Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523276/8/Sch/AK

Linz, 22.01.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. X, X, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 18. September 2012, Zl. VerkR21-341-2012-Hol, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 10. Jänner 2013 zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmann von Schärding hat mit Bescheid vom 18. September 2012, VerkR21-341-2012-Hol, Herrn X gemäß §§ 7, 24 Abs. 1 und 3 und 25 Abs. 1 und 3 Führerscheingesetz (FSG) die Lenkberechtigung für Klassen B, B+E, C1, C1+E und F wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 3 Monaten gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides entzogen.

Weiters wurde ihm gemäß § 30 Abs. 1 FSG das Recht aberkannt, für die Dauer der Entziehung der angeführten Lenkberechtigung von einer allfälligen bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen.

Zudem wurde gemäß § 29 Abs. 3 FSG angeordnet, dass der über die Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein unverzüglich nach Rechtskraft des Bescheides entweder bei der Behörde oder bei der Polizeiinspektion Münzkirchen abzuliefern ist.

 

 

 

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung, erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Vom Berufungswerber wird nicht bestritten, dass er als Lenker eines PKW am 30. Mai 2012 um 16.19 Uhr auf der X Landesstraße bei Strkm 3,580 im Zuge eines Überholmanövers einen Verkehrsunfall verschuldet hat. Der Berufungswerber hatte versucht, ein Sattelkraftfahrzeug zu überholen, wobei es zu einem Zusammenstoß mit einer entgegenkommenden PKW-Lenkerin kam. Beide Fahrzeuglenker wurden bei dem Unfall verletzt.

Gegen den Berufungswerber ist deshalb beim Bezirksgericht Schärding wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB zu GZ 1U-98/12s ein Strafverfahren anhängig.

Die Erstbehörde hat den Vorfall zum Anlass genommen, dem Berufungswerber wie oben angeführt die Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 3 Monaten zu entziehen. Gestützt wird der Entziehungsbescheid, wie der Begründung zu entnehmen ist, auf die Bestimmung des § 7 Abs. 3 Z3 FSG, wo es heißt, dass als bestimmte Tatsache, die im Verein mit ihrer Wertung die Verkehrszuverlässigkeit der betreffenden Person ausschließt, wenn diese als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Rechtsvorschriften verstoßen hat.

Diese Bestimmung enthält eine demonstrative Aufzählung solcher relevanter Verhaltensweisen, etwa auch das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen.

Zu prüfen war daher von der Erstbehörde – im Berufungsverfahren eben vom unabhängigen Verwaltungssenat -, ob der Berufungswerber durch sein Überholmanöver ein Verhalten gesetzt hat, dass an sich geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen.

Zu diesem Zwecke wurde eine Berufungsverhandlung unter Beiziehung eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen abgeführt. Dieser hatte im Vorfeld der Verhandlung die Örtlichkeit in Augenschein genommen und auch die relevante Fahrstrecke des Berufungswerbers unmittelbar vor dem Zusammenstoß begutachtet und hierüber eine Videoaufzeichnung angefertigt. Anhand derer, die bei der Berufungsverhandlung vorgeführt wurde, konnte ein überzeugender Einblick in die Sichtverhältnisse vor Ort gewonnen werden. In Fahrtrichtung des Berufungswerbers betrachtet wird eine vorerst gerade verlaufende Straßenstrecke dann durch eine Rechtskurve abgelöst. Nach den Erkenntnissen anhand der Unfallanzeige, der Lichtbilder und der erwähnten Videoaufzeichnung ist der Amtssachverständige zu folgender, nachvollziehbarer fachlichen Aussage gelangt:

"Ausgehend von einer Fahrgeschwindigkeit des Sattelkraftfahrzeuges von 65-70 km/h und Länge dieses Fahrzeuges von 16,5 Metern sowieso einer Breite von 2,5 Metern und einer Höhe von ca. 4 Metern und der Tatsache, dass das Überholmanöver mit der gleichen Ausgangsgeschwindigkeit begonnen wurde wie jener des Sattelkraftfahrzeuges, so ist folgendes festzuhalten:

