Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420756/8/SR/JO

Linz, 04.02.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, geboren am X alias X alias X, StA von Nigeria, vertreten durch den X, wegen Rechtswidrigkeit des Abschiebeversuches am 9. Juli 2012 durch dem Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis zurechenbare Organe, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.            Der Beschwerde wird stattgegeben und der Versuch der zwangsweisen Abschiebung des Beschwerdeführers am 9. Juli 2012 durch dem Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis zurechenbare Organe für rechtswidrig erklärt.

 

 

II.        Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis) hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 770,10 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

 

Art 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z. 2 u § 67c AVG 1991; § 79a AVG 1991 iVm Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl II Nr. 456/2008.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 14. Mai 2012, GZ.: Sich41-173-2011, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 1 FPG des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG i.d.F. BGBl. I 112/2011 zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet, wobei die Rechtsfolgen des Bescheides nach der Entlassung des Bf aus der Gerichtshaft eintreten sollten. Der Bescheid wurde dem Bf am 15. Mai 2012 zu eigenen Handen zugestellt.

 

Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des FPG stützte sich die belangte Behörde auf eigene Ermittlungsergebnisse und jene der BPD Wien.

 

Der Bf, ein Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG, sei nach eigenen Angaben von Nigeria kommend auf dem Seeweg illegal ohne Dokumente nach Griechenland gelangt und dort erkennungsdienstlich behandelt worden. Nach Ausstellung einer Lagerkarte sei er im April 2010 in einem Lkw versteckt via Italien nach Österreich gereist und habe am 23. April 2010 in X als "X, geb. X" Asyl beantragt. Im Asylverfahren sei auf Grund des gerichtsmedizinischen Gutachtens vom 28. Mai 2010 seine Volljährigkeit festgestellt worden. Das Bundesasylamt habe im Verfahren auf die Geburtsdaten "X alias X" abgestellt, den Asylantrag mit Bescheid vom 20. Juli 2010 wegen Unzuständigkeit Österreichs gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen und mit einer Ausweisung nach Griechenland gemäß § 10 AsylG 2005 verbunden (rechtskräftig seit 5. August 2010). Eine inhaltliche Prüfung des Antrags habe nicht stattgefunden. Seit April 2010 halte sich der Bf durchgehend in Österreich auf.

 

Laut Fremdenakt habe sich der Bf in Österreich zu folgenden Zeiten in Schubhaft befunden: "von 04.06.2010 bis 25.06.2010 für die BH Baden und von 06.05.2011 bis 10.05.2011 für die BPD Linz".

 

Zuletzt sei der Bf am 17. Juni 2011 in X wegen Übertretung nach dem Suchtmittelgesetz festgenommen und in Gerichtshaft überstellt worden.

 

Gegen den Bf scheinen drei strafgerichtliche Verurteilungen in Österreich auf (Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 22. Juli 2010 zu Zahl 141 Hv 111/2010t, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, wovon 6 Monate unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden [rechtskräftig seit 22.07.2010]; Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 4. November 2010 zu Zahl 161 Hv 122/2010 g, wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den  §§ 15 und 269 Abs. 1 1. Fall StGB sowie des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 Z. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten [rechtskräftig seit 4.11.2010]; Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 20. Juli 2011 zu Zahl 0162 Hv 93/11 a, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den §§ 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten [rechtskräftig seit 20.07.2011]).

 

Mit Bescheid der BPD Wien vom 9. Oktober 2010, Zahl III-1294606/FrB/10, sei gegen den Bf ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden (rechtskräftig seit 26. Oktober 2010).

 

Am 16. August 2011 sei der Bf im Stand der Strafhaft von der Justizanstalt X in die Justizanstalt X überstellt worden (errechnetes Strafende 18. Juni 2012).

 

Vor der Festnahme habe der Bf in X, gewohnt. Die Abmeldung sei am 25. Juli 2011 erfolgt. Davon habe der Bf angeblich keine Kenntnis gehabt. Er sei ledig und habe in Österreich keine Verwandten. Ein nigerianischer Onkel lebe in Griechenland, mit einer in Rom lebenden Angolanerin namens X, ca. 24 Jahre alt, sei er befreundet. Sie habe ihn zuvor öfter in X besucht und für die Fahrten italienische Papiere verwendet. Das genaue Geburtsdatum und die exakte Adresse in Rom könnte er nicht angeben. Die Telefonnummer habe er im Mobiltelefon gespeichert. Im Zeitpunkt seiner Festnahme sei sie vom Bf ein Monat schwanger gewesen. Von einem Freund habe der Bf erfahren, dass die Freundin vor kurzem in Rom einen Sohn geboren habe. Der Bf wisse weder den Namen noch das genaue Geburtsdatum des bei der Mutter X in Rom lebenden Kindes. Ein Besuch in der Haft habe nie stattgefunden, sie habe jedoch Geld geschickt.

 

In Österreich habe der Bf mitunter schwarz gearbeitet. Er besitze keinen gültigen nigerianischen Reisepass und auch sonst keine Identitätsnachweise. Er sei Christ.

An Barmittel verfüge er über 122,15 Euro.

 

Im Zuge der Einvernahme am 16. März 2012 habe die belangte Behörde den Bf von der beabsichtigten Schubhaftanordnung zur Sicherung der Abschiebung nach Nigeria in Kenntnis gesetzt. Von der Beschaffung eines nigerianischen Heimreisezertifikates sei der Bf informiert worden.

 

Nach Vorhalt des gerichtsmedizinischen Gutachtens des X vom 28. Mai 2010 (Annahme der Volljährigkeit des Bf) habe der Bf ausgeführt, dass er weiterhin bei dem Geburtsdatum - X – bleibe, da ihm dieses Datum sein Vater genannt habe.

 

Eine Überstellung nach Griechenland komme für die belangte Behörde nicht in Betracht. In Griechenland sei der Bf weder als Asylwerber noch als anerkannter Flüchtling registriert.

