Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240857/2/Re/BZ/Th

Linz, 19.12.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch die X Rechtsanwälte GmbH, X, vom 17.10.2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Urfahr-Umgebung vom 27. September 2011, SanLA96-17-2011, wegen einer Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes iVm der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

  II.      Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24, 27 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 76 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG).

zu II.: § 65 VStG, § 71 Abs. 3 LMSVG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat mit dem Straferkenntnis vom 27. September 2011 über Herrn X als handelsrechtlichen Geschäftsführer der X - X GmbH, welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der X - X GmbH & Co KG mit dem Sitz in X ist, und somit dem nach außen Vertretungsbefugten und strafrechtlich Verantwortlichen, zwei Geldstrafen in der Höhe von je 35 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je 12 Stunden verhängt, weil er in seiner oben zitierten Funktion nachstehendes zu vertreten hat:

"Das Produkt X wurde

1.)   am 13.12.2010 an die Fa. X International Lager- und Transportgesellschaft m.b.H., X, und in weiterer Folge an die Fa. X Aktiengesellschaft in X, und

2.)   am 06.12.2010 an die Fa. X International Lager- und Transportgesellschaft m.b.H., X, und in weiterer Folge an die Fa. X Aktiengesellschaft in X,

geliefert und somit verpackt in Verkehr gebracht, obwohl die Lebensmittelkennzeichnung nicht vollständig war, da die Zutat Senf nicht angeführt war.

 

In der Probe wurde lt. Untersuchung der Lebensmitteluntersuchung der Stadt Wien Senf nachgewiesen. Bei Senf handelt es sich um eine Zutat, die im Anhang III der LMKV angeführt ist. Nach den Bestimmungen der LMKV § 4 Abs.1 Z.7 lit.g ist jede Zutat, die in Anhang III angeführt ist oder aus einer Zutat nach Anhang III gewonnen wurde und die nicht als solche schon in der Zutatenauflistung angeführt ist, mit einem deutlichen Hinweis auf die Bezeichnung diese Zutat zu deklarieren. Senf ist weder als Zutat deklariert, noch findet sich ein entsprechender Hinweis auf Senf (etwa in der Art 'Gewürze (enthalten Senf)')

 

Somit liegt eine Verwaltungsübertretung nach

§ 90 Abs. 3 Z. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 LMSVG i.V.m. § 4 Abs. 1 Z. 7 lit. g Lebensmittelkennzeichnungsverordnung – LMKV 1993, BGBl. Nr. 72/1993 i.d.g.F."

 

Gleichzeitig wurde ihm der Ersatz der Untersuchungskosten in der Höhe von insgesamt 510 Euro gemäß § 71 Abs. 3 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz 2006 - LMSVG vorgeschrieben.

 

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, der maßgebliche Sachverhalt ergebe sich aus dem Gutachten des Magistrates der Stadt Wien, MA 38, Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien. In der Probe wurde laut Untersuchung der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien Senf nachgewiesen und handle sich bei Senf um eine Zutat die im Anhang III der LMKV angeführt sei. Diese sei mit einem deutlichen Hinweis auf die Bezeichnung dieser Zutat zu deklarieren, dies war jedoch nicht der Fall und fand sich auch kein entsprechender Hinweis auf Senf unter den Gewürzen.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bestrafte durch seine rechtsfreundliche Vertretung innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz (BH Urfahr-Umgebung) sei unzuständige Behörde. Gemäß § 26 VStG ff sei örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden sei. Im Straferkenntnis werde lediglich angeführt, dass dem Berufungswerber (Bw) zum Vorwurf gemacht werde, das Produkt "X" geliefert und verpackt in Verkehr gebracht zu haben, obwohl die Lebensmittelkennzeichnung nicht vollständig gewesen sei. Da das Produkt an die beiden X AG Filialen in X und X geliefert worden sei, sei die Behörde im Sprengel der Verwaltungsübertretung örtlich zuständig. Eine allfällige Verwaltungsübertretung sei somit im Sprengel der beiden X AG Filialen begangen worden.

