Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101469/6/Fra/Ka

Linz, 27.01.1994

VwSen-101469/6/Fra/Ka Linz, am 27. Jänner 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt, Beisitzer:

Dr. Schieferer, Berichter: Dr. Fragner) über die Berufung der E, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 28. Juli 1993, Zl.AZ.VU/P/2327/92W, wegen Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird antragsgemäß Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Die Berufungswerberin hat weder zum Verfahren erster Instanz noch zum Berufungsverfahren einen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I. § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG.

zu II. § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 28. Juli 1993, AZ.VU/P/2327/92 W, über die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.1 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe in der Höhe von 12.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Tage) verhängt, weil sie am 9. Juni 1992 um 17.25 Uhr in L, auf der , Richtungsfahrbahn S, Höhe km 12,3 den in einem durch Alkohol beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand gelenkt habe.

Ferner wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der verhängten Strafe sowie gemäß § 5 Abs.9 zum Ersatz der Barauslagen für die klinische Untersuchung und Blutabnahme sowie für die Blutuntersuchung verpflichtet.

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Diese sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel ohne Erstattung einer Gegenschrift dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 5. Kammer zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Die Strafbehörde stützt den Schuldspruch im wesentlichen auf das von ihr eingeholte Gutachten des Polizeiarztes Dr. W vom 20.11.1992. Nach diesem Gutachten liegt kein Hinweis auf eine volle Berauschung zur Tatzeit vor.

Gegen diese Annahme spricht jedoch das von der Berufungswerberin vorgelegte Gutachten des gerichtsmedizinischen Institutes Dr. S, wonach laut Gutachter Dr. H "aus ärztlicher Sicht restrospektiv, zumindest im Zweifel, nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich die Berufungswerberin zur Tatzeit in einem Zustand der vollen Berauschung bzw in einem gleichwertigen Zustand befunden hat." Zweifellos hat sich die Berufungswerberin zur Tatzeit - wie aus den Aktenunterlagen eindeutig hervorgeht - in einer prekären psychischen und physischen Notstandsituation befunden. Sie hat laut eigenen Angaben infolge familiärer Schwierigkeiten vor Antritt der Fahrt einen halben Liter Rum konsumiert. Die Berufungswerberin gab an, zum Zeitpunkt des Alkoholkonsums nicht beabsichtigt zu haben, ihr Fahrzeug in Betrieb zu nehmen. Erst nachdem ihr Mann nach Hause gekommen war und sie beschimpfte, weil sie im Bett lag und nichts zum Essen hergerichtet hatte, habe sie sich ohne zu wissen, was sie wirklich tat, in ihr Auto gesetzt und sei ziellos weggefahren.

Der unabhängige Verwaltungssenat ist daher zur Überzeugung gelangt, daß sich die Berufungswerberin aufgrund des Zusammentreffens der oben genannten Umstände im Zusammenhang mit der Tatsache, daß sie aufgrund ihrer Depression auch Psychopharmaka eingenommen, aufgrund von Wechselbeschwerden Injektionen erhalten hat, und sich somit auch in psychisch sehr schlechtem Zustand befand, zum Zeitpunkt der Tat in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befand.

Offenbar war auch der Referent der Erstbehörde, Dr. W, nicht ohne jeden Zweifel von der Tatbestandsmäßigkeit des § 5 Abs.1 StVO 1960 überzeugt, setzte er doch am 17.11.1992 eine Verfolgungshandlung betreffend Art.IX Abs.1 Z3 EGVG iVm § 5 Abs.1 StVO 1960 (siehe ON 40 im erstbehördlichen Akt).

Am 18.11.1992 (also einen Tag später) ersuchte er den Polizeiarzt Dr. W um Überprüfung des Gutachtens des Institutes für gerichtliche Medizin vom 9.10.1992. Auch nach Vorliegen dieses Gutachtens war jedoch Dr. W offenbar immer noch nicht von der Tatbestandsmäßigkeit des § 5 Abs.1 StVO 1960 überzeugt, zumal er vom Amt der O.ö.

Landesregierung ein weiteres Gutachten einholen wollte (dieses wurde jedoch dann seitens des Amtes der O.ö.

Landesregierung, Abteilung Sanitätsdienst, abgelehnt [siehe ON 43]). Das Straferkenntnis wurde sodann - wie aus dem Akt ersichtlich - über Weisung von Dr. I erlassen (siehe Rückseite zu ON 41).

Schließlich kam auch der Richter des Bezirksgerichtes Linz zur Überzeugung, daß sich die Beschuldigte in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand der vollen Berauschung befand und verurteilte sie gemäß § 287 Abs.1 StGB (siehe Strafverfügung des Bezirksgerichtes Linz vom 21.

Dezember 1992, Aktenzeichen 16U-562/92/9).

Der unabhängige Verwaltungssenat ist zusammenfassend zur Überzeugung gelangt, daß das auslösende Moment dafür, daß sich die Berufungswerberin überhaupt in ihr Kraftfahrzeug gesetzt hat, die kulminierenden Umstände ihrer zur Tatzeit vorliegenden psychischen und physischen Probleme waren.

Das aufgrund der oben dargestellten Sachverhaltselemente erstellte Gutachten des Institutes für Gerichtliche Medizin in Linz vom 9. Oktober 1992 kommt für den unabhängigen Verwaltungssenat in schlüssiger Weise zum Ergebnis, daß aus ärztlicher Sicht retrospektiv nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich die Berufungswerberin zur Tatzeit in einem Zustand der vollen Berauschung bzw in einem gleichwertigen Zustand befand. In diesem Zusammenhang verweist der unabhängige Verwaltungssenat - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die plausiblen Ausführungen der Berufungswerberin im Berufungsschriftsatz. Der unabhängige Verwaltungssenat legt daher dieses Gutachten seiner Entscheidung zugrunde, weshalb aufgrund des Vorliegens eines Schuldausschließungsgrundes die Berufungswerberin die ihr zur Last gelegte Übertretung nicht zu verantworten hat.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die Beschuldigte hat sich von Anfang an einer Übertretung nach Art.IX Abs.1 Z3 EGVG schuldig bekannt. Da die Erstbehörde eine rechtzeitige Verfolgungshandlung diese Übertretung betreffend gesetzt hat, ist aus der Sicht des O.ö. Verwaltungssenates kein Grund ersichtlich, das Verfahren in bezug auf diesen Tatbestand nicht weiterzuführen.

II. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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