 

Den behördlichen Vorhalt könne der Bf nicht nachvollziehen, da er in Griechenland als Asylwerber mit den Daten "X, geb. X" registriert worden sei. Nach Nigeria wolle er nicht zurück, da er nach Europa gekommen sei, um ein besseres Leben zu führen. Nach dem Strafhaftende wolle er zu seiner Freundin und dem gemeinsamen Kind nach Rom, um dort den Aufenthalt zu regeln. Österreich sei nicht lebenswert, eine freiwillige Rückkehr nach Nigeria komme für ihn nicht in Betracht.

 

Seit 21. März 2012 bemühe sich die belangte Behörde um die Beschaffung eines nigerianischen Heimreisezertifikates. Der Bf habe bis dato keinen weiteren Asylantrag gestellt.

 

Gestützt auf das vom X am 28. Mai 2010 erstellte gerichtsmedizinische Gutachten würden sowohl das Bundesasylamt als auch die belangte Behörde von der Volljährigkeit des Bf ausgehen. Das Institut sei auf Basis der Ergebnisse einer individuellen körperlichen, zahnärztlichen und radiologischen Untersuchung unter Berücksichtigung der Schwankungsbreiten zu dem Ergebnis gelangt, dass der Bf zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 19 Jahren oder älter aufgewiesen habe. Das vom Bf zu diesem Zeitpunkt geltend gemachte chronologische Alter von 15 Jahren konnte aufgrund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht ausgeschlossen werden.

 

Trotz der Vorhaltungen beharrte der Bf auf dem Geburtsdatum X. Die Behörde halte diese Angaben jedoch für eine Schutzbehauptung, mit der der Bf offenkundig bezwecke, fremdenpolizeiliche Maßnahmen möglichst zu erschweren. Zu keinem Zeitpunkt haben er irgendwelche Identitätsbeweismittel vorgelegt. Die zitierte forensische Altersschätzung sei schlüssig und nachvollziehbar.

 

Bei Gesamtbetrachtung des vorliegenden Sachverhaltes und genauer Einzelfallprüfung bestehe ernsthaft die Gefahr, dass der Bf sich bei einer Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft dem Zugriff der Behörde entziehen und dadurch die angeführten fremdenpolizeilichen Maßnahmen vereiteln oder wesentlich erschwere. Diese Befürchtung erscheine vor allem deshalb schlüssig, weil der Bf im Bundesgebiet keine relevanten beruflichen, familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte aufweise.

 

Der Bf sei illegal nach Österreich eingereist und halte sich nicht rechtmäßig in Österreich auf. Er sei in Österreich keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen, habe keine Familienangehörigen im Bundesgebiet, verfüge in Österreich auch über keinen festen Wohnsitz mehr bzw. sei nicht polizeilich gemeldet. Allein aufgrund des Umstandes, dass er vor der Festnahme in X, wohnhaft und gemeldet war, sei keineswegs sichergestellt, dass er sich behördlichen Maßnahmen nicht entziehen würde. Die Abmeldung an dieser Adresse sei mit 25. Juli 2011 erfolgt.

 

Der rechtskräftig zurückgewiesene Asylantrag, das rechtskräftige Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren für Österreich und die bevorstehende Abschiebung würden so massive Fluchtanreize darstellen, dass – angesichts des bisherigen Verhaltens - bei Abstandnahme von Schubhaft mit dem sofortigen Untertauchen des Bf zu rechnen sei. Besonders zu betonen wäre, dass der Bf absolut rückkehrunwillig sei und eine freiwillige Rückkehr nach Nigeria auch selbst ausschließe. Hinsichtlich der vom Bf angestrebten Ausreise nach Italien mangle es sowohl am erforderlichen Reisedokument als auch an der notwendigen italienischen Einreiseberechtigung.

 

Der Zweck der Schubhaft könne in diesem Einzelfall auch nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG erreicht werden, weil auf Grund des dargestellten Sachverhaltes zu fürchten wäre, dass der Bf sich mit Beendigung der Strafhaft in die Anonymität absetzen und seine Abschiebung vereiteln würde. Gegen die Anwendung gelinderer Mittel spreche, dass der Bf illegal nach Österreich eingereist sei und keine Identitätsnachweise vorweisen könne. Zudem sei das tatsächliche Geburtsdatum unklar, weil der Bf mit dem offenbar falschen Geburtsdatum X Asyl beantragt habe. Erst durch die Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens habe geklärt werden können, dass der Bf jedenfalls volljährig bzw. mindestens 19 Jahre alt sei. Der Bf habe derzeit in Österreich keinen Wohnsitz und es erscheine der Behörde mehr als unwahrscheinlich, dass er sich für die Behörden jederzeit greifbar halten würde. Außerdem habe er im Stand der Strafhaft zweimal die Abnahme von Fingerabdrücken (für Zwecke der Identitätsfeststellung und Beschaffung eines Heimreisezertifikats) verweigert.

 

Es müsse insgesamt angenommen werden, dass der Bf – im Fall der Abstandnahme von der Schubhaft – sehr wohl versuchen werde, sich fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen zu entziehen, um die Abschiebung nach Nigeria zu vereiteln. Im konkreten Fall könne speziell auch das Suchtgiftmilieu ein Untertauchen wesentlich erleichtern.

 

Im Übrigen würden die vom Bf begangenen Straftaten die Anwendung eines gelinderen Mittels keinesfalls geboten erscheinen lassen. Von einem rechtskonformen Verhalten könne beim Bf absolut keine Rede sein. Bei entsprechender Delinquenz würden die öffentlichen Interessen an einer effizienten Außerlandesschaffung eine maßgebliche Verstärkung erfahren. Dies treffe hier zu. So sei der Bf nicht nur zwei Mal wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz, sondern auch wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt und wegen schwerer Körperverletzung rechtskräftig in Österreich verurteilt. Dies deute auf ein gewisses Gewalt- und Aggressionspotenzial hin.

