Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-401243/6/Wg/WU

Linz, 21.12.2012

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde des X, geb. X, vertreten durch X, wegen Anordnung und Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Perg, zu Recht erkannt:

 

 

I.             Der Beschwerde wird stattgegeben. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Schubhaft sowie die Anhaltung in Schubhaft von 5. Dezember 2012 bis 13. Dezember 2012 rechtswidrig war.

 

II.          Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmannschaft Perg) hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 751,90 Euro binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.F. BGBl. I Nr. 38/2011) iVm §§ 67c und 69a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991

 

 

 

 

B e g r ü n d u n g:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Perg (im Folgenden: belangte Behörde) verhängte über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) mit Bescheid vom 5. Dezember 2012, GZ: Sich40-388-20127Kg/Cw, gem. § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) gegen die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. §§ 52 iVm. 53 FPG und der Abschiebung (§ 46 FPG). Die belangte Behörde argumentierte, das Asylverfahren habe zwischenzeitig rechtskräftig negativ geendet und eine Ausweisung gem. § 10 Asylgesetz erlassen worden. Trotz der damit eingetretenen Ausreiseverpflichtung habe er diese bis heute nicht befolgt. Aus diesem Grund habe die Fremdenpolizei der BH Perg versucht, zum Zweck der Abschiebung ein Heimreisezertifikat zu erwirken. Aufgrund der fehlenden Einwilligung des Bf sei ein solches jedoch bis dato noch nicht ausgestellt worden. Der Bf selbst sei in der Betreuungsstelle X, aufhältig geblieben. Am 2. Dezember 2012 habe die Betreuungsstelle X nun der Behörde mitgeteilt, dass er ohne Hinterlassung einer Adresse diese Betreuungsstelle unabgemeldet verlassen habe. Die Leiterin der Betreuungsstelle X habe jedoch bekannt gegeben, dass er wiederum in dieser Einrichtung erschienen sei und eine weitere Betreuung fordere. Die Grundversorgung des Bundes habe aber mit 2. Dezember 2012 geendet. Mit Ende dieser Grundversorgung fehle ihm nun der Besitz von Mitteln für den Lebensunterhalt, eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung und auch jedwede Unterkunftsmöglichkeit. Er sei als "obdachlos" zu bezeichnen. Aufgrund dieser Tatsachen sei beabsichtigt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, gekoppelt mit einem für 5 Jahre gültigen Einreiseverbot zu erlassen und in der Folge nochmals eine Abschiebung mit einem weiteren Versuch des Erlangens eines Heimreisezertifikates zu veranlassen. Nunmehr sei aufgrund des Wegfalls der Grundversorgung keine Unterkunftnahme im Bundesgebiet gegeben, weshalb auch keine melderechtliche Vormerkung vorliege. Seine Einstellung, Rechtsbestimmungen einfach zu missachten, rechtfertige auch die Vermutung, dass er sich im Falle der Kenntnis eines Verfahrens zur Erlassung eines 5-jährigen Einreiseverbotes dieser Maßnahme entziehen werde. Die Behörde gehe aufgrund der genannten Erwägungen davon aus, dass der Zweck der Schubhaft auch nicht durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könne. Der beschriebenen Fluchtgefahr könne verlässlich nur mit Schubhaft begegnet werden, da realistische Ansatzpunkte für die Anwendung gelinderer Mittel gem. § 77 FPG nicht ersichtlich seien.

 

