Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401078/14/WEI/Ba

Linz, 27.12.2012

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des S A, geb. X, Staatsangehöriger von Afghanistan, vormals in Schubhaft im PAZ Wels, vertreten durch K & B, Rechtsanwälte GmbH, F, G, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids vom 16. März 2010 sowie der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck nach Aufhebung des vorangegangenen h. Erkenntnisses vom 29. Juli 2010, Zl. VwSen-401078/4/WEI/Sta, durch den Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und es werden der Schubhaftbescheid der belangten Behörde vom 16. März 2010, Zl. Sich 40-1472-2010, sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 16. März bis zum 29. Juli 2010 für rechtswidrig erklärt.

 

II.    Der Bund hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 758 Euro (darin enthalten 20,40 Euro Eingabengebühren) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 38/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG  und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat ging im ersten Rechtsgang auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde vom nachstehenden Gang des Verfahrens und unbestrittenen S a c h v e r h a l t aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste nach eigenen Angaben am 7. März 2010 illegal und ohne Reisedokumente mit dem Zug in Österreich ein. Er wurde im Reisezug von Budapest nach Wien festgenommen. Er stellte in weiterer Folge einen Asylantrag und wurde dazu am 8. März 2010 von einem Polizeiorgan des Landespolizeikommandos Wien einvernommen. Bei ihm wurden eine ungarische Asylkarte und ein Mobiltelefon mit griechischer SIM-Karte sichergestellt. Er verfügte über geringe Barmittel und gab an, keine Unterstützung oder Angehörige in Österreich zu haben. In Italien habe er einen Cousin, zu dem er angeblich keinen Kontakt habe (vgl asylbehördliche Niederschrift vom 04.05.2010). Der Bf befand sich zunächst in der Betreuungsstelle Ost in Traiskirchen und wurde wegen Überlastung der EASt Ost am 10. März 2010 in die Betreuungsstelle West in St. Georgen im Attergau überstellt.

 

1.2. Bei der Erstbefragung nach dem AsylG 2005 vom 8. März 2010 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Bf zur Reiseroute befragt an, dass er vor 4,5 Jahren seinen Heimatstaat verlassen hätte. Dabei erklärte er zunächst, dass er mit einem von der Passbehörde in Kabul ausgestellten Reisepass gereist wäre. Auf die Frage, wo sich der Reisepass befinde, meinte er sodann widersprüchlich, dass er seinen Reisepass und die Identitätskarte in Pakistan bei seinen Eltern gelassen hätte.

 

Der Bf berichtete weiter, dass er vor ca. 4,5 Jahren mit dem Linienbus nach Kabul gefahren sei und sich dort einen Reisepass sowie eine Identitätskarte habe ausstellen lassen. In Kabul wäre er einen Monat gewesen. Von dort wäre er nach Saudi Arabien zu einer Pilgerreise aufgebrochen, wobei er ein Visum für 40 Tage gehabt hätte. Er wäre aber 3 Jahre und 5 Monate illegal in Saudi Arabien geblieben und dann mit einem gefälschten Reisepass nach Teheran geflogen, von wo er schlepperunterstützt mit einem Bus bis Tabrez gefahren und zu Fuß über die Grenze in die Türkei gegangen wäre. Er wäre dann weiter mittels LKW nach Istanbul und in weiterer Folge an die Küste gelangt, um ihn nach Griechenland zu transportieren. Mit einem schnellen Boot sei er dann mit anderen Personen zur griechischen Insel Kos ("Kosmah") gebracht worden, wo sie von der Polizei festgenommen worden wären. Man habe Fingerabdrücke genommen und sie in ein Lager gebracht, wo sie nach 5 Tagen Bescheid erhielten, dass sie nach Athen fahren und Griechenland binnen einem Monat verlassen sollten. Der Bf wäre dann nach Athen und nach 12 Tagen Aufenthalt mit einem Linienbus nach Agros gefahren, in welcher Stadt er ca. 11 Monate geblieben wäre. Dann wäre er zurück nach Athen und weiter mit dem Zug nach Saloniki gefahren, wo ihn die Polizei festgenommen und 5 Tage im Gefängnis angehalten hätte. Er hätte wieder Bescheid bekommen, Griechenland verlassen zu müssen und wäre nach Mazedonien in die Stadt Metulla gegangen. Dort wäre er festgenommen und wieder nach Griechenland abgeschoben worden. Daraufhin habe er die Grenze nach Mazedonien noch mehrere Male zu Fuß überquert und sei immer wieder zurückgeschoben worden. Erst beim vierten Mal hätte er es geschafft und wäre bis Skopje gekommen. Von dort fuhr er nach Komomov und überquerte zu Fuß die Grenze nach Serbien. Auch in einer serbischen Stadt hätte man ihn schließlich festgenommen und nach Mazedonien zurückgeschoben. Dort wäre er zurück nach Skopje und dann wieder nach Griechenland abgeschoben worden, wo er ca. 2 Monate geblieben wäre. Dann wäre er wieder nach Mazedonien und in weiterer Folge von dort über Serbien nach Ungarn gekommen.

 

In Ungarn wäre er ca 20 Tage oder auch 25 Tage (vgl Punkt 12.2. der Erstbefragung) gewesen und von der Polizei ins Lager Bekescsaba gebracht worden. Dieses Lager habe er am Vortag der Erstbefragung gegen 14:00 Uhr heimlich verlassen und sei zu Fuß zum Bahnhof und von dort nach Budapest gefahren. Von dort reiste er mit dem Zug nach Wien und wurde im Zug festgenommen.

