Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523396/6/Br/Ai

Linz, 08.03.2013

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau X geb. X, X, X, vertreten durch Herrn X Rechtsanwälte X & X Dr. X X X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 31.1.2013, Zl. VerkR21-354-2012/BR, wegen einer Aufforderung nach § 24 Abs.4 FSG 1997, zu Recht:

 

 

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2011; § 23 Abs.3  iVm § 32 Abs.2, § 24 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem o. a. Bescheid hat die Behörde erster Instanz die Berufungswerberin aufgefordert sich  innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides,

  1. bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn auf Zimmer Nr. X ärztlich untersu­chen zu lassen. Zudem wurde ihr aufgetragen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutach­tens erforderlichen Befunde innerhalb der vom Amtsarzt/von der Amtsärztin festgelegten Frist beizubringen sowie
  2. ein Gutachten über ihre fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klas­sen A1 und B durch Ablegung je einer Fahrprüfung der Behörde vorzulegen.

Sollten Sie diesen Erfordernissen innerhalb der festgesetzten Frist nicht nachkommen, würde ihr die Lenkberechtigung entzogen.

Gestützt wurde diese Entscheidung auf §§ 8, 10 Abs.1, 24 Abs.4 Führerscheingesetz 1997 idgF.

 

 

2. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:

Nach den Bestimmungen des § 24 Abs. 4 FSG ist, falls Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung, ist ein Gutachten gem. § 10 FSG einzuholen und ggf. die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der gesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen oder die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

Gemäß § 10 Abs. 1 FSG ist vor der Erteilung der Lenkberechtigung die fachliche Befähigung des Antragstellers durch eine Fahrprüfung nachzuweisen. Das Gutachten hat nur auszusprechen, ob der Begutachtete zum Lenken von Fahrzeugen der in Betracht kommenden Klasse oder Unterklasse fachlich befähigt ist oder nicht. Die Namen der Sachverständigen dürfen erst am Tag der Prüfung bekannt gegeben werden.

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

Einer Verkehrsunfallsanzeige der Polizeiinspektion X zufolge, lenkten Sie am 03.04.2012 gegen 20.45 Uhr den Pkw mit dem behördlichen Kennzeichen X im Gemeindegebiet von " X; B X bei Strkm. 38.410, von X kommend in Fahrtrichtung X. In weiterer Folge kamen Sie in einer leichten Rechtskurve auf die Gegenfahrbahn und kollidierten frontal mit einem entgegenkommenden Lkw. Sie erlitten dabei schwere Verletzungen. Aus diesen Gründen konnte auch kein Alkotest durchgeführt werden, sodass über Auftrag der Staatsanwaltschaft die Sicherstellung des zu medizinischen Zwecken abgenommenen Blutes beantragt wurde. Die Auswertung der Blutprobe durch die Gerichtsmedizin Salzburg ergab ein positives Ergebnis auf Benzodiazepine und trizyklische Antidepressiva. Die Gerichtsmedizin Salzburg führt zusammenfassend aus, dass Sie zum Lenkzeitpunkt unter dem Einfluss von zwei zentral wirksamen Medikamentenwirkstoffen wie das Schlafmittel Zolpidem und das Antidepressivum Amitriptylin, gestanden sind.

Aufgrund dieser Tatsachen und des Umstandes, dass Sie trotz Einnahme dieser Substanzen, welche sich in ihren Wirkungen und Nebenwirkungen noch gegenseitig verstärken, am Straßenverkehr teilgenommen haben, bestehen berechtigte Bedenken an Ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

Mit Schreiben vom 04.07.2012 wurden Sie von der Einleitung eines entsprechenden Verfahrens in Kenntnis gesetzt und Ihnen gleichzeitig Gelegenheit gegeben, sich zu äußern.

Zwischenzeitlich wurde von der PI X eine Kopie Ihres ungarischen Führerscheindokumentes angefordert. Auf der Rückseite des Dokumentes ist unter "Punkt 12." der Code "70" sowie eine längere Zahl mit einem Buchstabencode ("PHL") ersichtlich. Der Code "70" ist auf Führerscheindokumenten eingetragen, wenn das vorliegende Dokument aufgrund eines anderen Führerscheines umgetauscht wurde. In diesem Fall handelt es sich um einen Führerschein aus den Philippinen, auf welchem der ungarisches Führerschein ausgestellt wurde.

