Linz, 20.02.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Mag. X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems vom 10.01.2013, Zl.: VerkR96-19353-2012, zu Recht:
I. Die Berufung wird statt gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012 – VStG.
Zu II.: § 66 Abs.1 u. 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen einer Übertretung nach § 52 lit.a Z10a iVm § 99 Abs.2d StVO 1960 eine Geldstrafe von 110 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 48 Stunden verhängt und wider ihn folgenden Tatvorwurf erhoben:
2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobnen Berufung entgegen indem er diese wie folgt ausführt:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte mit Blick auf das im Rahmen des Berufungsverfahrens beigeschafften Beweismittel unterbleiben (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt, sowie durch ergänzende Erhebungen betreffend die „Aktivierung“ der 50 km/h-Beschränkung. Dem Behördenakt angeschlossen, fand sich die Bezug habende Verordnung. Beigeschafft wurden ferner die Materialien zur Verordnung, die die Ermächtigung zum Inhalt hat, anlässlich von Verkehrskontrollen Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h mit dem entsprechenden Verkehrszeichen kund zu machen.
Insgesamt wurden drei Stellungnahmen zur strittigen Frage der damaligen ordnungsgemäßen Kundmachung der 50 km/h-Beschränkung in Fahrtrichtung X eingeholt.
Sowohl dem Berufungswerber als auch der belangten Behörde wurde mit h. Schreiben vom 13.2.2013 - wie auch in dem hier anhängigen inhaltsgleichen weiteren Verfahren - die ergänzend erhobenen Beweise mit der Möglichkeit sich dazu noch zu äußern zur Kenntnis gebracht.
Darauf replizierte der Berufungswerber am 20.2.2013, wobei er abermals den fehlenden Beweis einer entsprechenden Kundmachung hervorstreicht. Damit ist er im Recht!
4.1. Sachverhalt:
Der Berufungswerber lenkte am 2.5.2012 um 09:39 Uhr seinen Pkw in Fahrtrichtung X, wobei die Fahrgeschwindigkeit mittels sogenannten Frontradars mit 83 km/h festgestellt wurde.
Der Berufungswerber und ebenso ein etwas früher, nämlich um 09:21 Uhr an dieser Stelle mit ebenfalls mehr als 50 km/h in Richtung X fahrender Fahrzeuglenker, beruft sich im Ergebnis ebenfalls inhaltsgleich darauf, kein entsprechendes Beschränkungszeichen wahrgenommen gehabt zu haben.
Zu bemerken ist, dass der Meldungsleger in seiner Stellungnahme an den Unabhängigen Verwaltungssenat vom 9.2.2013 von einer angeblichen Sichtbarkeit des entsprechenden VZ am Radarfoto spricht. Auf dem gegenständlichen, wie auch im genannten Zweitverfahren im Akt erliegenden Radarfoto, ist jedoch kein Verkehrszeichen sichtbar. Dies stützt einmal mehr die Verantwortung des Berufungswerbers.
Die in der Folge im Rahmen des h. Verfahrens gestellten Anfragen erbrachten letztlich auch keine Klarstellung ob das mit einer Drehvorrichtung ausgestattete Verkehrszeichen (50 km/h) in Richtung X in der entsprechenden Rasterung (quer zur Fahrbahn zeigend und nicht parallel) fixiert war.
Der Einsatzbeamte X ließ im Rahmen der h. Anfrage durch das Polizeiorgan BI X mit Email vom 9.2.2013 mitteilen, dass „in der Regel, wenn er anwesend ist, die Verkehrszeichen von ihm in beiden Fahrtrichtungen aktiviert würden.“
Das am 2.5.2012 in Fahrrichtung X betreffend „Schnellfahrer“ Anhaltungen durchführende Organ der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, Frau X, konnte in der Mitteilung vom 12.2.2013 an den Unabhängigen Verwaltungssenat wohl die Aktivierung in der Richtung X, nicht aber in Richtung X bestätigen. Im Zuge dieser Mitteilung wurde auch die Niederschrift über das Verordnungsverfahren übermittelt.
In einem weiteren schriftlichen Ersuchen an den Messbeamten übermittelte dieser wohl ein Radarprotokoll vom 1.6.2012, welches abermals weder ein konkretes Datum des Messeinsatzes erkennen lässt, noch wurde darin die Frage der „Aktivierung“ beantwortet, weil der Meldungsleger den ganzen Tag über mit technischen Verkehrskontrollen befasst gewesen sei.
Die belangte Behörde äußerte sich betreffend das andere inhaltsgleiche Verfahren, welches lediglich in der Uhrzeit um nur 18 Minuten abweicht, einer Verfahrenseinstellung nicht entgegen zu treten.
4.2. Angesichts der vorliegenden Beweislage kann die ordnungsgemäße Kundmachung als nicht gesichert gelten. Wenn zwei Fahrzeuglenker behaupten kein Verkehrszeichen gesehen zu haben muss ihnen, mangels eines darüber hinaus hieb u. stichfesten Tatsachenbeweises des Gegenteils, zumindest im Zweifel deren Verantwortung gefolgt werden.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Beweiswürdigung nach § 45 Abs.2 AVG und einem fairen Verfahren folgend, ist an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).
Schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung ist nämlich von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122.
Das Verwaltungsstrafverfahren war demnach nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
Hier wurde wohl auch die üblicher Weise geltende Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h ebenfalls noch um 13 km/h überschritten. Diesbezüglich wäre es dem Unabhängigen Verwaltungssenat verwehrt eine auf diesen Überschreitungsumfang bezogene Strafe festzusetzen. Damit würde einer der Behörde erster Instanz vorbehaltene Kompetenz vorgegriffen werden. Darüber hinaus scheint es Behördenpraxis, Geschwindigkeitsüberschreitung in diesem bloß geringfügigen Umfang noch nicht zu ahnden, wobei dahingestellt bleibt, inwieweit die gegenständlichen Verfolgungshandlung iSd § 44a Z1 iVm § 32 Abs.2 VStG einen Tatvorwurf einer allfälligen Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 13 km/h noch gerecht werden könnte.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r