 

1.3. Zum Fluchtgrund gab der Bf an, dass sein Vater Taliban wäre und ihn gezwungen hätte, in ein Trainingslager zu gehen, um dort zum Selbstmordattentäter ausgebildet zu werden. Weil er das nicht wollte, wäre er nur 10 Tage dort geblieben und mit anderen geflüchtet. Er habe von seiner Mutter Geld genommen und sei nach Saudi Arabien geflüchtet. Als er nach einiger Zeit zu Hause anrief, hätte seine Mutter gesagt, dass der Vater seinen Bruder mitgenommen hätte und dass er auch ein Selbstmordattentäter werden müsste, wenn er nach Hause käme.

 

Der Bf behauptete, seinen ersten Asylantrag in Österreich gestellt zu haben. Zu den E-Treffern betreffend Griechenland vom 10.02.2009 und betreffend Ungarn vom 19.02.2010 gab er bei der Erstbefragung ausdrücklich an, dass er in beiden Ländern nicht um Asyl angesucht hätte. Zum Aufenthalt erklärte er, dass er in Ungarn von der Polizei schlecht behandelt worden und das Leben dort schwierig wäre. Zu Griechenland machte er keine Angaben. Er betonte allerdings, keinesfalls nach Ungarn zu wollen, weil man ihn dort nach Griechenland abschieben würde.

 

1.4. Mit Verfahrensanordnung vom 11. März 2010, eigenhändig übernommen am 16. März 2010, wurde dem Bf gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 vom Bundesasylamt (BAA) Erstaufnahmestelle (EASt) West mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, und dass seit dem 11. März 2010 Dublin Konsultationen mit Ungarn geführt werden. Ein Informationsblatt über die Anwendung der Dublin II Verordnung wurde angeschlossen. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 oder Z 5 AsylG auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren gilt.

 

1.5. Mit Mandatsbescheid vom 16. März 2010, Zl. Sich 40-1472-2010, ordnete die belangte Behörde gegen den Bf auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs 2 Z 2 FPG iVm § 80 Abs 5 FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer (durchsetzbaren) Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung an. Der Bf übernahm den Bescheid persönlich am 16. März 2010 und wurde um 10:30 Uhr im Auftrag der belangten Behörde in das PAZ Wels überstellt (vgl Bericht der PI St. Georgen i. A. EASt vom 16.03.2010, Zl. E1/6017/2010).

 

Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Bf am 10. Februar 2010 in Kos/Griechenland angehalten worden war und am 19. Februar 2010 in Ungarn/Bekescsaba einen Asylantrag stellte. Des Weiteren gab sie die Angaben des Bf anlässlich der Erstbefragung wieder. Außer dem Bargeld von 70 Euro und 150 ungarischen Forint sei der Bf mittellos und habe er keinerlei Bezugspersonen in Österreich. Er könne seinen Aufenthalt nicht aus eigenen Mitteln finanzieren. Da er nicht im Besitz eines Nationalreisedokuments sei, gelte seine Identität nicht als gesichert. Im Anschluss an die Zustellung der asylbehördlichen Mitteilung über das Konsultationsverfahren mit Ungarn und das eingeleitete Ausweisungsverfahren sei der Bf im Auftrag der belangten Behörde von Beamten der PI St. Georgen i.A. festgenommen und zur Erlassung des Schubhaftbescheides vorgeführt worden.

 

1.6. Wie sich aus dem aktenkundigen Auszug aus der Asylwerberinformationsdatei ergibt, langte am 25. März 2010 die Ablehnung Ungarns via Dublinnet ein. Daraufhin wurden am 30. März 2010 Konsultationen mit Griechenland eingeleitet und einen entsprechende Verfahrenanordnung gemäß § 29 AsylG 2005 ausgefertigt. Da Griechenland nicht reagierte, erging das Verfristungsschreiben am 3. Mai 2010 an Griechenland, das damit nach dem Dublinabkommen zuständig wurde.

 

Mit Bescheid vom 26. Mai 2010, Zl. 10 02.105, hat des Bundesasylamt, Außenstelle Linz, den Antrag des Bf auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 wegen der Zuständigkeit Griechenlands zurückgewiesen und gemäß § 10 AsylG 2005 die Ausweisung nach Griechenland verfügt.

 

Gegen diesen Bescheid brachte der Bf Beschwerde ein, der der Asylgerichtshof mit Beschluss vom 21. Juni 2010, Zl. S18 413.848-1/2010-4Z, hinsichtlich Spruchteil II (Ausweisung) gemäß § 37 Abs 1 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannte.

 

In der Begründung beanstandete der Asylgerichtshof die Beweiswürdigung des Bundesasylamts, weil der Bf im Rahmen der Erstbefragung nicht befragt worden wäre, was gegen eine Rückkehr nach Griechenland spreche bzw habe sich das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer unklaren Fragestellung bedient. Deshalb stünde nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass der Bf kein Vorbringen gemäß § 5 Abs 3 AsylG 2005 (Gründe für reale Gefahr des fehlenden Schutzes) erstattete.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme im Asylverfahren vom 4. Mai 2010 bestätigte der Bf seine Angaben bei der Erstbefragung grundsätzlich als richtig und hielt diese ausdrücklich aufrecht. Hinsichtlich Griechenland brachte er aber ergänzend vor, dass er Probleme hatte, weil er als polizeilicher Zeuge gegen fünf Afghanen ausgesagt hätte, die religiöse Einrichtungen zerstört hätten. Drei hätten flüchten können und hätten ihn vor vier bis fünf Monaten mit dem Umbringen bedroht. Er wäre zwar bei der Polizei gewesen, diese hätte aber nichts unternommen.

