Linz, 18.03.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des X, geboren am X, StA von Vietnam, unbekannten Aufenthalts, wegen Anhaltung in Schubhaft von 14. Februar bis 6. März 2013 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Schärding, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Schärding) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
§§ 82 Abs 1 und 83 Abs 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl I 2005/100, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I 2012/50) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II 2008/456.
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 14. Februar 2013, GZ: Sich41-28-2013, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und vollzogen. Der Bf befindet sich im Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich nicht mehr in Schubhaft.
Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen aus:
1.2. Gegen den dem Bf am 14. Februar 2013 um 12:55 Uhr samt einem Informationsblatt zur Schubhaft in englischer Sprache persönlich ausgefolgten Schubhaftbescheid sowie gegen die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf per E-Mail vom Dienstag den 5. März 2013, 17:16 Uhr, Schubhaftbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.
Einleitend erfolgt die Feststellung, dass sowohl die Schubhaftverhängung als auch die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig sei.
2.1.1. Mit E-Mail vom 6. März 2013 übermittelte die belangte Behörde Teile des Bezug habenden Verwaltungsakts dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich. Der Verwaltungsakt selbst langte am 7. März 2013 beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ein.
2.1.2. In einer Gegenschrift vom 6. März 2013 Tag führt die belangte Behörde folgendes aus:
vorlegt.
2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie die Einholung eines Auszuges aus dem Zentralen Melderegister am 18. März 2013. Da der Sachverhalt bereits aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs 2 FPG abgesehen werden.
2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – vom Bf nicht bestrittenen – unter Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.
Zudem ist festzuhalten, dass ein vom erkennenden Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich mit der Vietnamesischen Botschaft geführtes Telefonat ergab, dass die vietnamesische Botschaft Heimreisedokumente unabhängig davon ausstellt, ob eine Person nach Vietnam zurückkehren möchte oder nicht. Voraussetzung hiefür ist ein entsprechendes Begehren einer österreichischen Behörde sowie die ausreichende Klärung der Identität des Betroffenen (siehe Aktenvermerk vom 6. März 2013).
Darüber hinaus geht aus einem aktuellen Auszug des Zentralen Melderegisters hervor, dass der Bw in Österreich seit 6. März 2013 nicht mehr polizeilich gemeldet ist. Der derzeitige Aufenthalt des Bw ist unbekannt.
3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
3.1.1. Gemäß § 83 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100, in der Fassung BGBl 2012/50, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.
Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,
1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder
3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.
Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.
3.1.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde vom 14. Februar 2013 bis 6. März 2013 in Schubhaft angehalten wurde, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist. Da die Anhaltung in Schubhaft am Tag der Beschwerdeerhebung endete (die Einbringung erfolgte am 5. März 2013 per E-Mail nach Ende der Amtsstunden), ist eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft nicht zu treffen. Des weiteren entfällt die Verpflichtung, über die Beschwerde binnen Wochenfrist zu entscheiden.
3.2.1. Gemäß § 76 Abs 1 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.
Die Schubhaft ist nach § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder in einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.
Gemäß § 77 Abs 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,
1. in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.
3.2.2. Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass der wohnsitzlose und mit einem Besitz von ca 61,- Euro nahezu mittellose Bf, dessen Asylverfahren mit 21. Jänner 2013 rechtskräftig abgeschlossen wurde, fraglos nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war bzw ist. In diesem Sinn war die belangte Behörde auch grundsätzlich angehalten, die ggst Schubhaft auf § 76 Abs 1 FPG zu stützen.
Nachdem gegen den Bf von der LPD Niederösterreich mit 24. Jänner 2013 rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung samt einem fünfjährigen Einreiseverbot erlassen wurde, wählte die belangte Behörde auch zurecht als Ziel der Schubhaft die Abschiebung.
3.2.3.1. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs 1 (wie auch Abs 2) FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass er sich dem Verfahren gemäß § 76 Abs 1 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.
3.2.3.2. Eingangs ist festzuhalten, dass der Bw – der mit einem gefälschten Reisedokument eingereist ist und dessen Identität bis dato nicht gesichert ist – im Zeitpunkt der Inschubhaftnahme nahezu völlig mittellos (lediglich im Besitz von etwa 61,- Euro) und ohne gemeldeten Wohnsitz im Bundesgebiet war. Die ihm in der Rückkehrentscheidung eingeräumte 14-tägige Frist zum Verlassen des Schengenraumes wurde vom Bf nicht eingehalten. Er hat diese Frist jedoch nicht nur ungenutzt in Österreich verstreichen lassen, sondern versucht, sich dem behördlichen Zugriff durch ein Untertauchen in die Anonymität zu entziehen. In Folge wurde der Bf in Deutschland von den dortigen Behörden aufgegriffen und wieder nach Österreich rücküberstellt.
