Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167560/6/Fra/CG/AK

Linz, 08.03.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn x x, x, x, vertreten durch die Rechtsanwälte x und x, x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 10. Jänner 2013, VerkR96-6125-2011, betreffend Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 4. März 2013, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird hinsichtlich des Faktums 1 (§ 20 Abs.2 StVO 1960) mit der Maßgabe Folge gegeben, dass der Spruch wie folgt zu lauten hat: "Sie haben am 29. Mai 2011 um 15.03 Uhr in der Gemeinde x auf der Bx bei Km 37,800 in Fahrtrichtung x/x das Motorrad mit dem amtlichen Kennzeichen x (Honda, x, x, x) gelenkt und dabei die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 49 km/h überschritten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 20 Abs.2 StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß § 99 Abs.2d StVO 1960 eine Geldstrafe von 200,00 Euro verhängt; falls diese uneinbringlich ist, wird eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden festgesetzt."

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keine Kostenbeiträge zu entrichten. Für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich der Kostenbeitrag auf 10 % der neu bemessen Strafe (20,00 Euro).

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 44a VStG; §§ 16 und 19 VStG;

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw)

1. wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2e leg.cit eine Geldstrafe von 250,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden),

2. wegen Übertretung des § 102 Abs.1 iVm § 7 Abs.1 KFG 1967 iVm § 4 Abs.4 KDV 1967 gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 55,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 11 Stunden) und

3. wegen Übertretung des § 102 Abs.1 iVm § 7 Abs.1 KFG 1967 iVm § 4 Abs.4 KDV 1967 gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 55,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 11 Stunden)

verhängt, weil er

  1. am 29. Mai 2011 um 15.03 Uhr in der Gemeinde x auf der Bx bei Km 37,800 in Fahrtrichtung x/x als Lenker des Motorrades mit dem amtlichen Kennzeichen x (Honda, x, x) gelenkt und dabei die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 53 km/h überschritten hat, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen wurde,
  2. am 29. Mai 2011 um 15.03 Uhr in der Gemeinde x auf der Bx bei Km 38,700 als Lenker des Motorrades mit dem amtlichen Kennzeichen x (Honda, x, x), obwohl es ihm zumutbar war, sich vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt hat, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass beim betroffenen Fahrzeug der Vorderreifen in der Mitte der Lauffläche (3/4 der Laufflächenbreite) nicht mehr die erforderliche Profiltiefe von 1,6 mm aufwies und:
  3. am 29. Mai 2011 um 15.03 Uhr in der Gemeine x auf der Bx bei Km 38,700 als Lenker des Motorrades mit dem amtlichen Kennzeichen x (Honda, x, x), obwohl es ihm zumutbar war, sich vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt hat, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass beim betroffenen Fahrzeug der Hinterreifen in der Mitte der Lauffläche (3/4 der Laufflächenbreite) nicht mehr die erforderliche Profiltiefe von 1,6 mm aufwies.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG jeweils ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis – als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) zu entscheiden hat.

 

I.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 4. März 2013 erwogen:

 

Vorerst wird festgestellt, dass der Bw bei der Berufungsverhandlung sein Rechtsmittel gegen die Fakten 2 und 3 des oa. Straferkenntnisses (jeweils § 102 Abs.1 iVm § 7 Abs.1 KFG 1967 iVm § 4 Abs.4 KDV 1967) zurückgezogen hat. Diese Spruchpunkte sind deshalb in Rechtskraft erwachsen, weshalb diesbezüglich eine Berufungsentscheidung entfällt.