Die Kollisionsstelle war bei Straßenkilometer 3,600 + 14,30 Meter (in Fahrtrichtung des Berufungswerbers betrachtet). Angenommen wird eine Beschleunigung von 2 m/s², wodurch sich ein beginnendes Überholmanövers etwa um die 120 m vor der Kollisionsstelle ergibt. Für diese Prämisse wesentlich ist auch der Umstand, dass die Kollisionsstelle im hinteren Drittel des Sattelaufliegers erfolgt ist. Weiters ist davon auszugehen, dass der Tiefenabstand zwischen dem Sattelkraftfahrzeug und jenem des Berufungswerbers etwa 2 Fahrzeuglängen, also rund 10 m betrug. So hat der Berufungswerber in Relation zum Sattelkraftfahrzeug eine Wegstrecke von etwa 15-17 m zurückgelegt. Nach dieser Ausgangslage ergäbe sich ein eigener Überholweg des Berufungswerbers von etwa 164 m. Dieser Weg ist so zu verstehen, dass er das Ausscheren, das Vorbeifahren und das Wiedereinordnen vor dem Sattelkraftfahrzeug umfasst.

Würde man dazu noch einen Gegenverkehr annehmen, der in der Zeit des Überholens etwa 193 m zurücklegt bei einer Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h, so ergäbe sich eine notwendige Gesamtsichtweite von insgesamt 357 m. Durch das vorausfahrende Sattelkraftfahrzeug war der Berufungswerber zu Beginn des Überholmanövers insofern abgedeckt, als ihm höchsten eine Sichtweite von etwa 60 m nach vorne zur Verfügung stand. Er hätte also ein Fahrzeug, das außerhalb dieser 60 m  im Gegenverkehr unterwegs war, zu Beginn des Überholmanövers nicht wahrnehmen können. Hier muss man zugunsten des Berufungswerbers allerdings schon annehmen, dass er sein Fahrzeugs bereits nach links versetzt hatte, also im Bereich der Mittelleitlinie, um ein besseres Sichtverhältnis nach vorne zu erreichen.

Aufgrund der hier gegebenen Konstellationen wäre ein Abbruch des Überholmanövers durch den Berufungswerber nicht mehr möglich gewesen. Für einen erfolgreichen Abbruch des Überholmanövers wäre es nötig gewesen, die Fahrgeschwindigkeit noch so zu reduzieren, dass ein Wiedereinordnen hinter dem Sattelkraftfahrzeug, nachdem bereits nach links gewechselt worden war, doch noch möglich gewesen wäre.

Geht man von dem anderen Fall aus, dass der Berufungswerber bereits vor der Unfallstelle gelegenen langen Geraden begonnen hätte, wäre sich der Überholvorgang jedenfalls ausgegangen.

Wäre das zu überholende Fahrzeug etwa ein PKW gewesen, dann wären die Umstände für den Berufungswerber günstiger gewesen. Es wäre allenfalls ein "Durchschauen" durch den zu überholenden PKW möglich gewesen. Bei einem Sattelkraftfahrzeug mit Aufbau ist dies naturgemäß nicht möglich.

Die vom vorausfahrenden Sattelkraftfahrzeug verursachte dynamische Sichtabschattung bewirkt, dass die Sichtweite des Berufungswerbers etwa 60 m betrug.

Selbst wenn das Sattelkraftfahrzeug nicht vorhanden gewesen wäre, hätte die konkret gegebene Überholsichtweite etwa 120 m betragen, also auch noch um einiges unter den errechneten notwenigen 357 m (unter Einbeziehung eines möglichen Gegenverkehrs) bzw. den errechneten etwa 142 m, die der Berufungswerber für den eigentlichen Überholweg benötigt hätte."

 

Somit ist nachvollziehbar davon auszugehen, dass der Berufungswerber bei Beginn des Überholmanövers eine Wegstrecke für den Überholvorgang an sich von etwa 142m benötigt hätte, aufgrund der Sichtabschattung durch das zu überholende Sattelkraftfahrzeug stand ihm allerdings eine Sichtweite von bloß etwa 60m zur Verfügung also nur ein Bruchteil an Sichtweite, um auch nur die Überholstrecke, die er für den Überholvorgang benötigte, einsehen zu können. Er hätte es also bei weitem nicht schaffen können, vor Ende der tatsächlich zur Verfügung stehenden Sichtweite auch nur den Überholvorgang an sich zu beenden. Bei dieser Konstellation wird auf die Frage des Gegenverkehrs noch gar nicht eingegangen. Denkt man sich einen möglichen Gegenverkehr dazu, der bekanntermaßen ja jederzeit auftreten kann, dann ergäbe sich laut Berechnung des Sachverständigen eine notwendige Gesamtsichtweite von etwa 357m, welcher gegenüberstehen die schon erwähnten bloßen 60m.