 

1.7. Mit Telefaxeingabe vom 22. Juli 2010 brachte der Bf durch seine Rechtsvertreter Schubhaftbeschwerde ein und beantragte, die Festnahme, die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung für rechtswidrig zu erklären und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Fortdauer der Schubhaft nicht vorliegen, sowie die Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß zuzusprechen.

 

 

2.1. In der Begründung des Schubhaftbescheides werden die Reisebewegungen und zahlreichen illegalen Grenzübertritte des Bf zum Anlass für die Annahme genommen, dass der Bf nicht gewillt sei, die jeweiligen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten der EU und Österreichs zu respektieren. Er habe sich auch in Mitgliedsstaaten aufgehalten und kein Asylbegehren gestellt, es sei denn er wäre einer Fremdenkontrolle unterzogen worden. Er gebe damit zu erkennen, dass er sich bewusst illegal und unstet in Mitgliedsstaaten der EU aufhalte und illegale Grenzübertritte tätige, um sich letztlich einen Mitgliedsstaat seiner Wahl für sein Asylbegehren auszusuchen. Ob Österreich sein Zielland gewesen sei, müsse in Frage gestellt werden. Seine Reisebewegung verlaufe zielstrebig nach Westen, was durch seine einzige Bezugsperson in Italien zu erklären sei. Er habe sich in anderen Mitgliedsstaaten schon dem Verfahren entzogen. Zuletzt habe er sich in Ungarn nach Zuweisung einer Unterkunft und unter Zurücklassung seiner Asylunterlagen aus der Unterkunft entfernt und einen weiteren illegalen Grenzübertritt begangen. Demzufolge sei es nicht nur naheliegend, sondern müsse davon ausgegangen werden, dass er sich auch in Österreich dem Verfahren entziehen und in die Anonymität abtauchen werde und weitere illegale Grenzübertritte in Richtung Westen begehen werde, sobald ihm die Absicht der Rückstellung nach Ungarn bekannt wird.

 

Seine Äußerung, sich eine Rückkehr nach Ungarn keinesfalls vorstellen zu können, weil er dann nach Griechenland abgeschoben werde, rechtfertige die Annahme, dass er sich nicht zur Verfügung der Fremdenpolizeibehörde halten, sondern, seiner bisherigen Gewohnheit treu bleibend, abermals dem Zugriff der Behörden entziehen werde. Das vom Bf praktizierte Verhalten illegaler Grenzübertritte und Asylantragstellungen im Rahmen von Fremdenkontrollen sei als klassischer "Asylantragstourismus" (Hinweis auf VwGH 16.04.2009, Zl. 2007/19/0730) zu betrachten, welchem mit Entschiedenheit entgegen zu treten sei, um für ein geordnetes Fremdenwesen zu sorgen. Da sich die Hoffnung des Bf auf Legalisierung seines unrechtmäßigen Aufenthalts nicht erfüllen habe können und bereits ein Ausweisungsverfahren eingeleitet und bekannt gegeben worden sei, sei zu befürchten, dass sich der Bf auf freiem Fuße dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen werde.

 

Im Hinblick auf den konkreten und akuten Sicherungsbedarf habe von der Anwendung gelinderer Mittel Abstand genommen werden müssen. Der in seiner Lebensgestaltung äußerst flexible Bf sei in keiner Weise an eine Örtlichkeit gebunden, wie er bisher durch seine wiederholten illegalen Aufenthalte eindrucksvoll unter Beweis gestellt habe. Er habe auch keine sozialen und familiären Verpflichtungen in Österreich. Nach einem Abtauchen in die Anonymität bestünde auch die Gefahr, dass Österreich für die inhaltliche Prüfung zuständig werden könnte, soweit eine Überstellung des Bf in den zuständigen Mitgliedsstaat nach dem Dublinabkommen nicht (rechtzeitig) nachgekommen werden könne.

 

Die Anordnung der Schubhaft sei nach genauer Einzelfallprüfung verhältnismäßig, weil dem Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit das Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen gegenüberstehe. Durch Anwendung eines gelinderen Mittels könnte die Abschiebung des Bf, der keine Angst habe, Staatsgrenzen illegal zu überschreiten, in den zuständigen Dublinstaat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden. Der Eingriff in die Freiheit sei daher notwendig.

 

2.2. Die Schubhaftbeschwerde geht im Wesentlichen vom oben dargestellten Sachverhalt aus und bringt noch vor, dass dem Bf von den ungarischen Behörden mitgeteilt worden wäre, dass er jedenfalls nach Griechenland abgeschoben werde. Daraufhin hätten ihm andere in Ungarn aufhältige Asylwerber Österreich als Land genannt, wo er die Chance auf Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz hätte. Während andere Afghanen nach Italien führen, um dort ihr Glück zu versuchen, hätte sich der Bf für Österreich entschieden. Er wäre informiert worden, dass er nach seiner Ankunft in Wien nach dem Weg nach "Traiskirchen-Camp" fragen sollte. Er hätte auch gewusst, dass er einen Asylantrag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes artikulieren könnte und wäre instruiert worden, das deutsche Wort "Asyl" auszusprechen.