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 12. Dezember 2012. Der Bf beantragt darin, der UVS im Lande Oberösterreich möge die Verhängung der Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären, sowie Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsatz – Verhandlungsaufwand) und der Eingabegebühr zuerkennen. Er argumentierte, Ziel der Behörde sei es offensichtlich, ihn in sein Heimatland Iran abzuschieben. Tatsächlich sei dies nicht möglich. Er verwies auf eine Entscheidung des UVS Steiermark, worin unter Bezugnahme auf eine Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für Inneres, Abteilung II/3, ausgeführt wurde, dass Abschiebungen in den Iran mangels eines entsprechenden Rückübernahmeabkommens nicht möglich seien. In diesem Fall nämlich dürften iranische Botschaften nach iranischem Recht nur dann Heimreisezertifikate ausstellen, wenn die betreffende Person freiwillig rückkehrt oder entsprechende Reisedokumente bzw. deren Kopien vorliegen. Der Bf wolle weder freiwillig heimkehren, noch würden Reisedokumente oder Kopien solcher vorliegen. Eine Abschiebung des Bf sei daher nicht möglich und folglich auch nicht zulässig, weshalb auch die Schubhaft nicht verhängt hätte werden dürfen. Der Bf habe keinerlei Verhaltensweisen gezeigt, die die Annahme rechtfertigen würden, er könnte sich dem Verfahren entziehen. Insbesondere könne die dem Bf angelastete Ausreiseunmöglichkeit alleine nicht als Sicherungserfordernis begründen. Der Bf habe die Betreuungsstelle X am 2. Dezember 2012 verlassen, um ein Rechtsberatungsgespräch bei einem Anwalt in Wien in Anspruch zu nehmen. Er habe in Wien bei seinem Bruder übernachten können und habe auf einen Termin bei Rechtsanwalt X gewartet. Nach dem Termin sei der Bf wieder aus freien Stücken in die Betreuungsstelle X gefahren. Er habe dabei kein Verhalten gesetzt, dass die Annahme rechtfertige, dass er sich dem Verfahren entziehen werde. Die Behörde habe das Sicherungserfordernis und die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Wenn die Behörde trotz Kenntnis der familiären Anbindungen in Österreich keine weiteren Ermittlungen anstelle, um die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen (etwa durch eine AIS-Abfrage mit dem Namen des Bruders) und bis zur Bekanntgabe des Geburtsdatums des Bruders von einem Sicherungsbedarf ausgehe, sei die Aufrechterhaltung der Schubhaft jedenfalls unverhältnismäßig. Hätte die belangte Behörde eine Einzelfallprüfung durchgeführt, hätte sie schon zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung feststellen müssen, dass der Bf über einen Bruder in Österreich verfüge und bei diesem auch leben könne. Somit hätte die Behörde feststellen müssen, dass der Zweck der Anhaltung in Schubhaft auch auf andere Weise erreicht hätte werden können.

 

Die belangte Behörde legte dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 den Schubhaftakt samt Aktenverzeichnis vor. Weiters führt sie aus: "Ergänzend dazu darf berichtet werden, dass der Genannte heute aus der Schubhaft entlassen und in der Folge in ein gelinderes Mittel übernommen wurde. Diesbezüglich liegt ebenfalls eine Bescheidausfertigung bei. Es ist seitens der Bezirkshauptmannschaft Perg weiterhin beabsichtigt, gegen den Genannten die angekündigte Rückkehrentscheidung mit 5 Jahren gültigem Einreiseverbot zu erlassen. Darüber hinaus wird gleichzeitig neuerlich im Zusammenwirken mit dem Bundesministerium für Inneres versucht, ein Heimreisezertifikat zur Abschiebung zu erlangen."

 

Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Bf wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger des Iran. Er reiste am 19. Jänner 2009 illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein. Zuletzt stellte er am 22. Mai 2012 einen Asylantrag, der im Rechtsmittelverfahren vom Asylgerichtshof rechtskräftig am 11. Juli 2012 gem. § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Gleichzeitig erwuchs seine asylrechtliche Ausweisung in Rechtskraft (AIS-Datenauszug vom 14. Dezember 2012).

 

Vom 5. Juli 2012 bis 3. Dezember 2012 war der Bf an der Adresse X mit Hauptwohnsitz gemeldet. Es handelt sich dabei um eine Betreuungsstelle im örtlichen Zuständigkeitsbereich der belangten Behörde. Bereits am 2. Dezember 2012 hatte diese Betreuungsstelle der belangten Behörde mitgeteilt, dass der Bf ohne Hinterlassung einer Adresse die Betreuungsstelle unangemeldet verlassen hatte (Auszug Melderegister, bekämpfter Bescheid).

 

Der Bf hatte die Betreuungsstelle X am 2. Dezember 2012 verlassen, um ein Rechtsberatungsgespräch bei einem Anwalt in Wien in Anspruch zu nehmen. Er konnte in Wien bei seinem Bruder X übernachten und wartete auf einen Termin bei seinem Rechtsanwalt. Nach dem Termin kehrte der Bf in die Betreuungsstelle zurück (Ausführungen Beschwerdeschriftsatz).