Im Übrigen würden zum wesentlichen Sachverhaltsaspekt, nämlich dass das untersuchte Produkt "X" Senf aufwies, keinerlei Sachverhalts­ergebnisse und Erhebungen vorliegen.

Weiters werde im Betrieb entsprechend den Grundsätzen des HACCP-Konzeptes eine umfassende Gefahrenanalyse vorgenommen und sei wesentlicher Bestandteil des HACCP-Systems konkrete Prüfmaßnahmen und umfassende Maßnahmen bei Grenzwertüberschreitungen und Abweichungen.

Das gegenständliche Produkt enthalte im Übrigen nach der Rezeptur des Unternehmens keinen Senf. Auch die Gewürzartikel würden keinen Senf aufweisen. Das Ergebnis der belangten Behörde sei nicht nachvollziehbar, zum Beweis wird auf die Rezepturvorgabe verwiesen.

Außerdem liege kein Verschulden des Berufungswerbers vor. Fahrlässig handle nach § 6 Strafgesetzbuch - StGB wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt sei und die ihm zuzumuten sei und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche. Nach der Judikatur des VwGH handle objektiv sorgfaltswidrig nur derjenige, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. Die Frage der Zumutbarkeit dürfe nicht außer Acht gelassen werden.

Das Produkt "X" enthalte laut vorgelegter Rezeptur keinen Senf und seien alle Maßnahmen zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gebunden worden. Der Einschreiter habe dadurch sein mangelndes Verschulden betreffend des zur Last gelegten Tatvorwurfs glaubhaft gemacht.

Selbst wenn eine Verwaltungsübertretung vorläge, sei die Anwendung des § 21 VStG geboten.

Beantragt werde das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen bzw. von der Verhängung einer Strafe gemäß § 21 VStG abzusehen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat diese Berufung samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser aufgrund der Tatsache, dass keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

Daraus ergibt sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt eindeutig und widerspruchsfrei, weshalb auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG verzichtet werden konnte.

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 90 Abs. 3 Z. 2 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungs­übertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro und im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer den Bestimmungen einer aufgrund der §§ 6, 7 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 7 oder 8, 11, 12, 13, 14, 19, 20, 34, 47 Abs. 2 oder 57 Abs. 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 LMSVG hat der Bundesminister für Gesundheit unter Bedachtnahme auf die Zielsetzung dieses Bundesgesetz sowie den anerkannten Stand der Wissenschaft und Technologie nach Anhören der Codexkommission mit Verordnung Vorschriften für Lebensmittel, insbesondere betreffend die Beschaffenheit, das Gewinnen, das Herstellen, Verarbeiten, Behandeln, die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen, die Kennzeichnung und die Verwendung von Angaben zu erlassen.

 

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 lit. g der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 – LMKV ist, bezogen auf die in diesem Absatz 1 normierte Kennzeichnungsverpflichtung von verpackten Waren, ungeachtet der Bestimmungen der lit. b, c und e, jede Zutat, die in Anhang III angeführt ist oder die aus einer Zutat nach Anhang III gewonnen und dort nicht ausgenommen wurde, und die – wenn auch möglicherweise in veränderter Form – im Enderzeugnis vorhanden bleibt, mit einem deutlichen Hinweis auf die Bezeichnung dieser Zutat zu deklarieren. Diese Angabe ist jedoch nicht erforderlich, wenn die Sachbezeichnung einen deutlichen Hinweis auf die betreffende Zutat enthält. Ungeachtet der Bestimmungen der lit. f wird jeder Stoff, der aus einer im Anhang III genannten Zutat gewonnen und dort nicht ausgenommen wurde, und der – wenn auch möglicherweise in veränderter Form – im Enderzeugnis vorhanden bleibt, als Zutat betrachtet und ist mit einem deutlichen Hinweis auf die Bezeichnung dieser Zutat, aus der er gewonnen wurde, zu deklarieren.

 

Nach Punkt 10 des Anhangs III sind Senf und daraus gewonnene Erzeugnisse zu deklarieren.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 LMSVG ist es verboten, Lebensmittel, die den nach den § 4 Abs. 3, §§ 6 oder 57 Abs. 1 erlassenen Verordnungen nicht entsprechen, in Verkehr zu bringen.

