Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730696/2/SR/ER/WU

Linz, 08.02.2013

 

 

 

E R K E N NT N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. X, StA von Guinea, gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 26. November 2012, AZ.: 1067075/FRB, betreffend ein auf sieben Jahre befristetes Rückkehrverbot nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit des Landespolizeidirektors von Oberösterreich ersatzlos behoben wird.

 

 

The appeal is allowed insofar as due to the lack of jurisdiction of the Chief of Police of Upper Austria the contested decision is deleted without substitution.

 

Rechtsgrundlagen/(legal basis):

§ 66 Abs. 4 AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Landespolizeidirektor von Oberösterreich hat mit Bescheid vom 26. November 2012, AZ.: 1067075/FRB, gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 54 Abs. 1, 2, 3 iVm. § 53 Abs. 3 Z. 1  Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 ein mit sieben Jahren befristetes Rückkehrverbot verfügt, welches im Wesentlichen mit rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen wegen Verbrechen und Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz (SMG) begründet wird.

 

2. Der Bw hat – unterstützt durch den X - mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2012 gegen den am 27. November 2012 zugestellten Bescheid rechtzeitig berufen und im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass er aufgrund seiner Inhaftierung nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig zum geplanten Rückkehrverbot Stellung zu nehmen, weshalb seine am 26. November 2012 bei der belangten Behörde eingelangte Stellungnahme im bekämpften Bescheid keine Berücksichtigung gefunden habe. So sei unberücksichtigt geblieben, dass sich der Bw in einer Lebensgemeinschaft befinde und keine Verwandten in seinem Herkunftsstaat habe. 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und einen aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

 

3.2. Aus dem Vorlageakt ergibt sich folgender relevanter Sachverhalt:

 

Der Bw ist am 4. Oktober 2009 illegal nach Österreich eingereist und wurde deshalb am selben Tag in X festgenommen. Am 5. Oktober 2009 wurde von der Bundespolizeidirektion Wien ein Schubhaftbescheid betreffend den Bw erlassen. Ebenfalls mit Bescheid vom 5. Oktober 2009, AZ.: III-1281049/FrB/09, hat der Polizeidirektor von Wien den Bw gemäß § 53 Abs. 1 FPG in der damals geltenden Fassung ausgewiesen und einer Berufung gegen diese Ausweisung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Am 8. Oktober 2009 stellte der Bw einen Asylantrag. Am 5. November 2009 wurde der Bw aus der Schubhaft entlassen.

Am 23. Oktober 2012 wurde der Bw mit Urteil des Landesgerichts Linz,  26 Hv 126/12t, wegen Verbrechen und Vergehen nach dem SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Der Bw befindet sich seit 16. Juni 2012 in Haft. Seit 18. Juni 2012 hat der Bw in X – Justizanstalt, einen Nebenwohnsitz gemeldet. Seit 30. Oktober 2012 hat der Bw keinen Hauptwohnsitz.  

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem vorgelegten Verfahrensakt und dem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. Der Verwaltungssenat hat dazu in der Sache erwogen:

 

4.1. Gemäß § 6 Abs. 1 FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit im Inland nach dem Hauptwohnsitz im Sinn des § 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes über das polizeiliche Meldewesen (Meldegesetzes 1991 - MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, in Ermangelung eines solchen nach einem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet. Bei Vorliegen mehrerer sonstiger Wohnsitze ist jener maßgeblich, welcher zuletzt begründet wurde.

 

 

 

Hat der Fremde keinen Wohnsitz im Bundesgebiet, richtet sich die Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 2 FPG nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach diesem Bundesgesetz.

 

 

 

4.2. Mit Erkenntnis vom 11. Mai 2009, 2008/18/0522, hat der VwGH ausgesprochen, dass "[d]ie Verbüßung einer Strafhaft in der Justizanstalt H [...] entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht einen dort bestehenden Wohnsitz zur Folge [hatte], weil ein solcher den Aufenthalt an einem bestimmten Ort und den Willen, dort zu bleiben, voraussetzt. Ein zwangsweise begründeter Aufenthaltsort - wie im Falle eines Untersuchungshäftlings oder Strafhäftlings - ist kein Wohnsitz. Umso weniger kann in diesen Fällen das Vorliegen eines Hauptwohnsitzes angenommen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0238)."

 

 

4.3.1. Für die Erlassung fremdenpolizeilicher Maßnahmen richtet sich die örtliche Zuständigkeit im Inland gemäß § 6 Abs. 1 FPG nach dem Hauptwohnsitz im Sinn des § 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes über das polizeiliche Meldewesen (Meldegesetzes 1991 – MeldeG), in Ermangelung eines solchen nach einem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet. Bei Vorliegen mehrer sonstiger Wohnsitze ist jener maßgeblich, der zuletzt begründet wurde.

Aus dem zitierten Erkenntnis des VwGH folgt aber, dass im gegenständlichen Fall der zwangsweise Aufenthalt des Bw in der Justizanstalt X keinen Wohnsitz darstellt, der die örtliche Zuständigkeit des Landespolizeidirektors von Oberösterreich iSd § 6 Abs. 1 FPG begründen würde. Vielmehr richtet sich die Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 2 FPG nach dem  Aufenthalt des Bw zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach dem FPG.

 

4.3.2. Das erste behördliche Einschreiten nach dem FPG fand zweifelsfrei in X statt, wo der Bw aufgrund seiner illegalen Einreise festgenommen wurde, über ihn mit Bescheiden des Polizeidirektors von Wien die Schubhaft verhängt und letztlich eine Ausweisung erlassen wurde.

 

Die Landespolizeidirektion Wien wäre daher gemäß § 6 Abs 1 FPG für die Erlassung eines Rückkehrverbots gegen den Bw zuständig.

 

Da die belangte Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Zuständigkeit in Anspruch genommen hat, die ihr nicht zugekommen ist, war der vorliegende Bescheid aufzuheben.

 

 

5. Gemäß § 59 Abs. 1 FPG ergehen Entscheidungen gemäß §§ 52 bis 56 in Bescheidform und haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Drittstaatsangehörigen verständlichen Sprache oder in einer Sprache zu enthalten, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Der Bw ist – wie von der belangten Behörde festgestellt wurde – so weit der Englischen Sprache mächtig, dass er dem Gerichtsverfahren vom 23. Oktober 2012, 26 Hv 126/12t, das mit einem Englischdolmetsch geführt wurde, folgen konnte. Auch erhob der Bw gegen den bekämpften Bescheid, dessen Spruch und Rechtsmittelbelehrung ins Englische übersetzt wurden, rechtzeitig Berufung und bestritt darin nicht seine von der belangten Behörde angenommenen Englischkenntnisse. Aus diesem Grund kann iSd. § 59 Abs. 1. FPG zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass der Bw die Englische Sprache versteht.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 33,80 Euro (Eingabe- und Beilagengebühren) angefallen.

 

 

 

Instruction on the right to appeal

No legal remedies are permitted against this decision.

 

Information

Within 6 weeks after delivery a complaint can be lodged against this decision with the Constitutional Court and/or with the Administrative Court; except from legal exceptions, it must be lodged by an authorized attorney. Paying 220 Euros as an appeal fee is required for each complaint to be lodged.

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

Beachte:


Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.


VwGH vom 14. November 2013, Zl.: 2013/21/0070-9

 

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