Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730715/2/BP/JO

Linz, 01.03.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. am X, StA von Jamaika, vertreten durch X, Rechtsanwältin in X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 8. Februar 2013, Zl. 1014533/FP/13, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von 6 Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

      Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid       ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom
8. Februar 2013, Zl. 1014533/FP/13, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 67 Abs.1 iVm Abs.2 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

Gleichgehend wurde dem Bw gemäß § 70 Abs. 3 FPG von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zum Sachverhalt Folgendes aus:

(...)

 

Sie wurden mit Urteil des LG Wels, GZ: 11 Hv26/12f vom 25.10.2012 wurden Sie rechtskräftig wegen §§ 15, 127, 127, 129 Z. 2 und 3, 130 4. Fall, 107 (1) StGB schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr bedingt verurteilt.

Sie wurden von einem Schöffengericht schuldig gesprochen,

          I.)      Im Zeitraum ab Anfang November 2011 bis 08.012012 in X Verfügungsberechtigten der Firma X und anderen nicht näher bekannten Verfügungsberechtigten von „stummen Zeitungsverkäufern" in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eines Diebstahles durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, fremde bewegliche Sachen von EUR 3.000,00 nicht übersteigendem Wert und zwar Bargeld idHv zumindest EUR 150,00, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch weggenommen zu haben, indem Sie in etwa einhundert Fällen mit einer Zange die Sicherung von Geldkassetten an Zeitungsständern, bzw. die Geldkassetten selbst aufzwängten;

        II.)      am 14.02.2010 in X X und X gefährlich bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem Sie mit einem Messer gegen diese aufzielten;

     III.)      am 26.04.2010 gegen 20.15 Uhr in Wels fremde bewegliche Sachen, nämlich 12 Dosen Zipfer Bier im Gesamtwert von EUR 12,24, Verfügungsberechtigten der Fa. X mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht zu haben, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

 

Sie haben hiedurch das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch, das Vergehen der gefährlichen Drohung und das Vergehen des versuchten Diebstahles begangen.

 

Am 10.12.2012 wurde Ihnen eine Aufforderung zur Stellungnahme betreffend der beabsichtigten Erlassung eines auf die Dauer von 6 Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes an Ihre Wohnadresse übermittelt. Sie haben dieses Schreiben am 11.12.2012 übernommen.

 

Sie hatten die Möglichkeit, innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens, zu der beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes schriftlich bei der Bundespolizeidirektion Wels, Fremdenpolizei, Stellung zu nehmen und damit Ihre Rechte und rechtlichen Interessen zu wahren. Sollten Sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, wird das Verfahren ohne Ihre weitere Anhörung beendet werden.

 

Darüber hinaus wurden Sie aufgefordert, innerhalb o.g. Frist schriftlich an die Bundespolizeidirektion Wels, Fremdenpolizei, Angaben über Ihre familiären, sozialen und beruflichen Bindungen in Österreich zu machen. Andernfalls kann auf Ihre Angaben im gegenständlichen fremdenpolizeilichen Verfahren nicht eingegangen werden.

 

Bis dato langte keine Stellungnahme ein.

Die Behörde greift daher auf die aus dem Hausakt bekannten Daten und Fakten zurück:

Sie waren erstmals am 16.05.2003 im Bundesgebiet angemeldet und sind bis auf 2 Unterbrechungen von jeweils ca. 2 Monaten durchgehend gemeldet.

Am 02.06.2003 reichten Sie bei der BPD Wels Ihren Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung begünstigter Drittstaatsangehöriger-Ö ein. Anlässlich dieses Antrages wurden Sie am 13.06.2003 niederschriftlich einvernommen und gaben an, am

11.09.2002 über Frankfurt und München in das Bundesgebiet mit einem Visum C, gültig bis 03.12.2002, eingereist zu sein und die ganze Zeit bei Ihrer Ehegattin X, die Sie am

X ehelichten, gewesen zu sein, die Sie versehentlich nicht angemeldet hatte.

Ihren Verlängerungsanträgen betreffend Aufenthaltstitel wurde weiterhin stattgegeben. Derzeit sind im Besitz einer Rot-Weiß-Rot Karte Plus, gültig bis 29.04.2015, ausgestellt vom Magistrat Wels am 30.04.2012.