 

Die Unterkunftnahme des Bf in X vor der Verhaftung könne die massiven Fluchtanreize nicht entkräften. Es bestehe ein akuter Sicherungsbedarf und die Notwendigkeit zur Schubhaftverhängung.

 

Nach Prüfung der Verhältnismäßigkeit sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass der mit der Schubhaftverhängung verbundene Eingriff in die persönliche Freiheit des Bf im Hinblick auf das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und der Bekämpfung der Suchtgift- und Aggressionskriminalität nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehe. Die öffentlichen Interessen an der Sicherung der Abschiebung des Bf würden die privaten Interessen an der Schonung der persönlichen Freiheit bei weitem überwiegen.

 

Die Abschiebung des Bf sei aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 1 FPG dringend geboten. Auf Grund des bisherigen Verhaltens (Asylantrag in Österreich mit falschem Geburtsdatum, illegale Einreise in Österreich, mehrfache Straffälligkeit in Österreich) des Bf und seiner offen ausgesprochenen Rückkehrunwilligkeit sei davon auszugehen, dass er seiner Verpflichtung zur (legalen) Ausreise nicht nachkommen werde (§ 46 Abs. 1 Z. 3 FPG). So sei er schon der Ausreiseverpflichtung anlässlich der asylrechtlichen Ausweisung und der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht nachgekommen und habe in Österreich weiterhin Straftaten verübt.

 

Hinsichtlich der bevorstehenden Abschiebung nach Nigeria habe der Bf angegeben, nicht dorthin zurückkehren zu wollen, weil er nach Europa gekommen sei, um ein besseres Leben führen zu können. Unter offenkundig falscher Identität habe er in Österreich Asyl beantragt und es habe erst anhand eines gerichtsmedizinischen Gutachtens seine Volljährigkeit festgestellt werden können. Trotz dieser Feststellung habe der Bf am behaupteten Geburtsdatum X festgehalten.

 

Für die Behörde seien keine konkreten, stichhaltigen Gründe für die Unzulässigkeit einer Abschiebung nach Nigeria (Refoulement-Verbot) hervorgekommen.

 

1.2. Gegen den Schubhaftbescheid sowie gegen die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf, vertreten durch den X, per Telefax am 25. Juli 2012 um 16:01 Uhr "Schubhaftbeschwerde" an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

 

Begründend führte der Vertreter zum Sachverhalt aus, dass der ursprüngliche Asylantrag des Bf gemäß der Dublin II VO zurückgewiesen und der Bf rechtskräftig nach Griechenland ausgewiesen worden sei.

 

Am 9. Juli 2012 sei versucht worden, den Bf rechtswidriger Weise nach Nigeria abzuschieben. Der neuerlich am 14. Juli 2012 eingebrachte Asylantrag sei inhaltlich zu prüfen, da eine Abschiebung nach Griechenland nicht zulässig sei.

 

Der Bf habe in Italien ein zum Aufenthalt berechtigtes Kind und werde derzeit in Schubhaft angehalten.

 

Die Schubhaft sei unrechtmäßig verhängt worden. Ein besonderer Sicherungsbedarf sei nicht erkennbar.

 

Der Bf habe aus dem Stande der Schubhaft einen neuen Asylantrag gestellt. Somit sei er jedenfalls an einem Kontakt mit den österreichischen Behörden interessiert. Die Gefahr des Untertauchens sei nicht real. Da der Asylantrag inhaltlich überprüft werden müsse, sei seit der Stellung des Antrages die Schubhaft unverhältnismäßig. Die gebotene Unverhältnismäßigkeitsprüfung sei unterlassen worden.

 

Fehlende Ausreisewilligkeit vermöge nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH für sich allein die Verhängung der Schubhaft niemals zu rechtfertigen.

 

Eine Abschiebung des Bf nach Nigeria sei zumindest derzeit nicht möglich. Dem Bf stehe ein Asylverfahren zu. Allenfalls hätte mit einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden werden können. In eventu hätte dem Bf aufgetragen werden können, in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten Unterkunft zu nehmen. Die Schubhaft und die weitere Anhaltung in Schubhaft sei daher rechtswidrig.

 

Abschließend wurde betragt, den Schubhaftbescheid, die Festnahme und die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären und die Verfahrenskosten zu ersetzen. Am 27. Juli 2012 wurde der Bf aus der Schubhaft entlassen.

 

1.3. Mit Erkenntnis vom 21. August 2012, VwSen-401198/8/SR/Wu, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

Dagegen erhob der Bf Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Das Verfahren ist derzeit noch anhängig.

 

2.1. Mit Fax vom 9. August 2012, eingelangt am 10. August 2012 erhob der Bf, vertreten durch den X, "Beschwerde gegen den Abschiebeversuch durch die BH Ried im Innkreis, Schubhaftbescheid GZ Sich41-173-2011 vom 14.05.2012" an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

 

Zum "Sachverhalt" führte der Bf wie folgt aus:

 

Beim BF handelt es sich um einen Flüchtling aus Nigeria.

Ein ursprünglicher Asylantrag wurde gemäß der Dublin II VO zurückgewiesen und der Bf nach Griechenland ausgewiesen. Die Entscheidung erwuchs letztendlich in Rechtskraft.

 

Nach einer Freiheitsstrafe wurde der BF mittels gegenständlich bekämpften Schubhaftbescheid in Schubhaft genommen. Die Überstellungsfrist gemäß der Dublin II VO war mittlerweile abgelaufen.

 

Soweit dem BF erinnerlich wurde am 09.07.2012 rechtswidriger Weise versucht, den BF nach Nigeria abzuschieben.

 

Am 14.07.2012 hat der BF einen neuerlichen Asylantrag eingebracht. Eine Entscheidung ist noch ausständig. Einige Stunden nach einer Einvernahme durch das Bundesasylamt am 27.07.2012 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.

