Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101405/7/Fra/Ka

Linz, 13.12.1993

VwSen - 101405/7/Fra/Ka Linz, am 13. Dezember 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des H M, H, St. P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G D, R, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 24. Juni 1993, VerkR96/786/12-1992/Pi/Ri, betreffend Übertretungen der StVO 1960 und der Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961, zu Recht erkannt:

I. Der hinsichtlich des Faktums 1 (§ 20 Abs.2 StVO 1960) auf das Strafausmaß eingeschränkten Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 900 S herabgesetzt wird. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird mit einem Tag festgesetzt.

Hinsichtlich der Fakten 2, 3 und 4 (§ 52 lit.a Z10a StVO 1960, § 20 Abs.2 StVO 1960 und § 16 Abs.1 Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961) wird der Berufung Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 16, 19, 24, 51, 51e Abs.1 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

II. Hinsichtlich des Verfahrens zum Faktum 1 reduziert sich die Verpflichtung zur Zahlung eines Kostenbeitrages zum Verfahren erster Instanz auf 90 S. Für das Berufungsverfahren ist kein Kostenbeitrag zu leisten. Hinsichtlich des Verfahrens zu den Fakten 2, 3 und 4 entfällt die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsgrundlage: §§ 64, 65 und 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit Straferkenntnis vom 24. Juni 1993, VerkR96/786/12-1992/Pi/Ri, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 20 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage), nach 2.) § 52 Z10a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage), nach 3.) § 20 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) und nach 4.) § 16 Abs.1 Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961 eine Geldstrafe in Höhe von 1.600 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt, weil er am 19. März 1992 um ca. 11.45 Uhr den PKW im Gemeindegebiet von P von E kommend in Richtung P gelenkt und dabei 1.) von Str.km 34,180 bis 34,353 die im Ortsgebiet von U erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 30 km/h überschritt, 2.) von Str.km 34,353 bis 34,805 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um mindestens 30 km/h überschritt, 3.) von Str.km 34,805 bis 34,493 die im Ortsgebiet von P erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 30 km/h überschritt, 4.) von Str.km 35,493 bis 35,549 die im Bereich der Eisenbahnkreuzung erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h um mindestens 40 km/h überschritt.

Ferner wurde dem Beschuldigten gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

I.2. Gegen das unter Ziffer 1 angeführte Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Erstbehörde legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Akt ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem O.ö. Verwaltungssenat vor. Dieser entscheidet, weil jeweils 10.000 S übersteigende Geldstrafen nicht verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c VStG). Eine öffentliche mündliche Verhandlung war hinsichtlich der Fakten 2, 3 und 4 nicht anzuberaumen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Hinsichtlich des Faktums 2 wurde die Berufung auf das Strafausmaß eingschränkt und ausdrücklich auf die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.3.1. Zu den Fakten 2, 3 und 4: Die Erstbehörde stützt den Schuldspruch auf das von ihr durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere auf die Anzeige des Gendarmeriepostens P vom 19. März 1992 sowie auf die Zeugenaussage des Gr.Insp. H, wobei sie darauf hinweist, daß sie keinen Grund hatte, der Zeugenaussage keinen Glauben zu schenken, weil der Zeuge bereits im Hinblick auf seine Stellung zur Abgabe der Wahrheit verpflichtet sei, während der Beschuldigte einer solchen qualifizierten Wahrheitspflicht nicht unterliege und seine Verantwortung so wählen könne, wie ihm dies für den Ausgang des Strafverfahrens am günstigsten erscheint. Der Aussage des Entlastungszeugen G L wurde keine Eignung zuerkannt, die Angaben des Meldungslegers in Zweifel zu setzen.

