Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253048/12/Py/Ai

Linz, 12.02.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 10. Jänner 2012, SV96-143-2011/Kie/Lj, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 24. Jänner 2013 zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 12. Jänner 2012, SV96-143-2011/Kie/Lj, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs.1 Z1 iVm § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) idgF eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 73 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass Sie im Sinne des      § 35 Abs.1 ASVG vom 1. August 2011 bis 6. August 2011

 

x, geb. x, wh. x

 

in der Betriebsstätte in x, als pflichtversicherten Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt haben. Der in Rede stehende Beschäftigte war Ihnen organisatorisch, sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Es hat eine Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit bestanden.

 

Obwohl der Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung verpflichtend zu versichern war, nämlich vollversichert, und nicht gemäß § 5 ASVG von der Versicherungspflicht ausgenommen ist, wurde hierüber eine Meldung/Anzeige, entweder in einem (vollständige Anmeldung) oder in zwei Schritten (Mindestangabenmeldung), bei der Oö. Gebietskrankenkasse als zuständigen Sozialversicherungsträger nicht erstattet."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass das Vorbringen des Bw, es habe sich um einen Freundschaftsdienst des Herrn x gehandelt, mit den Eintragungen, die dieser im Personenblatt machte, nicht übereinstimme. Ein fallweiser Kontakt oder lediglich die Bezeichnung "Freund" sei weitläufig und könne dementsprechend ausgelegt werden. Für ein besonderes Naheverhältnis reiche dies jedenfalls nicht aus. Gegen das Vorliegen eines Gefälligkeits- oder Freundschaftsdienstes spreche außerdem der Umstand, dass die Tätigkeit des Herrn x jedenfalls nicht bloß kurzfristig erfolgte. Auf Grund der von der belangten Behörde angeführten Ermittlungsergebnisse sei daher vom Überwiegen der für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit sprechenden Fakten auszugehen.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird angeführt, dass als mildernd die bisherige Unbescholtenheit gewertet werde, ein beträchtliches Überwiegen von Milderungsgründen sei jedoch nicht festzustellen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw eingebrachte Berufung vom 26. Jänner 2012. Darin wird zunächst vorgebracht, dass in der ersten Verfolgungshandlung der Behörde als Tatzeitpunkt lediglich der 6. August 2011, 9:10 Uhr genannt ist, wohingegen im angefochtenen Straferkenntnis ein Tatzeitraum vom 1. August 2011 bis 6. August 2011 angeführt ist, wodurch die Behörde erster Instanz die "Sache" des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens in unzulässiger Weise ausgedehnt hat.

 

Des Weiteren bringt der Berufungswerber vor, dass seinen Beweisanboten, wonach es sich gegenständlich um einen Freundschaftsdienst gehandelt hat, in unzulässiger Weise nicht nachgekommen wurde. Weder sei Herr x, noch der beantragte Zeuge x einvernommen worden, noch habe eine Einvernahme des Beschuldigten stattgefunden.

 

Abschließend weist der Berufungswerber darauf hin, dass es sich im gegenständlichen Fall bereits um eine Vorgesellschaft zu der in Gründung befindlichen Firma "x" gehandelt habe, die belangte Behörde sei jedoch fälschlicher Weise von einem Beschäftigungsverhältnis zum Beschuldigten ausgegangen.

 

3. Mit Schreiben vom 30. Jänner 2012 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 24. Jänner 2013. An dieser nahm der Bw mit seinem Rechtsvertreter teil, das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck als am Verfahren beteiligte Organpartei sowie die belangte Behörde entschuldigten sich für die Berufungsverhandlung. Als Zeuge wurde Herr x einvernommen.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 1. August 2011 schloss der Berufungswerber gemeinsam mit Herrn x einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung der Firma "x" mit Sitz in x, mit dem Unternehmensgegenstand Maler- und Anstreichergewerbe. Am 30. August 2011 wurde das Unternehmen unter der Firmenbuchnummer FN x im Firmenbuch eingetragen. Der Bw fungiert als handelsrechtlicher Geschäftsführer des Unternehmens, Herr x als Prokurist.

Es war vorgesehen, dass nach Vorliegen der gewerberechtlichen Berechtigung die Geschäftstätigkeit aufgenommen wird. Im Unternehmen sollten zwei Arbeitnehmer, mit denen der Berufungswerber vor seiner Firmengründung als Dienstnehmer in einem anderen Malereibetrieb in einer Partie zusammengearbeitet hat, beschäftigt werden. Bei einem dieser künftigen Dienstnehmer handelte es sich um Herrn x. Dieser ist ein langjähriger enger Freund des Berufungswerbers, mit dem dieser sowohl beruflich als auch privat verbunden ist.