 

Der Asylantrag wird gegenwärtig inhaltlich geprüft, Entscheidung gibt es noch keine. Eine Abschiebung nach Griechenland war und ist aus mehreren Gründen nicht zulässig.

 

Der BF hat wie bereits vor der belangten Behörde angegeben ein in Italien zum Aufenthalt berechtigtes Kind.

 

Der BF befindet sich derzeit im PAZ X, bzw. wird am 25.07.2012 gemäß einer Auskunft ins PAZ X, überstellt.

 

Begründend führt der Bf aus:

 

Unrechtmäßigkeit der Abschiebung:

 

Aus dem Asylakt ergibt sich eindeutig, dass der ursprüngliche Bescheid des ersten Asylantrages aufgrund Ablaufens der Überstellungsfrist nicht mehr gültig ist.

 

Die Fremdenpolizeibehörde hat stets eigenverantwortlich zu prüfen, ob eine Abschiebung aktuell zulässig ist. Sie hat auch zu prüfen, ob ein ursprünglich rechtsrichtiger Bescheid aktuell noch durchsetzbar ist.

 

Beweis:

Anfrage an X, Experte der Dublin II VO, Richter des Asylgerichtshofes in Wien.

 

Entsprechend der Dublin II VO hätte das Bundesasylamt wegen Verstreichens der Überstellungsfrist von Amts wegen in das Verfahren inhaltlich einsteigen müssen.

 

Die belangte Behörde wollte somit den BF ohne rechtliche Grundlage nach Nigeria abschieben. Um Verletzung seiner Grundrechte zu vermeiden, hat sich der BF gegen die Abschiebung gewehrt.

 

Eine Abschiebung war am 09.07.2012 nicht zulässig. Er hat einen Asylantrag in Österreich gestellt, der nie inhaltlich überprüft wurde.

Dem BF steht ein Asylverfahren zu.

 

Beweis:

Nachsicht im Asylakt.

 

Der Versuch der Abschiebung ist daher rechts- und verfassungswidrig.

 

Abschließend beantragte der Vertreter des Bf, nach mündlicher Verhandlung die Abschiebung am 9. Juli 2012 für rechts- und verfassungswidrig zu erklären und dem Bf die Verfahrenskosten zu ersetzen.

 

2.2. Mit Schriftsatz vom 17. September 2012 teilte der Bf mit, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werde.

 

In Anhang übermittelte der Vertreter des Bf den Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. August 2012, GZ 10 03.483 EAST-Ost.

 

2.3. Der angesprochene Bescheid weist folgenden Ausspruch und Inhalt auf:

Spruch:

Gemäß § 68 Abs. AVG 1991 idF BGBl I 1998/1958 ergebt in Erledigung des Antrages auf Internationalen Schutz von X vom 23.04.2010 die Entscheidung:

 

Der Bescheid des Bundesasylamtes Zahl: 10 03.483 EAST-Ost vom 17.07.2010 wird behoben:

 

Begründend führte das Bundesasylamt wie folgt aus:

 

-                                            Bisheriger Verfahrenshergang:

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes 10 05.41Q-EAST Ost vom 17.07.2010 wurde der Asylantrag gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Zuständigkeit Griechenlands zur Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz festgestellt. Damit wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenlang verbunden. Ebenso wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Griechenland als zulässig festgestellt. Der weitere Verfahrenshergang bzw. der Verfahrenshergang im Detail ist dem Akteninhalt entnehmbar.

 

Sie wurden binnen offener Frist nicht nach Griechenland überstellt.

 

Die Überstellungsfrist ist am 01.01.2012 abgelaufen.

 

 

-                                            Beweiswürdigung:

 

 

§ 68 Abs. 2 AVG lautet:

 

 

 

Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

 

 

§ 5 Abs. 1 AsylG lautet:

 

 

 

Ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

 

 

Eine dem § 5a Abs. 3 AsylG 1997 entsprechende Bestimmung ist im AsylG 2005 nicht enthalten.

 

 

Art. 19 (3) der Dublin II VO lautet:

 

 

 

Die Überstellung des Antragstellers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat.

 

 

Art. 20 (2) der Dublin II VO lautet:

 

 

 

Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, so geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung oder die Prüfung des Antrags aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens achtzehn Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist.

 

 

In Entsprechung des Erk. des VwGH vom 19.6.2008, GZ. 2007/21/0509 sind im gegenständlichen Fall folgende Überlegungen anzustellen:

 

 

 

