Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103514/33/Sch/Rd

Linz, 19.11.1997

VwSen-103514/33/Sch/Rd Linz, am 19. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Im Grunde des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1997, B 428/97-11, hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des F, vertreten durch die RAe vom 12. Februar 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 23. Jänner 1996, VerkR96-10904-1995-Kb, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 23. Oktober 1996 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das oa Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch wie folgt ergänzt wird: "... von S in Richtung M bis Straßenkilometer 6,450 ...". II. Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 2.000 S (20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

Rechtsgrundlagen: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG. zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 23. Jänner 1996, VerkR96-10904-1995-Kb, über Herrn F, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 10.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen verhängt, weil er am 1. Juli 1995, gegen 2.55 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der Sauwald Bundesstraße B 136 von S kommend in Richtung M gelenkt und er sich aufgrund des bei ihm gemessenen Atemluftalkoholgehaltes von über 0,4 mg/l in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 1.000 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Eingangs ist zu bemerken, daß in der Berufung behauptet wird, der erstbehördliche Ladungsbescheid vom 17. August 1995 sei die einzige fristgerechte Verfolgungshandlung gewesen. Diese Behauptung ist allerdings aktenwidrig, da vom Rechtsvertreter des Berufungswerbers beim Stadtamt M am 19. September 1995 Akteneinsicht genommen wurde. Unzutreffend ist auch, daß im Spruch eines Straferkenntnisses der Grad der Alkoholbeeinträchtigung (in mg/l Atemluft bzw. in Promille Blutalkoholgehalt) ausgeführt sein muß. In diesem Zusammenhang wird auf die zahlreiche einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen (etwa VwGH 9.5.1984, 84/03/0062 uva).

Substantiell wird vom Berufungswerber bestritten, daß der Lenkzeitpunkt, wie von der Erstbehörde angenommen, gegen 2.55 Uhr des 1. Juli 1995 gelegen gewesen sei. Es wurde behauptet und auch von zwei einvernommenen Zeuginnen bestätigt, daß sich der Berufungswerber am Vorabend in einer Diskothek in S aufgehalten habe. Dort sei er bis etwa 0.00 Uhr bzw. 1.00 Uhr früh geblieben. Die Fahrzeit zwischen dieser Diskothek und dem Unfallort könne mit etwa 5 bis 10 Minuten angenommen werden, sodaß der Unfallzeitpunkt als wesentlich früher festzulegen sei. Die genannten Zeuginnen bestätigten diese Zeitangaben im wesentlichen, wobei sie allerdings einschränkend feststellten, daß sie den Berufungswerber beim Verlassen der Diskothek nicht beobachtet hätten, ihn aber nach dem genannten Zeitpunkt dort nicht mehr gesehen hätten. Dieser "Tatzeitvariante" ist allerdings folgendes entgegenzuhalten:

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kommt Angaben, die unmittelbar nach einem Vorfall gemacht werden, in der Regel eine größere Bedeutung zu als solchen, die wesentlich später erfolgen. Der Berufungswerber wurde laut Aktenlage erstmals in dem eingangs erwähnten Ladungsbescheid mit dem Tatvorwurf, sohin auch der Tatzeit, konfrontiert. In der Stellungnahme vom 4. Oktober 1995 ist von dieser Verantwortung ebensowenig die Rede wie in der Stellungnahme vom 6. Dezember 1995. Erstmals in der Berufungsschrift vom 12. Februar 1996, also mehr als ein halbes Jahr nach dem Tattag, wurde die bisher unbestritten belassene Tatzeit in Abrede gestellt. Es stellt sich sohin die Frage, ob dieses Vorbringen als Beitrag des Berufungswerbers zur Sachverhaltsfeststellung zu werten ist oder als rein taktische Maßnahme abgetan werden muß. Der Berufungswerber hatte im übrigen vor Ort sogar seine Lenkereigenschaft bestritten, diese Verantwortung aber - offenkundig deren völlige Unglaubwürdigkeit erkennend - in der Folge fallengelassen.

Überdies wurde vom zeugenschaftlich einvernommenen Meldungsleger angegeben, daß zur Absicherung der Unfallaufnahme eine weitere Gendarmeriestreife angefordert werden mußte. Diese Aussage läßt den lebensnahen Schluß zu, daß der Tatortbereich auch zur Nachtzeit von Fahrzeuglenkern in einer nicht unbeträchtlichen Dichte frequentiert wird. Dies wiederum resultiert den Schluß, daß der Berufungswerber ausgehend von seinen Angaben zum Lenkzeitpunkt in seinem verunfallten Fahrzeug in einer Entfernung von der Fahrbahn von lediglich 5 bis 6 Metern einen Zeitraum von immerhin nahezu zwei Stunden zu verbringen gehabt hätte, bevor er von einem vorbeifahrenden Fahrzeuglenker bemerkt wurde, was aber angesichts der obigen Umstände nicht als schlüssig eingestuft werden muß. Nach den von der Berufungsbehörde gepflogenen Erhebungen erfolgte die Unfallmeldung beim Roten Kreuz S um 3.06 Uhr. Die Argumente für den von der Erstbehörde angenommenen Unfallzeitpunkt kurz vor diesem Zeitpunkt erscheinen der Berufungsbehörde sohin überzeugender als das entsprechende Berufungsvorbringen.

