Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-167578/11/Br/Ai

Linz, 20.02.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn  Mag. X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems vom 10.01.2013, Zl.: VerkR96-19353-2012, zu Recht:

 

 

I.       Die Berufung wird statt gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

        

 

II.     Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012 – VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 u. 2 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber  wegen einer Übertretung nach § 52 lit.a Z10a iVm § 99 Abs.2d StVO 1960 eine Geldstrafe von 110 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 48 Stunden verhängt und wider ihn folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 33 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeinde X, Landesstraße Freiland, X Nr. X bei km 38,920 in

Fahrtrichtung X.

Tatzeit: 02.05.2012, 09.39 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften) verletzt: § 52 lit. a Zif. 10 a StVO

Fahrzeug: Kennzeichen X.“

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte den Schuldspruch auf das Ergebnis der vorliegenden Geschwindigkeitsmessung mittels Radar. Der Verantwortung des Berufungswerbers folgte sie nicht. Im Ergebnis vermeinte Berufungswerber die Geschwindigkeitsbeschränkung wäre nicht kundgemacht gewesen, indem das Verkehrszeichen nicht aufgestellt bzw. aktiviert gewesen waren.

 

 

2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobnen Berufung entgegen  indem er diese wie folgt ausführt:

Innerhalb offener Frist erhebe ich gegen das Straferkenntnis der BH Kirchdorf/Kr. Vom 10.1.2013, VerkR96-19353-2012 das Rechtsmittel der

 

B e r u f u n g

und wird dazu ausgeführt:

 

Zunächst beantrage ich die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

Ich verweise auf mein gesamtes Vorbringen in dieser Verkehrsstrafsache und erhebe dieses auch zum Inhalt meiner Berufung.

1)         Die Verordnung der BH Steyr-Land, vom 09.03.2012, VerkR10-25-3/11-2010-Mau/Ec ist nicht gesetzeskonform.

a)       Bei Verkehrskontrollen für den Richtung X fließenden Verkehr dient eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h bzw. 50 km/h für den Richtung X fließenden Verkehr weder der Sicherheit noch der Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs.

Es erscheint gerade unter Bezugnahme auf die konkrete Örtlichkeit (Ausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h ist zulässig, die Beschränkungen befinden sich nach einer Linkskurve) bedenklich, bei einer auf den Richtung X führenden Verkehr außerhalb der Fahrbahn auf einem eigenen Kontrollplatz durchgeführten Verkehrskontrolle eine Geschwindigkeitsbeschränkung für den Richtung X fließenden Verkehr durchzuführen, zumal hier etwa im Falle mehrerer hintereinander befindlichen Fahrzeuge (etwa auch sichtbehindernden Lkw) eine Gefahrensituation durch plötzliches Abbremsen auftreten kann, verbunden mit Rückstau und Auffahrgefahr. Diese Gefahr ist insbesondere durch die 50 km/h Beschränkung gegeben, die überdies viel zu kurz nach der 70 km/h Beschränkung aufgestellt ist.

b)  Es ist aber auch eine 70 km/h Beschränkung in Fahrtrichtung X bei Kontrolle des Gegenverkehrs sachlich überhaupt nicht gerechtfertigt und aus Sicherheitsgründen nicht erforderlich. Es ist nicht einsichtig, warum, wenn ohne Verkehrskontrolle in beiden Fahrtrichtungen mit 100 km/h gefahren werden darf, ohne dass dadurch eine Gefährdungslage eintritt, eine derartige Gefährdung plötzlich dann angenommen wird, wenn die Geschwindigkeit des Richtung X fließenden Verkehrs sogar geringer als 100 km/h ist, indem diese nämlich wegen einer außerhalb der Fahrbahn durchgeführten Verkehrs kontra He auf 50  km/h  reduziert wurde.  Es wird  daher durch  eine Geschwindigkeitsbeschränkung weder die Sicherheit noch die  Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Richtung X (!) fließenden Verkehrs gefördert, wie dies §44a Abs.1 StVO als Voraussetzung für eine Verordnung wie die gegenständliche verlangt.