 

Nach Darstellung von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs meint die Beschwerde, dass nicht zu erkennen wäre, inwiefern der gegenständliche Fall eine von typischen Dublinfällen abweichende Konstellation darstelle. Der Bf hätte wahrheitsgemäße Angaben zu seiner Fluchtroute gemacht und lediglich die faire Prüfung seines Asylbegehrens angestrebt. In Griechenland und Ungarn hätte er dafür keine Möglichkeit gesehen. Die Mitteilung nach § 29 Abs 3 AsylG 2005 hätte ihn nicht veranlasst, sich dem Verfahren zu entziehen. Die gegenteiligen Behauptungen der belangten Behörde beruhten auf Spekulation. Allein die Aussage, nicht nach Ungarn oder Griechenland zu wollen, bedeute noch nicht, sich dem Verfahren zu entziehen. Der Bf habe nur in Österreich Asyl beantragen wollen, wofür auch das Zugticket von Budapest nach Wien ein gewichtiges Indiz sei. Es fehlten nähere Anhaltspunkte für die Annahme, der Bf werde sich dem weiteren Asylverfahren entziehen.

 

Die Beschwerde bringt weiter vor, dass es im Hinblick auf die E-Treffer richtig gewesen wäre, gleich mit Griechenland und nicht mit Ungarn ein Konsultationsverfahren einzuleiten, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden. Die Einleitung mit Ungarn wäre offenbar willkürlich erfolgt, weshalb von einer Verletzung des Transparenzgebotes nach der Dublin II Verordnung auszugehen wäre. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft hätte der UVS auch über die Zulässigkeit des asylrechtlichen Konsultationsverfahrens zu befinden.

 

Auch wenn gemäß § 80 Abs 5 FPG die Schubhaft nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Asylgerichtshof aufrecht erhalten werden könne, so gelte es dennoch zu beachten, dass der Asylgerichtshof gemäß § 37 Abs 3 AsylG 2005 verpflichtet wäre, binnen einer Frist von zwei Wochen eine Entscheidung in der Hauptsache zu treffen. Diese Frist sei mittlerweile um mehr als zwei Wochen überschritten.

 

Durch Nichteinhaltung der Frist liege ein qualifiziert rechtswidriges Handeln bzw Unterlassen des Asylgerichtshofs vor, das auch der Fremdenbehörde anzulasten sei. Diese habe den Fortgang der von Asylbehörden zu führenden Verfahren zu beobachten. Derartige Umstände wären nach dem Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu würdigen (Hinweis auf VwGH 17.07.2008, Zl. 2007/21/0560 und VwGH 19.06.2008, Zl. 2007/21/0509). Die Fremdenpolizeibehörde hätte daher die Pflicht, gegenüber der Asylbehörde darauf zu drängen, dass Säumigkeiten nicht entstehen und aus beobachteten Säumigkeiten Konsequenzen hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Schubhaft zu ziehen. Zu solchen Konsequenzen hätte sich die belangte Behörde bisher durch die Säumigkeit des Asylgerichtshofes nicht veranlasst gesehen, was die die Anhaltung seit Ablauf der Entscheidungsfrist am 6. Juli 2007 als rechtswidrig, jedenfalls aber die weitere Anhaltung in Schubhaft als unverhältnismäßig erweise. Dies ergebe sich aus der Pflicht nach § 80 Abs 1 FPG, die Schubhaft so kurz wie möglich zu halten.

 

 

3. Im ersten Rechtsgang wurde mit dem am 29. Juli 2010 sowohl dem Bf als auch der belangen Behörde auf elektronischem Weg zugestellten Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenats vom 29. Juli 2010, Zl. VwSen-401078/4/WEI/Sta, die Schubhaftbeschwerde vom 22. Juli 2010 kostenpflichtig als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

 

Mit Telefaxeingabe vom 2. August 2010 (lt. Faxkennung um 14:54 Uhr) langte daraufhin eine weitere Schubhaftbeschwerde beim Oö. Verwaltungssenat ein, in der beantragt wurde, die Anhaltung des Beschwerdeführers seit 30. Juli 2010 kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären und die Voraussetzungen für die Fortdauer der Schubhaft zu verneinen. Zur Begründung legte der Bf das seiner Rechtsvertretung am 30. Juli 2010 zugestellte Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28. Juli 2010, Zl.  S18 413848-1/2010-10E vor, mit dem der Zurückweisungsbescheid des BAA vom 26. Mai 2010, Zl. 1002.105-EAST West, ersatzlos aufgehoben wurde.

 

Der Asylgerichtshof hatte die belangte Behörde weder verständigt, noch eine Ausfertigung seines Erkenntnisses zugestellt. Sie wurde erst durch das Bundesasylamt am 2. August 2010 per E-Mail verständigt, dass dem Bf eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 51 AsylG zukomme, woraufhin die belangte Behörde unverzüglich das polizeiliche Anhaltezentrum Wels um Entlassung des Bf aus der Schubhaft ersuchte. Nach der aktenkundigen Entlassungsbescheinigung des PAZ Wels wurde der Bf am 2. August 2010 um 12:00 Uhr aus der Haft entlassen.