Abgesehen davon ist noch folgendes zu bemerken:

Der Berufungswerber ist im vorliegenden Fall weder in seinen Verteidigungsrechten geschmälert noch ist er der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25. November 1994, 94/02/0370, ausgesprochen, daß, wenn im Spruch eines Straferkenntnisses das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu einem späteren Zeitpunkt als zu dem vom Beschwerdeführer behaupteten zur Last gelegt wird, er dadurch nicht einer Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt und somit nicht in seinen Rechten verletzt wurde, weil es sich bei dem gesamten Vorfall von der Verursachung eines Unfalles durch ihn bis zur von einem Gendarmeriebeamten erteilten Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe um ein einheitliches Geschehen gehandelt und der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, während dieses Vorganges ein zweites Mal ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben.

Dies bedeutet also, daß dem Unfallzeitpunkt nicht so große Bedeutung im Zusammenhang mit der Konkretisierung der Tat zukommt, wie der Berufungswerber vermeint. Selbst wenn der Unfallzeitpunkt tatsächlich als mit etwas früher anzunehmen wäre, so würde dies nichts an der Beurteilung des Sachverhaltes ändern, da dem Berufungswerber völlig bewußt sein mußte, um welchen einen Verkehrsunfall es im konkreten Verfahren ging, da er im zeitlichen Nahbereich keinen zweiten danach nicht hatte bzw. gar nicht haben konnte.

Die Ergänzung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses im Zusammenhang mit dem Tatort (Straßenkilometer) schien der Berufungsbehörde zur Konkretisierung der Tat geboten; diesbezügliche fristgerechte und diese Vorgangsweise rechtfertigende Verfolgungshandlungen (insbesondere die am 19. September 1995 erfolgte Akteneinsicht) liegen vor.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1997, B 428/97-11, die ursprüngliche Entscheidung des O.ö. Verwaltungssenates vom 15. Jänner 1997, VwSen-103514/20/Sch/Rd, in seinen Punkten I. 2. Satz und II. 2. Satz behoben. Als Begründung für diese Behebung wurde ausgeführt, daß mit Erkenntnis vom 9. Oktober 1987, G 216/96, der Verfassungsgerichtshof die Zahl "20" im § 100 Abs.5 StVO 1960, BGBl.Nr. 159, idF der 19. StVO-Novelle, BGBl.Nr. 518/1994, als verfassungswidrig aufgehoben habe. Beim vorliegenden Fall handle es sich um einen im Art. 140 Abs.7 B-VG genannten Anlaßfall (ieS), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet sei. Die Berufungsbehörde habe bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung angewendet. Es sei nach der Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtstellung des Beschwerdeführers nachteilig war, da aufgrund der aufgehobenen Vorschrift nicht gehörig erhoben werden durfte, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und deshalb die Strafe zu mildern gewesen sei.

Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.

Im vorliegenden Fall war daher zu prüfen, ob eine Anwendung des § 20 VStG in Betracht kommen könnte.

Da es sich beim Berufungswerber zum Tatzeitpunkt um keinen Jugendlichen mehr gehandelt hat, fällt dieser Anwendungsfall des § 20 VStG von vornherein weg. Es muß aber auch die Frage, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwogen haben, verneint werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage der Anwendbarkeit des § 20 VStG bei Alkoholdelikten zum Zeitpunkt der Rechtslage vor der 19. StVO-Novelle, die durch das einschlägige Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes diesbezüglich wiederhergestellt wurde, in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, 92/02/0280, ausgesprochen, daß die völlige Unbescholtenheit, die geringe Überschreitung des Grenzwertes (hier 0,44 mg/l) und keine nachteiligen Folgen der Tat einen Anwendungsfall darstellten. Der Berufungswerber hat allerdings zum Untersuchungszeitpunkt, das war der 1. Juli 1995 um 5.09 Uhr, einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,51 mg/l aufgewiesen. Hieraus muß der Schluß gezogen werden, daß die Alkoholbeeinträchtigung zum Lenkzeitpunkt (gegen 2.55 Uhr) jedenfalls wesentlich jenseits von einem Promill Blutalkoholgehalt gelegen war. Eine solche Alkoholbeeinträchtigung kann keinesfalls als geringfügig angesehen werden.

Zudem hat der Berufungswerber bei seiner Fahrt einen Verkehrsunfall verursacht, wobei aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Alkoholbeeinträchtigung (auch) Unfallursache war. Vom Fehlen nachteiliger Folgen der Tat kann daher keine Rede sein. Die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe in der Höhe von 10.000 S ist nicht als überhöht anzusehen. Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Berufungswerbers wurde berücksichtigt, Erschwerungsgründe lagen nicht vor. Den von der Erstbehörde angenommenen persönlichen Verhältnissen wurde in der Berufung - die sich im übrigen hinsichtlich der Strafzumessung ohnehin nicht ausläßt - nicht entgegengetreten. Bei der Berufungsverhandlung wurde das Einkommen geringfügig niedriger angegeben (12.000 S bis 13.000 S). Es kann aber jedenfalls erwartet werden, daß der Berufungswerber zur Bezahlung der Geldstrafe ohne relevante Einschränkung seiner Lebensführung in der Lage sein wird. Lediglich der Vollständigkeit halber wird abschließend noch angefügt, daß sich das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ausschließlich auf das gegenständliche Alkoholdelikt bezogen hat. Die beiden weiteren in dem seinerzeitigen Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich entschiedenen Tatvorwürfe waren hievon nicht erfaßt, sodaß sich ein (neuerliches) Eingehen darauf erübrigt.

Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

S c h ö n

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