2)         Die Verordnung hätte nach den Bestimmungen der StVO auch verfügen müssen, nicht erst die 50 km/h Beschränkung sondern bereits die davor situierte 70 km/h Beschränkung mit der Zusatztafel „Verkehrskontrolle" zu versehen; indem dies nicht erfolgt, lässt sich daraus ableiten, dass das Argument der Verkehrssicherheit nicht in erster Linie ausschlaggebend dafür war, die Geschwindigkeitsbeschränkung zu verfügen bzw. , dass es bei der Richtung X verfügten Beschränkung nicht um die Sicherheit des Verkehrs ging.

3)         Die Verordnung wurde aber auch nicht ordnungsgemäß kundgemacht.

a) Es erscheint einerseits zweifelhaft, ob die Tafeln, auf denen die Geschwindigkeitsbeschränkungen aufgebracht sind, zum Zeitpunkt der mir angelasteten Übertretung tatsächlich in eine für die Verkehrsteilnehmer sichtbare Position (90° zur Fahrbahn) gebracht worden sind. Dass dies in der Praxis normalerweise geschieht - wie dies der Auskunft der PI X zu entnehmen ist - wird gar nicht angezweifelt. Im vorliegenden Fall war es aber so, dass diese Kontrolle eine der ersten nach Fertigstellen des Kontrollplatzes war, sodass nicht sicher ist, ob diesem Erfordernis auch tatsächlich entsprochen wurde.

Es wird diesbezüglich auch die Beischaffung des gem. § 44a Abs 3 letzter Satz StVO anzulegenden Aktenvermerkes von der BH Steyr-Land beantragt.

b)      Zum Vorfallszeitpunkt war aber auch auf der 50 km/h Beschränkung noch nicht die laut Verordnung notwendige Zusatztafel (Verkehrskontrollen) angebracht, sondern ist diese erst später installiert worden.

Es möge daher auch eine Auskunft der Verordnungsbehörde bzw. der dafür zuständigen Straßenmeisterei eingeholt werden, ab wann die Richtung X gegebene 50 km/h Beschränkung auch mit dieser konkreten Zusatztafel (Verkehrskontrollen) ausgestattet worden ist.

In Summe ist daher davon auszugehen, dass die hier gegenständliche Verordnung weder

gesetzeskonform erlassen noch ordnungsgemäß kundgemacht wurde.

Zum Beweis der Richtigkeit meines Vorbingens beziehe ich mich als meine Einvernahme

als Partei.

 

Ich stelle daher die

Anträge

 

1)   den angefochtenen Bescheid aufzuheben und

a) das gegen mich geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen;

b) allenfalls der bescheiderlassenden Behörde zur Aufnahme ergänzender Beweise die Neudurchführung des Verfahrens aufzutragen;

2)      in eventu, insbesondere, wenn davon ausgegangen wird, dass zwar eine 70 km/h Beschränkung, nicht aber eine solche von 50 km/h hätte verfügt werden dürfen, die über mich verhängte Geldstrafe erheblich zu reduzieren.

 

Mag. X“ (mit e. h. Unterschrift).

 

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur  Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte mit Blick auf das im Rahmen des Berufungsverfahrens beigeschafften Beweismittel unterbleiben (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt, sowie durch ergänzende Erhebungen betreffend die „Aktivierung“ der 50 km/h-Beschränkung. Dem Behördenakt angeschlossen, fand sich die Bezug habende Verordnung. Beigeschafft wurden ferner die Materialien zur Verordnung, die die Ermächtigung zum Inhalt hat, anlässlich von Verkehrskontrollen Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h mit dem entsprechenden Verkehrszeichen  kund zu machen.

Insgesamt wurden drei Stellungnahmen zur strittigen Frage der  damaligen ordnungsgemäßen Kundmachung der 50 km/h-Beschränkung in Fahrtrichtung X eingeholt.  

Sowohl dem  Berufungswerber als auch der belangten Behörde wurde mit h. Schreiben vom 13.2.2013 - wie auch in dem hier anhängigen inhaltsgleichen weiteren Verfahren  - die ergänzend erhobenen Beweise mit der Möglichkeit sich dazu noch zu äußern zur Kenntnis gebracht.

Darauf replizierte der Berufungswerber am 20.2.2013, wobei er abermals den fehlenden Beweis einer entsprechenden Kundmachung hervorstreicht. Damit ist er im Recht!

