Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401250/7/WEI/Ba

Linz, 26.02.2013

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des H N, geb. X, Staatsangehöriger von Tunesien (Identität nach eigenen Angaben), vormals Schubhaft im Polizeianhaltezentrum Salzburg, vertreten durch D F gem. GmbH, p.A. R S, L, S, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit vom 8. bis 11. Jänner 2013 als rechtmäßig festgestellt.

 

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 38/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage vom nachstehenden Gang des Verfahrens und Sachverhalt aus:

 

1.1. Mit Mandatsbescheid vom 8. Jänner 2013, Zl. Sich 41-3-2013, ordnete die belangte Behörde auf der Grundlage des § 76 Abs 2 Z 4 FPG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden nur Bf) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) und der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Den Bescheid hat der Bf am 8. Jänner 2013 um 14:20 Uhr persönlich übernommen. In der Folge wurde er zum Vollzug der Schubhaft ins polizeiliche Anhaltezentrum (PAZ) des Stadtpolizeikommandos Salzburg überstellt.

 

1.2. Aus dem Schubhaftbescheid und der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t:

 

Nach dem Bericht der Polizeiinspektion (PI) M wurde der Bf am 8. Jänner 2013 um 01:00 Uhr Früh von einem Verkehrsteilnehmer zur Polizeidienststelle gebracht, wo er dann den Beamten zu verstehen gab, dass er Asyl beantragen wolle. Er wurde über Nacht in der Bezirksleitzentrale untergebracht und es fand in weiterer Folge in der PI S in der Zeit von 09:46 Uhr bis 10:45 Uhr die Erstbefragung im Asylverfahren durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

 

Bei dieser Erstbefragung trat der Bf als Tunesier mit den Personalien H N, geb. X, in Sidi Bouzid/Tunesien auf und gab an, zuletzt selbständig als Informatiker tätig gewesen zu sein.

 

Zu seiner Reiseroute befragt, gab der Bf an, vor ca 1 Monat mit dem Flugzeug in die Türkei legal ausgereist zu sein. Seinen Reisepass hätte er aber vermutlich in der Türkei verloren. Am 7. Dezember 2012 wäre er von Tunis nach Istanbul geflogen dann nach ca 17 Tagen in Istanbul mittels LKW in einem Container mit mehreren Leuten ca 6 oder 7 Tage nach Österreich gereist. Wo die Einreise in die EU erfolgte, wüsste er nicht. Er hätte auch in keinem anderen Land um Asyl angesucht und kein Visum erhalten. Auch die Frage nach Familienangehörigen im EU-Raum und nach einer Anhaltung oder Unterbringung in einem anderen Land verneinte er.

 

Die Reise hätte ca 1 Monat gedauert. Die Reise mit LKW hätte ein Syrer mit Namen A (Familienname unbekannt) für 2.000 Euro orgAiert. Nach seiner Ankunft in Istanbul wäre er ca 17 Tage in dessen Wohnung geblieben und dann in die kleine Stadt Iderna zum LKW gebracht worden. Den LKW mit unbekanntem Kennzeichen beschrieb er als weißen Sattelzug mit rotem Containeraufbau. Der Schlepper wäre von großer und dicker Statur mit weißer Hautfarbe gewesen.

 

Zum Fluchtgrund wollte der Bf über die näheren Gründe erst beim Interview mit dem Asylamt reden. Auf die Frage, was er bei Rückkehr in seine Heimat befürchte, gab er dann aber doch an , dass er geschlagen oder sogar getötet werden könnte, weil er mit einer Jungfrau geschlafen hätte.

 

Im Zuge der polizeilichen Erhebungen wurde ein sog. AFIS-Abgleich der Fingerabdrücke des Bf vorgenommen, der im EURODAC–System das Ergebnis erbrachte, dass der Bf bereits am 26. Oktober 2010 in München offenbar aus Anlass einer Asylantragstellung erkennungsdienstlich behandelt worden war. Im Rahmen der Erstbefragung wurde dem Bf dieser EURODAC-Treffer aus Deutschland ausdrücklich vorgehalten. Dennoch erklärte er dazu nur, dass er noch niemals in Deutschland gewesen wäre. Auf die Frage, warum er zu seiner Reise durch einen EU-Staat falsche Angaben machte, beteuerte er, nicht gelogen zu haben. Auf weitere Fragen zu seinem Aufenthalt in Deutschland machte er keine Angaben mehr.