Aufgrund dieser Tatsachen wurden im Wege der österreichischen Botschaft in Budapest Erhebungen eingeleitet.

 

 

Folgender Sachverhalt war entscheidungswesentlich:

Am 09.07.2010 wurde Ihnen von der ungarischen Behörde "Nyilvantarto Hivatal" unter der Zahl CJ966547 ein ungarischer Führerschein für die Klassen A1 und B ausgestellt. Dies wurde durch eine Anfrage bei der Ausstellungsbehörde im Wege der österreichischen Botschaft in Budapest bestätigt, gleichzeitig sind in diesem Schreiben die Klassen "A1, A/1, A beschränkt und B" angeführt. Durch die am Dokument angegebene Führerscheinnummer mit dem Zusatz "PHL" steht außer Zweifel, dass dem ungarischen Führerschein ein philippinischer Führerschein zu Grunde liegt. Zudem ergeben sich auch Diskrepanzen zwischen den am Dokument ersichtlichen und im Schreiben der ungarischen Behörde angeführten Führerscheinklassen.

Wie bereits erwähnt, können Sie nicht im Besitz eines philippinischen Führerscheines sein, da Sie sich bislang noch nicht auf den Philippinen aufgehalten haben. Es kann weiters nicht möglich sein, dass im Rahmen der Erteilung der philippinischen Lenkberechtigung Ihre gesundheitliche Eignung überprüft wurde, wie von den ungarischen Behörden angeführt. Diese offensichtlichen Ungereimtheiten werden auch durch die Tatsache untermauert, dass Sie im Besitz der Klasse A1 sind. Sie selbst gaben an, weder einen Kurs mit Fahrstunden noch eine Fahrprüfung für Motorräder abgelegt zu haben. Sie können es sich selbst nicht erklären, warum Sie die Klasse A (gemeint wohl A1) besitzen. Aus Sicht der Verkehrsbehörde der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn muss es sich bei dem philippinischen Führerscheindokument schlichtweg um eine Fälschung handeln. Ihre Angaben zum Erwerb des ungarischen Führerscheines sind im Wesentlichen unglaubwürdig. Sie haben somit keine adäquate Fahrausbildung erhalten, da Sie in Ungarn weder Fahrstunden noch Fahrprüfungen absolviert haben. Es hat sich in rein um einen Führerscheinumtausch gehandelt

Zur Frage der gesundheitlichen Eignung wurde im schlüssigen Gutachten der Gerichtsmedizin Salzburg vom 15.05.2012 weitere Substanzen im Blut festgestellt, welche Sie neben den durch den Notarzt an der Unfallstelle verabreichten Medikamenten zu sich genommen haben. Zum Zeitpunkt der Blutprobenerhebung haben Sie sich nicht nur unter der Wirkung des Schlafmittels Zolpidem, sondern auch darüber hinaus unter der Wirkung des tricyclischen Antidepressivums Amitriptylin befunden. Dies spricht auch für den von Ihnen verschuldeten Verkehrsunfall, wonach Sie auf die Gegenfahrbahn gerieten und mit einem entgegenkommenden UKW kollidierten. Sie selbst führten aus, weder durch das Bedienen eines Mobiltelefones noch Musik abgelenkt worden zu sein. Es ist auch weiters kein Gegenstand zu Boden gefallen, welchen Sie versucht haben, während der Fahrt aufzuheben. Vielmehr wurden im Gutachten sehr wohl die Einwirkungen des notärztlichen Eingriffes berücksichtigt. Aufgrund dieser Tatsachen wird seitens der Gerichtsmedizin eine medizinische Überprüfung der Fahreignung angeraten. Dieser Ausführungen schließt sich die Kraftfahrbehörde vollinhaltlich an.

Für die Behörde ist ein Kenntnismangel der gesetzlichen Bestimmungen zum Lenken derartiger Kraftfahrzeuge nicht von der Hand zu weisen. Zudem bestehen berechtigte Zweifel an Ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Aus diesem Grund war spruchgemäß vorzugehen“

 

 

2.1. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung:

In umseits bezeichneter Rechtssache erhebt die Einschreiterin gegen den Bescheid VerkR21-354-2012/br der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 31.01.2013, zugestellt am 05.02.2013 binnen offener Frist nachstehende

 

BERUFUNG

 

1)  Der Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten.

2) Mit dem gegenständlichen Bescheid wurde die Einschreiterin aufgefordert, sich innerhalb von zwei Monaten ärztlich untersuchen zu lassen und ein Gutachten über die fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch Ablegung je einer Fahrprüfung der Behörde vorzulegen.

Im einzelnen wird ausgeführt wie folgt:

 

a) Medikamenteneinfluss beim Verkehrsunfall

Diesbezüglich wird grundsätzlich auf die bereits am 15.01.2013 erstattete Mitteilung und das dortige Beweisangebot verwiesen.

Es sei nochmals klargestellt, dass nicht die notärztliche Versorgung hier die Verabreichung von Medikamenten zum Inhalt hatte, sondern die zufällig an der Unfallsstelle vorbeikommende Ärztin Dr. X - ohne Wissen und Willen der bewusstlosen Einschreiterin - dieser offenkundig Präparate verabreicht hat, die dann von der Gerichtsmedizin festgestellt wurden. Dies erfolgte erst nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall.

Es entspricht keinesfalls einer sachgerechten Ermittlung des Sachverhalts, wenn die Behörde hier - wie im gegenständlichen Bescheid - ohne nähere Begründung davon ausgeht, dass die Einschreiterin hier während der Fahrt bereits entsprechende Präparate zu sich genommen hat.

Es sei auch darauf hingewiesen, ;dass auch das gerichtliche Verfahren nicht mit einer Verurteilung der Einschreiterin geendet hat, sondern hier im Gerichtsverfahren nunmehr Frau Dr. X und der namhaft gemachte Zeuge vorgeladen werden, weil der Sachverhalt entsprechend ermittelt wird.

 

Beweis;

- Akt lU95/12h des Bezirksgerichts Braunau

- Dr. X, Ärztin, X, als Zeuge

- X, X, X, als Zeuge

 

b) „Ungarischer Führerschein“

Es sei darauf hingewiesen, dass es der Einschreiterin nicht bekannt ist, aufgrund welcher behördeninterner Vorgänge hier die Lenkerberechtigung ausgestellt wurde. Es erhärtet sich vielmehr der Verdacht auf Seiten der Einschreiterin, dass irrtümlich im Ausweisdokument, welches die Einschreiterin auch der Behörde vorgewiesen hat, auf eine philippinische Ausstellungsbehörde Bezug genommen wurde.

Sollte es bei der Ausstellung des Führerscheins zu Manipulationen seitens der ungarischen Behörde gekommen sein, so ist dies nicht der Sphäre der Berufungswerberin zuzuordnen.

Auf der Rückseite des Führerscheins ist die Zahl „70" eingetragen.

Bei dieser Zahl „70" handelt es sich um den einschlägigen, gemäß dem Anhang zur RL91439/EWG harmonisierten Gemeinschaftscode, durch den der erfolgte Umtausch eines Führerscheins zum Ausdruck gemacht wird.

 

Dieser Vorgang ist im neu ausgestellten Führerschein in der Weise zu dokumentieren, dass nach der Zahl 70 - getrennt durch einen Punkt - die Nummer des umgetauschten Führerscheins vermerkt wird.

 

Wurde diese durch einen anderen Staat ausgestellt, so ist - wiederum abgetrennt durch einen Punkt - das einschlägige ECE-Symbol anzufügen.

 

Gegenständlich ist offensichtlich der Umtausch eines philippinischen Führerscheins in einen ungarischen Führerschein dokumentiert, wobei allerdings zu unterscheiden ist, ob es sich um eine, mit einer Eignungs- und Befähigungsprüfung verbundene Neuerteilung, oder um einen bloßen Umtausch des Führerscheins handelt.

Es besteht nur in denjenigen Fällen, in denen der Erteilung eines Führerscheins keine Eignungsprüfung vorangegangen ist, keine Anerkennungsverpflichtung des Aufnahmemitgliedsstaates.

Sind im Zuge des Umtausches die gemeinschaftlichen normierten Mindestvoraussetzungen des Artikels 7 Abs.1 Richtlinie 91/439/EWG erfüllt worden, dann ist jedenfalls nicht nur ein neues Führerscheindokument ausgestellt, sondern auch eine anzuerkennende Fahrerlaubnis erteilt worden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass jedenfalls die Mindestvoraussetzung der oben angeführten Richtlinie auf Selten der Berufungswerberin erfüllt wurde.

Diese hat die Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B durch eine theoretische und praktische Führerscheinprüfung in Ungarn erlangt, darüber hinaus hat sie auch die gesundheitlichen Anforderungen erfüllt.

 

Auch ist darauf hinzuweisen, dass jedenfalls seit Ausstellung des Führerscheins die Einschreiterin über eine entsprechende Fahrpraxis verfügt, in Österreich einen Theoriekurs absolviert hat und bereits vor der Führerscheinprüfung in Ungarn 1.000 Kilometer mit einem Pkw gefahren ist.

 

Im Zuge des Umtausches ist es zu einer Überprüfung der gemeinschaftsrechtlich normierten Mindestvoraussetzung gekommen und ist daher nicht nur ein neues Führerscheindokument ausgestellt worden, sondern auch eine in Österreich anzuerkennende Fahrerlaubnis erteilt worden.

 

Es entzieht sich der Kenntnis der Einschreiterin, warum hier die Behörde (in Ungarn) ein Kürzel „PHI" angebracht hat.

 

Dieser Umstand wäre behördenintern entsprechend zu erheben, die Einschreiterin selbst kann hier im Rechtshilfeweg ja nicht tätig werden.

In jedem Fall ist darauf hinzuweisen, dass die entsprechende fachliche Befähigung durch Ausstellung des ungarischen Führerscheins nachgewiesen ist und gemäß den Richtlinien hier eine Anerkenntnisverpflichtung besteht, und zwar solange, als der gegenständliche (ungarische) Führerschein von der ausstellenden (ungarischen) Behörde nicht rechtskräftig entzogen wird.

Die von der Bezirkshauptmannschaft im Spruch des Bescheides vom 31.01.2013 aufgesetzten Anforderungen widersprechen diesen Harmonisierungsbestimmungen und sind nicht sachgerecht

 

Es werden zusammengefasst gestellt die

 

ANTRÄGE

 

1) Vorlage de Aktes an die Berufungsbehörde.

2) Der Berufung wolle Folge gegeben werden und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben werden.

 

X

 



3. Der Verfahrensakt mit den Vorakten wurde von der Behörde erster Instanz unter gleichzeitiger Vorlage des Verwaltungsstrafaktes dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt. Demnach ist dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG).

Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien zur Erörterung des Berufungsvorbringens mit Blick auf § 67d Abs.1 AVG geboten. 

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat Beweis erhoben durch inhaltliche Erörterung des vorgelegten Verfahrensaktes anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Eingeholt wurde ein Auszug aus dem Führerscheinregister, sowie eine Anfrage aus dem ZMR (Zentrales Melderegister). Bei der Fahrschule X in X wurde Auskunft über Art und Umfang der dort zwischenzeitig absolvierten Ausbildung.

Die Berufungswerberin wurde anlässlich der Berufungsverhandlung auch als Verfahrenspartei einvernommen. Auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil

 

 

 

3.2. Sachverhalt:

Eingangs ist festzuhalten, dass die Behörde erster Instanz offenbar von einer rechtsgestaltenden Wirkung des ungarischen Führerscheins der Berufungswerberin ausgeht, zumal für den Fall der Nichtbefolgung mit dem angefochtenen Bescheid die Entziehung der „Lenkberechtigung“ angedroht wurde.

 

Die Berufungswerberin ist österreichische Staatsbürgerin und ist seit dem 29.5.2000 in X polizeilich gemeldet und seit dieser Zeit auch dort aufhältig.

Laut Führerscheinregister wurde von der Berufungswerberin bereits am 29.5.2009, bei der Bezirkshauptmannschaft Ried, AZ: 09/182857 ein Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung gestellt. Am 9.7.2010 wurde ihr anlässlich eines mehrtätigen Messeaufenthaltes in X, nach angeblicher Absolvierung einer mündlichen Fahrprüfung und einer Prüfungsfahrt ein ungarischer Führerschein für die Klassen A u. B ausgestellt. Einer ärztlichen oder amtsärztlichen Untersuchung habe sie sich im Rahmen dieser eintätigen Veranstaltung nicht unterziehen müssen.  Sie sei dazu über eine Information seitens einer Kollegin auf die Idee des dortigen „Führerscheinerwerbes“ gebracht worden.

Im Verfahrensakt  ist von einer sogenannten Computerprüfung die Rede. Die Fragen sollten lt. Angaben der Berufungswerberin im Rahmen ihrer Aussage vor der Behörde erster Instanz am 13.8.2012  in deutscher Sprache abgefasst gewesen sein, während im Rahmen der Berufungsverhandlung lt. Berufungswerberin ein Dolmetscher die Fragen des Prüfers übersetzt haben soll. Die ganze Angelegenheit sei an einem Tag erledigt gewesen. Von einem angeblich philippinischen Führerschein auf Grund dessen die ungarische Lenkberechtigung ausgestellt worden sein soll, wusste die Berufungswerberin überhaupt nichts zu berichten. Sie sei auch nie mit einem Motorrad gefahren.

Vom philippinischen Führerschein ist jedoch in einem von der Behörde erster Instanz im Wege der österreichischen Botschaft in X eingeholten Information die Rede, wonach der fragliche ungarische Führerschein „nicht nach einer in X  bestandenen Fahrprüfung, sondern auf Grund eines philippinischen Führerscheins, Nr. D16-09-064529 ausgestellt worden sein soll. Polizeiliche Ermittlungen wegen zu vermutender größer angelegter strafrechtlich relevanter Machenschaften und folglich ein sogenanntes Annullierungsverfahren auch betreffend des gegenständlichen Führerscheins, sollen laut Mitteilung der ungarischen Behörde vom 15.11.2012 und Mitteilung der österreichischen Botschaft an die Behörde erster Instanz vom 16.11.2012, auf ungarischer Seite im Laufen sein.

Insgesamt lässt daher selbst das von der Berufungswerberin dargestellte Szenario nicht darauf schließen, dass sie regulär im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung gelangt ist, wenngleich ihr ein Dokument in Ungarn ausgehändigt wurde, dass lediglich den Anschein über die Erteilung einer Lenkberechtigung zum Inhalt hat.

Die Berufungswerberin selbst erklärte anlässlich der Berufungsverhandlung, dass die Sache an einem Tag erledigt gewesen wäre. Alleine daraus lässt sich erschließen, dass nach der eintägigen Veranstaltung, bei der sich vermutlich als Fahrschule bezeichnende Organisation, dem abschließend ausgestellten Dokument wohl kaum der Erwerb einer Lenkberechtigung gemäß dem als bekannt vorauszusetzenden Standard vermutet werden durfte.

Wenn die Berufungswerberin zwischenzeitig die Führerscheinausbildung absolviert und angeblich kurz vor deren Abschluss stehen soll, belegt dies einmal mehr, dass sie wohl selbst nicht an die Gültigkeit dieses „ungarischen Führerscheines“ glaubte.

Über die Gültigkeit dieses ungarischen Dokumentes wird folglich die Behörde erster Instanz noch eine Feststellung zu treffen haben um damit Rechtsklarheit zu schaffen. Der Berufungsbehörde ist es verwehrt über einen anderen Gegenstand als den erstinstanzlichen Bescheidinhalt betreffend abzusprechen.

 

 

4. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 23 Abs.3 FSG ist dem Besitzer einer in einem Nicht-EWR-Staat oder sonstigem Gebiet erteilten Lenkberechtigung ab Vollendung des 18. Lebensjahres auf Antrag eine Lenkberechtigung im gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen, wenn:

1.     der Antragsteller nachweist, dass er sich zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Lenkberechtigung in dem betreffenden Staat während mindestens sechs Monaten aufhielt oder dort seinen Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1) hatte; dieser Nachweis entfällt, wenn der Antragsteller die Staatsbürgerschaft des Ausstellungs­staates des Führerscheines besitzt und bei Begründung des Wohnsitzes (§ 5 Abs.1 Z1) in Österreich die ausländische Lenkberechtigung bereits besessen hat und die Behörde keine Zweifel am tatsächlichen Vorliegen des Wohnsitzes (§ 5 Abs.1 Z1) oder sechsmonatigem Aufenthaltes in dem betreffenden Staat zum Zeitpunkt des Erwerbes der Lenkberechtigung hat,

2.   der Antragsteller seinen Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1) nach Österreich verlegt hat oder während seines Auslandsaufenthaltes behalten hat,

3.   keine Bedenken hinsichtlich der Verkehrszuverlässigkeit bestehen sowie die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 nachgewiesen ist und

4.    entweder die fachliche Befähigung durch eine praktische Fahrprüfung gemäß § 11 Abs.4 nachgewiesen wird oder

   5. angenommen werden kann, dass die Erteilung seiner Lenkberechtigung unter den gleichen Voraussetzungen erfolgt ist, unter denen sie in Österreich erteilt wird. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat mit Verordnung festzulegen, in welchen Staaten für welche Lenkberechtigungen eine derartige Gleichartigkeit besteht.

