Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167254/14/Zo/Ai

Linz, 27.12.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, vom 1.10.2012 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 18.9.2012, Zl. VerkR96-4020-2012, wegen zwei Übertretungen der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 3.12.2012 und sofortiger Verkündung der Entscheidung zu Recht erkannt:

 

 

I.              Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II.           Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren einen Kostenbeitrag in Höhe von 24 Euro zu bezahlen (das sind 20 % der von der Erstinstanz verhängten Geldstrafe).

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 19 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 2.5.2012 um 07:40 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen X in X, X, X auf Höhe Firma X in Richtung X gelenkt habe, wobei er

1) ein Fahrzeug überholt habe, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach den Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern;

2) er das angeführte Fahrzeug jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abgebremst habe, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert habe, wodurch andere Straßenbenutzer abbremsen mussten um einen Auffahrunfall zu verhindern.

 

Der Berufungswerber habe dadurch zu 1) eine Übertretung nach § 16 Abs.1 lit.c StVO und zu 2) eine solche nach § 21 Abs.1 StVO begangen, weshalb über ihn Geldstrafen in Höhe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) zu 1) sowie von 40 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) zu 2) verhängt wurden. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 12 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass es sich dort um eine lange Gerade gehandelt habe und einige Fahrzeuge hinter einem Baufahrzeug im Schritttempo gefahren seien. Es sei leicht zu erkennen gewesen, dass kein Gegenverkehr komme, weshalb er nach einigem Zögern mit dem Überholen begonnen habe. Er habe auch erkennen können, dass die 4-5 Fahrzeuge vor ihm in einem großen Abstand zueinander fuhren, sodass er viel Platz zum Einreihen hatte. Plötzlich sei ein Wagen aus einer Ausfahrt bzw. Seitenstraße auf die Gerade eingebogen und er habe sich deshalb wieder einreihen müssen. Dies sei aber nicht voraussehbar gewesen.

Beim Einreihen habe er niemanden gefährdet, weil er genug Zeit gehabt habe und weil große Lücken gewesen seien. Allerdings habe das letzte Fahrzeug diese ausreichende Lücke zum Einreihen durch Gas geben absichtlich verringert.

 

Er sei vorsichtig trotzdem in diese Lücke gefahren und zwar nicht einmal zur Gänze, weil die Straße ja breit genug gewesen sei. Er habe niemanden gefährdet.

 

Er habe sein Fahrzeug nach dem Einreihen nicht plötzlich abgebremst, die Kolonne sei ohnedies extrem langsam mit ca. 7-10 hm/h gefahren.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Wels-Land hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 3.12.2012. An dieser hat der Berufungswerber ohne Angabe von Gründen nicht teilgenommen, die Erstinstanz war entschuldigt. Die Anzeigerin wurde zum Vorfall als Zeugin befragt.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Die Zeugin lenkte zur Vorfallszeit ihren Pkw in X, X, auf der X in Richtung X. Sie fuhr als zweites oder drittes Fahrzeug in einer Kolonne, welche auf Grund eines mit geringer Geschwindigkeit vorausfahrenden Baufahrzeuges oder Baggers entstanden war. Auch hinter der Zeugin fuhren mehrere Fahrzeuge.

 

Der weitere Vorfall wird von der Zeugin und vom Berufungswerber völlig unterschiedlich geschildert. Die Zeugin gab an, dass sie im Rückspiegel den Pkw des Berufungswerbers gesehen hatte, als dieser bereits die Kolonne überholte. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe sie ein entgegen kommendes Fahrzeug gesehen und es sei ihr klar gewesen, dass der Berufungswerber den Überholvorgang nicht mehr bis vor das Baufahrzeug fortsetzen konnte. Sie selbst sei mit einem normalen Sicherheitsabstand von 1-2 Sekunden hinter dem vor ihr fahrenden Pkw nachgefahren. Der Berufungswerber habe auf Grund des Gegenverkehrs unmittelbar vor ihr auf den rechten Fahrstreifen wechseln müssen, weshalb sie ihr Fahrzeug massiv abbremsen musste, um den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zu vergrößern.

 

In weiterer Folge habe der Berufungswerber sein Fahrzeug plötzlich und unerwartet bis zum Stillstand abgebremst. Auch sie habe deshalb anhalten müssen. Der Berufungswerber sei zu ihrem Fahrzeug gelaufen, habe sie beschimpft und habe auf die Scheibe der Fahrertür gespuckt. Es hätten dann Fahrzeuge hinter ihr gehupt und letztlich sei der Berufungswerber wieder zu seinem Fahrzeug gegangen und weiter gefahren. Sie sei gleich zur nächsten Polizeidienststelle gefahren um die Anzeige zu erstatten.

 

Anzuführen ist, dass die Schilderung der Zeugin bei der mündlichen Berufungsverhandlung mit ihren Angaben anlässlich der Anzeigeerstattung bei der Polizei im Wesentlichen übereinstimmen.

 

Der Berufungswerber hatte sich im erstinstanzlichen Verfahren im Wesentlichen gleich verantwortet wie in der oben unter Punkt 2. dargestellten Berufung. Als er den Überholvorgang begonnen hatte, habe es keinen Gegenverkehr gegeben. Dieses Fahrzeug sei von rechts auf die X herausgefahren, womit er nicht rechnen konnte. Beim Einordnen habe er die hinter ihm fahrende Anzeigerin nicht behindert, er sei auch nicht aus seinem Fahrzeug ausgesprungen und habe die Anzeigerin nicht bedroht.

