 m nach dieser Stelle und zwar außerhalb des Ortsgebietes. Der Zeuge K führt aus, das Überholmanöver habe bei Straßenkilometer 61,050 stattgefunden. In diesem Bereich befindet sich ein gerade verlaufendes Straßenstück mit einer Sichtweite auf einen ev. Gegenverkehr von 200 m. Der Beschuldigte behauptet, er habe bei Kilometer 61,125 das Überholmanöver durchgeführt, wo man über die Kuppe hinweg Einsicht bis zur dort beginnenden 70-km/h- Beschränkung hat, das sind ca. 350 m.

Der Zeuge K wird im Hinblick auf diese Diskrepanz an Ort und Stelle noch einmal mit den Aussagen des Beschuldigten konfrontiert, worauf dieser ausführte, es könne auch die vom Beschuldigten angegebene Überholstelle richtig sein.

Welche der Überholstellen, nämlich Kilometer 61,050 oder Kilometer 61,125 nunmehr zutreffend sein mögen, war in diesem Zusammenhang wegen der erheblichen Abweichung (240 m bzw. 300 m) von der im Straferkenntnis vorgeworfenen Tatörtlichkeit nicht mehr ausschlaggebend. Die Tatörtlichkeit im Straferkenntnis, auf welche auch das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte straßenverkehrstechnische Gutachten fußt, ist hinsichtlich der Sichtweiten und der sonstigen Verhältnisse von der im Zuge der mündlichen Verhandlung ermittelten Tatörtlichkeit in jeder Weise verschieden, sodaß diesem Umstand im Hinblick auf die Konkretisierung der Tat eine entscheidungsrelevante Bedeutung zukommt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Dabei ist die Tat auch hinsichtlich des Tatortes so weit zu individualisieren und zu konkretisieren, daß die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.

Diesem Erfordernis wird die von der Erstbehörde individualisierte Tat durch eine irrige Annahme des Tatortes nicht gerecht, sodaß der Schuldvorwurf, der Beschuldigte hätte bei Kilometer 60,810 die Bestimmungen des § 16 Abs.1 lit.a, § 16 Abs.1 lit.c und § 16 Abs.2 lit.b jeweils StVO 1960 verletzt, nicht aufrecht erhalten werden kann.

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 und 3 ist von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat bzw. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Eine Verfolgung durch den unabhängigen Verwaltungssenat und eine allfällige Korrektur des Spruches war wegen des Ablaufes der Verfolgungsverjährungsfrist nicht mehr zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, ohne auf die rechtliche Problematik eingehen zu müssen, die sich hinsichtlich des Faktums 1 daraus ergibt, daß durch ein einziges Tatverhalten zwei verschiedene Verwaltungsvorschriften verletzt wurden, jedoch nur das Vorliegen einer einzigen Übertretung festgestellt wurde, sowie daß hinsichtlich des Faktums 2 möglicherweise keine rechtzeitige Verfolgungshandlung gesetzt worden ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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