Im weiteren Verfahren hat der Bf angegeben, nicht nach Vietnam zurückkehren sondern in Österreich bleiben zu wollen. Dies geht auch aus der Schubhaftbeschwerde klar hervor, in welcher der Bf angibt, ein Heimreisezertifikat könne für ihn, da er ausreiseunwillig sei, nicht erlangt werden. Der Bf hat im Inland keine Bezugspersonen namhaft gemacht und ist weder sozial noch beruflich in irgendeiner Form im Bundesgebiet verankert.
3.2.3.3. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen war, dass sich der Bf wiederum dem Zugriff der Behörden entziehen würde. Dass diese Annahme zu Recht erfolgte wird schon dadurch ersichtlich, als der Bf seit seiner Entlassung aus der Schubhaft in Österreich nicht mehr polizeilich gemeldet und damit unbekannten Aufenthaltes ist. Dass das Ziel der Schubhaft aufgrund der Ausreiseunwilligkeit des Bf nicht habe erreicht werden können, da die – wie der Bf vorbringt – Vietnamesische Botschaft diesfalls kein Heimreisedokument ausstelle, entspricht nach Auskunft der Botschaft nicht der Wahrheit.
3.3. Die Verhängung der Schubhaft war zum in Rede stehenden Zeitpunkt auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf persönliche Freiheit stand das dieses überwiegende öffentliche Interesse an der Sicherung seiner Außerlandesschaffung entgegen.
3.4. Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, da der Bf – wohnsitz- und nahezu völlig mittellos – im Gebiet der belangten Behörde den Aufenthalt nicht legal bestreiten könnte, um den Anordnungen entsprechen zu können.
Zudem bewies der Bf schon in jüngster Vergangenheit, dass er nicht bereit ist, behördlichen Anordnungen zu entsprechen. Der rechtskräftig festgestellten Ausreiseverpflichtung war er nicht gefolgt, sondern tauchte in die Bundesrepublik Deutschland ab.
3.5. Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf über keine relevanten familiären Kontakte oder Verpflichtungen im Bundesgebiet verfügt.
3.6.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich
1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;
2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.
3.6.2. Die belangte Behörde nahm mit Schreiben vom 18. Februar 2013, welches am gleichen Tage abgesandt wurde, Kontakt mit der Vietnamesischen Botschaft auf und versuchte, durch die Übermittlung von Passbildern und Fingerabdrücken, ein Heimreisezertifikat bzw ein Ersatzreisedokument für den Bf zu erlangen. Zudem wurde die Vorführung des Bf zur Klärung der Identität angeboten.
Mit am 4. März 2013 bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben der Vietnamesischen Botschaft wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass die übersandten Fingerabdrücke und Fotos nicht ausreichen würden, um die Identität des Bf zu klären. Laut den vietnamesischen gesetzlichen Bestimmungen könne ein Heimreisedokument ausgestellt werden, wenn der Betroffene ein vollständig ausgefülltes Antragsformular, eine Passverlustanzeige und einen Staatsangehörigkeitsnachweis vorlegen könne.
Mit Schreiben vom 5. März 2013 wurde im Wege der Amtshilfe das PK Steyr ersucht, die im Schreiben der Botschaft beigelegten Anlagen an den Bf zu übermitteln und von diesem ausfüllen zu lassen.
Am 6. März 2013 wurden die Beilagen nur teilweise ausgefüllt rückübermittelt. Ein anschließendes Telefonat mit der Botschaft führte zum Ergebnis, dass mit den gemachten Angaben in nächster Zeit ein Heimreisezertifikat nicht erlangt werde dürfte. Daraufhin wurde der Bf umgehend aus der Schubhaft entlassen.
Die belangte Behörde war vor diesem Hintergrund bemüht, die Abschiebung effektiv und rasch herbeizuführen. Sobald für sie ersichtlich wurde, dass das Ziel der Schubhaft nicht zeitnah zu erreichen sein dürfte, hat sie sofort gehandelt und den Bf enthaftet. Im Sinne des § 80 Abs 1 FPG hat die belangte Behörde somit darauf hingewirkt, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs 1, Abs 3 und Abs 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.
Markus Zeinhofer
Beschlagwortung:
Schubhaft; § 76 Abs.1 FPG;