 

Die Leiterin der Betreuungsstelle X setzte die belangte Behörde darüber am 5. Dezember 2012 in Kenntnis. Die belangte Behörde erließ daraufhin den bekämpften Bescheid, ohne den Bf zuvor einzuvernehmen. Der Bf befand sich bis 13. Dezember 2012 in Schubhaft.

 

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2012 nahm die belangte Behörde gem. § 77 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) von der Anordnung der Schubhaft gegen den Bf Abstand und ordnete die Anwendung eines gelinderen Mittels zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. §§ 52 iVm. 53 FPG und der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Es wurde angeordnet: "Sie haben ihrem eigenen Vorschlag folgend bei ihrem Bruder X in X, Unterkunft zu nehmen. Sie haben sich in periodischen Abständen – alle 2 Tage – bei der Polizeiinspektion X in der Zeit zwischen 7.00 und 20.00 Uhr zu melden." Die belangte Behörde argumentierte, es habe sich im Rahmen der Rechtsberatung herausgestellt, dass der Bf bei seinem Bruder X in X Unterkunft nehmen könnte. Die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot sowie der folgenden Abschiebung könnte – seinem eigenem Vorschlag entsprechend – auch in Form eines "gelinderen Mittels" erfolgen. Es sei festgestellt worden, dass sein Bruder an der angeführten Adresse seit 13. Oktober 2009 tatsächlich seine Unterkunft gemeldet habe. Sein Aufenthaltsrecht ergebe sich in seiner Eigenschaft als "Konventionsflüchtling".

 

Zur Bereitschaft des Bf am Verfahren mitzuwirken, ist festzustellen, dass er nicht bereit ist, freiwillig in den Iran auszureisen. Es liegt kein Heimreisezertifikat vor. Iranische Botschaften stellen nach iranischem Recht nur dann Heimreisezertifikate aus, wenn die betreffende Person freiwillig zurückkehrt oder entsprechende Reisedokumente bzw. deren Kopien vorliegen. Es liegt aber kein Reisedokument vor (Ausführungen Beschwerdeschriftsatz).

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Die Daten des Asylverfahrens des Bf ergeben sich aus dem elektronischen Asylinformationssystem. Im Übrigen ergibt sich der festgestellte Sachverhalt unstrittig aus dem Vorbringen der Schubhaftbeschwerde und dem Verfahrensakt der belangten Behörde. So blieben insb die Ausführungen des Bf zur Ausstellung von Heimreisezertifikaten unwidersprochen. Eine mündliche Verhandlung war daher nicht erforderlich.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Die belangte Behörde führte aus, sie werde neuerlich versuchen, ein Heimreisezertifikat zur Abschiebung zu erlangen. Bei Erlassung des Schubhaftbescheides war aber nicht absehbar, ob die iranischen Behörden ein Heimreisezertifikat für den Bf ausstellen werden und eine Abschiebung innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer möglich ist. Schon deshalb ist die Schubhaft unverhältnismäßig und rechtswidrig (vgl VwGH vom 23. Oktober 2008, 2006/21/0128).

 

Weiters nahm die belangte Behörde vor Erlassung des bekämpften Bescheides von einer Einvernahme des Bf Abstand. Sie ging davon aus, es sei aufgrund des Wegfalls der Grundsversorgung keine Unterkunftnahme im Bundesgebiet gegeben. Daraufhin stellte sich aber heraus, dass der Bf bei seinem Bruder X, Unterkunft nehmen kann. Dies hätte sich schon bei einer Einvernahme vor Verhängung der Schubhaft ermitteln lassen. Aus Sicht der Verhältnismäßigkeit hätte mit der Festnahme, der Vorführung zur Behörde, einer Einvernahme und einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden werden können (vgl das im Internet unter www.uvs-ooe.gv.at abrufbare Erkenntnis des UVS Oö. vom 7. September 2012, VwSen-401210/27/Wg/JO).

 

Die Verhängung von Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft waren unverhältnismäßig. Gem. UVS-Aufwandersatzverordnung war der beantragte Aufwandersatz zuzusprechen.

 

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 37,70 Euro (14,30 Euro Eingabegebühr, 6 x 3,90 Euro für Beilagen) angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum