Linz, 05.03.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, Staatsangehörige der Ukraine, vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. Jänner 2013, GZ.: Sich96-215-2012, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Die Berufungswerberin hat zusätzlich zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in Höhe von 100 Euro (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
zu I.: §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II.: § 64ff. VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. Jänner 2013, GZ.: Sich96-215-2012, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) gemäß § 120 Abs. 1a FPG, BGBl. 100/2005 idgF eine Geldstrafe in der Höhe von 500,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden verhängt.
Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:
Als Tatzeit sah die belangte Behörde den Zeitraum "02.07.2012 bis 07.09.2012" an. In der Begründung führt die belangte Behörde nach Wiedergabe der rechtlichen Grundlagen aus, dass die Bw am 17. Mai 2009 illegal in das Bundesgebiet eingereist und am 18. Mai 2009 einen Asylantrag gestellt habe. Bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes am 12. April 2012 (§ 3 AsylG negativ, kein subsidiärer Schutz gemäß § 8 AsylG und Ausweisung gemäß § 10 AsylG) habe sich die Bw als Asylwerberin rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Die gegen die Ausweisungsentscheidung eingebrachte Beschwerde habe der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. Juni 2012 abgelehnt.
Am 7. September 2012 habe die Bw einen Antrag gemäß § 41a Abs. 9 NAG gestellt. Dieser Antrag verschaffe der Bw kein Bleiberecht.
Im Bescheid des Asylgerichtshofes sei der Bw die Verpflichtung über die Ausreise nachweislich zur Kenntnis gebracht worden. Dieser Ausreiseverpflichtung sei die Bw nicht nachgekommen.
2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 21. Jänner 2013.
Einleitend stellte die Bw die Anträge, die Berufungsbehörde möge
a) den Bescheid der belangten Behörde ersatzlos beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen, in eventu
b) eine bloße verwaltungsstrafrechtliche Abmahnung gegenüber der Bw verhängen, in eventu
c) den erstinstanzlichen Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Erstinstanz zurückverweisen.
3.1. Mit Schreiben vom 23. Jänner 2013 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.
3.2.1. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.
3.2.2. Da im Verfahren der entscheidungswesentliche Sachverhalt – auch von der Bw nicht in Frage gestellt - feststand, im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, lediglich eine Rechtsfrage zu klären war und auch kein diesbezüglicher Parteienantrag – insbesondere von der rechtsfreundlich vertretenen Bw – gestellt wurde, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG verzichtet werden.
3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.
3.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).
4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:
4.1. Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;
5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)
6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs- gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebe- willigung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder
7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
4.3.1. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).
4.3.2. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Beschuldigter initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.
4.3.3. Die Bw wendet nun ein, dass ihr das objektiv strafbare Verhalten nicht subjektiv vorgeworfen werden könne, zumal sie aufgrund der Antragstellung gemäß § 41a Abs. 9 NAG ein legitimes Interesse daran habe, das Verfahren im Inland abzuwarten, weshalb sie nicht schuldhaft gehandelt habe.
Zunächst ist wiederum festzuhalten, dass das Asylverfahren der Bw am 12. April 2012 nach Prüfung durch den Asylgerichtshof, der die Fluchtgründe materiell erörterte, rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde, woraus für sie eine Ausreiseverpflichtung entstand. Des darauf folgenden illegalen Aufenthalts musste sich die Bw schon im Hinblick auf die eindeutige Belehrung in einer ihr verständlichen Sprache im Erkenntnis des Asylgerichtshofes klar bewusst sein. Bedeutsam ist weiters, dass die Bw selbst nach Ablehnung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof Ende Juni 2012 noch Monate mit der Antragstellung nach dem NAG zugewartet hat.
Wie sich aus der Aktenlage ergibt, erfolgte die Einbringung des Antrags auf eine "Rot-Weiss-Rot-Karte Plus" erst am 7. September 2012.
Das Asylgerichtshoferkenntnis - über mehrere Monate hinweg – ignorierend, das ja die Ausreiseverpflichtung explizit anführte, verharrte sie somit (jedenfalls während des angelasteten Tatzeitraums) im Bundesgebiet und hat alleine dadurch schon fahrlässig gehandelt, zumal eine mit der Rechts- und Werteordnung vertraute Person hier schon ohne weiteres die tatsächliche rechtliche Lage erfasst und sich dementsprechend verhalten haben würde. Hier kann weder ein Notstand noch ein sonstiger Entschuldigungsgrund erkannt werden.
Ergänzend ist anzumerken, dass die Antragstellung gemäß § 41a Abs. 9 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen. Ebenso steht sie der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen nicht entgegen und kann im fremdenpolizeilichen Verfahren auch keine aufschiebende Wirkung entfalten.
Die Bw hat offenbar lediglich darauf vertraut nicht abgeschoben werden zu können. In diesem Verhalten kann aber weder ein Notstand noch ein ausreichender Schuldausschließungsgrund festgestellt werden.
4.3.4. Der belangten Behörde folgend ist somit vom Vorliegen auch der subjektiven Tatseite in Form fahrlässigen Verhaltens auszugehen.
Auch die weiteren Hinweise der Bw, die sich im Grunde gegen die Außerlandesbringung richten, können an den oa. Feststellungen nichts ändern.
4.4.1. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren "§§ 40 bis 46" sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
4.4.2. Hinsichtlich der Strafhöhe ist anzumerken, dass die belangte Behörde ohnehin lediglich die gesetzliche Mindeststrafe verhängte, was nach den Umständen des Falles auch nicht zu beanstanden war.
4.4.3. Betreffend die außerordentliche Strafmilderung ist festzuhalten, dass, auch wenn man die bisherige Unbescholtenheit der Bw als Milderungsgründe anerkennt, diese jedenfalls nicht zu einem klaren Überwiegen führen können, da der von der Strafnorm angesprochene Unrechtsgehalt des Handelns keinesfalls erheblich gemildert wird, indem man den illegalen Aufenthalt aufrecht erhaltend nach Alternativen einer dauerhaften Möglichkeit des Verbleibes im Bundesgebiet beschreitet.
4.4.4. Von unbedeutenden Folgen der Tat zu sprechen wäre nicht nachvollziehbar, da die Bw die Bedeutung und den Schutzzweck fremdenpolizeilicher Normen zu missverstehen scheint, zumal es sich bei Folgen einer Tat nicht nur um materielle, sondern vielfach auch um immaterielle handelt, denen keinesfalls eine untergeordnete Rolle zugemessen werden kann.
Der Stellenwert der Einhaltung fremdenpolizeilicher Normen ist nicht nur gesetzlich, gesellschaftlich und höchstgerichtlich abgesichert, sondern sollte auch der Bw verstärkt zugänglich werden. Von einem geringfügigen Verschulden kann also ebenfalls nicht ausgegangen werden.
4.4.5. Mangels bedeutendem Überwiegen der Milderungsgründe, mangels geringem Verschulden, aber auch mangels unbedeutender Folgen der Tat kam somit eine Anwendung der §§ 20 bzw. 21 VStG nicht in Betracht.
4.5. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die in Rede stehende Berufung
als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen war.
5. Gemäß § 64ff. VStG war der Bw zusätzlich zum Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS des Landes Oö. in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe – somit 100 Euro) aufzuerlegen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Stierschneider