 

Mit Erkenntnis vom 5. August 2010, Zl. VwSen-401080/4/Gf/Mu, das dem Bf zu Händen seiner Rechtsvertreter am 6. August 2010 zugestellt wurde, hatte der Oö. Verwaltungssenat die weitere Schubhaftbeschwerde vom 2. August 2010 kostenpflichtig als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wurde vom Bf nach Ausweis der Aktenlage weder eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof noch an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

 

Mit dem ho. am 5. Oktober 2012 eingelangten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. August 2012, Zl. 2010/21/0291-13, wurde die auf Grund der Schubhaftbeschwerde vom 22. Juli 2010 ergangene abweisende Entscheidung des Oö. Verwaltungssenats vom 29. Juli 2010 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben. In diesem Verfahren hat der Oö. Verwaltungssenat nunmehr im zweiten Rechtsgang gemäß § 63 Abs 1 VwGG den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofs entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Dabei war über die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft bis zur Erlassung der aufgehobenen Vorentscheidung zu erkennen. Hinsichtlich der Schubhaftbeschwerde vom 2. August 2010 betreffend die weitere Anhaltung in Schubhaft vom 30. Juli 2010 bis 2. August 2010 ist mangels einer Bescheidbeschwerde die Abweisung im oben zitierten Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenats vom 5. August 2010 rechtskräftig und unanfechtbar geworden.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG idF BGBl I Nr. 122/2009 ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten grundsätzlich die für Maßnahmenbeschwerden iSd § 67a Abs 1 Z 2 AVG vorgesehenen Verfahrensbestimmungen der §§ 67c bis 67g sowie § 79 AVG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren.

 

Der Bf wurde am 16. März 2010 im Auftrag der belangten Behörde zur Erlassung der Schubhaft fremdenpolizeilich festgenommen und anschließend ins PAZ Wels zum Vollzug der Schubhaft überstellt. Er wird nach wie vor in Schubhaft angehalten. Die Schubhaftbeschwerde ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3, 4 oder 5 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Gemäß § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge ohnehin auch ein Verlängerungsfall nach § 80 Abs 4 Z 1 bis 3 leg.cit. vor. Wird einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

 

4.3. Nach der unbestrittenen Aktenlage hat das BAA EASt West mit Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 vom 11. März 2010, zugestellt am 16. März 2010, über Dublin Konsultationen mit Ungarn und über die beabsichtigte Zurückweisung des Asylantrags und die Einleitung eines entsprechenden Ausweisungsverfahrens informiert. Diese Mitteilung wurde dem Bf unmittelbar vor der Festnahme und vor der Verhängung der Schubhaft ausgefolgt.

 

Im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung am 16. März 2010 war demnach grundsätzlich der Schubhaftgrund gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG anwendbar, weil gegen den Bf nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden war. Mit dem Bescheid des BAA EASt West vom 26. Mai 2010 wurde der Asylantrag des Bf gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und gemäß § 10 Abs 1 Z 1 leg.cit. die Ausweisung nach Griechenland (wegen des mittlerweile erfolgreich geführten weiteren Konsultationsverfahrens) angeordnet.

 

Die belangte Behörde konnte demnach die Anordnung der Schubhaft auf den Schubhaftgrund des § 76 Abs 2 Z 2 FPG stützen, weil nach dem gegebenen Sachverhalt bereits ein Ausweisungsverfahren gemäß § 27 Abs 1 Z 1 iVm § 29 Abs 3 Z 5 AsylG 2005 eingeleitet worden war. Die iSd § 36 Abs 1 und Abs 4 AsylG 2005 vorübergehend durchsetzbare Entscheidung der Asylbehörde verlor diese Eigenschaft durch den Beschluss des Asylgerichtshofs vom 21. Juni 2010, mit dem der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Die Aufrechterhaltung der Schubhaft kann in diesem Fall aber auf § 80 Abs 5 Satz 2 FPG gestützt werden, wonach bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Entscheidung des Asylgerichtshofes abgewartet werden darf.

 

Die Frage, ob der Bf nach Griechenland ausgewiesen werden kann und demnach auch die Abschiebung dorthin zulässig ist und nicht gegen das Refoulementverbot verstößt, ist Gegenstand des Asylverfahrens und nicht des Schubhaftbeschwerdeverfahrens. Nach § 5 Abs 1 und 3 AsylG 2005 müssen jedenfalls bei Dublin-Staaten besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden, die für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen.

 

4.4. Im ersten Rechtsgang hatte der Oö. Verwaltungssenat den Sicherungsbedarf noch mit folgender Begründung bejaht:

 

"4.4. Zur strittigen Frage des Sicherungsbedarfs vertritt der erkennende Verwaltungssenat die Ansicht, dass die belangte Behörde den Sicherungsbedarf im Ergebnis zutreffend angenommen hat, weil im Hinblick auf die Einleitung eines mit einer beabsichtigten Zurückweisung verbundenen asylrechtlichen Ausweisungsverfahrens und den später folgenden Ausweisungsbescheid nach Griechenland bei Berücksichtigung des bisherigen sehr flexiblen Reiseverhaltens des Bf mit dessen Untertauchen unmittelbar zu rechnen war.

