Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101375/2/Bi/Fb

Linz, 09.07.1993

VwSen - 101375/2/Bi/Fb Linz, am 9. Juli 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des M A, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. O H und Dr. J B, vom 21. Juni 1993 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 9. Juni 1993, VerkR96/6174/1992, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems behoben.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit Bescheid vom 9. Juni 1993, VerkR96/6174/1992, den Einspruch des Rechtsmittelwerbers vom 1.6.1993 gemäß den Bestimmungen des § 49 Abs.1 VStG als verspätet zurückgewiesen. Begründet wurde dies damit, der Rechtsmittelwerber habe vertreten durch seinen Rechtsanwalt J E, mit Schreiben vom 29. Dezember 1992 Einspruch gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 10. Dezember 1992, VerkR96/6174/1992, erhoben, der aber nicht anerkannt werden könne, weil der Parteienvertreter die Erfordernisse zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich nicht erfülle. Der Einspruch des nunmehrigen Vertreters Rechtsanwalt Dr. H vom 1. Juni 1993 sei, da die Strafverfügung bereits am 4.1.1993 in Rechtskraft erwachsen sei, als verspätet zu werten.

2. Gegen diesen Bescheid hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitg Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da im zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe am 1.6.1993 keinen Einspruch erhoben und den Schriftsatz auch nicht als solchen tituliert. Vorsichtshalber lege er aber nunmehr den Einspruch vom 29. Dezember 1992 mit der Unterschrift der nun einschreitenden Rechtsanwälte erneut vor. Er berufe sich im wesentlichen darauf, daß die Rechtsansicht der Erstinstanz unrichtig sei, zumal diese die Bestimmungen des § 10 AVG anzuwenden gehabt hätte, bevor sie sich mit der Frage auseinandersetzte, ob Rechtsanwalt Eisvogel unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreibe (Winkelschreiberei), und sie die standesrechtlichen Vorschriften der Rechtsanwaltsordnung erörterte. Die Rechtsansicht des Amtes der oö Landesregierung gehe nicht nur fehl, sondern sei auch inkonsequent, weil im der nunmehrigen Entscheidung zugrundegelegten Fall der Bescheid an die (deutschen) Rechtsanwälte zugestellt worden sei, obwohl diese ja nach Meinung der Verwaltungsbehörde gar nicht vertretungsbefugt waren. Die Behörde sei auch nicht befugt, darüber zu entscheiden, ob eine Umgehung der Rechtsanwaltsordnung vorliege. Gemäß den Bestimmungen des § 10 AVG müsse die Behörde sogar von einem nichtzugelassenen Vertreter die Berufung akzeptieren und habe nur die Möglichkeit, gemäß Art.IX Abs.1 Z4 EGVG vorzugehen. Wenn die Behörde Zweifel an der von ihm an Rechtsanwalt E erteilten Vollmacht gehabt hätte, hätte sie diesbezüglich Erhebungen anstellen müssen. Die Verwaltungsbehörde habe die Vertretungsbefugnis grundsätzlich nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. dem Verwaltungsstrafgesetz zu prüfen und nicht nach den standesrechtlichen Vorschriften der Rechtsanwaltsordnung. Die Erstinstanz habe es unterlassen, ihn aufzufordern, sich eines österreichischen Rechtsvertreters unter Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Dezember 1985, 85/07/0196, zu bedienen, wozu sie verpflichtet gewesen wäre. Er beantrage, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, den am 29. Dezember 1992 eingebrachten und nunmehr wiederholten Einspruch als rechtzeitig zu bezeichnen und der Erstinstanz aufzuerlegen, das ordentliche Ermittlungsverfahren einzuleiten.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Nach der Aktenlage stellt sich der Vorfall so dar, daß dem Rechtsmittelwerber mit Strafverfügung der Erstinstanz vom 10. Dezember 1992 wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) auferlegt wurde. Die Strafverfügung wurde dem Rechtsmittelwerber am 21. Dezember 1992 in Deutschland zugestellt. Am 29. Dezember 1992 brachte der Rechtsmittelwerber vertreten durch den (deutschen) Rechtsanwalt J E fristgerecht einen begründeten Einspruch gegen die genannte Strafverfügung ein und legte auch eine mit 21. Dezember 1992 datierte Strafprozeßvollmacht für diesen Rechtsanwalt vor. Seitens der Erstinstanz wurden zunächst die beiden Meldungsleger BI K H und RI G G beim Gemeindeamt K zeugenschaftlich einvernommen, dann aber mit Schreiben vom 28. Jänner 1993 dem Rechtsmittelwerber persönlich mitgeteilt, daß der Einspruch des Rechtsanwaltes E nicht rechtsgültig sei - wobei auf eine Entscheidung der oö Landesregierung vom 15. Jänner 1993 verwiesen wurde -, und ihn aufgefordert, die Geldstrafe unverzüglich zur Einzahlung zu bringen, da die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen sei. Im Rahmen des anschließenden Briefwechsels mit Rechtsanwalt J E berief sich die Erstinstanz auf die Rechtsauffassung der oö Landesregierung, wonach der bevollmächtigte deutsche Anwalt weder österreichischer Staatsbürger noch in die Liste der österreichischen Rechtsanwälte eingetragen sei, sodaß er nicht berechtigt sei, in der Republik Österreich die Rechtsanwaltschaft auszuüben bzw. anwaltliche Leistungen zu erbringen. Mit Schreiben vom 28. Mai 1993 hat der Rechtsmittelwerber, nunmehr vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. H und Dr. B in Kirchdorf/Krems, einen Antrag auf Bescheiderlassung eingebracht, um die seiner Meinung nach unrichtige Rechtsansicht der Erstinstanz formell bekämpfen zu können. Daraufhin erging seitens der Erstinstanz der nunmehr angefochtene Bescheid vom 9. Juni 1993.