Zur Vorbereitung der Firmeneröffnung bot Herr x an, dem Bw bei Bedarf unentgeltlich auszuhelfen.

 

Anlässlich einer Kontrolle durch die Finanzpolizei wurde Herr x am 6. August 2011 bei Malerarbeiten in den Büroräumlichkeiten der Firma "x" angetroffen. Ein Beitragszuschlagsverfahren iSd § 113 wurde von der Oö. GKK, die ebenfalls über den Kontrollverlauf informiert wurde, nicht eingeleitetet.

 

Es konnte im Verfahren nicht nachgewiesen werden, dass Herr x seine Tätigkeit in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit vom Bw bzw. der Firma "x" durchführte.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 24. Jänner 2013. In dieser schilderte der Bw schlüssig und nachvollziehbar, wie es dazu kam, dass Herr x bei Malerarbeiten in den Büroräumlichkeiten des in Gründung befindlichen Unternehmens angetroffen wurde. Aus den übereinstimmenden Angaben des Bw sowie des Zeugen x war erkennbar, dass es sich um enge Freunde handelt, da der Bw genaue Angaben über die persönlichen Lebens- und Familienverhältnisse des Zeugen x machen konnte und mit diesem auch Freizeitaktivitäten absolvierte. Übereinstimmend mit den diesbezüglichen Angaben des Bw gab auch Herr x bei seiner Befragung glaubwürdig an, dass er selbst sich anbot, dem Bw stundenweise bei den Vorbereitungsarbeiten für die Geschäftseröffnung zu helfen und für diese Unterstützung keine Entgeltlichkeit vorgesehen war. Herr x konnte auch nachvollziehbar darlegen, wie es bei der Kontrolle zu seinen – missverständlich zu interpretierenden – Eintragungen im Personenblatt kam.

 

Insgesamt machten sowohl der Bw als auch der Zeuge x bei ihren Aussagen einen sehr zuverlässigen und glaubwürdigen Eindruck, weshalb für das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates kein Anlass für Zweifel an deren Angaben besteht.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs.2 erster Satz Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 33 Abs.1 ASVG, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)Meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten nach bürgerlichem Recht können Verpflichtungen nach dem ASVG, besonderes die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden (§ 539a Abs.2 ASVG). Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer, den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539a Abs.3 ASVG).

 

5.2. Für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, kommt es auf das Gesamtbild und den wahren wirtschaftlichen Gehalt der konkret ausgeübten Tätigkeit an. Ob bei einer Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenem persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs.2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder – wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung – nur beschränkt ist.

 

Der Bw brachte vor, dass die Tätigkeit des Herrn x im Rahmen eines Gefälligkeitsdienstes erbracht wurde. Bei der Beurteilung, ob in einem konkreten Fall ein Freundschaftsdienst anzunehmen ist, hat die Behörde eine Würdigung aller Umstände des Falles vorzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen Gefälligkeitsdienste dann nicht unter den Begriff der Beschäftigung, wenn sie nicht nur kurzfristig, freiwillig und unentgeltlich, sondern auf Grund spezifischer Bindungen zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger erbracht werden.

 

Im gegenständlichen Fall trat hervor, dass zwischen dem Bw und Herrn x ein nicht nur die berufliche Tätigkeit umfassendes sondern auch den privaten Bereich betreffendes enges Freundschaftsverhältnis besteht. Zudem handelte es sich nach den übereinstimmenden Aussagen in der Berufungsverhandlung um lediglich kurzfristige Leistungen, die unentgeltlich und freiwillig durchgeführt wurden. Auf Grund des im gegenständlich Fall hervorgetretenen Gepräges der Gefälligkeitshandlung, insbesondere im Hinblick auf deren Art, Umfang und Zeitdauer, ergibt sich ein Gesamtbild der Verrichtungen, die auf das Vorliegen eines Gefälligkeitsdienstes schließen lassen, zumal kein gegenteiliges Beweisergebnis hervorgetreten ist.

 

Da somit nicht mit der für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit vom Vorliegen einer den Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes unterliegenden Beschäftigung auszugehen ist, war das gegenständliche Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

6. Bei diesem Ergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

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