 

Der Bf hat nach seinem eigenen Vorbringen ausgedehnte illegale Reisebewegungen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union vorgenommen. Nach dem Beschluss des Asylgerichtshofs (vgl Seite 2) hatte er in Ungarn, nicht aber in Griechenland Asylantrag gestellt. Bei der Erstbefragung behauptete er, überhaupt noch keinen Asylantrag gestellt zu haben, obwohl er eine ungarische Asylkarte mit sich führte und sich an der zugewiesenen Unterkunft im Lager Bekescsaba 20 oder 25 Tage aufhielt. Bei der asylbehördlichen Vernehmung vom 4. Mai 2010 gestand er immerhin zu, in Ungaren zunächst versucht zu haben, Asyl zu erlangen. In Griechenland habe er gar nicht angesucht, weil man dort kein Asyl bekäme, wie er von anderen afghanischen Männern erfahren hätte. In Ungarn habe man ihm wegen der genommenen Fingerabdrücke in Griechenland die Überstellung dorthin angekündigt. Der Bf war demnach in Ungarn schon im Flüchtlingslager Bekescsaba untergebracht, fürchtete aber wegen der genommenen Fingerabdrücke in Griechenland und weil er davon gehört hatte, nach Griechenland abgeschoben zu werden. Da er dies auf keinen Fall wollte, verließ er schon bald und heimlich dieses Lager, um durch einen weiteren illegalen Grenzübertritt nach Österreich zu gelangen, wo er nach dem Beschwerdevorbringen letztlich im "Traiskirchen-Camp" Asylantrag stellen wollte und eine faire Prüfung seines Asylbegehrens erhoffte.

 

Diese Hoffnung wurde durch die asylbehördlich geführten Konsultationen mit Ungarn und danach mit Griechenland und die Einleitung eines asylrechtlichen Ausweisungsverfahrens in Österreich enttäuscht. Der Bf musste damit zur Kenntnis nehmen, dass er auch in Österreich mit einer inhaltlichen Prüfung seines Asylbegehrens nicht rechnen kann und ebenso wie in Ungarn nach Griechenland abgeschoben werden wird. Auf Grund der besonderen Mobilität, die er im Rahmen von längeren Aufenthalten und Reisebewegungen in Europa gezeigt hat, und der ausdrücklichen Einlassung des Bf, keinesfalls nach Griechenland zu wollen, kann es nicht zweifelhaft sein, dass er sich, wie schon zuvor in Ungarn, nunmehr auch in Österreich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde entzogen hätte, um die ihm angekündigte Überstellung nach Griechenland auf der Grundlage der Dublin II Verordnung zu verhindern. Wie er unmissverständlich zum Ausdruck brachte, will er in diesen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem er immerhin fast ein Jahr gelebt hatte, nicht zurück.

 

Der Bf hat durch seine zahlreichen illegalen Reisebewegungen innerhalb und außerhalb der EU eine erhebliche Widerstandskraft gegenüber den jeweiligen Fremdenrechtsordnungen erkennen lassen. Er hat bei der Erstbefragung vielfache illegale Grenzübertritte von Griechenland nach Mazedonien und Serbien geschildert, die er trotz einiger Festnahmen und Zurückschiebungen immer so lange wiederholte, bis er sein Ziel der Weiterreise in Richtung und nach Ungarn erreicht hatte. Damit hat er nicht nur eine eindrucksvolle Beharrlichkeit, sondern auch unter Beweis gestellt, dass er sich um Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen überhaupt nicht kümmert und nachhaltig seine angestrebten Ziele verfolgt. Er will sich offensichtlich selbst das Land aussuchen, das er für sein Leben und Asylbegehen am meisten geeignet hält. Durch die absolut fehlende Bereitschaft, sich einem Asylverfahren in Griechenland zu stellen, und im Hinblick auf seine bisherige Übung, auf seiner Reiseroute regelmäßig in die Illegalität abzutauchen, kann der erkennende Verwaltungssenat der belangten Behörde nicht entgegen treten, wenn sie die Schubhaft für unbedingt erforderlich gehalten und gelindere Mittel im Interesse einer zuverlässigen Umsetzung der asylrechtlichen Ausweisung für nicht zielführend gehalten hat.

 

In einer Betreuungseinrichtung des Bundes können sich Asylwerber frei bewegen. Ein kurzfristiges Untertauchen könnte auch durch das gelindere Mittel, sich in regelmäßigen Abständen bei der Polizei zu melden, nicht verhindert werden. Dass der Bf bei einer möglichen Abschiebung nach Griechenland fest entschlossen ist, auch nur ganz kurzfristig unterzutauchen, hatte er schon im ungarischen Flüchtlingslager Bekescsaba unter Beweis gestellt. Die Schubhaft konnte nicht durch ein gelinderes Mittel iSd § 77 FPG ersetzt werden, weil ihr Zweck die Umsetzung der asylrechtlichen Ausweisung nach Griechenland zu sichern, damit nicht erreichbar gewesen wäre."

 

4.5. Der Verwaltungsgerichtshof hielt demgegenüber das Beschwerdevorbringen für maßgeblich, wonach der Bf zum Unterschied von Ungarn in Österreich an ein faires Asylverfahren geglaubt habe. Deshalb wäre zu beachten gewesen, dass der Bf bei seiner Festnahme - was der Oö. Verwaltungssenat im Übrigen ohnehin nie bezweifelte - auf dem Weg nach "Traiskirchen-Camp" gewesen sei und gewusst habe, dass er im Fall seines Aufgriffs vor Erreichen der Erstaufnahmestelle gegenüber einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch die Artikulation des deutschen Wortes "Asyl" internationalen Schutz begehren könne.

 

Zur Begründung führt der Verwaltungsgerichtshof dazu aus (auszugsweise):

 

            "Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Verhängung der Schubhaft auch in 'Dublin-Fällen' nicht zu einer 'Standardmaßnahme' gegen Asylwerber werden; ungeachtet des Vorliegens eines Tatbestandes nach § 76 Abs. 2 FPG kann die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesen Asylverfahrensstadien ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2008, Zl. 2007/21/0233, mwN). Weder die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck noch die belangte Behörde vermochten – unter Beachtung der gesamten Aspekte des vorliegenden Falles – derartige Umstände aufzuzeigen.