Die Art 19 Abs 3 und 4 sowie 20 Abs 2 Dublin II Verordnung ordnen für den Fall der Überschreitung der Überstellungsfrist einen Zuständigkeits(rück)übergang auf den Staat der Asylantragstellung (gemeint: den Aufenthaltsstaat) an. Die Regelung stützt sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die gemeinsamen Zielvorgaben zur Kontrolle der illegalen Zuwanderung nicht umsetzt, also die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nicht "zeitgemäß" durchführt, gegenüber den Partnerländern die (negativen) Folgen tragen muss. Außerdem soll durch diese Bestimmung vermieden werden, dass eine Kategorie sogenannter "refugees in orbit" entsteht, deren Antrag monate- oder gar jahrelang in keinem Mitgliedstaat geprüft wird. Der Übergang der Zuständigkeit nach Fristablauf stellt eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die letztlich lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist. Mit Ablauf der Frist tritt der Zuständigkeitsübergang "de jure" ein. Daraus folgerten einige Autoren, die innerstaatliche Regelung des § 5a Abs 3 AsylG 1997 wäre insoweit entbehrlich gewesen, als "diese EG-rechtliche Wirkung" auch die innerstaatliche Dublin-Unzuständigkeitsentscheidung "mit ex-nunc-Wirkung beseitigt" hätte. Der Zuständigkeitsübergang auf den mit der Überstellung säumigen Staat und die "Beseitigung" der die Unzuständigkeit dieses Staates aussprechenden innerstaatlichen Entscheidung hätte sich - so ist die wiedergegebene Kommentarstelle offenbar zu verstehen - bereits aus den zitierten, unmittelbar anwendbaren Normen der Dublin ll-VO ergeben. Im Einklang mit dieser Auffassung verzichtete der Gesetzgeber darauf, in das AsylG 20Q5 eine dem § 5a Abs 3 AsylG 1997 entsprechende ausdrückliche Regelung aufzunehmen. Während nämlich § 5a Abs 3 AsylG 1997 noch für den Fall des Ablaufs der Überstellungsfrist ex lege das Außerkrafttreten der Dublin-Unzuständigkeitsentscheidung anordnete, geht nunmehr der Gesetzgeber des AsylG 2005.davor aus, dass dem in Dublin II für diesen Fall vorgesehenen Zuständigkeits(rück)übergang mit einer Aufhebung des verfahrensbeendenden Bescheides Rechnung zu tragen ist. Dem ist zu folgen, zumal sich aus der genannten Verordnung nicht ergibt, in welcher Form es zur "Beseitigung" der innerstaatlichen Unzuständigkeitsentscheidung kommt. Mangels ausdrücklicher Regelung über ein ex-lege-Außerkrafttreten bedarf es somit im Anwendungsbereich des AsylG 2005 zur Beseitigung der Rechtskraftwirkungen der ursprüngliche! (nicht fristgerecht umgesetzten) "Dublin-Entscheidung" deren förmlicher Aufhebung. Diese ist unverzüglich nach fruchtlosem Ablauf der jeweiligen Überstellungsfrist (auch von Amts wegen) vorzunehmen. In den Gesetzesmaterialien zu § 5 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP 35) heißt es: "Wenn eine Überstellung - etwa wegen Transportunfähigkeit des Asylwerbers längere Zeit nicht möglich ist, ergeben sich aus dem Dubliner Übk und aus Dublin-II Fristen, nach denen Österreich zuständig wird.

 

 

 

Diese Fristen sind uneinheitlich, je nach dem Grund des Überstellungshindernisses. Wenn eine Überstellung auf Grund von Fristenablauf nicht mehr erfolgen kann, so ist der Bescheid nach § 5 von Amts wegen zu beheben und in die inhaltliche Prüfung des Verfahrens einzutreten. Auf eine entsprechende Normierung wurde verzichtet, da sich dies bereits aus den Vorschriften des Dubliner Übereinkommens und der Dublin-Verordnung ergibt.

 

 

 

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus den oa. Ausführungen, dass aufgrund der nicht erfolgten fristgerechten Überstellung gem. § 5 AsylG iVm Art 19 Abs 3 und 4 sowie 20 Abs 2 Dublin II Verordnung nunmehr Österreich für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

 

Dementsprechend war rechtskonforrn der Bescheid zur Zahl.10 03.403 -EAST-Ost vom 17.07.2010, von Amts wegen zu beheben.

 

3. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 übermittelte die belangte Behörde den Verwaltungsakt, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde und den Zuspruch der Kosten.

 

3.1. In der Gegenschrift führte die belangte Behörde wie folgt aus:

Unbestritten ist, dass der erste Asylantrag des nigerianischen Staatsangehörigen vom 23.04.2010 zu Zahl AIS 10 03.483 gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und mit einer Ausweisung nach Griechenland gemäß § 10 AsylG 2005 verbunden wurde (rechtskräftig seit 05.08.2010). Zu einem Dublin-Transfer von Österreich nach Griechenland kam es in weiterer Folge nicht; die Überstellungsfrist lief mit 01.01.2012 endgültig ab.

 

 

 

Weiters steht außer Streit, dass die BPD Wien mit Bescheid vom 12.10.2010, Zahl III-1294606/FrB/11, gegen X ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für Österreich erlassen hat (rechtskräftig seit 26.10.2010). Dieses Aufenthaltsverbot war jedenfalls bis zur Stellung des zweiten Asylantrags am 14.07.2012 durchsetzbar. Ab rechtskräftiger Zurückweisung des ersten Asylantrags bis zur Stellung des zweiten Asylantrags hatte der Fremde nicht den Status eines Asylwerbers inne, sondern galt allein als Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Ziffer 1 FPG.

 

 

 

Wir halten fest, dass die Entscheidung des Bundesasylamts vom 20.07.2010 durch die Abstandnahme von der Abschiebung nach Griechenland nicht aus dem Rechtsbestand beseitigt worden ist. Lediglich Entscheidungen wegen Drittstaatsicherheit treten nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 AsylG außer Kraft, wenn ein Fremder aus bestimmten faktischen Gründen nicht binnen drei Monaten nach Durchsetzbarkeit abgeschoben werden kann. Dies gut nicht auch für Dublin-Fälle: Derartige Entscheidungen treten nicht automatisch außer Kraft, sobald sich die Überstellung als unmöglich erweist. Im Zeitpunkt des angefochtenen Abschiebeversuchs galt das erste Asylverfahren als rechtskräftig abgeschlossen. Die Rechtskraftwirkung war weder ex lege noch in anderer Form beseitigt.