 

Am 25.05.2006 wurden Sie dem Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Wels wegen Körperverletzung angezeigt. Diese Anzeige wurde gemäß § 90 Abs. 1 StPO am 03.06.2006 zurückgelegt bzw. das eingeleitete Verfahren eingestellt.

 

Am 20.05.2010 und am 16.08.2010 wurden Sie der Staatsanwaltschaft Wels wegen des Verdachtes der gefährlichen Drohung und des versuchten Diebstahles angezeigt. Mit Beschluss vom 18.01.2011 wurde das Strafverfahren gemäß § 199, 203 Abs. 1 StPO unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit vorläufig eingestellt.

 

Am 20.02.2012 wurden Sie der Staatsanwaltschaft Wels wegen des Verdachtes des versuchten Einbruchdiebstahles in 2 Fällen und des Einbruchdiebstahles in 91 Fällen angezeigt. Hier wurden Sie mit dem eingangs erwähnten Urteil: 1 Jahr Freiheitsstrafe bedingt auf 3 Jahre verurteilt.

 

Vom PK Wels früher BPD Wels wurde am 16.03.2010 ein Waffenverbot über Sie verhängt.

 

Verwaltungsstrafrechtlich scheinen folgende Vormerkungen beim PK Wels auf:

§ 1 Abs. 1 OÖ. PolStG - Strafverfügung vom 29.06.2012 150 Euro

§ 38 Abs. 1 Pyrotechnikgesetz - Strafverfügung vom 23.01.2013 50 Euro.

 

Zu Ihrer beruflichen Integration wurde ein Versicherungsdatenauszug der letzten 3 Jahre erstellt. Daraus ist eine durchgehende Beschäftigung ersichtlich. Man muss Ihnen durchaus die berufliche Integration zugestehen.

 

Sprachlich kann keine Integration festgestellt werden, da Sie anlässlich eine erkennungsdienstlichen Behandlung am 09.01.2012 als Sprache ENGLISCH angaben.

 

Zur Aufenthaltsverfestigung gemäß § 64 FPG, wonach (3) Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, nur mehr ausgewiesen (§ 62) werden dürfen, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde und (4) Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt-Familienangehöriger" verfügen, nur mehr ausgewiesen werden dürfen, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde, wird angemerkt, dass Sie seit ca. 2010 von Ihrer Gattin getrennt leben und im Jahr 2009 Ihren Aufenthaltstitel- Verlängerungsantrag verspätet gestellt hatten und dadurch ein Erstantrag gestellt werden musste. Sie besitzen daher keinen Daueraufenthaltstitel.

 

Ihre familiären Bindungen zu Ihrer Gattin sind seit 08.09.2009 nicht mehr vorhanden, da Sie sich getrennt haben und keinen gemeinsamen Wohnsitz mehr haben. Aufgrund des Fehlens einer Stellungnahme Ihrerseits kann auch auf keine weiteren Familienbindungen oder soziale Integrationen eingegangen werden.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde ua. aus:

 

Wenn auch nicht verkannt wird, dass ein Aufenthaltsverbot aufgrund der durchaus vorhandenen Integration in Österreich einen massiven Einschnitt in Ihr Leben bedeutet, scheint Ihre Rückkehr in Ihr Heimatland (bzw. die Ausreise in ein anderes Land) bei einer Gesamtbetrachtung nicht unzumutbar. Sie sind durchaus fleißig und daher unzweifelhaft in der Lage, auch abseits von Österreich Ihr Fortkommen zu sichern. Den Kontakt zu vermutlich in Österreich lebenden nahestehenden Personen können Sie für die Dauer des Aufenthaltsverbotes durch die Inanspruchnahme von modernen Kommunikationsmitteln aufrechterhalten. Es ist darüber hinaus diesen Personen nicht verwehrt, das Land mit Ihnen zu verlassen oder Sie zumindest regelmäßig im Ausland zu besuchen.