 

            Bei der gebetenen Gesamtbetrachtung wäre fallbezogen nämlich auch darauf Bedacht zu nehmen gewesen, dass der Beschwerdeführer von Anfang an detailliert und umfassend – und für die Behörden offenbar glaubhaft – seine Reiseroute geschildert hat; bei der Befragung durch das Bundesasylamt hat er auch von sich aus wahrheitsgemäß die Asylantragstellung in Ungarn angegeben. Der Beschwerdeführer hat außerdem bereits im Administrativverfahren dezidiert vorgebracht, die Asylantragstellung in Österreich von vornherein beabsichtigt zu haben. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck ist demgegenüber davon ausgegangen, dass seine Reisebewegung 'zielstrebig in Richtung Westen' verlaufe und er zu seinem Cousin nach Italien wolle. Dies hat der Beschwerdeführer in der Administrativbeschwerde bestritten und mehrere konkrete Umstände ins Treffen geführt, die belegen sollten, dass er von Anfang an die Asylantragstellung in Österreich  angestrebt habe und sich aus eigenem in die Erstaufnahmestelle Ost begeben hätte, wenn er nicht schon im Zug aufgegriffen worden wäre. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt, weil sie – ungeachtet der dazu vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände – davon ausgegangen ist, dass schon die 'besondere Mobilität' des Beschwerdeführers, seine 'Widerstandskraft gegenüber den jeweiligen Fremdenrechtsordnungen' und seine Aussage, keinesfalls nach Griechenland zu wollen, für die Annahme eines Sicherungsbedarfs ausreichten. [...]"

 

Der Oö. Verwaltungssenat hält zu diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs fest, dass er mangels ausreichender gegenteiliger Anhaltspunkte nie bezweifelt hat, dass sich der Bf dem Asylverfahren in Österreich zunächst einmal freiwillig gestellt und aus eigenem in die Erstaufnahmestelle Ost begeben hätte, wäre er nicht schon vorher im Zug aufgegriffen worden. Ungeachtet dessen hielt er den Sicherungsbedarf für begründet. In Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs ist nunmehr unter Hinweis auf dessen oben wiedergegebene Begründung davon auszugehen, dass es im vorliegenden Dublinfall nach angekündigter Zurückweisung des Asylantrags und Einleitung des Ausweisungsverfahrens gegen den Bf durch die Asylbehörde noch besonderer Umstände bedurft hätte, die ein Untertauchen befürchten ließen. Solche Umstände wurden nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs nicht aufgezeigt. Die absolute Unwilligkeit des Bf nach Griechenland zurückzukehren, seine besondere Mobilität und erhebliche Widerstandskraft gegen Fremdenrechtsordnungen im Rahmen zahlreicher illegaler Reisebewegungen hielt der Verwaltungsgerichtshof für nicht ausreichend.

 

4.6. Des Weiteren hielt der Oö. Verwaltungssenat in seiner aufgehobenen Schubhaftentscheidung der in der Beschwerde behaupteten Willkür im Rahmen des Konsultationsverfahrens und der Rüge betreffend die Dauer des Asylverfahrens samt Überwachungspflicht der Fremdenpolizeibehörde Folgendes entgegen:

 

"4.5. Die zur gerügten Dauer der Schubhaft geltend gemachte Überwachungspflicht betreffend Konsultationsverfahren trifft zwar allgemein zu, kann aber im gegenständlichen Fall zu keinem Erfolg der Beschwerde führen. Beim Bf hat sich zuletzt ein E-Treffer für Ungarn am 19. Februar 2010 ergeben. Der Treffer für Griechenland vom 10. Februar 2009 datiert mehr als ein Jahr früher. Da der Bf über Staaten außerhalb der EU auf dem Landweg nach Ungarn gereist sein musste, war es zielführend und folgerichtig, zunächst mit Ungarn Konsultationen einzuleiten, um die tatsächliche Zuständigkeit erheben zu können. Im Hinblick auf Art 16 Abs 3 Dublin II Verordnung erlischt nämlich die Aufnahmeverpflichtung eines Mitgliedsstaates, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten, also der EU, für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn er wäre im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedsstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels. Darüber hinaus ist allein auf Grund der erkennungsdienstlichen Behandlung (E-Treffer) in einem Mitgliedsstaat noch nicht bekannt, unter welcher Identität der Fremde aufgetreten ist. Zur Abklärung ist deshalb auch ein mehrfach geführtes Konsultationsverfahren sinnvoll. Nach der Ablehnung Ungarns wurde ohnehin unverzüglich mit Griechenland ein weiteres Konsultationsverfahren eingeleitet. Es kam dadurch zu keiner relevanten Verzögerung.

 

4.6. Richtig ist ferner, dass der Verwaltungsgerichtshof schon verlangt hat, Säumigkeiten von Asylbehörden in die Verhältnismäßigkeitsprüfung mit einzubeziehen. Im Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0509, war die Höchstfrist von 18 Monaten für die Überstellung nach der Dublin II Verordnung abgelaufen und damit die Zuständigkeit auf Österreich übergegangen. Dennoch waren die Asylbehörden nicht mit einer unverzüglichen Aufhebung des zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG 1997 und Zulassung des Asylverfahrens vorgegangen, was bei der Schubhaftprüfung hätte beachtet werden müssen.

