Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750074/2/SR/WU

Linz, 05.03.2013

 

E R K E N N TN I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, Staatsangehörige der Russischen Föderation, geboren am X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 15. Jänner 2013, GZ.:Sich96-238-2012, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

Rechtsgrundlage:

§ 120 Abs. 7 FPG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 15. Jänner 2013, GZ.: Sich96-238-2012, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) gemäß § 31 Abs. 1 iVm. § 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 144 Stunden) verhängt, weil sie sich als Fremde zumindest vom 25. Februar 2012 bis 21. November 2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, da "gegen Sie seit 25.06.2012 bis 21.11.2012 eine durchsetzbare und rechtmäßige Ausweisung des Asylgerichtshofes vom 18. 06.2012, GZ: D 11 413.070-1/2010/20 E besteht.". Im angeführten Tatzeitraum sei sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt gewesen, sie sei nicht im Besitz eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels, noch komme ihr eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zu noch verfüge sie über eine Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.

 

Nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsnormen führte die belangte Behörde zum Sachverhalt und Verfahrenslauf wie folgt aus:

Am 23.09.2008 reisten Sie illegal ins Bundesgebiet ein und stellten am 23.09.2008 einen Asylantrag. Bis zur Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes welche mit 25.06.2012 in Rechtskraft erwuchs, hielten Sie sich rechtmäßig als Asylwerber im Bundesgebiet auf.

 

Ihrer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen die Abweisung Ihres Asylantrages durch den Asylgerichtshof vom 18.06.2012 GZ D 112 413.070-1/2010/20E, wurde mit Beschluss vom21.11.2012, GZ: U 1427, 1428/12-8, die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Ab 21.11.2012 halten Sie sich daher als Asylwerber im Bundesgebiet wieder rechtmäßig auf.

Am 06. 08. 2012 stellten Sie einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot Karte plus gemäß § 41 a/9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz. Diese Antrag Stellung verschafft Ihnen jedoch kein Bleiberecht.

 

Mit nachweislich zugestelltem Brief der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 09.07.2012 wurde Ihnen eine Information über die Verpflichtung zur Ausreise nachweislich zugestellt. Dieser Ausreiseverpflichtung kamen Sie nicht nach.

Als Tatsache gilt, dass Sie sich vom 25.06.2012 bis 21.11.2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten.

Mit Schreiben vom 27.11.2012 wurde Ihnen eine Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigte übermittelt. Es wurde Ihnen die Möglichkeit gegeben, sich binnen 14 Tagen ab Übernahme dieses Schreibens zu rechtfertigen. Eine Stellungnahme Ihrerseits sowie der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21. 11. 2012 langte per E-Mail am 20.11.2012 ein.

Da der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss der Rechtskraft der Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes per 21.11.2012 die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, wurden Sie mit Brief der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12.12.2012, Sich96-238-2012 über Ihre nunmehr neu konkretisierte illlegale Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet - nämlich vom 25.06.2012 bis 21.11.2012 - informiert.

 

Daraufhin langte von Ihnen eine schriftliche Stellungnahme vom 02.01.2013 ein. Darin führen Sie auf Seite 3 eine entschuldigende NOTSTANDSSITUATION an, da Sie die Entscheidung über Ihren Antrag vom 06.08.2012 auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte plus" im Bundesgebiet abwarten wollen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat die belangte Behörde ausgeführt:

 

Ausgehend von der seit 25.06.2012 rechtskräftigen asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung besteht für die Behörde kein Zweifel, dass Sie sich vom 25.06.2012 bis 21.11.2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten haben. Es ist unbestritten, dass Sie nicht im Besitz einer Berechtigung im Sinne des § 31 FPG waren. Der illegale Aufenthalt stellt eine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 120 Abs. 1a i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG dar. Für diese haben Sie sich zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit grundsätzlich fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefährdung nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Aufgrund der Aktenlage geht die Behörde davon aus, dass Sie die Ihnen angelastete

Verwaltungsübertretung in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen haben. Seit 21.04.2010 (erstinstanzliche Abweisung Ihres Asylantrages).ist Ihnen der unsichere Aufenthalt im Bundesgebiet bekannt.

 

In Ihrer ergänzenden Rechtfertigung vom 02.01.2013 führen Sie an, dass Sie die Entscheidung über Ihren Antrag vom 06.08.2012 auf Ausstellung einer "Rot-Weiß-Karte plus" im Bundesgebiet abwarten müssen und dieser Umstand als eine entschuldigende Notstandssituation zu betrachten sei.

Unter Notstand ist nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten kann. Weiters gehört es zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht anders als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (VwGH E 25.11.1986, 86/04/0116, E 20.1.1987, 86/04/0100).

Die Zwangslage, nämlich der nicht rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet, haben Sie durch Ihre illegale Einreise am 23.09. 2008 selbst herbeigeführt. Darüber hinaus wurde Ihr erster Asylantrag bereits am 21. 04. 2010 negativ entschieden.

Aus vorgenannten Gründen wird daher das Vorbringen einer aufgetretenen Notstandssituation gemäß § 6 VStG 1991 nicht anerkannt.

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren "§§ 40 bis 46" sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

 

Auch auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen ebenso zu berücksichtigen.

Bei der Strafbemessung war als mildernd zu werten, dass keine einschlägigen Vorstrafen vorliegen, erschwerende Umstände lagen nicht vor.

Ihre Angaben zu Ihren Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten, in der Stellungnahme vom 02. 01. 2013 waren nicht geeignet eine außerordentliche Milderung der Strafe auszusprechen. Die Strafhöhe von 500,00 € stellt die Mindeststrafe nach dem FPG 2005 dar.

 

Die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe bildet einen gleichwertigen Ersatz und genügt nach Ansicht der Behörde - im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe - Sie von künftigen Übertretungen ebenso wirksam abzuhalten.

2. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis richtet sich das vorliegende, rechtzeitig der Post zur Beförderung übergebene Rechtsmittel vom 29. Jänner 2013.

Zum Sachverhalt führte die Bw wie folgt aus:

a.  Ich habe am 23,09.2008 nach Umgehung der Grenzkontrolle einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.04.2010, ZI. 0808971-BAL zur Gänze abgewiesen, wogegen ich Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben habe. Der Asylgerichthof wies meine Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 18.06.2012, ZI. D11 413 072-1/2010/12E ab. Am 06.08.2012 beantragte ich die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus gern § 41 Abs 9 NAG 2005. Zu diesem Antrag erging bislang noch keine Entscheidung. Am 14.11.2012 erhob ich durch meine Vertreterin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Mit Beschluss vom 21.11.2012 wurde meiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

b.  Mit dem Straferkenntnis der BH Wels Land wurde über mich eine Geldstrafe von 500
Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 144 Stunden) verhängt, weil ich mich von 25.06.2012 bis
21.11.2012 als Fremde an der Adresse X nicht
rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätte, da gegen mich seit 25.06.2012 bis
21.11.2012 eine durchsetzbare und rechtmäßige Ausweisung des Asylgerichtshofes vom
18.06.2012, GZ: D11 413.070-1/2010/20E, bestehe, weshalb ich gemäß § 120 Abs 1a
iVm §31 Abs 1 FPG zu bestrafen gewesen sei.

Das Straferkenntnis wurde mir am 16.01.2013 zugestellt.

Begründend brachte die Bw vor:

Gemäß § 6 VSTG ist eine Straftat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt ist.

Die Behörde weist in ihrem Erkenntnis auf die Judikatur des VwGH hin, derzufolge unter Notstand eine Kollision von Rechten und Pflichten zusehen ist, in der jemand sich oder einen anderen - aus schwerer unmittelbarer Gefahr

a. einzig und allein durch die Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten
kann und

b. die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist.

Ad 2.a) In meinem Fall wäre ich, hätte ich der Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes entsprochen, einer solchen unmittelbar drohenden Gefahr ausgesetzt gewesen. Ich habe meine Heimat Tschetschenien verlassen, weil ich als Zeugin in einem Prozess wegen des Mordes an einem russischen Mädchen, welches mit X - Leuten in Verbindung stand, aussagen hätte müssen und aus diesem Grund von X Beamten mit dem Umbringen bedroht wurde.

Die Entscheidung des Asylgerichtshofes war grob mangelhaft und es wurde daher in der erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde Willkür, der Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander und gegen das Rechtsstaatsprinzips gerügt. Der Verfassungsgerichtshof gab mit Beschluss vom 21.11.2012 dem Antrag, meiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Folge, weil dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstanden und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug der angefochtenen Entscheidung für mich ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden gewesen wäre.

 

Beweis: Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21.11.2012

Der Bezirkshauptmannschaft ist vorzuwerfen, dass sie zwar die nach höchstgerichtlicher Judikatur für das Vorliegen eines Notstandes zu erfüllende Voraussetzungen erwähnte, in der Folge aber keinerlei Ausführungen zum konkreten Sachverhalt getätigt hat. Es finden sich keinerlei Überlegungen zur Frage des Vorliegens einer schweren Gefahr und ob ich

mich einzig und allein durch die Begehung einer strafbaren Handlung retten können hätte.

 

Hätte die Behörde eine entsprechende Subsumption vorgenommen, so wäre sie zu dem Ergebnis gekommen, dass ich nur durch die Nichtbefolgung der Ausweisung bzw. einen Verstoß gegen die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen eine schwere unmittelbare Gefahr, nämlich die sich gegen mein Leben gerichteten Verfolgungshandlungen in Tschetschenien abwenden konnte.

Auch der VfGH führt in seinem Beschluss über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung meiner Beschwerde aus, dass der Vollzug der angefochtenen Entscheidung des Asylgerichthofes für mich mit einem unverhältnismäßigen Nachteil verbunden gewesen wäre.

Ad 2.b) Die Behörde betrachtet meinen unrechtmäßigen Aufenthalt als die von der Judikatur geforderte Voraussetzung der Zwangslage. Diese Zwangslage, demnach mein unrechtmäßiger Aufenthalt, hätte ich durch meine illegale Einreise selbst herbeigeführt. Dabei unterlässt es die Behörde, die Frage der selbst verschuldeten Herbeiführung dieser Zwangslage zu prüfen.

Die Ansicht, ich hätte meinen unrechtmäßigen Aufenthalt durch meine illegale Einreise selbst herbeigeführt, ist zunächst schon deshalb verfehlt, da ich meinen nach Abschluss meines Asylverfahrens unrechtmäßigen Aufenthalt nicht durch die Einreise, sondern durch die nicht vorwerfbare Nichtbefolgung der Ausweisungsentscheidung bzw. wegen meines, insbesondere aufgrund meiner Integration in Österreich gestellten Antrages vom 29.06.2012 auf Erteilung einer Rot Weiß Rot Karte plus gern § 41 Abs 9 NAG 2005 gesetzt habe.

Zwar begründet gem. § 44b Abs 3 NAG 2005 ein diesbezüglicher Antrag kein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz. Durch die Normierung der Möglichkeit der Inlandsantragstellung reduziert sich jedoch schon aufgrund von rechtsstaatlichen Erwägungen der Unrechtsgehalt meines Verhaltens beträchtlich.

Selbst wenn man der Auffassung folgen würde, meine illegale Einreise hätte meinen unrechtmäßigen Aufenthalt herbeigeführt, so hätte die Behörde - der höchstgerichtlichen Judikatur folgend- die Frage der selbst verschuldeten Herbeiführung desselben prüfen müssen.

Sie hätte berücksichtigen müssen, dass ich aus Tschetschenien geflüchtet bin, da ich um mein Leib und Leben fürchten musste, es keine Möglichkeit gibt, Asyl in Österreich außerhalb der Staatsgrenzen zu beantragen und eine legale Einreise nach Österreich rein rechtlich denkunmöglich gewesen wäre. Es hätte sohin nicht davon die Rede sein können, dass ich meine Zwangslage durch meine illegale Einreise selbst verschuldet hätte. Zudem ist nach den Bestimmungen der GFK die illegale Einreise von Flüchtlingen nicht strafbar.

 

Bei einer ordnungsgemäßen Subsumption des Sachverhaltes wäre die belangte Behörde zu dem Ergebnis gekommen, dass mein unrechtmäßiger Aufenthalt - weder durch meine illegale Einreise, noch durch die Nichtbefolgung der Ausweisungsentscheidung oder durch meine Antragstellung nach dem NAG schuldhaft herbeigeführt wurde.

