Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240863/2/Re/BZ/Th

Linz, 07.12.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des Herrn Ing. X, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. X & Mag. Dr. X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 20. September 2011, GZ. SanRB96-85-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz zu Recht erkannt:  

 

 

       I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

    II.      Sämtliche Verfahrenskostenbeiträge und die Verpflichtung zum Ersatz von Untersuchungs­kosten entfallen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG

iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

zu II: § 66 Abs. 1 VStG, § 71 Abs. 3 LMSVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 20. September 2011, GZ. SanRB96-85-2010, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt für schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als verantwortlich Beauftragter für die Einhaltung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes BGBl I Nr. 13/2006, im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG 1991 des Lebensmittelunternehmens X KG mit dem Sitz in X, zu verantworten, dass, wie anlässlich einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung am 18.10.2010 um 11:50 Uhr in der X KG, X, festgestellt wurde, die als Lebensmittel einzustufende Ware, und zwar

 

'x Sportler-Toast Fitness-Brot mit Käse & Puten-/Gemüseschinken'

 

am 18.10.2010 im Kühllager in der X KG in X, gelagert und somit in Verkehr gebracht wurde, obwohl sich nach einer Untersuchung der am 18.10.2010 gezogenen Proben (3 Packungen – 3 x 200g) bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit mbH, Institut für Lebensmitteluntersuchung Linz, ergab, dass die Proben als verpacktes Lebensmittel der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, BGBl. Nr. 72/1993 i.d.g.F. unterlagen, jedoch in folgenden Punkten nicht den Bestimmungen dieser Verordnung entsprachen:

 

Folgendes gemäß § 4 Abs. 1 vorgeschriebenes Kennzeichnungselement entspricht nicht den dort genannten Anforderungen: Ziffer 7a (Menge einer Zutat oder Zutatenklasse).

 

Die Menge der Zutaten 'Puten-/Gemüseschinken', 'Putenfleisch' sowie 'Gemüse' sind gemäß Abs. 1 Ziffer 7a lit. a zu deklarieren, weil sie entweder in der Sachbezeichnung genannt ist (Puten-/Gemüseschinken) bzw. weil sie von wesentlicher Bedeutung für die Charakterisierung der Ware sind (Putenfleisch, Gemüse). Die als Prozentsatz anzugebende Menge entspricht der Menge der Zutat bzw. Zutaten zum Zeitpunkt ihrer Verarbeitung.

 

Die Menge der zusammengesetzten Zutat 'Puten-/Gemüseschinken' ist mit 30 % deklariert. Die Menge der Zutat 'Putenfleisch' der zusammengesetzten Zutat 'Puten-/Gemüseschinken' ist mit 83 % deklariert und die Menge der Zutat 'Gemüse' der zusammengesetzten Zutat 'Puten-/Gemüseschinken' mit 12 %. Die Zutat 'Putenfleisch' steht dabei an erster Stelle der Zutaten der zusammengesetzten Zutat 'Puten-/Gemüseschinken' und die Zutat 'Gemüse' an zweiter Stelle. Die Annahme, dass der Anteil an Putenfleisch im Gesamtprodukt 83 % beträgt ist nicht möglich, da dies bereits über der deklarierten Gesamtmenge der zusammengesetzten Zutat 'Puten-/Gemüseschinken' liegt. Auch die Annahme, dass der Anteil an Gemüse im Gesamtprodukt 12 % beträgt ist nicht möglich, da in diesem Fall die zusammengesetzte Zutat 'Puten-/Gemüseschinken' – ungeachtet der deklarierten Menge an Putenfleisch – zu 40 % aus Gemüse bestehen würde.

 

Die Angaben der Menge der Zutaten 'Putenfleisch' und 'Gemüse' ist daher falsch.

 

Die Kennzeichnung der Proben entspricht daher nicht den Anforderungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung."

 

Der Bw habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 90 Abs. 3 Ziffer 3 LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006 iVm § 98 Abs. 1 leg.cit und §§ 1 und 4 Abs. 1 Ziffer 7a Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl. Nr. 72/1993 i.d.g.F. – LMKV begangen.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw gemäß § 90 Abs. 3 Z. 3 LMSVG eine Geldstrafe von 100 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, verhängt.