 

 

4.1. Sachverhalt:

Der Berufungswerber lenkte am 2.5.2012 um 09:39 Uhr seinen Pkw in Fahrtrichtung X, wobei die Fahrgeschwindigkeit mittels sogenannten Frontradars mit 83 km/h festgestellt wurde.

Der Berufungswerber und ebenso ein etwas früher, nämlich um 09:21 Uhr an dieser Stelle  mit ebenfalls mehr als 50 km/h in Richtung X fahrender Fahrzeuglenker, beruft sich im Ergebnis ebenfalls inhaltsgleich darauf, kein entsprechendes Beschränkungszeichen wahrgenommen gehabt zu haben.

Zu bemerken ist, dass der Meldungsleger in seiner Stellungnahme an den Unabhängigen Verwaltungssenat vom 9.2.2013 von einer angeblichen Sichtbarkeit des entsprechenden VZ am Radarfoto spricht. Auf dem gegenständlichen, wie auch im genannten Zweitverfahren im Akt erliegenden Radarfoto, ist jedoch kein Verkehrszeichen sichtbar. Dies stützt einmal mehr die Verantwortung des Berufungswerbers.

Die in der Folge im Rahmen des h. Verfahrens gestellten Anfragen erbrachten letztlich auch keine Klarstellung ob das mit einer Drehvorrichtung ausgestattete  Verkehrszeichen (50 km/h) in Richtung X in der entsprechenden Rasterung (quer zur Fahrbahn zeigend und nicht parallel) fixiert war.

Der Einsatzbeamte X ließ im Rahmen der h. Anfrage durch das Polizeiorgan BI X mit Email vom 9.2.2013 mitteilen, dass „in der Regel, wenn er anwesend ist, die Verkehrszeichen von ihm in beiden Fahrtrichtungen aktiviert würden.“

Das am 2.5.2012 in Fahrrichtung X betreffend „Schnellfahrer“ Anhaltungen durchführende Organ der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, Frau X, konnte in der  Mitteilung vom 12.2.2013 an den Unabhängigen Verwaltungssenat wohl die Aktivierung in der Richtung X, nicht aber in Richtung X bestätigen. Im Zuge dieser Mitteilung wurde auch die Niederschrift über das Verordnungsverfahren übermittelt.

In einem weiteren schriftlichen Ersuchen an den Messbeamten übermittelte dieser wohl ein Radarprotokoll vom 1.6.2012, welches abermals weder ein konkretes Datum des Messeinsatzes erkennen lässt, noch wurde darin die Frage der „Aktivierung“ beantwortet, weil der Meldungsleger  den ganzen Tag über mit technischen Verkehrskontrollen befasst gewesen sei.

Die belangte Behörde äußerte sich betreffend das andere inhaltsgleiche Verfahren, welches lediglich in der Uhrzeit um nur 18 Minuten  abweicht, einer Verfahrenseinstellung nicht entgegen zu treten.

 

 

4.2. Angesichts der vorliegenden Beweislage kann die ordnungsgemäße Kundmachung als nicht gesichert gelten. Wenn zwei Fahrzeuglenker behaupten kein Verkehrszeichen gesehen zu haben muss ihnen, mangels eines darüber hinaus hieb u. stichfesten Tatsachenbeweises des Gegenteils, zumindest im Zweifel deren Verantwortung gefolgt werden.

 

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Beweiswürdigung nach § 45 Abs.2 AVG und einem fairen Verfahren folgend, ist an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).

Schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung ist nämlich von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122.

Das Verwaltungsstrafverfahren war demnach nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

Hier wurde wohl auch die üblicher Weise geltende Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h ebenfalls noch um 13 km/h überschritten. Diesbezüglich wäre es dem Unabhängigen Verwaltungssenat verwehrt eine auf diesen Überschreitungsumfang bezogene Strafe festzusetzen. Damit würde einer der Behörde erster Instanz vorbehaltene Kompetenz vorgegriffen werden. Darüber hinaus scheint es Behördenpraxis, Geschwindigkeitsüberschreitung in diesem bloß geringfügigen Umfang noch nicht zu ahnden, wobei dahingestellt bleibt, inwieweit die gegenständlichen Verfolgungshandlung iSd § 44a Z1 iVm § 32 Abs.2 VStG einen Tatvorwurf einer allfälligen Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 13 km/h noch gerecht werden könnte.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten. 

 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum