Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231295/8/Bi/CG

Linz, 05.02.2013

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des x, xstraße x, x, vertreten durch x, xstraße x, x, vom 14.März 2012 gegen das Straf­erkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Gmunden vom 1. März 2012, Sich96-146-2011, wegen Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

 

    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 82 Abs.1 SPG eine Geldstrafe von 150 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil er am 7. Mai 2011 zwischen 15.43 Uhr und 15.55 Uhr in schwer alkoholisiertem Zustand sowohl im Inneren sowie im Gastgartenbereich des Lokals "x" in x, x, längere Zeit hindurch lautstark herumgeschrien habe. Er sei mehrmals von den Beamten der PI Laakirchen dazu angehalten worden, den öffentlichen Ort (Gastgarten und Brunnen) zu verlassen. Er habe wieder angefangen zu toben, sei aufgestanden und habe geschrien: "Ich habe ein Recht auf den Brunnen und ein Recht auf mein Trinken – so a gschissener Wirt! Ihr könnt machen was ihr wollt, i geh net, ich komme immer wieder zu meinem Brunnen zurück!" Nach Beendigung dieses Satzes sei er aufgestanden und habe sich an den Brunnen gesetzt, der sich ca 40 m hinter ihm befunden habe. Er habe die Beamten angeschrieben: "So, was machts jetzt, ihr gschissenen Kiebara, jetzt bin i nimmer im Gastgarten sondern am Brunnen, der der Öffentlichkeit ghört! – Gehts lieber Verbrecher fangen, aber für das seit ihr ja eh viel zu langsam, ihr kommts eh überall zu spät!"

Er habe durch dieses Verhalten trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzliche Aufgabe wahrnahm, sich aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert. Da er trotz mehrmaliger Abmahnung sein aggressives Verhalten nicht eingestellt habe und der Wegweisung nicht nachgekommen sei, sei um 1.55 Uhr die Festnahme ausgesprochen worden.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 15 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z3 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen unrichtige rechtliche Beurteilung geltend insofern, als  ihm aggressives Verhalten gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnahm, und dadurch Behinderung einer Amtshandlung vorgeworfen worden sei.

Wegen desselben Vorfalls habe die Staatsanwaltschaft Wels zu 7 Hv 16/12f an das Landesgericht Wels Strafantrag wegen § 269 Abs.1 StGB ("Wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt und wer einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert...") gestellt, die Straf­verhandlung sei für den 29.3.2012 anberaumt. Die Anklage decke sich mit dem Vorwurf im angefochtenen, sich auf § 82 Abs.1 SPG gründenden Straf­erkenntnis.

Da er aber ohnedies von Gericht wegen dieses Vorfalls angeklagt sei, würde eine Bestrafung im Verwaltungsverfahren eine doppelte Bestrafung wegen desselben Vorfalls darstellen und sei damit unzulässig. Beantragt wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrens­einstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Beischaffung des Strafantrages der Staatsanwaltschaft Wels an das Landesgericht Wels zu 11 St 159/11k sowie die gekürzte Urteils­ausfertigung des Landesgerichtes Wels zu 7Hv 16/12f und Wahrung des Parteiengehörs. Der Bw hat keine Stellungnahme erstattet, sodass ankündigungsgemäß nach der Aktenlage zu entscheiden war.

 

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 82 Abs.1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amts­handlung behindert.

Gemäß § 269 Abs.1 StGB ist  .. zu bestrafen, wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt und wer einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert. 

 

Dem Bw wird im Strafantrag der StA Wels vom 31. Jänner 2012 zur Last gelegt, er habe am 7. Mai 2011 in L. Beamte mit Gewalt, und zwar BI S. und Insp R. durch Versetzen von Stößen gegen die Brust sowie Anwendung von Körperkraft gegen die Genannten, an einer Amtshandlung, und zwar an der ausgesprochenen Festnahme zu hindern versucht. Er habe hiedurch das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs.1, 269 Abs.1 1.Fall StGB begangen und sei hiefür nach dem 1. Strafsatz des § 269 StGB zu bestrafen.

Laut Urteil des LG Wels vom 3. Mai 2012 ist der Bw schuldig, am 7. Mai 2011 in L.