Die rechtliche Begründung der belangten Behörde, wonach in meinem Fall keine Notstandssituation vorliegen würde, ist daher wie unter Punkt 2a und 2b ausgeführt, insgesamt unbegründet und stellt einen groben Mangel dar.

Darüber hinaus übersieht die Behörde, dass ein unrechtmäßiger Aufenthalt gem. unterbrochen wird. Auch wenn die aufschiebende Wirkung des VfGH erst mit Beschluss vom 21.11.2012 erfolgte und ich erst seit diesem Zeitpunkt wieder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen besitze, so ist dennoch zu berücksichtigen, dass der Ausgang meines Asylverfahrens nun wieder offen ist und ich im Falle der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rückwirkend ab meiner Einreise als Flüchtling im Sinne der GFK gelten würde. Als solcher könnte ich wegen eines unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht belangt werden. Eine Bestrafung wäre damit ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot von Fremden untereinander.

Willkür ist der Behörde vorzuwerfen, weil sie meine Ausführungen zum Vorliegen einer Notstandssituation in meiner Stellungnahme vom 02.01.2013 übergangen hat und einseitig zu meinem Nachteil vorgegangen ist.

Anzuführen ist auch, dass ich auch nach Abschluss meines Asylverfahrens Leistungen aus der Grundversorgung erhalten habe. Ich konnte daher davon ausgehen, dass faktisch eine Duldung vorlag. Jedenfalls habe ich aber keine vorsätzliche Verwaltungsübertretung begangen und ist mir auch in dieser Hinsicht kein subjektiver Tatvorsatz vorzuwerfen.

Schließlich verweise ich auf § 21 Abs 1 VStG, wonach die Behörde darüber hinaus ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen kann. Selbst bei Annahme eines Verschuldens wäre dieses jedenfalls als geringfügig einzustufen und sind die Folgen der Übertretung im Wesentlichen unbedeutend. Dies auch vor dem Hintergrund, dass ich im Falle des konkret rechtskonformen Verhaltens meine Integration aufgeben hätte müssen und damit den Voraussetzungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes nicht entsprochen hätte.

3. Anträge

Aus all diesen Gründen beantrage ich daher

a.       die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung, in deren Zuge ich als Beschuldigte einzuvernehmen sein werde;

b.       die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit und die Einstellung des Strafverfahrens;

c.       die Unterbrechung des Strafverfahrens bis zur Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofes über die Beschwerde gegen das Erkenntnis des
Asylgerichtshofes;

in eventu

d.  von der Strafe gemäß § 21 Abs 1 VStG abzusehen.

3. Mit Schreiben vom 4. Februar 2013 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Verwaltungssenat.

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt und die Berufungsschrift.

 

3.2. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das mit Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – unwidersprochen gebliebenen - unter Punkt 1. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 VStG zuständig, über Berufungen im Verwaltungsstrafverfahren zu entscheiden. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß § 51c VStG durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im      Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die         durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung      bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation      des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur    Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für      Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.  wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten      Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4.  solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen             zukommt;

5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6.  wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs-  gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebe-  willigung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3      Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit    einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

Gemäß § 120 Abs. 7 liegt eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 oder 1a nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

 

4.2. Im vorliegenden Fall steht unstrittig fest, dass das Asylverfahren der Bw mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18. Juni 2012, Zl D11 413.070-1/2010/20E(§§ 3, 8 und 10 AsylG) rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde. Weiters ist unbestritten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. November 2012, U 1427/12-8, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat. Daraufhin stellte das Bundesasylamt der Bw die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG aus.

 

Nach § 120 Abs. 7 letzter Satz FPG ist das Verwaltungsstrafverfahren während des Asylverfahrens unterbrochen. Da das Asylverfahren der Bw mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung de facto nicht abgeschlossen ist, das Verwaltungsstrafverfahren somit seit 21. November 2012 "ex lege" unterbrochen ist, war der belangten Behörde die Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses am 15. Jänner 2013 verwehrt. 

 

4.3. Spruchgemäß war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hatte nicht zu erfolgen. Dieses wird nach Abschluss des Asylverfahrens fortzusetzen sein. Bei diesem Ergebnis waren keine Verfahrenskosten vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

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