 

Weiters schrieb die belangte Behörde dem Bw gemäß § 64 VStG die Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 % der Geldstrafe vor und verpflichtete ihn zum Ersatz der Lebensmitteluntersuchungskosten von 78 Euro.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen aus, dass aufgrund des schlüssigen Gutachtens der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Linz zweifelsfrei der Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 90 Abs. 3 Ziffer 3 LMSVG iVm § 4 Abs. 1 Ziffer 7a der LMKV gegeben sei.

 

Der Unrechtsgehalt der Tat sei im vorliegenden Fall durch die Tatsache, dass die Proben nicht den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entsprachen, gegeben. Hinsichtlich des Ausmaßes des Verschuldens wird die Schuldform Fahrlässigkeit angenommen. Strafmilderungs- bzw. Straferscherungs­gründe konnten keine festgestellt werden. Die verhängte Strafe entspreche daher dem Unrechtshalt der Tat und dem Grad des Verschuldens. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden mangels Angaben des Bw von einem anderweitigen Strafverfahren herangezogen, wonach der Bw über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.000 Euro verfüge, keine Sorgepflichten hätte und kein Vermögen besitzen würde.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. X & Mag. Dr. X, mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2011 rechtzeitig Berufung erhoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass auf dem Etikett drei Zutaten unterstrichen seien:

Fitnessbrot                                       55 %

Puten-/Gemüseschinken                   30 %

Käse                                                 15 %

 

Die Zutat "Puten-/Gemüseschinken" ist wiederum unterteilt in

Putenfleisch                                     83 %

und Gemüse                                     12 %

der Rest sind sonstige Inhaltsstoffe.

 

Jeder durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher (Verbraucherleitbild des EuGH) könne erkennen, wie sich der Inhalt zusammensetze. Die Berechnungen der LMUA Linz würden jeder Logik entbehren. Die LMUA verschließe sich der Erkenntnis, dass der Aufbau des Etiketts nur den Schluss zulasse, dass die Zutat Puten-/Gemüseschinken 30% am Gesamtprodukt betrage und sich zu 83 % aus Putenfleisch und zu 12 % aus Gemüse sowie zu 5 % aus sonstigen Inhaltsstoffen oder Zutaten zusammensetze.

 

Weiters sei die angefochtene Entscheidung nicht ausreichend begründet und habe die Erstbehörde allgemeine Leerformeln verwendet.  Die Begründung des Erkenntnisses erschöpfe sich in der Wiedergabe von nicht nachvollziehbaren Berechnungen. Es erfolge keine Auseinandersetzung mit den Rechtfertigungs­angaben und dem Gutachten von x. Die Beweisergebnisse würden einander nicht gegenüber gestellt und sorgfältig abgewogen werden.

 

Der Bw beantragt daher die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn eingestellt werde. 

 

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt samt Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

3.2. Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51e Abs. 2 VStG abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass bereits mit der am 3. August 2006 in Kraft getretenen LMSVG-Novelle, BGBl Nr. 136/2006, die bis dahin in § 90 Abs. 3 Ziffer 3 LMSVG noch enthaltene Anführung "§ 98 Abs. 1" eliminiert wurde. Übertretungen der LMKV sind daher seitdem nicht mehr (wie im angefochtenen Straferkenntnis angenommen) durch § 90 Abs. 3 Ziffer 3, sondern gemäß § 90 Abs. 3 Ziffer 2 iVm § 6 Abs. 1 LMSVG pönalisiert.

 

§ 90 Abs. 3 Z. 2 LMSVG lautet:

Wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 6, 7 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 7 oder 8, 11, 12, 13, 14, 19, 20, 34, 47 Abs. 2 oder 57 Abs. 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Gemäß § 71 Abs. 3 LMSVG ist im Verwaltungsstrafverfahren im Straferkenntnis der zum Kostenersatz verpflichteten Partei der Ersatz der Kosten an die Agentur oder an die jeweilige Untersuchungsanstalt der Länder vorzuschreiben.

 

Die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 - LMKV wurde aufgrund der §§ 7 Abs. 2, 10 Abs. 1 und 19 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 erlassen. Diese Verordnung fällt nunmehr unter § 6 Abs. 1 LMSVG.  