Zu diesen Ausführungen der Erstbehörde bemerkt der O.ö. Verwaltungssenat, daß es im gegenständlichen Fall nicht um die Glaubwürdigkeit von Wahrnehmungen des Meldungslegers geht, sondern vorerst um die Frage, ob der Nachfahrvorgang als taugliches Beweismittel für die angenommenen Geschwindigkeitsüberschreitungen herangezogen werden kann. Hiezu sind eine Reihe von Kriterien, wie Beobachtungsstrecke, Mindestabstand, Straßen- und Sichtverhältnisse, Verkehrslage, Mindestabstände je nach gefahrener Geschwindigkeit zu berücksichtigen. Unumgängliche Voraussetzung ist jedoch das Nachfahren unter Einhaltung eines gleichbleibenden Abstandes. Nun geht bereits aus der Anzeige des Gendarmeriepostens P hervor, daß sich beim Nachfahren der Abstand zwischen dem PKW des Beschuldigten und dem Gendarmeriefahrzeug vergrößerte. Anfangs betrug dieser ca. 200 m, vor der Anhaltung ca. 400 m. In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage des G L, welcher seine Angaben auch der Wahrheitspflicht unterliegend gemacht hat, zu beachten, wonach er die ganze Zeit kein Gendarmeriefahrzeug hinter ihm nachfahren gesehen hat, obwohl er sich oft zufällig umgedreht habe, weil er vom Rücksitz ein Getränk holte. Erst ca. 5 Minuten nach der Anhaltung in W ist ein anderes Gendarmeriefahrzeug nachgekommen und hat ebenfalls angehalten. Der Meldungsleger gab hiezu lediglich an, die "meiste Zeit" das Fahrzeug des Beschuldigten beim Nachfahren in seinem Blickfeld gehabt zu haben. Es ist daher nicht ausgeschlossen und sogar durchaus wahrscheinlich, daß sich zwischen dem Beschuldigtenfahrzeug und dem Gendarmeriefahrzeug zwischendurch andere Fahrzeuge befunden haben. Unstrittig ist jedoch die Vergrößerung des Abstandes zwischen beiden Fahrzeugen. Es liegt daher kein taugliches und schlüssiges Beweismittel vor, um die mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit dem Beschuldigten zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen als erwiesen annehmen zu können, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

I.3.2. Zum Faktum 1 (§ 20 Abs.2 StVO 1960): Da der Beschuldigte diesbezüglich seine Berufung auf das Strafausmaß eingeschränkt hat, hat der O.ö. Verwaltungssenat zu überprüfen, ob die Erstbehörde die Strafe im Rahmen der Kriterien des § 19 VStG festgesetzt und in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen ausreichend aufgezeigt hat. Zur Strafbemessung finden sich im angefochtenen Straferkenntnis folgende Ausführungen: "Strafmildernd waren keine Umstände. Ihrem Antrag auf Reduzierung des Strafausmaßes konnte trotz Ihrer prekären finanziellen Lage nicht stattgegeben werden. Derart gravierende Geschwindigkeitsüberschreitungen zählen zu den gröbsten Verstößen der Straßenverkehrsordnung. Die seit Jahren durch die Medien durchgeführte Aufklärung und Berichterstattung über die Gefahren und Unfallfolgen, die das Lenken eines Kraftfahrzeuges mit derart überhöhter Geschwindigkeit hervorrufen, haben Sie völlig außer Acht gelassen. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens steht es fest, daß Sie Schulden in der Höhe von 456.360 S und keine Sorgepflichten haben. Außerdem beziehen Sie Arbeitslosengeld. Der gesetzliche Strafrahmen für die im Punkt 1 bis 3 angeführten Strafen beträgt bis zu 10.000 S und für die im Punkt 4 angeführte Strafe bis zu 30.000 S. Unter Berücksichtigung der mit den begangenen Tatbeständen verbundenen Gefahr, die Gefährdung und Schädigung staatlicher Interessen, aber auch die Interessen der übrigen Straßenbenützer, zu deren Schutz die Strafnorm geschaffen ist, sind die verhängten Strafen aus generalund spezialpräventiven Gründen angemessen. Es wäre nicht vertretbar, wenn Personen mit hohen Schulden bzw. Personen ohne Einkommen bei der Bestrafung derart gravierender Verwaltungsübertretungen einen Vorteil hätten." Zweifellos hat die Behörde die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen mit dieser Begründung ausreichend aufgezeigt. Eine Überschreitung des Ermessensspielraumes kann mit diesen Ausführungen nicht konstatiert werden, denn es ist zu bedenken, daß der Geschwindigkeitsüberschreitung doch ein erheblicher Unrechts- und Schuldgehalt zugrundeliegt. Wenn die Erstbehörde den gesetzlichen Strafrahmen lediglich zu 10 % ausgeschöpft hat, hat sie auf die prekäre wirtschaftliche Situation des Beschuldigten wohl Bedacht genommen. Aus dem gesamten Akt ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte, daß der Beschuldigte Vormerkungen aufweist, weshalb von der absoluten Unbescholtenheit des Berufungswerbers auszugehen ist. Dieser Umstand bildet jedoch einen Milderungsgrund, der zu berücksichtigen ist (siehe VwGH 24.4.1963, 790/61). Die verhängte Strafe war daher aufgrund dieses schuldmindernden Aspektes angemessen herabzusetzen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r 6

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