1. Insp M. R., sohin einen Beamten, während einer Amtshandlung tätlich angegriffen zu haben, indem er ihm einen Stoß gegen den Brustkorb versetzte, und

2. Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Durchsetzung der gegenüber ihm ausgesprochenen Festnahme zu hindern versucht zu haben, indem er sich von BI K. S. und Insp M. R. wiederholt loszureißen versuchte.

Er habe hiedurch

zu 1. das Vergehen des tätlichen Angriffes auf einen Beamten nach § 270 Abs.1 StGB und

zu 2. das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs.1, 269 Abs.1 1.Fall StGB begangen.

 

Damit verlangt eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 269 Abs.1 StGB die Hinderung eines Beamten an einer Amtshandlung durch Gewalt oder gefährlicher Drohung mit Gewalt, während der Tatbestand des § 82 Abs.1 SPG aggressives Verhalten gegenüber einem in Ausübung seiner gesetzliche Aufgaben handelnden Beamten und dadurch Hinderung an einer Amtshandlung meint. 

 

Ohne jeden Zweifel gründen sich aber beide Anlastungen auf denselben Sach­verhalt vom 7. Mai 2011, 15.43 Uhr bis 15.55 Uhr, in L., Gastgarten­bereich des Lokales "x" in der x.

Nach dem "Zolotukhin"-Urteil des EGMR (vom 10.2.2009, appl 14939/03) ist nunmehr – ohne dass dadurch ein Widerspruch zum Erkenntnis des Verfassungs­gerichtshofes VfGH 16.12.2010, B343/10, entsteht – die Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftat­beständen grundsätzlich auch dann nicht zulässig, wenn diese sich in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden. Ausnahmsweise ist eine parallele Bestrafung/Verfolgung jedoch dann und insoweit nicht gehindert, solange wegen desselben Sachverhalts nicht eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt.

Davon ausgehend erhalten die gesetzlichen Subsidiaritätsklauseln im Lichte des "Zolotukhin"-Urteils aus rechtssystematischer Sicht eine neue Bedeutung, nämlich dahin, dass zB eine Bestrafung nach § 82 Abs.1 SPG schon von vornherein ausscheidet, wenn ein und dasselbe Verhalten eine auch sonst – und zwar ohne Subsidiaritätsklausel – mit Verwaltungsstrafe oder mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung – hier §§ 15 Abs.1, 269 Abs.1 1.Fall StGB – darstellt. In einem derartigen Fall ist eine kumulative Bestrafung iSd §22 VStG wegen unechter (scheinbarer) Ideal­konkurrenz (bzw Gesetzeskonkurrenz) a priori unzu­lässig.

Die bisherige Rechtsprechung des EGMR, die ursprünglich auf "dasselbe Verhalten" bzw – mehr subjektiv orientiert – auf einen "einheitlichen Beweg­grund" ("same conduct" – Fall Gradinger, EGMR vom 23.10.1995, 15963/90), dann auf  einen Einzelakt, der mehrere ideal konkurrierende Tatbestände erfüllt (Fall Oliveira, EGMR vom 30.7.1998, 25711/94) und schließlich auf einen Einzelakt, der mehrere sich allenfalls essentiell überschneidende Tatbestände verwirklicht ("essential elements" – Fall "Fischer", EGMR vom 26.4.1995, 16922/90) abstellte, gilt also nunmehr als dahin modifiziert bzw. konkretisiert, dass es für das Hindernis des Doppelverfolgungs- bzw. –bestrafungsverbotes ausschließlich auf einen "(völlig oder zumindest substantiell) identischen Sach­verhalt ("identical or substantially the same facts") ankommt.

 

Bezogen auf den ggst Fall ist aufgrund der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Bw der den Gegenstand des angefochtenen Straferkenntnisses bildende Verwaltungsstraftatbestand konsumiert, zumal beide Tatbestände ihre Grundlage im identischen Sachverhalt haben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Verfahrenskosten fallen naturgemäß nicht an.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

wie VwSen-301008/2/Gf/Mu – "Zolotukhin"-Urteil EGMR vom 10.2.2009, 14939/03 à Einstellung

 

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