 

Nach § 4 Abs. 1 Ziffer 7a a) LMKV sind verpackte Waren wie folgt zu kennzeichnen, sofern die §§ 5 bis 7 nichts anderes bestimmen:

Die Angabe der bei der Herstellung verwendeten Menge einer Zutat oder Zutatenklasse, wenn

i)        die betreffende Zutat oder Zutatenklasse in der Sachbezeichnung genannt ist oder normalerweise vom Verbraucher mit dieser in Verbindung gebracht wird oder

ii)      die betreffende Zutat oder Zutatenklasse auf dem Etikett durch Worte, Bilder oder eine graphische Darstellung hervorgehoben ist oder

iii)    die betreffende Zutat oder Zutatenklasse von wesentlicher Bedeutung für die Charakterisierung einer Ware und ihre Unterscheidung von anderen Erzeugnissen ist, mit denen sie aufgrund ihrer Bezeichnung oder ihres Aussehens verwechselt werden könnte.

 

5.2. Dem Bw wurde vorgeworfen, dass die Angabe der Menge der Zutaten Putenfleisch und Gemüse "falsch" sei.

 

Der Fotokopie der im Verwaltungsstrafakt aufliegenden Originalverpackung des "x Sportler-Toast" ist zu entnehmen, dass die angegebenen Hauptbestandteile "Fitnessbrot", "Puten-/Gemüseschinken" und "Käse" unterstrichen sind. Daran anschließend sind jeweils nach einem Doppelpunkt die jeweiligen Zutaten dieser Hauptbestandteile aufgezählt.

 

Der Bw hat in seinen schriftlichen Eingaben vom 9. Dezember 2010 und vom 12. April 2011, welcher ein schriftliches Gutachten der DI X & DI X ZT-GmbH, x, Labor für Lebensmitteluntersuchung und Umweltanalytik, vom 25. März 2011 beigeschlossen ist, sowie in der Berufung vom 27. Oktober 2011, wiederholt darauf hingewiesen, dass das Produkt insgesamt aus 30 % Puten-/Gemüseschinken besteht und diese Zutat wiederum unterteilt ist in 83 % Putenfleisch, 12 % Gemüse und sonstige Inhaltsstoffe.

 

Das Institut für Lebensmitteluntersuchung Linz, x, geht in ihrem Gutachten vom 21. April 2011 davon aus, dass sich die Angabe der Mengen von Zutaten oder Zutatenklassen grundsätzlich auf das Gesamtprodukt zu beziehen habe und nur in begründeten Ausnahmefällen, eine Angabe auf einen Teil eines Produktes möglich sei, sofern jedenfalls eine Angabe der Bezugsbasis vorhanden sei.

 

Unter Heranziehung des § 4 Abs. 1 Ziffer 7 lit. e), wonach eine zusammengesetzte Zutat im Verzeichnis der Zutaten unter ihrer handelsüblichen Sachbezeichnung nach Maßgabe ihres Gesamtgewichtsanteils angegeben werden kann, sofern unmittelbar danach eine Aufzählung ihrer Zutaten folgt, ist der Oö. Verwaltungssenat der Ansicht, dass entsprechend dieser Norm der Gesamtgewichtsanteil des Puten-/Gemüseschinkens als zusammengesetzte Zutat mit 30 % anzugeben ist und im unmittelbaren Anschluss eine Aufzählung der Zutaten des Puten-/Gemüseschinkens zu erfolgen hat. Beim gegenständlichen Produkt erfolgte die Deklarierung der Zutaten entsprechend dieser Vorgaben. Demnach ist gegenständlich von keiner Falschbezeichnung zu sprechen.

 

Abzustellen ist nach der Judikatur des EuGH auf einen durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher (vgl. u.a. die Entscheidung in der Rechtssache C 457/05). Für einen solchen verständigen Konsumenten ist selbst bei flüchtiger Betrachtung der Verpackung erkennbar, dass der Toast insgesamt zu 30 % aus Puten-/Gemüseschinken besteht und dieser Puten-/Gemüseschinken wiederum zu 83 % aus Putenfleisch und 12 % Gemüse besteht.

 

Maßgeblich hiefür ist nicht zuletzt der nach den "Hauptzutaten" gesetzte Doppelpunkt sowie die Unterstreichung der "Hauptzutaten".

 

Für den Oö. Verwaltungssenat ist nachvollziehbar die Menge der Zutaten richtig aufgelistet und ist der Tatvorwurf daher unberechtigt.

 

Es war daher insgesamt aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs. 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens. Im Hinblick auf § 71 Abs. 3 LMSVG war dem Bw auch nicht der Ersatz der Kosten der x vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Reichenberger

 

 

 

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