 

Die belangte Behörde konnte einen Auszug aus dem deutschen Ausländer­zentralregister beischaffen, aus dem sich ergibt, dass der Bf unter ganz anderen Personalien, nämlich als A A M (alias A K A M), geb. X (alias geb. X), Geburtsort G, ungeklärte Staatsangehörigkeit, in Deutschland registriert ist. Die Ersteinreise des Bf fand am 26. Oktober 2010 statt. Sein Asylantrag wurde von der deutschen Asylbehörde (BAMF) am 18. Oktober 2011 zu AZ. 5450143 abgelehnt. Die Ausländerbehörde der Stadt L erteilte dem Bf am 2. November 2011 eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung), die bis 2. Februar 2013 befristet wurde.

 

Der Bf wurde nach der niederschriftlichen Erstbefragung im Auftrag der belangten Behörde festgenommen und zur Erlassung des Schubhaftbescheides vorgeführt. Die belangte Behörde hielt fest, dass sich der Bf unberechtigt im Bundesgebiet aufhält und weder ein Nationalreisedokument, noch ein anderes Dokument zu seiner Identität besitzt, weshalb seine Identität nicht gesichert ist. Er sei auch völlig mittellos.

 

1.3. Begründend ging die belangte Behörde davon aus, dass der Asylantrag des Bf auf Grund des Ergebnisses seiner Befragung und der durchgeführten Erhebungen nach Konsultationen mit Deutschland mangels einer Zuständigkeit Österreichs voraussichtlich zugewiesen werden wird (§ 76 Abs 2 Z 4 FPG). Der Bf habe seinen Aufenthalt in Deutschland verschwiegen und selbst nach Vorhalt des EURODAC-Treffers nachhaltig bestritten, jemals in Deutschland gewesen zu sein. Der Bf sei nicht gewillt mitzuwirken und genaue Angaben zur Sachverhalts­feststellung zu machen. Er bestätige nicht einmal der Behörde schon bekannte Fakten. Mit seiner Antragstellung in Österreich und seinen unwahren Aussagen wolle er seinen Aufenthalt in Österreich zumindest temporär legalisieren und das Regelungsregime der Dublin Verordnung unterlaufen. Er wolle offenbar nicht nach Deutschland zurückkehren. Diesem "Asylantrags­tourismus" des Bf müsse entschieden entgegen getreten werden, um für ein geordnetes Fremdenwesen zu sorgen.

 

Im Hinblick auf die nunmehrige Kenntnis des Bf vom positiven Fingerabdruckvergleich (EURODAC-Treffer) bestehe ohne Sicherungsmaßnahme die unmittelbare und eminente Gefahr, dass sich der Bf dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen werde. Sein bisheriges Verhalten zeige, dass er keinesfalls gewillt sei, sich der Abschiebung nach Deutschland zu stellen.

 

Beim Bf sei nach seinem Gesamtverhalten von einem besonders hohen Sicherungsbedarf auszugehen. Er würde sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Zugriff der Behörden entziehen. Er sei im Bundesgebiet mangels familiärer oder sonstiger sozialer Bezugspunkte in keiner Weise an eine Örtlichkeit gebunden und in seiner Lebensgestaltung sehr flexibel. Bei der Wahl der Mittel zur Sicherung fremdenpolizeilicher Maßnahmen komme dem Grad der Bereitschaft an der Mitwirkung zur Feststellung des relevanten Sachverhaltes hohe Bedeutung zu. Da der Bf zu dieser Mitwirkung durch wahrheitsgemäße Beantwortung von Fragen im Rahmen der Erstbefragung im Asylverfahren nicht bereit war, sei das für die Anwendung gelinderer Mittel erforderliche Vertrauen in ihn erschüttert. Mit einem gelinderen Mittel wäre das Ziel der Schubhaft nicht erreichbar gewesen. Diese sei daher im Hinblick auf den konkreten und akuten Sicherungsbedarf notwendig und verhältnismäßig.

 

1.4. Mit der per Telefax am 10. Jänner 2013 um 21:59 Uhr (Kennung: FAX.unknown) übermittelten Eingabe vom 10. Jänner 2013 langte beim Oö. Verwaltungssenat außerhalb der Amtsstunden (Erfassung der Eingabe daher am 11. Jänner 2013) eine Schubhaftbeschwerde ein, die von der R S der D –F gem. GmbH für den Bf verfasst und in seiner Vertretung erhoben wurde. Die Beschwerde bekämpft die Verhängung der Schubhaft durch den gegenständlichen Bescheid und die darauf beruhende Anhaltung in Schubhaft und strebt die kostenpflichtige Rechtswidrigkeits­erklärung an.

 

1.5. Der Oö. Verwaltungssenat übermittelte am 11. Jänner 2013 die Schubhaftbeschwerde der belangten Behörde auf elektronischem Weg mit dem Ersuchen um Aktenvorlage und Mitteilung, ob sich der Bf noch in Schubhaft befindet. Da der Bf in der Beschwerde (vgl Seite 7) durch seine Rechtsvertretung behauptet hat, dass er am Liebsten den "Asylantrag umgehend zurückziehen und sofort heim nach Deutschland reisen" würde, hat ihn die belangte Behörde umgehend zur Frage seiner Ausreisewilligkeit im Rechtshilfeweg durch die Landespolizeidirektion (LPD) Salzburg am 11. Jänner 2013 um 11:55 Uhr einvernehmen lassen. Dabei erklärte er, der überwachten Ausreise nach Deutschland zuzustimmen und bereit zu sein, dass man ihn an die deutsche Grenze nach Freilassing bringe.

 

Die belangte Behörde hat im Einvernehmen mit dem deutschen Ausländeramt in L die überwachte freiwillige Ausreise des Bf organisiert und unverzüglich dem PAZ Salzburg den Entlassungsschein mit dem Ersuchen auf elektronischen Wege übermittelt, noch am 11. Jänner 2013 die freiwillige Ausreise des Bf zu überwachen. In weiterer Folge fand die überwachte freiwillige Ausreise nach Mitteilung der Fremdenpolizei Salzburg am 11. Jänner 2013 um ca. 14:00 Uhr über den Grenzübergang Freilassing statt.

 

1.6. Mit ergänzender Telefaxeingabe vom 15. Jänner 2013 der R S (ohne Bearbeiterhinweis) wurde dem Oö. Verwaltungssenat mitgeteilt, dass die Beschwerdeanträge aufrecht bleiben.

 

 

2.1. In der Beschwerde wird nach zunächst nur rudimentären Ausführungen zum Sachverhalt vorgebracht, dass sich die belangte Behörde mit der konkreten Situation des Bf nicht hinreichend auseinandergesetzt habe. Dazu wird auf angeblich verzerrende Angaben des betrunkenen Bf bei seiner Einvernahme nach einer durchwanderten schlaflosen Nacht hingewiesen. Er sei nach einem Streit mit seiner Freundin K S E aus Deutschland betrunken über die Grenze gekommen und habe in seiner Verzweiflung einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Streit mit seiner deutschen Freundin und sein prekärer Status in Deutschland würden ihn sehr belasten. Er hege Suizidgedanken und verweigere die Nahrungsaufnahme. Seine Haftfähigkeit wäre fraglich.

 

Aus diesen Umständen ließe sich ableiten, dass es dem Bf keineswegs an Heimreisewilligkeit mangelte. Immerhin wäre ihm eine Duldungskarte in Deutschland ausgestellt worden. Er hätte einen festen Wohnsitz in L, N, und einen legalen Aufenthaltstitel in Deutschland, wo er ein gutes soziales Netz hätte und eine Liebesbeziehung führte. Am liebsten würde er diesen Asylantrag umgehend zurückziehen und sofort heim nach Deutschland reisen. Das Fehlen von Originaldokumenten könnte dem Bf nicht vorgeworfen werden. Zumindest seine "Verfahrensidentität" sei über den Duldungsstatus gesichert. Er bereue sein Verhalten und wolle in der Erstaufnahmestelle West auf die Zurückschiebung bzw Abschiebung nach Deutschland warten, der er sich keineswegs entziehen möchte. Das Sicherungsbedürfnis für die Anordnung der Schubhaft läge daher nicht vor. Auch die Nichtanwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG (regelmäßige Meldung bei der Polizei) wird gerügt.

 

In weiteren Ausführungen wird ferner behauptet, dass die österreichische Rechtslage gegen Rechtsschutzgarantien in der RL 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (Rückführungsrichtlinie) verstoße. Auch bestünde ein Widerspruch zur UNHCR-Richtlinie vom Februar 1999 sowie zur Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 betreffen die Durchführung der Überstellung von Asylwerber, aus der eine Rangordnung der Überstellungsmodalitäten abzuleiten wäre.

 

2.2. Zur Haftfähigkeit des Bf ergibt sich aus dem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 10. Jänner 2013, dass für 9. Jänner 2013 eine ärztliche Untersuchung geplant war, die auch tatsächlich stattgefunden hat. Am 10. Jänner 2013 wurde auf telefonische Anfrage der belangten Behörde vom PAZ Salzburg mitgeteilt, dass der Bf haftfähig sei. Er habe gegenüber der Polizeiärztin angegeben, keine Suizidgedanken zu haben. Für den 15. Jänner 2013 sei dennoch eine psychiatrische Untersuchung geplant.

 

Zur behaupteten "durchwanderten schlaflosen Nacht" kann aus der Aktenlage festgestellt werden, dass sich der Bf am 8. Jänner 2013 um 01:00 Uhr in der Nacht bei der PI M wegen Asylantragstellung vorsprach. Er wurde dann aber nicht gleich befragt, sondern zunächst über Nacht in der BLS Schärding untergebracht (vgl Aktenvermerk PI M vom 8.1.2013). Die Erstbefragung des Bf nach dem Asylgesetz fand erst am Vormittag des 8. Jänner 2013 ab 09:46 Uhr statt. Bei dieser Befragung verneinte der Bf die ausdrücklich protokollierte Frage, ob er Beschwerden oder Krankheiten habe, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren beeinträchtigen. Es kann daher nicht angenommen werden, dass er zu diesem Zeitpunkt (noch) unter Alkoholeinfluss stand. Schon deshalb und auch aus dem Inhalt der aktenkundigen Niederschrift der Angaben des Bf kann der Oö. Verwaltungssenat die Behauptung der Beschwerde über verzerrende Angaben des betrunkenen Bf nicht nachvollziehen.

 

Mit Telefax vom 11. Jänner 2013 übermittelte die Kriminalpolizeiinspektion Passau K1 der belangten Behörde einen gegen den Bf erlassenen Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Passau vom 11. Jänner 2013, in dem bei den Personalien neben H N noch 3 weitere Aliasnamen und Aliasgeburtsdaten angegeben werden. Das Gericht ordnete gegen den Bf die Untersuchungshaft an, weil er der gefährlichen Körperverletzung am 22. De­zember 2012 (Gehirnerschütterung, Hämatom am linken Auge, Prellungen am Oberkörper) und der Bedrohung mit dem Umbringen am 7. Jänner 2013 (wenn sie als Zeugin gegen ihn bei der Polizei aussage) der Zeugin K K dringend verdächtig sei und Fluchtgefahr sowie Verdunkelungsgefahr bestehe.

 

2.3. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 14. Jänner 2013 im Original vorgelegt, trat der Beschwerde unter Hinweis auf die aktenkundigen Umstände entgegen und beantragte deren kostenpflichtige Abweisung.

 

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG (idF seit BGBl I Nr. 122/2009) ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

  1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und
  2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Im vorliegenden Fall hat die Bezirkshauptmannschaft Schärding den Schubhaftbescheid erlassen und die Anhaltung in Schubhaft angeordnet. Der Oö. Verwaltungssenat ist daher örtlich zuständig. Der Bf wird mittlerweile nicht mehr in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 1a FPG dürfen unmündige Minderjährige nicht in Schubhaft angehalten werden.

 

Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

4.3. Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Nach § 80 Abs 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

 

  1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;
  2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall des Abs 3 und 4 vorliegt.

 

§ 80 Abs 3 FPG erlaubt die Aufrechterhaltung der Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden darf, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist.

 

§ 80 Abs 4 FPG enthält weitere Verlängerungsgründe. Kann oder darf der Fremde nur deshalb nicht abgeschoben werden,

 

  1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder
  2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder
  3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt,

 

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten nicht länger als 10 Monate in Schubhaft angehalten werden. Gleiches gilt, wenn die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß § 76 Abs 2 FPG verhängte wurde, länger als sechs Monate in einem Jahr, aber nicht länger als 10 Monate in 18 Monaten aufrecht erhalten werden.

 

Gemäß § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 oder 2a verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge ohnehin auch ein Verlängerungsfall nach § 80 Abs 4 Z 1 bis 3 FPG vor. Wird einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fällen die Dauer von 10 Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

4.4. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.5. In dem aus Anlass einer Amtsbeschwerde ergangenen Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0542, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst wiederholt, dass die bloße Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag, sondern der Sicherungsbedarf müsse in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa eine mangelnde soziale Verankerung in Österreich in Betracht komme (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Für die Bejahung des Sicherungsbedarfs im Anwendungsbereich des § 76 Abs 1 FPG komme daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, welche das befürchtete Risiko des Untertauchens rechtfertigen können (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0162). Abgesehen von der Integration des Fremden sei bei Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (Hinweis auf VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0311; VwGH je vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0091 und Zl. 2006/21/0051). Auch wenn Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach dem Gesetz keinen tauglichen Schubhaftzweck darstellen (vgl etwa VwGH 31.08.2006, Zl. 2006/21/0087; VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/311) kann nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2009 der Verurteilung eines Fremden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedeutung zukommen. Eine erhebliche Delinquenz des Fremden kann das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner baldigen Abschiebung – in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten - maßgeblich vergrößern.

 

4.6. Im gegenständlichen Fall kam die Verhängung der Schubhaft auf Grund des Tatbestandes nach § 76 Abs 2 Z 4 FPG in Betracht, weil die belangte Behörde nach dem Ergebnis der Befragung des Bf und der durchgeführten Ermittlungen mit einem EURODAC-Treffer für Deutschland davon ausgehen konnte, dass nach dem Dublinregime voraussichtlich Deutschland den Bf zurücknehmen und Österreich für ein Asylverfahren unzuständig sein wird, weshalb sein Asylantrag zurückzuweisen und er ausgewiesen werden wird.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs darf die Verhängung der Schubhaft in sog. "Dublinfällen" nicht zu einer Standardmaßnahme gegen den Asylwerber werden. Zu solchen Dublinfällen mit der möglichen Zurückweisung des Asylbegehrens und Ausweisung in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es in einem frühen Stadium des Asylverfahrens "besonderer Umstände" bedarf, um die Befürchtung des Untertauchens konkret begründen zu können (vgl ua. VwGH 25.03.2010, Zl. 2008/21/0617, VwGH 19.06.2008, Zl. 2007/21/0070, VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0233; VwGH 28.06.2007, Zl. 2006/21/0051). Den Aspekten einer mangelnden familiären Verankerung oder fehlenden sozialen Integration ist bei kurzfristig in Österreich aufhältigen Asylwerbern kein großes Gewicht beizumessen (vgl VwGH 24.06.2010, Zl. 2007/21/0349). Es ist nämlich grundsätzlich nicht zu erkennen, warum ein Asylwerber im Frühstadium des Asylverfahrens seine Unterstützung in Grundversorgung aufgeben und in die Anonymität untertauchen sollte.

 

4.7. Die Beschwerde versucht den vorliegenden Fall als gewöhnlichen Dublinfall darzustellen und negiert beim Bf den Sicherungsbedarf mit der Behauptung, dem in Deutschland sozialisierten Bf habe es an Heimreisewilligkeit nicht gemangelt und er wolle sich auch seiner Abschiebung nach Deutschland nicht entziehen.