 

4.2. Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

§ 3 Z. 9 LMSVG (Begriffsbestimmung: Inverkehrbringen) verweist auf Artikel 3 Z. 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und gilt sinngemäß auch für Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel.

 

Gleichzeitig wird davon abweichend als Inverkehrbringen bei ursprünglich aufgrund des Lebensmittelgesetzes 1975 – LMG 1975, BGBl. Nr. 86, erlassenen Verordnungen das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere normiert, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht.

 

Gemäß Artikel 3 Z. 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.

 

4.3. Dem Bw wurde im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, das "X" am 13.12.2010 an die Fa. X International Lager- und Transportgesellschaft mb.H. in X und in weiterer Folge an die Fa. X Aktiengesellschaft in X, sowie am 06.12.2010 an die Fa. X International Lager- und Transportgesellschaft mb.H. in X, und in weiterer Folge an die Fa. X Aktiengesellschaft in X, geliefert und somit verpackt in Verkehr gebracht zu haben, obwohl die Lebensmittelkennzeichnung nicht vollständig war, da die Zutat Senf nicht angeführt war.

 

Das dem Beschuldigten zur Last gelegte, mit Strafe bedrohte Verhalten ist somit das Inverkehrbringen nicht vollständig gekennzeichneter Lebensmittel. Nach herrschender Leere und Judikatur liegt dabei ein sogenanntes Begehungsdelikt vor, wobei Tatort der Ort ist, wo das Lebensmittel in Verkehr gebracht wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich auch ausgesprochen, dass sich daran nichts ändert, wenn für die Verwaltungsübertretung der Beschuldigte als nach außen vertretungsbefugte Organ im Sinne des § 9 VStG einzustehen hat. Begehungsdelikte werden auch nicht dadurch zu Unterlassungsdelikten, dass ein nach außen betretungsbefugtes Organ für die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift verantwortlich ist. Dem nach außen vertretungsbefugten Organ wird in diesen Fällen nicht der Vorwurf gemacht, er habe es unterlassen, dafür zu sorgen, dass die falsch oder nicht vollständig bezeichnete Ware nicht in Verkehr gebracht wurde, es wird ihm vielmehr der Vorwurf des in Verkehr bringens dieser Ware gemacht (VwGH 29.05.1995, 94/10/0173).

 

Nach dem Tatvorwurf des Straferkenntnisses ist daher jedenfalls von einem  Tatort in X oder aber in X bzw. in X auszugehen. Dem Berufungswerber wird vorgeworfen die Verwaltungsübertretung durch ein Inverkehrbringen der Ware in X begangen zu haben. Hingegen wird ihm nicht der Vorwurf gemacht, er habe es unterlassen, dafür zu sorgen, dass die falsch bezeichnete Ware nicht in Verkehr gebracht werde. Der Tatvorwurf lautet zweifelsfrei auf Inverkehrbringen der Ware (vgl. VwGH 25.02.2003, 2001/10/0257) in Wien und auch nicht auf Herstellen oder Verpacken der Ware.

Nachdem nach der diesbezüglichen weiteren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Tatort in derartigen Angelegenheiten der Ort ist, wo das Lebensmittel in Verkehr gebracht wurde (VwGH 25.02.2003, 2001/10/0257), ergibt sich für die belangte Behörde im gegenständlichen Fall keine Zuständigkeit zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens in erster Instanz.

 

Es war daher das Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben da eine allfällige Abänderung des Spruches hinsichtlich des Tatvorwurfes, insbesondere auch des Tatortes aufgrund der bereits eingetretenen Verfolgsverjährung nicht mehr möglich und daher auch nicht mehr zu prüfen war.

 

5. Da der Berufung Folge gegeben wurde, entfällt gemäß § 65 Abs. 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens. Im Hinblick auf § 71 Abs. 3 LMSVG entfällt gleichzeitig mit der Behebung des Straferkenntnisses die Vorschreibung des Ersatzes der Untersuchungskosten.



Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

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