Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101422/14/Lg/Bk

Linz, 27.06.1994

VwSen-101422/14/Lg/Bk Linz, am 27. Juni 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 10.

Juni 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des H, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Erich K, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 5.

Juli 1993, Zl. VerkR96/228/13-1992/Pi/Ri, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde und des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 und § 45 Abs.1 Z1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 2.000 S bzw eine Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden verhängt, weil er am 24. September 1991 um 17.40 Uhr den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen in Pasching auf der H Straße in Richtung Pasching gelenkt und sich auf der Kreuzung mit der Baumgartner Straße zum Linksabbiegen nicht vorschriftsmäßig eingeordnet habe, weil er den PKW nicht auf dem der Fahrbahnmitte zunächst gelegenen Fahrstreifen in seiner Fahrtrichtung angehalten habe, sondern erst über der Fahrbahnmitte, wodurch der Radfahrer zum Abbremsen genötigt wurde und gegen den PKW der Frau D, welcher auf der Baumgartner Straße stand, gestoßen sei. Er habe dadurch § 12 Abs.1 StVO 1960 iVm § 13 Abs.2 StVO 1960 iVm § 19 Abs.5 und 7 StVO 1960 verletzt und sei wegen der genannten Verwaltungsübertretung(en) gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 in der genannten Höhe zu bestrafen gewesen.

Dieses Straferkenntnis stützt sich hinsichtlich des entscheidungswesentlichen Sachverhalts auf die Zeugenaussagen des Ing. Erwin F und der Maria-Anna D. F habe ausgesagt, daß das Fahrzeug des Berufungswerbers ca einen Meter über der Fahrbahnmitte gestanden sei. Die Zeugin D habe ausgesagt, daß der PKW des Berufungswerbers bereits sehr weit nach links zum Abbiegen eingereiht gewesen sei. Des weiteren verweist das Straferkenntnis auch auf die Beweiswürdigung des rechtskräftigen Urteils des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 26.

Juli 1992, Zl. 10 C 209/92, in welchem der Berufungswerber am Zustandekommen des Verkehrsunfalles schuldig gesprochen worden sei. Frau D habe kurze Zeit nach dem Unfall ausgesagt, daß der Berufungswerber die Fahrbahnmitte überfahren habe. Außerdem sei im gerichtlichen Verfahren festgestellt worden, daß die Darstellung des Berufungswerbers in sich widersprüchlich sei, da er ausgesagt habe, mit den linken Rädern im Bereich der Leitlinie so zum Stillstand gekommen zu sein, daß die linken Räder bereits einen Linkseinschlag gemacht hätten; diese Darstellung sei jedoch vom gerichtlichen verkehrstechnischen Amtssachverständigen widerlegt worden, weil ein solches Lenkmanöver zwangsläufig eine Mittenüberschreitung mit dem vorderen Teil des Fahrzeugs nach sich ziehen würde.

2. In der Berufung wird die Unzulässigkeit der Übernahme der Beweiswürdigung des zivilgerichtlichen Verfahrens insbesondere hinsichtlich der Aussage der dort als Kläger aufgetretenen Zeugen F und D geltend gemacht und überdies darauf verwiesen, daß ein strafgerichtliches Verfahren gegen den Einschreiter mittlerweile eingestellt wurde.

Gerügt wird ferner, daß die Übernahme von Elementen des Beweisverfahrens vor dem Gericht überdies einseitig bzw falsch erfolgt sei. So sei außer Acht gelassen worden, daß der Sachverständige vor Gericht ausgesagt habe, bei Beginn des Manövers weiter rechts könnte das Fahrzeug des Berufungswerbers auch an der Fahrbahnmitte zum Anhalten gebracht worden sein. Ferner sei unberücksichtigt geblieben, daß die Zeugin D laut Gerichtsakt auch vor der Gendarmerie nichts darüber aussagen habe können, ob die Fahrbahnmitte vom PKW des Berufungswerbers überschritten wurde oder nicht.

Die belangte Behörde habe sich bei ihrer Beweiswürdigung nicht damit auseinandergesetzt, warum die Aussage des Zeugen F glaubwürdiger sein sollte als die Aussage der Zeugin D, obwohl F vor Gericht technisch nicht verifizierbare Sachverhaltsvarianten angeboten habe.

Die belangte Behörde habe vor allem die entgegenstehenden Argumente des Berufungswerbers in unzulässiger Weise außer Acht gelassen.

Bei richtiger Würdigung aller Umstände hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß dem Berufungswerber ein Verschulden nicht mit der für eine Bestrafung hinreichenden Wahrscheinlichkeit angelastet werden kann.

Hinsichtlich der Strafbemessung verweist die Berufung auf die Unbescholtenheit sowie auf den Umstand, daß der Berufungswerber nicht (wie vom Straferkenntnis angenommen) über ein geschätztes Einkommen von 10.000 S verfügt, sondern lediglich ein Karenzgeld in Höhe von 4.500 S bezieht, verheiratet ist und für ein Kind sorgepflichtig ist.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

3.1. Gemäß § 12 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, der beabsichtigt, nach links einzubiegen, das Fahrzeug, nachdem er sich davon überzeugt hat, daß niemand zum Überholen angesetzt hat, auf den der Fahrbahnmitte zunächst gelegenen Fahrstreifen seiner Fahrtrichtung zu lenken.