 

Diese Darstellung widerspricht der Aktenlage und ist schlicht falsch. Der Bf hat gegenüber den österreichischen Organen kein Wort über einen angeblichen Streit mit seiner deutschen Freundin und über seine Einreise aus Deutschland verloren. Er hat vielmehr bei seiner Erstbefragung im Asylverfahren nachweislich falsche Angaben zu seiner Reisebewegung nach Österreich gemacht, indem er seinen längeren Aufenthalt in Deutschland seit dem 26. Oktober 2010 offenbar bewusst verschwieg. Stattdessen behauptete er, von Tunis in die Türkei und dann mittels LKW nach Österreich gelangt zu sein und erst vor ca. einem Monat seine Heimat Tunesien verlassen zu haben. Selbst nach dem Vorhalt falscher Angaben unter ausdrücklichem Hinweis auf den EURODAC-Treffer für München/Deutschland behauptete der Bf weiterhin hartnäckig, noch nie in Deutschland gewesen zu sein und nicht gelogen zu haben. Das Gegenteil war selbstredend der Fall.

 

Dazu kommt noch, dass die Identität des mittellosen Bf mangels entsprechender Dokumente nicht gesichert ist und sich für die belangte Behörde auch herausstellte, dass der Bf unter anderen Personalien (Aliasnamen und Geburtsdaten) in Deutschland aufgetreten und als A A M, geb. X, Staatsangehörigkeit ungeklärt, im deutschen Ausländerzentral­egister erfasst ist, sein Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden und seine Duldung (Aussetzung der Abschiebung) bis 2. Februar 2013 befristet ist.

 

Wenn die belangte Behörde unter diesen Umständen von einer offensichtlichen Abneigung des Bf gegenüber dem EU-Staat Deutschland und seiner Rückkehrunwilligkeit dorthin ausging, so kann das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenat dieser schlüssigen Einschätzung nicht entgegentreten. Ebenso trifft die Annahme zu, dass der Bf, der auch nach Vorhalt des EURODAC-Treffers dennoch auf seiner unwahren Darstellung beharrte, offenbar an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts nicht mitwirken wollte. Wie sich nachträglich durch den gegen den Bf erlassenen Haftbefehl des Amtsgerichts Passau vom 11. Jänner 2013 wegen dringenden Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und Bedrohung des Opfers mit den Tode herausstellte, hatte der Bf in Deutschland auch die Folgen seines kriminellen Verhaltens zu fürchten und damit Grund, nicht nach Deutschland zurückzukehren. Die Behauptung der Beschwerde eines guten sozialen Netzes des Bf in Deutschland scheint wohl nicht ganz zutreffend.

 

Der Umstand, dass der völlig mittellose Bf bei seiner Erstbefragung im Asylverfahren offenbar bewusst keine wahren Angaben machte, um nicht entsprechend dem Dublinregime nach Deutschland zurückkehren zu müssen, spricht auch dafür, dass er durch das Asylbegehren nur seinen illegalen Aufenthalt in Österreich zumindest vorläufig legalisieren und entsprechende Versorgungsleistungen aus der Grundversorgung erlangen wollte. Offenbar hatte der Bf nur nicht damit gerechnet, dass sein Schwindel nach erkennungsdienstlicher Behandlung durch den AFIS-Abgleich (Vergleich der Fingerabdrücke) mit gespeicherten Daten im Rahmen des EURODAC-Systems schon bald auffliegen musste.

 

Die belangte Behörde hat ein solches Fehlverhalten des Bf nicht ohne Grund als "Asylantragstourismus" bezeichnet, dem im Interesse eines geordneten Fremdenwesens vor allem in unseren Zeiten eines zunehmenden Einwanderungsdruckes entschieden begegnet werden muss.