Von Letzterem kann hier nicht ausgegangen werden.

Der Art. 8 der Richtlinie v. 21. Juli 1991, 91/439/EWG, geändert durch die RL Richtlinie vom 25. August 2009, 2009/112/EG, über die Anerkennung von in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung besagt im Ergebnis, dass  der Inhaber oder die Inhaberin eines gültigen Führerscheins seinen/ihren ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, dieser oder diese einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen kann; es ist Sache des umtauschenden Mitgliedstaats, gegebenenfalls zu prüfen, ob der vorgelegte Führerschein tatsächlich gültig ist.

Gemäß Abs.4 der RL kann ein Mitgliedstaat es ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine der in Absatz 2 genannten Maßnahmen angewendet wurde.

Mit Blick darauf kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber, oder die Inhaberin eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden.

 

Da der ungarische Führerschein offenkundig unter falschen Annahmen, nämlich einer nie erworbenen philippinischen Lenkberechtigung ausgestellt wurde, wobei  jedenfalls keine dem üblichen Standard für den Erwerb einer Lenkberechtigung entsprechende Ausbildung vorausging, wird wohl nicht vom Erwerb einer „Lenkberechtigung“ ausgegangen werden können, sodass auch nicht im Wege des § 24 Abs.4 FSG eine Sanierung oder eine Legalisierung einer solchen „Lenkberechtigung“ möglich ist. Sohin wird wohl iSd § 23 Abs.3 iVm § 30 Abs.2 FSG vorzugehen sein  bzw. hätte bei Kenntnis der nunmehrigen Faktenlage bereits vor Erlassung dieses Bescheides vorgegangen werden können. Dies folgt letztlich aus dem Wortlaut der letztzitierten Norm des Führerscheingesetzes:

„Einem Besitzer einer ausländischen Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder eines ausländischen EWR-Führerscheines (§ 1 Abs. 4), der einen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, hat die Behörde die Lenkberechtigung unter Anwendung der §§ 24 bis 29 zu entziehen. Der eingezogene Führerschein ist der Ausstellungsbehörde zusammen mit einer Sachverhaltsdarstellung zu übermitteln. Nach Ablauf der Entziehungsdauer hat der Betroffene einen Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Führerscheines gemäß § 15 Abs. 3 oder, falls die Entziehungsdauer länger als 18 Monate war, auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung zu stellen. Die Behörde hat auch die Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR-  oder eines Nicht-EWR-Staates anzuordnen, wenn eine Person mit Wohnsitz in Österreich eine solche Lenkberechtigung zu einem Zeitpunkt erlangt hat, zu dem in Österreich bereits die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen war. In diesem Fall ist die Lenkberechtigung bis zu jenem Zeitpunkt zu entziehen, zu dem die bereits angeordnete Entziehungsdauer endet. Eine Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR-Staates oder eines Nicht-EWR-Staates ist auszusprechen, wenn eine Person eine Lenkberechtigung in diesem Staat zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem die Person ihren Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1) in Österreich und nicht im Ausstellungsstaat des Führerscheines hatte.“

 

Da die Berufungswerberin gleichsam vorsorglich am 14.2.2013, vermutlich im Zusammenhang mit der Zustellung des hier angefochtenen Bescheides einen Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn gestellt hat, zwingt dies im Ergebnis zur Annahme, dass sie offenbar selbst an der Gültigkeit ihres ungarischen Führerscheins zumindest ernsthaft zweifelt.

Die Behörde wird daher nach Erlassung dieser Berufungsentscheidung ehest über das Schicksal des in Händen der Berufungswerberin befindlichen ungarischen Führerscheins zu entscheiden und eine Feststellung betreffend die „ungarische  Lenkberechtigung“ zu treffen  haben.

 

 

Auf die zu entrichtenden Gebühren in der Höhe von 14,30 Euro wird an dieser Stelle noch hingewiesen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.



 

Dr.  B l e i e r

 

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