 

 

 

Die Behörde hat sich im konkreten Fall mit der Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat auseinandergesetzt und gelangte nach umfassender Prüfung zu dem Ergebnis, dass keine konkreten und stichhaltigen Gründe für ein Refoulementverbot gemäß § 50 FPG vorliegen. Hiezu sei auf den Aktenvermerk vom 26.06.2012 (ON 173) verwiesen. Zu betonen ist, dass der nigerianische Staatsangehörige bei der niederschriftlichen Vernehmung vom 16.03.2012 darauf aufmerksam gemacht wurde, dass mit der rechtskräftigen Zurückweisung des Asylantrags vom 23.04.2010 keine inhaltliche Prüfung des Ansuchens stattgefunden hat. Weiters wurde ihm mitgeteilt, dass eine Überstellung nach Griechenland nicht vorgenommen wird, sondern beabsichtigt ist, ihn nach Beschaffung eines Heimreisezertifikats nach Nigeria abzuschieben. Er sprach sich im Rahmen des Parteiengehörs gegen die Schubhaft und Abschiebung aus, weil er nicht nach Nigeria zurückkehren wolle. Er sei nach Europa gekommen, um ein besseres Leben zu führen. Anlässlich der besagten Einvernahme stellte der Fremde weder einen (weiteren) Asylantrag noch erstattete er ein relevantes Vorbringen gemäß § 50 FPG. Hinzu kommt, dass Herr X auch zeitnah zu seinen Rechtsberatungen (§ 85 FPG) am 24.02.2012 und 06.07.2012 keinen Asylantrag stellte. Auch hat er zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria gestellt, obwohl er auf diese Möglichkeit schon früher aufmerksam gemacht wurde (vgl. Protokolle vom 12.07.2010 und 16.09.2010).

 

 

 

Die (versuchte) Abschiebung des Herrn X am 09.07.2012 nach Nigeria war insofern rechtmäßig, als

 

-        er zu diesem Zeitpunkt ausschließlich Fremder im Sinne des FPG war und      zweifelsfrei nicht den Status eines Asylwerbers innehatte,

 

-                      nach amtswegiger Prüfung kein rechtliches Abschiebehindernis im Sinne von § 50 FPG vorlag,

 

-               ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot bestand und

 

-               die Voraussetzungen gemäß § 46 Abs. 1 Ziffer 1, 2 und 3 FPG zutrafen.

 

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1. bis 3.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

3.3. Wie sich bereits aus der Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerdeschrift ergibt, ist der relevante Sachverhalt unbestritten. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte. Darüber hinaus liegt kein aufrechter Parteienantrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen (vgl. auch Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG). Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim Unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat. 

 

Die behauptete Maßnahme fand am 9. Juli 2012 statt. Die per Telefax (09.08.2012 22:13) übermittelte Beschwerde vom 9. August 2012 langte am 10. August 2012 beim Oö. Verwaltungssenat ein; sie ist daher rechtzeitig erhoben worden.

 

4.2. Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 29. Juni 2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG).

 

Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ohne Durchführung eines Verfahrens einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff ist im Allgemeinen dann zu bejahen, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Die Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt setzt begriffsnotwendig ein positives Tun der die Zwangsgewalt gebrauchenden Behörde einer bestimmten Person gegenüber voraus und liegt nur vor, wenn es keines dazwischen geschalteten weiteren Handels mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen. Rechtswidrig sind solche Akte, wenn sie entweder ohne gesetzliche Ermächtigung gesetzt werden oder wenn die gesetzliche Ermächtigung überschritten (missbraucht) wird (vgl. VwGH vom 6. Juli 2010, Zl. 2009/05/023).

 

4.3.  Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen die Zulässigkeit einer Beschwerdeerhebung gegen eine Vorführung eines Fremden bestätigt. Nach der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Abschiebung nach § 46 FPG nicht eine bloß tatsächliche Maßnahme der Vollstreckung vorangegangener Bescheide, sondern als selbständige Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen (vgl. VwGH vom 23. September 1994, Zl. 94/02/0139; VwGH vom 24. Februar 1995, Zl. 94/02/0410; VwGH vom 8. September 1995, Zl. 95/02/0197; VwGH vom 17. November 1995, Zl. 95/02/0217; anders allerdings der VfGH vom 1. Oktober 1994, B 75/94 und 28. November 1994, B 178/94). 

 

Der Gesetzgeber legt ausdrücklich fest, dass eine Abschiebung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Fremdenpolizeibehörde durchzuführen ist (§ 46 Abs 1 FPG) und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 13 Abs 3 FPG ermächtigt sind, die ihnen von Fremdenpolizeibehörden erteilten Aufträge mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen.

 

Für eine eigenständige Maßnahme verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt spricht, dass den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei der Auswahl der Mittel zur Durchführung des behördlichen Auftrages zur Abschiebung weitreichendes Ermessen eingeräumt ist und darüber hinaus im Falle der Anwendung unmittelbarer Zwangsgewalt die Geltung des Waffengebrauchsgesetzes angeordnet wurde (§ 13 Abs 4 FPG).

 

Der Bf wurde im Auftrag der belangten Behörde in Schubhaft angehalten und die (versuchte) Abschiebung erfolgte im Auftrag dieser. Die belangte Behörde beurteilte die Abschiebung als problematisch ("Problemabschiebung") und sah dementsprechend drei Polizeibeamte als Begleitung vor.

 

Mit der Abschiebung wurde am 9. Juli 2012 um 04.30 Uhr begonnen. Zu Beginn der Abschiebung verhielt sich der Bf ruhig, wirkte jedoch angespannt. Bedingt durch das unauffällige Verhalten wurde vom Anlegen der Handfessel Abstand genommen. Nachdem der begleitete Bf knapp vor 06.00 Uhr das Luftfahrzeug betreten hatte, ließ er sich plötzlich mit dem Bauch nach untern auf den Boden fallen, klammerte sich in der Folge mit den Händen an den Sitzstreben fest und begann lautstark zu schreien. Über Anweisung des Kommandanten des Abschiebeteams wurde daraufhin die Abschiebung um 06.00 Uhr abgebrochen und der Bf in das PAZ X überstellt.

 

Die Beschwerde ist zulässig.

 

4.4.1.  Gemäß § 46 Abs 1 FPG können Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung (§§ 61, 66, 10 AsylG 2005) oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, unter den dort genannten Voraussetzungen von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung).

 

4.4.2. Die belangte Behörde hat die zu beurteilende Abschiebung veranlasst, da sie von einem durchsetzbaren Aufenthaltsverbot ausgegangen ist. Mit dieser Ansicht ist die belangte Behörde – wie nachfolgend dargestellt – nicht im Recht.