 

Zum Faktum 1 (§ 20 Abs.2 StVO 1960) ist festzustellen, dass dieses durch den Meldungsleger Herrn GI. J. S., Landesverkehrsabteilung Oö;, durch Nachfahren mit einem Dienstmotorrad, Type Messgerät: Honda x, Kennzeichen: x, festgestellt wurde. Der Bw bringt vor, dass das vom Zeugen gelenkte Motorrad insbesondere zur Feststellung der Abweichungen des Tachometers durch einen technischen Sachverständigen zu überprüfen gewesen wäre. Er beantragt, dass durch einen geeichten Geschwindigkeitsmesser festgestellt werden soll, wie hoch die Abweichung, respektive Messtoleranz der Anzeige auf dem Tachometer des Motorrades, welches vom Zeugen J. S. gelenkt wurde, ist. Er ziehe die exakte Geschwindigkeit von 153 km/h in Zweifel, dies insbesondere deshalb, weil eine solche Feststellung mit entsprechenden Unwägbarkeiten behaftet sei. Zu seinen Gunsten hätte im Zweifel davon ausgegangen werden müssen, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung von nicht mehr als 50 km/h vorlag. Der Zeuge S. habe selbst in seiner Einvernahme vom 11.08.2011 angeführt, dass er in annähernd gleichbleibendem Abstand hinter seinem Fahrzeug nachgefahren sei. Daraus zeige sich, dass keine exakter Tiefenabstand über die ganze durchgefahrene Strecke eingehalten wurde. Es liegen sohin keine verlässlichen Anhaltspunkte für eine exakte Geschwindigkeitsüberschreitung in der vorgenommenen Form vor.

 

Der Bw beantragt sohin, das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abzuändern, dass hinsichtlich des angefochtenen Faktums von einer Geschwindigkeitsüberschreitung von weniger als 50 km/h ausgegangen werde. Ebenso beantragt der Bw ausdrücklich die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

 

Bei der am 4. März 2013 durchgeführten Berufungsverhandlung sagte der Meldungsleger GI. S., Landesverkehrsabteilung, zeugenschaftlich einvernommen unter anderem aus, dass er zum Tatzeitpunkt mit einem Blaulichtmotorrad in Uniform unterwegs gewesen sei. Der Angezeigte sei ihm bereits im Ortsgebiet von Kirchheim aufgefallen, weil er ziemlich am Limit unterwegs gewesen sei. Unmittelbar vor dem Ende der Ortstafel habe er sein Motorrad stark beschleunigt. Die Anhaltung erfolgte ca. bei StrKm. 38,7. Von StrKm 36,4 bis StrKm 37,8 sei er dem Angezeigten in annähernd gleichbleibendem Abstand nachgefahren. Bei StrKm 37,8 habe er von seinem Tachometer eine Geschwindigkeit von 180 km/h ablesen können. Der Tachometer sei nicht geeicht, es handelt sich um einen normalen Tacho und dieser sei in 10 km/h-Schritten unterteilt. Er könne nicht mehr angeben, welchen Abstand er hinter dem Angezeigten eingehalten habe, normalerweise halte er einen Abstand zwischen 50 m und 70 m ein. Er wisse nicht, ob der Tacho einmal überprüft wurde. Bei StrKm. 37,8 sei der Angezeigte schon langsamer gefahren und er habe ebenso seine Geschwindigkeit reduziert, sodass der Abstand in etwa konstant geblieben sei. Es bestehe eine Dienstanweisung dahingehend, dass bei einem nichtgeeichten Tacho 15 % bei einer festgestellten Geschwindigkeit von über 100 km/h abzuziehen sind.

 

Unter Zugrundelegung dieser Aussage, stellte der bei der Berufung teilnehmende Amtssachverständige für Verkehrstechnik, Dipl.-HTL-Ing. R. H. fest, dass es sich bei dem gegenständlichen Motorrad um ein Motorrad mit einem üblichen aber nicht geeichten Tacho handelt. Legt man für diesen nichtgeeichten Tacho die Baurichtlinie 2000/EG zu Grunde, so ergibt sich in Bezug auf die tatsächliche Geschwindigkeit eine Differenz von v/Zehntel plus 8 km/h - dies geht aus der Ziffer 3 Punkt 2 der genannten Richtlinie hervor. Das würde im gegenständlichen Fall eine Geschwindigkeitsdifferenz von 26 km/h bedeuten, wenn man von einer Nachfahrgeschwindigkeit von 180 km/h ausgeht.