Es war davon auszugehen, dass Ihr der schwerwiegenden Verurteilung zu Grund liegendes persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die das Grundinteresse der Gesellschaft berührt, die organisierte Eigentumskriminalität hintan zu halten. Es besteht ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Eigentumskriminalität und die Tendenz der gewerbsmäßigen Tatbegehung stellt eine ganz erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Ihr Gesamtverhalten bedeutete eine grobe Missachtung der Rechtsordnung und einen ausgeprägten Mangel an Verbundenheit mit rechtlich geschützten Werten.

 

(...)

 

Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt die Annahme, dass Ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden könnte. Ihr oben festgestelltes Verhalten ist zwar in der demonstrativen Aufzählung des § 53 Abs. 2 und 3 FPG nicht enthalten, jedoch ist dieses von Ihnen gezeigte Verhalten jenen des § 53 Abs. 2 und 3 FPG in der dort zum Ausdruck gebrachten Haltung gleich zu halten. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist zum Schutze des wirtschaftlichen Wohles der Republik Österreich und zur Verhinderung strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von in Art.8 Abs.2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten.

 

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seine rechtsfreundliche Vertreterin mit Schriftsatz vom 15. Februar 2013 rechtzeitig Berufung.

 

Vorerst werden darin die Anträge gestellt, die Berufungsbehörde möge

a) den gegenständlichen Bescheid der Landespolizeidirektion vom 08.02.2013, Zahl: 1014533/FP/13, zugestellt am 25.02.2013, dahingehend abändern, dass das gegen den Bw verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben bzw. eingeschränkt wird,

b) den gegenständlichen Bescheid dahingehend abändern, dass der erstin­stanzliche Bescheid zur Gänze behoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückverwiesen wird.

 

Weiters wird ua. wie folgt ausgeführt:

 

Ich erhebe mein gesamtes bisheriges Vorbringen zum integrierenden Bestandteil dieses Berufungsschriftsatzes und hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung eine in­haltlich anderslautende Entscheidung ergehen müssen.

 

Die LPD Wels beruft sich bei der Verhängung des auf sechs Jahre befristeten Auf­enthaltsverbotes hinsichtlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit insbesondere auf die Verurteilung vom 20.02.2012 wegen des versuchten Ein­bruchsdiebstahls in zwei Fällen und des Einbruchsdiebstahls in 91 Fällen. Ich wurde hierzu verurteilt mit einem Jahr Freiheitsstrafe bedingt auf drei Jahre. Zu dieser Ver­urteilung ist auszuführen, dass mir vorgeworfen wird, von „stummen Zeitungsverkäu­fern" die Geldkassetten aufgebrochen zu haben und mir so eine fortlaufende Ein­nahme verschafft zu haben von einem Wert der € 3.000,00 nicht übersteigt und Bar­geld iHv zumindest € 150,00.

 

Ich bin seit Dezember 2002, sohin seit mehr als zehn Jahren im österreichischen Bundesgebiet aufhältig und im Besitz einer Rot-Weiß-Rot Karte Plus, gültig bis 29.04.2015, ausgestellt vom Magistrat Wels. Ich bin zumindest die letzten drei Jahre durchgehend beschäftigt und arbeite ich derzeit in der Fa. X und kann so zur Gänze für meinen Lebensunterhalt aufkommen. Entgegen der Ansicht der Erstin­stanz spreche ich sehr wohl durchaus passabel Deutsch, was auch die Integration im Arbeitsleben belegt. Allein die Tatsache, dass ich angeblich bei einer erkennungs­dienstlichen Behandlung am 09.01.2012, als Sprache Englisch angegeben hätte, kann nicht als Grundlage der Feststellung dienen, dass sprachlich keine Integration bestehen würde.

 

Ich habe zudem intensive familiäre Bindungen in Österreich, bin nach wie vor mit der österreichischen Staatsbürgerin X verheiratet, selbst wenn wir ge­trennt leben. Sie lebt derzeit mit dem gemeinsamen Sohn X, geb. X in der früheren Ehewohnung X. X, geb. im X ist ein Kind aus einer früheren Beziehung und lebt dieses ebenso in der Familiengemeinschaft. Ich habe insbesondere zu meinem Sohn X ein sehr gutes Verhältnis. Dieser besucht derzeit die Volksschule in der X, ebenso wie die Stieftochter X und sehe ich die Kinder regel­mäßig. X hat keinen Kontakt zu ihrem leiblichen Vater und war ich für sie lange Zeit so etwas wie eine Vaterfigur und haben wir noch immer eine sehr gute vaterähnliche Beziehung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass wir mittlerwei­le getrennt leben. Ich arbeite und lebe in X, leiste regelmäßigen Unterhalt für mei­nen leiblichen Sohn X und besteht zu den Kindern sehr wohl eine intensive persönliche Beziehung.