 

4.4.2.1. Gemäß § 1 Abs. 2 FPG ist die Durchsetzung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Asylwerber erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG durchgesetzt werden kann.

 

Die belangten Behörde ging davon aus, dass der "erste" Asylantrag (AI Zl. 10 03.483) gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und die Ausweisung nach Griechenland gemäß § 10 AsylG erlassen worden ist. Wie dem zum Zeitpunkt der Vornahme der Maßnahme aktuellen Asylwerberinformationssystem (im Folgenden: AI) zu entnehmen war, war der Bescheid des Bundesasylamtes in Rechtskraft erwachsen und gehörte nach wie vor dem Rechtsbestand an. Darüber hinaus war aber auch im AI vermerkt, dass die Überstellungsfrist nach Griechenland am 1. Jänner 2012 abgelaufen ist. Demnach sei dem Bf bis zur neuerlichen Asylantragstellung (AI Zl. 12 08.825) am 14. Juli 2012 nicht mehr der Status eines Asylwerbers zugekommen (§ 2 Abs. 14 AsylG) und wurde als Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG angesehen. Darauf abstellend ging die belangte Behörde davon aus, dass das Aufenthaltsverbot (Bescheid der BPD Wien vom 12. Oktober 2010, GZ III-1294606/FRB/11, durchsetzbar seit 12. Oktober 2010, rechtskräftig seit 26. Oktober 2010) bis zur "zweiten" Asylantragstellung durchsetzbar gewesen wäre.

 

4.4.2.2. Nach § 2 Abs. 4 Z. 9 FPG ist unter Drittstaat jeder Staat, außer einem Mitgliedstaat des EWR-Abkommens oder der Schweiz zu verstehen.

 

Gemäß § 4 Abs. 5 AsylG treten ausschließlich Entscheidungen gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (Drittstaatsicherheit) außer Kraft, wenn ein Fremder aus faktischen Gründen, die nicht in seinem Verhalten begründet sind, nicht binnen drei Monaten nach Durchsetzbarkeit abgeschoben werden.

 

Da die ursprüngliche (mittlerweile nicht mehr dem Rechtsbestand angehörende) Entscheidung des Bundesasylamtes gemäß § 5 AsylG ergangen ist, führt die Nichtvornahme der Abschiebung nach dem Gesetzeswortlaut des FPG nicht zur ex lege Beseitigung der Zurück- und Ausweisungsentscheidung. Eine dem § 5a Abs. 3 AsylG 1997 entsprechende Bestimmung ist im AsylG 2005 nicht mehr enthalten.

 

Im Erkenntnis vom 19. Juni 2008, 2007/21/0509, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass es nach der aktuellen Rechtslage der ausdrücklichen Aufhebung des nach § 5 AsylG ergangenen verfahrensrechtlichen Bescheides bedarf.

 

Da während der Vornahme der (versuchten) Abschiebung am 9. Juli 2012 ein solcher Aufhebungsbescheid des Bundesasylamtes noch nicht erlassen worden war, kam dem Bf entgegen seiner Ansicht nicht die Stellung als Asylwerber zu.

 

Obwohl der Bf während diesem Zeitraum als Fremder zu betrachten war und daher jene Bestimmungen des AsylG, die Abschiebeschutz gewähren, mangels Asylwerbereigenschaft auf ihn nicht anwendbar waren, war der belangten Behörde (trotz Untätigkeit des Bundesasylamtes) die Abschiebung im Hinblick auf die Selbsteintrittsverpflichtung und auf § 13 FPG verwehrt.

 

4.4.2.3.Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im oben zitierten Erkenntnis mit der Selbsteintrittsverpflichtung auseinander gesetzt, auf Art. 19 Abs. 3 und 4 und Art. 20 Abs. 2 der Dublin II VO Bezug genommen und folgende Überlegungen angestellt (Hervorhebungen nicht im Original):

 

Art. 19 Abs. 3 Dublin II VO lautet:

Die Überstellung des Antragstellers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat.

 

Art. 20 Abs. 2 Dublin II VO lautet:

Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, so geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung oder die Prüfung des Antrags aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens achtzehn Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist.

 

Die genannten Bestimmungen ordnen für den Fall der Überschreitung der Überstellungsfrist einen Zuständigkeits(rück)übergang auf den Staat der Asylantragstellung (gemeint: den Aufenthaltsstaat) an. Die Regelung stützt sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die gemeinsamen Zielvorgaben zur Kontrolle der illegalen Zuwanderung nicht umsetzt, also die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nicht "zeitgemäß" durchführt, gegenüber den Partnerländern die (negativen) Folgen tragen muss. Außerdem soll durch diese Bestimmung vermieden werden, dass eine Kategorie sogenannter "refugees in orbit" entsteht, deren Antrag monate- oder gar jahrelang in keinem Mitgliedstaat geprüft wird (Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung2, K 30 zu Art. 19, Seite 150, und K 11 f zu Art. 20, Seite 155 f).

 

Der Übergang der Zuständigkeit nach Fristablauf stellt eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die letztlich lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist (Filzwieser/Liebminger, aaO). Mit Ablauf der Frist tritt der Zuständigkeitsübergang "de jure" ein (Schmid/Frank/Anerinhof, aaO, K 18, Seite 122). Daraus folgerten die zuletzt genannten Autoren, die innerstaatliche Regelung des § 5a Abs. 3 AsylG 1997 wäre insoweit entbehrlich gewesen, als "diese EG-rechtliche Wirkung" auch die innerstaatliche Dublin-Unzuständigkeitsentscheidung "mit ex-nunc-Wirkung beseitigt" hätte. Der Zuständigkeitsübergang auf den mit der Überstellung säumigen Staat und die "Beseitigung" der die Unzuständigkeit dieses Staates aussprechenden innerstaatlichen Entscheidung hätte sich - so ist die wiedergegebene Kommentarstelle offenbar zu verstehen - bereits aus den zitierten, unmittelbar anwendbaren Normen der Dublin II-VO ergeben.