4.2. Seitens des unabhängigen Verwaltungssenates ist zunächst festzustellen, daß sich im gesamten Akteninhalt kein auf den Rechtsmittelwerber zu beziehender Einspruch vom 1. Juni 1993 findet. Der Schriftsatz des nunmehr durch österreichische Anwälte vertretenen Rechtsmittelwerbers vom 28. Mai 1993 ("Antragstellung auf Bescheiderlassung") wurde am 1. Juni 1993 persönlich bei der Erstinstanz abgegeben, sodaß der Schluß naheliegt, daß sich der angefochtene Bescheid auf diesen Schriftsatz bezieht. Aus diesem Schriftsatz ergibt sich aber - wie auch in der Berufung dargelegt -, daß dieser nicht als neuerliche Einbringung des Einspruches gedacht war, sondern auf die Entscheidung der Erstinstanz über die verfahrensrechtliche Anerkennung des Einspruchs vom 29. Dezember 1992 als solchen zielte. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die Erstinstanz keine Entscheidung über den Einspruch vom 29. Dezember 1992 getroffen, sodaß dem Antrag des Rechtsmittelwerbers auf Bescheiderlassung im Hinblick darauf formell bislang nicht entsprochen wurde. Die umfangreichen Darlegungen der Rechtsansicht der Erstinstanz im Wege der Korrespondenz mit dem Rechtsmittelwerber bzw. Rechtsanwalt J E ist lediglich als Information anzusehen, gehört aber nicht dem Rechtsbestand im Sinne einer einem Rechtsmittel zugänglichen verwaltungsstrafbehördlichen Entscheidung an.

Aus den dargelegten Gründen ist es dem unabhängigen Verwaltungssenat verwehrt, im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens über den Einspruch vom 29. Dezember 1992 zu entscheiden, wobei auch der im Rahmen des Berufungsvorbringens wiederholte Einspruch durch die Erstinstanz im Rahmen ihrer verwaltungsstrafbehördlichen Entscheidungskompetenz zu behandeln ist. Da der unabhängige Verwaltungssenat nicht Oberbehörde im Sinne einer weisungsberechtigten übergeordneten Instanz ist, steht es ihm auch nicht zu, der Erstinstanz die Einleitung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens aufzuerlegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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