 

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juli 2008, Zl. 2007/21/0560, ging es um die Nichteinhaltung der Frist von drei Monaten gemäß § 27 Abs 8 AsylG 2005, wobei eine Überschreitung um viele Monate vorlag und nach der eingeholten Auskunft der Referentin der Asylbehörde mit einer Entscheidung im selben Jahr nicht mehr zu rechnen war und die Mitteilung über die beabsichtige Ausweisung im Dezember des Vorjahres als überholt bezeichnet wurde. Die asylbehördlich viele Monate lang unterlassene Zulassung des Asylverfahrens hätte auch die Einstellung des eingeleiteten Ausweisungsverfahrens und damit den Wegfall des Schubhaftgrundes nach § 76 Abs 2 Z 2 FPG zur Folge gehabt. Dies war bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen.

 

Ein nach Art und Ausmaß der Säumnis vergleichbarer Fall liegt gegenständlich keinesfalls vor. Zum einen geht es um Säumigkeit des Asylgerichtshofs und nicht einer Asylbehörde und zum anderen steht nicht eine Überschreitung um viele Monate, sondern nur um gut zwei Wochen zur Debatte. Die belangte Behörde hat im Vorlageschreiben mit Recht darauf hingewiesen, dass sie keine Einwirkungsmöglichkeit auf den Asylgerichtshof hat und dass auch dessen Entscheidung innerhalb kurzer Zeit erwartet werden könne. Die Begründung im Beschluss des Asylgerichtshofs deutet auch eher darauf hin, dass nur ein behebbarer Verfahrensmangel vorliegt. Beim derzeitigen Sachstand kann die belangte Behörde immer noch davon ausgehen, dass die Ausweisungsentscheidung in absehbarer Zeit durchzuführen sein wird und daher die Schubhaft zur Sicherung der Überstellung nach dem Dublinabkommen aufrecht bleiben muss."

 

4.7. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt zu dieser Thematik der Verhältnismäßigkeit der Schubhaftdauer in seinem aufhebenden Erkenntnis wie folgt Stellung:

 

            "Im Hinblick auf das weitere Beschwerdevorbringen ist noch darauf hinzuweisen, dass das anfängliche Herantreten (nur) an Ungarn auf Grund des rezenten E-Treffers fallbezogen noch keine Verzögerung dargestellt hat, die die Schubhaft unverhältnismäßig gemacht hätte. Die (weitere) Anhaltung in Schubhaft war aber jedenfalls rechtswidrig, nachdem im Asylverfahren die Entscheidungsfrist gemäß § 37 Abs. 3 AsylG 2005 abgelaufen war. § 80 Abs. 5 zweiter Satz FPG erlaubt zwar, die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht zu erhalten, wenn – wie im Beschwerdefall – der Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, gemäß § 37 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird.

Diese Ermächtigung ist aber vor dem Hintergrund der – auch in den Erläuterungen zu § 80 Abs. 5 FPG (952 BlgNR 22. GP 105) explizit erwähnten – nur zweiwöchigen Entscheidungsfrist in diesen Fällen zu sehen; es kann nicht angenommen werden, dass die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch darüber hinaus zugelassen werden sollte, wenn sich die Entscheidung des Asylgerichtshofes entgegen der Anordnung des § 37 Abs. 3 AsylG 2005 verzögert. Auf ein Verschulden an einer solchen Verzögerung durch die Behörden kommt es dabei nicht an; vielmehr ist davon auszugehen, dass § 80 Abs. 5 zweiter Satz FPG iVm § 37 Abs. 3 AsylG 2005 der zulässigen Höchstdauer der zur Verfahrenssicherung angeordneten Schubhaft nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 eine objektive Grenze setzt."

 

4.8. Im Ergebnis war daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren und Dublinfall im Grunde des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. August 2012, Zl. 2010/21/0291, davon auszugehen, dass der für die Verhängung von Schubhaft erforderliche Sicherungsbedarf trotz des rechtswidrigen Gesamtverhaltens des Bf von Anfang nicht vorlag, weil es noch weiterer besonderer Gründe bedurft hätte, um eine ausreichende Gefahr des Untertauchens annehmen zu können. Solche Gründe ergaben sich auch nicht mit Fortschreiten des Asylverfahrens.

 

Deshalb war der vorliegenden Schubhaftbeschwerde nunmehr Folge zu geben und der Schubhaftbescheid der belangten Behörde vom 16. März 2010 sowie die darauf beruhende Anhaltung des Bf in Schubhaft bis zum Entscheidungszeitpunkt im ersten Rechtsgang (Erlassung der aufgehobenen Entscheidung) am 29. Juli 2010 für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG).

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) beträgt der Ersatz für Schriftsatzaufwand des Bf als obsiegende Partei 737,60 Euro.

 

Der Bund hat daher als Rechtsträger, für den die belangte Behörde tätig geworden ist, dem Bf den Schriftsatzaufwand in Höhe von 737,60 Euro und die angefallenen Eingabengebühren von 20,40 Euro, für die der Bf aufzukommen hat (vgl § 79a Abs 4 Z 1 AVG), insgesamt daher 758 Euro zu ersetzen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Bereits im aufgehobenen Vorerkenntnis vom 29. Juli 2010 ist dem Bf die angefallene Gebührenschuld des gegenständlichen Verfahrens (Bundesstempelgebühren für Beschwerde: 13,20 Euro und eine Beilage zu 2 Bögen: 7,20 Euro) mit 20,40 Euro bekannt gegeben worden.

Dr. W e i ß

 

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