 

Der Ansicht der Erstbehörde, dass die Trennung der minderjährigen Kinder, die der­zeit im Volksschulalter sind, zu billigen ist und der Kontakt vermutlich auch durch moderne Kommunikationsmittel aufrecht erhalten werden kann, ist nicht zu folgen. Es wird diesbezüglich auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hingewiesen, wonach Wert darauf gelegt wird, dass gerade bei minderjährigen Kindern, die ge­meinsam mit den Elternteilen aufgewachsen sind, das Recht auf persönlichen Kon­takt in den Vordergrund zu stellen ist. Ebenso wird auf die aktuelle Judikatur des Eu­ropäischen Gerichtshofes verwiesen, nämlich auf das Urteil , was eine Weiterent­wicklung der Rechtssprechung im Sinne des Urteils Ruiz Zambrano darstellt In die­sem Urteil wird besonders auf die Situation von Patchwork Familien Bezug genom­men und werden hier auch Stiefkindern, für die die von der Ausweisung betroffene Person gar nicht verantwortlich und unterhaltspflichtig ist, umfassende Rechte auf persönliche Beziehungen eingeräumt.

 

Die LPD geht davon aus, dass das der schwerwiegenden Verurteilung zugrunde­liegende persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Ge­fahr darstellen würde, die das Grundinteresse der Gesellschaft berühre, die organi­sierte Eigentumskriminalität hintanzuhalten. Es bestehe ein großes öffentliches Inte­resse an der Verhinderung von Eigentumskriminalität und die Tendenz der ge­werbsmäßigen Tatbegehung stelle eine ganz erhebliche Beeinträchtigung der öffent­lichen Ordnung und Sicherheit dar. Mein Gesamtverhalten würde eine grobe Miss­achtung der Rechtsordnung bedeuten und einen ausgeprägten Mangel an Verbun­denheit mit rechtlich geschützten Werten an den Tag legen.

 

Die Verwerflichkeit der gegenständlichen Taten sei grundsätzlich nicht bestritten. Je­doch muss in einer Gesamtbetrachtung doch darauf abgestellt werden, dass das Aufbrechen von Geldkassetten bei Zeitungsverkaufsständen zwar nicht gesellschaft­lich erwünscht ist, jedoch nicht die klassische Form von Einbruchsdiebstählen dar­stellt um sich den Lebensunterhalt abzusichern wie die Verurteilung ausspricht. Der Berufungswerber ist immerhin durchgehend erwerbstätig und wurden durch das Auf­brechen der Geldkassette relativ geringe Beträge im Wert von etwa € 150,00 erbeu­tet, selbst wenn es durchaus verheerend viele Tathandlungen gab.

 

Weiteres Vorbringen behalte ich mir ausdrücklich vor.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 19. Februar 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung vor.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei und völlig unwidersprochen aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren primär die Klärung  von Rechtsfragen vorzunehmen ist und auch kein diesbezüglicher Parteienantrag gestellt wurde, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 67d AVG verzichtet werden.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1., und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 65b des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 87/2012, unterliegen Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z. 12) der Visumpflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs. 2, 66, 67 und 70 Abs. 3.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG ist Familienangehöriger: wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, die Drittstaatsangehörige sind.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw aufgrund seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen unter den Begünstigtenkreis des § 65b FPG zu subsumieren ist, weshalb auf ihn betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes § 67 FPG Anwendung findet.

 

3.2.1. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

3.2.2. Nachdem sich der Bw schon seit Dezember 2002 und somit knapp über 10 Jahren im Bundesgebiet aufhält, kommt § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG im vorliegenden Fall zur Anwendung. Es muss also aufgrund des persönlichen Verhaltens des Bw davon ausgegangen werden, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und  maßgeblich gefährdet würde.