 

Im Einklang mit dieser Auffassung verzichtete der Gesetzgeber darauf, in das (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretene) AsylG 2005 eine dem § 5a Abs. 3 AsylG 1997 entsprechende ausdrückliche Regelung aufzunehmen. Dazu heißt es in den Gesetzesmaterialien zu § 5 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP 35):

"Wenn eine Überstellung - etwa wegen Transportunfähigkeit des Asylwerbers - längere Zeit nicht möglich ist, ergeben sich aus dem Dubliner Übereinkommen und der Dublin-Verordnung Fristen, nach denen Österreich zuständig wird. Diese Fristen sind uneinheitlich, je nach dem Grund des Überstellungshindernisses. Wenn eine Überstellung auf Grund von Fristenablauf nicht mehr erfolgen kann, so ist der Bescheid nach § 5 von Amts wegen zu beheben und in die inhaltliche Prüfung des Verfahrens einzutreten. Auf eine entsprechende Normierung wurde verzichtet, da sich dies bereits aus den Vorschriften des Dubliner Übereinkommens und der Dublin-Verordnung ergibt."

 

Während somit § 5a Abs. 3 AsylG 1997 für den Fall des Ablaufs der Überstellungsfrist ex lege das Außerkrafttreten der Dublin-Unzuständigkeitsentscheidung anordnete, geht der Gesetzgeber des AsylG 2005 davon aus, dass dem in der Dublin II-VO für diesen Fall vorgesehenen Zuständigkeits(rück)übergang mit einer Aufhebung des verfahrensbeendenden Bescheides Rechnung zu tragen ist. Dem ist zu folgen, zumal sich aus der genannten Verordnung nicht ergibt, in welcher Form es zur "Beseitigung" der innerstaatlichen Unzuständigkeitsentscheidung kommt. Mangels ausdrücklicher Regelung über ein ex-lege-Außerkrafttreten bedarf es somit im Anwendungsbereich des AsylG 2005 zur Beseitigung der Rechtskraftwirkungen der ursprünglichen (nicht fristgerecht umgesetzten) "Dublin-Entscheidung" deren förmlicher Aufhebung. Diese ist unverzüglich nach fruchtlosem Ablauf der jeweiligen Überstellungsfrist (auch von Amts wegen) vorzunehmen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat – abstellend auf den damals zu beurteilenden Fall – zur verfahrensrechtlichen Stellung der Bf ausgeführt:

 

Da im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft am 19. November 2007 ein solcher Aufhebungsbescheid der Asylbehörden (noch) nicht erlassen worden war, kam der Beschwerdeführerin - entgegen der von ihr vertretenen Meinung - damals nicht die Stellung als Asylwerberin zu. Die auf § 76 Abs. 1 FPG gestützte Anordnung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung durch die Bundespolizeidirektion Wien und die darauf gegründete Anhaltung erweist sich daher nicht als rechtswidrig, zumal das Bestehen eines Sicherungsbedarfs schon aus den von der belangten Behörde angeführten Gründen im vorliegenden Fall nicht fraglich sein kann.

 

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass der Bf während der Abschiebehandlungen am 9. Juli 2012 als Fremder und nicht als Asylwerber anzusehen war, da der Aufhebungsbescheid des Bundesasylamtes vom 7. August 2012 datiert und erst nach diesem Zeitpunkt an den Bf zugestellt worden ist.

 

Wie bereits oben ausgeführt, ist im AI ausdrücklich angemerkt, dass die Frist zur Überstellung des Bf nach Griechenland am 1. Jänner 2012 abgelaufen ist. Eine Überstellung in den Mitgliedstaat war ab diesem Zeitpunkt absolut ausgeschlossen.

 

Das Bundesasylamt hat den Fristablauf am 3. Jänner 2012 im AI eingetragen und einen entsprechenden Widerruf im FIS veranlasst. Die amtswegige Behebung des Bescheides vom 17. Juli 2010, AI 10 03.483 EAST-Ost, hat das Bundesasylamt unterlassen.

 

Obwohl das Bundesasylamt untätig geblieben ist, hätte die belangte Behörde auf den "de jure Zuständigkeitsübergang" im Asylverfahren Beacht nehmen müssen.

 

Auch wenn die belangte Behörde vordergründig zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Bf die Rechte eines Asylwerbers (noch) nicht in Anspruch nehmen konnte und die angezogenen Bestimmungen des FPG als einschlägig zu betrachten waren, hat sie gegen das in § 13 FPG umschriebene Verhältnismäßigkeitsgebot verstoßen. Angesichts des evidenten Ablaufs der längstmöglichen Überstellungsfrist war die Zuständigkeit zur Führung des Asylverfahrens auf die Republik Österreich übergegangen. Daraus kann der Bf ein subjektives Recht ableiten (Zulassung zum Asylverfahren in Österreich). Schon im Hinblick auf den systemimmanenten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt die versuchte Abschiebung kein rechtlich zulässiges Mittel dar.

 

Der Maßnahmenbeschwerde war somit stattzugeben und die versuchte Abschiebungshandlung am 9. Juli 2012 spruchgemäß als rechtswidrig festzustellen.

 

5. Nach § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach    § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder zurückgezogen oder abgewiesen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Gemäß § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) beträgt der Schriftsatzaufwand für den Beschwerdeführer als obsiegende Partei 737,60 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war der Verfahrensaufwand des Bf mit insgesamt 770,10 Euro (737,60 Euro Schriftsatzaufwand und 32,50 Euro Beilage- und Eingabegebühren) festzusetzen und dem Bund der Kostenersatz zugunsten des Bf aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 32,50 Euro (Eingabe- und Beilagengebühren) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 16.05.2013, Zl.: 2013/21/0052-3 

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