 

Nachdem es sich um einen analogen Tacho handelt, ist, wie in der Literatur bekannt, ein Parallaxenfehler von 1 – 3 km/h zu berücksichtigen. Berücksichtigt man im Sinne des Vorbringens des Bw die maximal möglichen 3 km/h, so ist davon auszugehen, dass die Tachogeschwindigkeit, die abgelesen wurde, nicht 180 km/h, sondern 177 km/h betragen hat. Zieht man von diesen 177 km/h die Bautoleranz des Tachos ab, ergibt sich rechnerisch ein Wert von 151 km/h. Bei diesen 151 km/h ist eine mögliche Geschwindigkeitsdifferenz, die sich daraus ergibt, dass sich der Tiefenabstand im Zuge des Nachfahrens leicht verändert, nicht berücksichtigt. Eine geringe Veränderung des Nachfahrabstandes zwischen dem Polizeimotorrad und dem Motorrad des Bw würde aber dazu führen, dass die Geschwindigkeit noch einmal um 1, 2 oder sogar 3 km/h zu reduzieren ist. Berücksichtigt man die vorstehenden Toleranzen und berücksichtigt man ein leichtes Aufholen des Polizeimotorrades bzw. eine leichte Verringerung des Tiefenabstandes zwischen dem gemessenen Fahrzeug und dem Polizeimotorrad, ist aus technischer Sicht nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzuhalten, dass die Geschwindigkeit über 150 km/h gelegen ist.

 

Unter Zugrundelegung dieses schlüssigen Gutachtens kann nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Bw die höchstzulässige Geschwindigkeit um 53 km/h überschritten hat. Unter Berücksichtigung sämtlicher Toleranzen zu Gunsten des Bw kann sohin eine Maximalgeschwindigkeit von 150 km/h als erwiesen festgestellt werden. Die im neu formulierten Spruch angeführte Geschwindigkeitsüberschreitung von 49 km/h ergibt sich aus der Verkündung dieser Entscheidung bereits bei der Berufungsverhandlung und der daraus resultierenden Rechtskraft. Ob nun dem Bw eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 49 km/h oder 50 km/h vorzuwerfen ist, ist vom Aspekt der Strafbemessung und aus führerscheinrechtlicher Sicht ohnehin nicht von Relevanz.

 

Strafbemessung:

Gemäß § 99 Abs.2e StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 150,00 – 2.180,00 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 48 Stunden bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer unter anderem außerhalb des Ortsgebietes die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 50 km/h überschreitet.

 

Da dem Bw eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 50 km/h nicht nachzuweisen ist, ist der Strafrahmen nach § 99 Abs.2d StVO 1960 anzuwenden. In dieser Norm ordnet der Gesetzgeber an, dass eine Verwaltungsübertretung  begeht und mit einer Geldstrafe von 70,00 Euro bis 2.180,00 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis zu 6 Wochen zu bestrafen ist, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschreitet.

 

Aufgrund des in diesem Strafrahmen vertypten geringeren Unrechtsgehaltes war die Strafe entsprechend zu reduzieren. Nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates ist die Strafe in der nunmehr bemessenen Höhe unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Situation des Bw tat- und schuldangemessen festgesetzt. Zutreffend hat die belangte Behörde die Verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit sowie die lange Verfahrensdauer als mildernd gewertet. Straferschwerende Umstände sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Mit der neu bemessenen Strafe wurde der gesetzliche Strafrahmen nicht einmal zu 10 % ausgeschöpft. Eine weitere Herabsetzung der Strafe verbietet sich aus präventiven Gründen.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Johann Fragner

 

 

 

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