Der Erstbehörde kann daher im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass der Berufungswerber ein Überholmanöver begonnen hat, obwohl bei weitem nicht ausreichende Sichtverhältnisse zur Verfügung standen. Er hat damit also ein Verhalten gesetzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse im Sinne des § 7 Abs. 3 Z3 FSG herbeizuführen.

 

4. Wenn nun seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft bzw. des Strafgerichtes der Deliktsvorwurf nicht mit der Tatqualifikation des Vorliegens von besonders gefährlichen Verhältnissen erfolgt ist, dann ändert das nichts daran, dass für die Führerscheinbehörde für die Annahme des Mangels der Verkehrszuverlässigkeit beim Berufungswerber die schon erwähnte Bestimmung aus dem Führerscheingesetz relevant ist. Zumal diese nicht auf das tatsächliche Vorliegen von besonders gefährlichen Verhältnissen abstellt, sondern auf die Eignung des Verhaltens, solche herbeizuführen, kann es nach Ansicht der Berufungsbehörde auch keine Bindungswirkung daran geben, dass  seitens des Strafgerichtes die Qualifizierung der Tat ohne der Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse erfolgt ist.

 

5. § 7 Abs. 1 erster Satz FSG ordnet an, dass eine relevante bestimmte Tatsache zur Beurteilung der Frage, ob damit auch der Verlust der Verkehrszuverlässigkeit gegeben ist, einer Wertung im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG zu unterziehen ist.

Gemäß dieser Bestimmung sind für die Wertung der relevanten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Das vom Berufungswerber versuchte und mit einem schwerem Verkehrsunfall endete Überholmanöver ist deshalb mit einer beträchtlichen Verwerflichkeit behaftet, zumal man sich auch als halbwegs aufmerksamer und der Verkehrssicherheit verpflichteter Fahrzeuglenker nicht dazu hinreißen lassen darf, ein Sattelkraftfahrzeug mit entsprechendem Aufbau, das einem die Sicht nach rechts vorne weitgehend nimmt, vor einer Rechtskurve zu überholen. Ein Fahrzeuglenker, der dennoch ein solches Verhalten setzt, nimmt zwangsläufig in Kauf, dass das Überholmanöver konkrete Folgen im Sinne eines Verkehrsunfalls nach sich ziehen kann. Nach der fachlichen Aussage des Sachverständigen wäre der Berufungswerber nicht einmal mehr in der Lage gewesen, bei Ansichtigwerden eines Gegenverkehrs sein Überholmanöver noch abzubrechen. Damit hat er im Falle eines Gegenverkehrs, und dieser ist bekanntermaßen ja auch aufgetreten, eine Situation geschaffen, die zwangsläufig zu einem Verkehrsunfall führen musste.

Auch wenn seit dem Vorfall schon einige Zeit vergangen ist und sich der Berufungswerber mangels gegenteiliger Anhaltspunkte hier auch wohl verhalten haben dürfte, kann ihm dieser Umstand nicht wesentlich angerechnet werden. Zum einen war ihm bewusst, dass ein Gerichtsverfahren anhängig ist, zum anderen war auch bereits das Verfahren zum Entziehen der Lenkberechtigung eingeleitet worden. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann in einer solchen Zeit vom betroffenen nur erwartet werden, dass er nicht neuerlich negativ in Erscheinung tritt.

Die Berufungsbehörde vertritt daher die Ansicht, dass gegenständlich auch noch zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung es geboten ist, dem Berufungswerber für 3 Monate die Teilnahme am Straßenverkehr durch Entziehung der Lenkberechtigung zu verbieten.

Die übrigen von der Behörde angeordneten Maßnahmen, nämlich das Verbot der Gebrauchmachung von einer allfälligen ausländischen Lenkberechtigung und die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins, sind in den Bestimmungen der §§ 29 Abs. 3 und 30 Abs. 1 FSG begründet.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

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