Gemäß § 13 Abs.2 StVO 1960 ist auf Kreuzungen beim Linkseinbiegen nach dem Einordnen (§ 12) bis unmittelbar vor die Kreuzungsmitte vorzufahren; sobald es der Gegenverkehr zuläßt, ist einzubiegen, wobei am Kreuzungsmittelpunkt links vorbeizufahren ist, sofern sich aus Bodenmarkierungen oder aus Hilfszeichen (§ 41) nichts anderes ergibt.

Gemäß § 19 Abs.5. StVO 1960 haben Fahrzeuge, die ihre Fahrtrichtung beibehalten oder nach rechts einbiegen, sofern sich aus Abs.4 nichts anderes ergibt, den Vorrang gegenüber entgegenkommenden nach links einbiegenden Fahrzeugen.

Gemäß § 19 Abs.7 StVO 1960 darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

3.2. Entscheidungserhebliches Beweisthema war nach übereinstimmender Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenats und der Parteien die Frage, ob der PKW des Berufungswerbers die Fahrbahnmitte überschritten und damit den entgegenkommenden Radfahrer (den Vorrangberechtigten) zum unvermittelten Abbremsen und Ablenken seines Fahrzeugs genötigt hatte.

Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung gaben der Vertreter des Berufungswerbers und der Zeuge Johann W (Vater und Beifahrer des Berufungswerbers) einerseits und der Zeuge F (der im vorangegangenen zivilgerichtlichen Verfahren als Kläger aufgetreten war) andererseits unterschiedliche Darstellungen zum entscheidungserheblichen Beweisthema. Während die erstgenannten aussagten, der PKW des Berufungswerbers habe die Fahrbahnmitte nicht überschritten, sagte der Zeuge F aus, daß dies sehrwohl (und zwar seiner Schätzung nach um einen Meter) der Fall gewesen sei. Die Zeugin D konnte sich weder in der einen noch in der anderen Richtung äußern.

Der unabhängige Verwaltungssenat ging davon aus, daß bei sämtlichen Zeugen eine bestimmte Interessenslage involviert war. In diesem Sinne hatte der Zeuge F ein Interesse, keine seiner Aussage im zivilgerichtlichen Verfahren entgegenstehende Darstellung zu geben und der Berufungswerber (und sein Vater) ein Interesse daran, keinen Sachverhalt, der zu einer Bestrafung des Berufungswerbers führt, zu stützen. Es kann daher nicht von einer erhöhten Glaubwürdigkeit der einen oder anderen Person aus Gründen des Interesses unterstellt werden.

Aus der Sicht des erkennenden Mitglieds des unabhängigen Verwaltungssenats und des beigezogenen Amtssachverständigen war keine der angebotenen Sachverhaltsvarianten mit erheblichen inneren Widersprüchen belastet. Der unabhängige Verwaltungssenat ging daher davon aus, daß beide Sachverhaltsvarianten im entscheidungserheblichen Punkt gleichermaßen möglich sind, ohne daß unter diesem Blickwinkel eine größere Wahrscheinlichkeit für die eine oder andere Variante erkennbar wäre.

Zwar kann von der sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergebenden Tatsache ausgegangen werden, daß ein besonnener Radfahrer, der in die Kreuzung gute Einsicht hatte und auch tatsächlich einsah, beurteilen kann, ob das Fahrzeug des Berufungswerbers die Fahrbahnmitte tatsächlich in dem von ihm behaupteten Ausmaß überfahren hat und ist weiters einzuräumen, daß aus der Sicht des Beifahrers das Überschreiten der Fahrbahnmitte nicht gleichermaßen gut wie für den Lenker einschätzbar war. Ferner ist zuzubilligen, daß ein besonnener Radfahrer nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht grundlos "überreagiert" und daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß der Anlaß für sein Brems- und Ablenkmanöver ein Überfahren der Fahrbahnmitte durch den Berufungswerber war. Andererseits ist, was das Überschreiten der Fahrbahnmitte betrifft, aber auch der Umstand zu berücksichtigen, daß der Zeuge W (der Beifahrer) ein überdurchschnittlich erfahrener Kraftfahrer ist und diesbezüglich auch die Aussage des Berufungswerbers selbst vorliegt. Schließlich kann auch nicht vollständig ausgeschlossen werden, daß das Verhalten des Zeugen F durch die vom Zeugen Johann W angegebene Wahrnehmung (Schreckreaktion des Zeugen F wegen hoher Geschwindigkeit und zu spätem Einschauens in die Kreuzung) bedingt war.

3.3. Da im unabhängigen Verwaltungssenat trotz Aufnahme sämtlicher zur Verfügung stehender Beweise und nach eingehender Beweiswürdigung nicht mit aller Zweifel ausschließender Sicherheit die Überzeugung der Richtigkeit des Tatvorwurfs entstand, war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Langeder

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