 

3.2.3. Im vorliegenden Fall wurde der Bw während seines Aufenthalts in Österreich mit Urteil des LG Wels, GZ: 11 Hv26/12f vom 25.10.2012 rechtskräftig wegen §§ 15, 127, 129 Z. 2 und 3, 130 4. Fall, 107 (1) StGB schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr bedingt verurteilt.

 

Er war dabei von einem Schöffengericht schuldig gesprochen worden,

1.) im Zeitraum ab Anfang November 2011 bis 08.012012 in X Verfügungsberechtigten der Firma X und anderen nicht näher bekannten Verfügungsberechtigten von „stummen Zeitungsverkäufern" in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eines Diebstahles durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, fremde bewegliche Sachen von EUR 3.000,00 nicht übersteigendem Wert und zwar Bargeld idHv zumindest EUR 150,00, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch weggenommen zu haben, indem er in etwa einhundert Fällen mit einer Zange die Sicherung von Geldkassetten an Zeitungsständern, bzw. die Geldkassetten selbst aufzwängte

2) am 14.02.2010 in X X und X gefährlich bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mit einem Messer gegen diese aufzielte;

3) am 26.04.2010 gegen 20.15 Uhr in X fremde bewegliche Sachen,

nämlich 12 Dosen Zipfer Bier im Gesamtwert von EUR 12,24, Verfügungsberechtigten der Fa. Spar mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht zu haben, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

3.2.4.1. Grundsätzlich ist anzumerken, dass § 67 Abs. 1 vorletzter Satz die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes – korrespondierend zur unionsrechtlichen Rückführungsrichtlinie – an Gefährdungsszenarien der Sicherheit der Republik Österreich knüpft, die in einem besonderen Maß zu Tage treten. Dies beschränkt sich zwar nicht bloß auf "Kapitalverbrechen" per se, bedingt jedoch einen besonders hohen bzw. gesellschaftlich und rechtlich anerkannten Unwertgehalt,  eine drohende erhebliche Schädigung der Gesundheit bzw. des Lebens von Menschen oder von nationalen ökonomischen Interessen. 

 

3.2.4.2. Es ist zunächst wohl unbestritten, dass der Diebstahl von 12 Bierdosen nicht das Gefährdungsausmaß der Sicherheitsinteressen der Republik erreicht. Betreffend die beinahe unglaublich vielen Angriffe gegen Zeitungsständer bzw. deren Geldkassetten ist zwar festzustellen, dass allein deren Menge nach von durchaus erheblichem Maß gesprochen werden kann (beinahe 100 Angriffe), allerdings ist wohl eine entstandene Schadens- bzw. Beutesumme von 150 Euro nicht geeignet die nationalökonomischen Interessen der Republik Österreich zu tangieren.

 

3.2.4.3. Ähnliches gilt für die vom Bw verübte gefährliche Drohung, die allerdings für sich alleine gesehen wiederum nicht das Gefährdungspotential erreicht, das § 67 Abs. 1 vorletzter Satz fordert, um – angesichts der dort angenommenen Aufenthaltsverfestigung – die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu rechtfertigen. 

 

Es sei darauf hingewiesen, dass die – von der belangten Behörde angeführten - gerichtlichen Anzeigen gegen den Bw, die nicht zu entsprechenden Verurteilungen führten, in der gegenständlichen Erörterung keine Berücksichtigung finden können.

 

3.2.4.4. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass aufgrund seines persönlichen Verhaltens nicht davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib des Bw im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wird. Zu diesem Ergebnis kommt man auch wohl dadurch, wenn man die lediglich auf 1 Jahr bedingt ausgesprochene Verurteilung des Bw betrachtet.

 

3.3.1. Nachdem es aber im vorliegenden Fall schon an der Tatbestandsmäßigkeit mangelt, war ohne auf die Aspekte des Schutzes des Privat- und Familienlebens einzugehen, der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben. 

 

3.3.2. Da der Bw angibt, über ausreichende Deutschsprachkenntnisse zu verfügen, konnte gemäß § 67 Abs. 5 FPG auf die Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides verzichtet werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

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