Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231314/2/Gf/Rt

Linz, 08.01.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des R, gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors für Oberösterreich vom 28. November 2012, Zl. S-6280/ST/11, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.      

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Landespolizeidirektors für Oberösterreich vom 28. November 2012, Zl. S-6280/ST/11, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 33 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 10 Euro) verhängt, weil er am 2. August 2011 um 19:35 Uhr in S beim Eingang zum Fußballstadion gegen einen Security-Mitarbeiter vorgegangen sei, sich gegen diesen fallen gelassen habe und andere Zuschauer aufgefordert habe, die Security-Mitarbeiter zu überrennen. Durch dieses besonders rücksichtslose Verhalten habe er eine Übertretung des § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 33/2011 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb er nach dieser Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das dem Rechtsmittelwerber angelastete deliktische Verhalten auf Grund einer Anzeige des Stadtpolizeikommandos X als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Nettoeinkommen: 1.000 Euro, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) zu berücksichtigen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 30. November 2012 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 12. Dezember 2012 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass er zum Vorfallszeitpunkt zwar Alkohol konsumiert gehabt, aber bereits eine Eintrittskarte besessen habe und objektiv kein Grund ersichtlich gewesen sei, weshalb den wartenden Zuschauern über lange Zeit hinweg kein Einlass ins Stadion gewährt worden sei. Außerdem sei er weder gegen den Security-Mitarbeiter vorgegangen noch habe er sich gegen ihn fallen lassen, sondern vielmehr sei er durch nachdrängende Fans gegen diesen gestoßen worden. Keinesfalls habe er auch andere Zuschauer dazu animiert, die Security-Mitarbeiter zu überrennen. Schließlich verfüge er als Student über kein Einkommen und sei für einen minderjährigen Sohn sorgepflichtig.

Aus diesen Gründen wird mangels geringfügigen Verschuldens beantragt, von der Verhängung einer Strafe abzusehen.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Landespolizeidirektion für Oberösterreich zu Zl. S-6280/ST/11; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, der die öffentliche Ordnung durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten ungerechtfertigt stört.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall wurde die Verwaltungsübertretung von Beamten des Dienststandes der LPD Steiermark – nach deren eigenen Angaben in der Anzeige des Stadtpolizeikommandos X vom 29. August 2011, Zl. 65309/1/2011-WEI – "dienstlich" wahrgenommen, wobei allseits unbestritten feststeht, dass sich der deliktische Sachverhalt in Oberösterreich ereignet hat.

 

Mangels einer dem § 12 Abs. 4 und 5 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl.Nr. I 9/2012, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 112/2012, vergleichbaren Regelung im SPG waren daher – weil hier weder ein Fall des § 14 Abs. 3 SPG noch eine Konstellation des § 27 Abs. 3 VStG vorlag – die Hilfsorgane der LPD Steiermark nicht berechtigt, in Oberösterreich behördlich tätig zu werden, bzw. anders gewendet: deren Amtshandlungen galten nicht, insbesondere nicht schon ex lege als solche der nach § 27 Abs. 1 VStG örtlich zuständigen LPD Oberösterreich.

 

Die Beamten der LPD Steiermark, die zum Vorfallszeitpunkt aus rechtlicher Sicht gleichsam als "Privatpersonen" tätig wurden, wären daher lediglich dazu berechtigt gewesen, eine Anzeige an die örtlich zuständige Behörde – also (damals) an die Bundespolizeidirektion Steyr, nicht jedoch an die BPD Graz – zu erstatten. Davon ausgehend hätte die BPD Graz nach dem Hervorkommen des Umstandes, dass diese gemäß § 27 Abs. 1 VStG zur Ahndung der gegenständlichen Übertretung örtlich nicht zuständig ist, nach § 28 VStG jegliche weitere Ermittlungstätigkeit einzustellen gehabt.

 

Vor diesem Hintergrund hätte sie zwar allenfalls die Anzeige des Stadtpolizeikommandos X vom 29. August 2011 faktisch an die BPD Steyr weiterleiten können; eine förmliche Abtretung, wie diese im gegenständlichen Fall mit Schreiben der BPD Graz vom 15. September 2011, Zl. 2/S-54382/11, erfolgte, kam jedoch deshalb nicht in Betracht, weil dadurch der solcherart zuständig gewordenen Behörde – im Gegensatz zu einer bloßen Weiterleitung – die eigenständige Befugnis zur Entscheidung über die Ahndung einer präsumtiven Verwaltungsübertretung genommen worden wäre.

 

Im Ergebnis waren daher der Landespolizeidirektor für Oberösterreich bzw. zuvor die BPD Steyr zwar örtlich zuständig, sie sind jedoch nicht aus eigenem, sondern vielmehr auf Grund eines inkorrekten Delegationsaktes eingeschritten.

 

Als Konsequenz daraus wurde der Rechtsmittelwerber dadurch in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.

 

3.3. Der gegenständlichen Berufung war daher (lediglich) aus diesem formalen Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten ist.

Dr.  G r ó f

 

 

 

VwSen-231314/2/Gf/Rt vom 8. Jänner 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

VStG §27;

VStG §28

 

"Fanbegleiter" bei einem Fußballspiel: Verletzung im Recht auf den gesetzlichen Richter, wenn die Durchführung des Strafverfahrens von der örtlich zuständigen Behörde nicht aus eigenem, sondern auf Grund eines inkorrekten Delegationsaktes erfolgt;

 

* Durch die förmliche Abtretung des Verfahrens wird – im Gegensatz zu einer bloßen Weiterleitung – der solcherart zuständig gewordenen Behörde die eigenständige Befugnis zur Entscheidung über die Ahndung einer präsumtiven Verwaltungsübertretung genommen.

 

 

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