 

Festzuhalten ist, dass es sich bei der X tatsächlich um eine lange gerade und unübersichtliche Straße handelt.

 

4.2. Zu diesen unterschiedlichen Angaben hat der UVS des Landes Oö. in freier Beweiswürdigung folgendes erwogen:

 

Die Angaben der Zeugin sind lebensnah und gut nachvollziehbar. Sie machte in der mündlichen Berufungsverhandlung auch einen sachlichen und besonnenen Eindruck und es ist nicht anzunehmen, dass sie den ihr gänzlich unbekannten Berufungswerber zu Unrecht beschuldigen würde. Wenn eine Fahrzeugkolonne hinter einem Baufahrzeug nachfährt, so wird erfahrungsgemäß innerhalb der Kolonne zwischen den einzelnen Pkw-Lenkern nur ein geringer Abstand eingehalten, weil alle Pkw-Lenker das Baufahrzeug überholen wollen. Die anderslautende Behauptung des Berufungswerbers, dass die Abstände in der Kolonne groß genug waren, um sich gefahrlos wieder einordnen zu können, ist hingegen nicht sehr realistisch.

 

Es ist auch nachvollziehbar, dass sowohl die Anzeigerin als auch die sonstigen in der Kolonne fahrenden Fahrzeuge das entgegen kommende Fahrzeug wahrgenommen hatten, weil sonst wohl einer dieser Fahrzeuglenker das Baufahrzeug überholt hätte. Es ist hingegen nicht anzunehmen, dass mehrere Pkw Lenker auf das Überholen des Baufahrzeuges verzichtet hätten, wenn – so wie der Berufungswerber behauptet – am Beginn des Überholvorganges tatsächlich kein Gegenverkehr wahrnehmbar gewesen wäre.

 

Letztlich darf im Rahmen der Beweiswürdigung auch nicht übersehen werden, dass der Berufungswerber an der mündlichen Berufungsverhandlung nicht teilgenommen hat, weshalb es nicht möglich war, sich einen persönlichen Eindruck hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit zu verschaffen.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß §16 Abs.1 lit.c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Gemäß § 21 Abs.1 StVO 1960 darf der Lenker das Fahrzeug nicht jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abbremsen, wenn andere Straßenbenützer dadurch gefährdet oder behindert werden, es sei den, dass es die Verkehrssicherheit erfordert.

 

5.2. Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, betrug der Abstand zwischen den in der Kolonne fahrenden Fahrzeugen, insbesondere jener zwischen dem Fahrzeug der Zeugin und dem vor ihrem fahrenden Fahrzeug zwischen 1 und 2 Sekunden. Der Berufungswerber konnte sich auch nicht darauf verlassen, dass er die gesamte Kolonne in einem überholen könne, weil auch für die Zeugin der Gegenverkehr während seines Überholmanövers bereits erkennbar war. Es musste ihm daher bereits am Beginn seines Überholvorganges klar sein, dass er sich möglicherweise innerhalb der Kolonne wieder auf den rechten Fahrstreifen würde einordnen müssen, obwohl der Abstand zwischen den einzelnen Fahrzeugen dafür nicht ausreichte. Auf Grund der Überlegungen zur Beweiswürdigung ist es auch als erwiesen anzusehen, dass der Berufungswerber nach dem Abschluss des Überholvorganges sein Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund jäh abbremste und zum Stillstand brachte und dadurch die hinter ihm fahrende Zeugin zum Stehenbleiben nötigte und sie dadurch behinderte.

 

Bezüglich des Überholmanövers ist es denkbar, dass der Berufungswerber den entgegenkommenden Pkw übersehen bzw. die Situation falsch eingeschätzt hat. Diesbezüglich ist ihm daher nur fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Bezüglich der zweiten Übertretung muss ihm jedoch vorsätzliches Handeln vorgeworfen werden, weil ein bloß irrtümliches Stehenbleiben nicht möglich erscheint.

 

5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die gesetzliche Höchststrafe beträgt für jede der beiden Übertretungen gemäß    § 99 Abs.3 lit.a StVO jeweils 726 Euro.

 

Dem Berufungswerber kommt der Strafmilderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit wegen zweier (allerdings geringfügiger) Übertretungen der StVO aus dem Jahr 2010 nicht zu Gute. Sonstige Strafmilderungs- bzw. Straferschwerungsgründe liegen nicht vor.

 

Beide Übertretungen können zu gefährlichen Situationen im Straßenverkehr führen, weshalb der Unrechtsgehalt nicht als geringfügig anzusehen ist. Andererseits bewegte sich die Fahrzeugkolonne nur mit geringer Geschwindigkeit, weshalb die Übertretungen auch nicht als außergewöhnlich gefährlich angesehen werden können.

 

Bei Abwägung dieser Umstände erscheinen die von der Erstinstanz verhängten Strafen, welche den gesetzlichen Strafrahmen zu ca. 11% ausschöpften, durchaus angemessen und notwendig, um den Berufungswerber in Zukunft von ähnlichen Übertretungen abzuhalten. Sie entsprechen auch den finanziellen Verhältnissen des Berufungswerbers, wobei mangels anderer Angaben die erstinstanzliche Einschätzung (monatl. Nettoeinkommen von ca. 1.500 Euro bei keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten) zu Grunde gelegt wird.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

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