 

Der Bf wollte sich wegen negativer Erwartungen dem Zugriff der deutschen Behörden entziehen und durch illegale Einreise nach Österreich, neue Asylantragsstellung und Erfindung einer Geschichte zur Reiseroute ein zumindest vorläufiges Aufenthaltsrecht in Österreich erschleichen. Durch dieses Verhalten hat er unter Beweis gestellt, dass er die asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften Österreichs und der EU seinen persönlichen Interessen unterordnet. Er will sich offenbar das Land, in dem er in der EU um Asyl ansucht, entgegen dem Dublinregime der EU nach eigenem Gutdünken aussuchen. Dabei handelt er sehr flexibel, nimmt nicht nur die illegale Einreise und den unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich in Kauf, sondern täuscht auch falsche Tatsachen vor, um sein Ziel zu erreichen.

 

Durch sein Gesamtverhalten hat sich der Bf als vertrauensunwürdig erwiesen. Es lagen die oben dargelegten besonderen Umstände vor, die eine Untertauchen des Bf befürchten ließen, zumal dem Bf auch nach Mitteilung des EURODAC-Treffers seine mangelnde aufenthaltsrechtliche Perspektive in Österreich bewusst werden musste und er voraussichtlich bei nächster Gelegenheit in die Anonymität abgetaucht wäre, um sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde zu entziehen. Dass sich der Bf nachträglich in der von seiner Rechtsvertretung eingebrachten Schubhaftbeschwerde überraschend zur freiwilligen Rückkehr bereit erklärte, kann auf die bessere Einsicht seiner aussichtslosen Lage nach erfolgter Rechtsberatung zurückgeführt werden, vermag aber an seinem vorangegange­nen Fehlverhalten nichts zu ändern.

 

Die belangte Behörde hat nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats auch zutreffend argumentiert, dass beim Bf ein erhöhter Sicherungsbedarf angenommen werden musste, bei dem ein gelinderes Mittel nach § 77 FPG nicht in Betracht kommen konnte, weil der Zweck der Schubhaft damit voraussichtlich nicht erreichbar gewesen wäre. Die an sich mögliche Unterbringung in Grundversorgung könnte selbst im Falle täglicher Meldepflicht bei der nächsten Polizeidienststelle nicht verhindern, dass der sozial ungebundene Bf auf freiem Fuße untertaucht, um seiner Überstellung nach Deutschland zu entgehen.

 

4.8. Abschließend soll der Vollständigkeit halber noch auf in der Beschwerde behauptete Verletzungen von Unionsrecht eingegangen werden:

 

4.8.1. Zunächst zum behaupteten Widerspruch zur Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (Abl L 348/98 ff):

 

Richtig ist, dass nach dem die Haft für Zwecke der Abschiebung behandelnden Art 15 Abs 2 der Rückführungsrichtlinie im Fall der Inhaftnahme durch eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich eine gerichtliche Überprüfung vorgesehen wird. Dabei ist aber entgegen der Beschwerdedarstellung nicht bloß auf die amtswegige Überprüfung der Schubhaft nach vier Monaten abzustellen. Die RL überlässt es vielmehr dem Mitgliedsstaat die Rechtmäßigkeit entweder nach Haftbeginn innerhalb kurzer Frist gerichtlich überprüfen zu lassen (Abs 2 lit a) oder dem Drittstaatsangehörigen das Recht einzuräumen, einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung der Haft innerhalb kurzer Frist zu stellen, worüber er auch zu belehren ist (Abs 2 lit b).

 

Die Regelung der §§ 82 f FPG mit dem Recht die Prüfung der Schubhaft durch den unabhängigen Verwaltungssenat jederzeit zu beantragen und die Entscheidungspflicht binnen einer Woche bei aufrechter Anhaltung entspricht daher den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung hat der Schubhaftbescheid in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten (vgl § 76 Abs 3 FPG). Die behauptete Verletzung der Rückführungsrichtlinie ist demnach unzutreffend.

 

4.8.2. Der erkennende Verwaltungssenat sieht auch keinen Widerspruch zu Art 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 betreffend die Modalitäten der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat. Die Beschwerde verkennt, dass als erste Voraussetzung im Dublinverfahren eine Zustimmung eines Mitgliedsstaates zur Überstellung eines Asylwerbers vorliegen muss, was im Verfahren durch Konsultationen grundsätzlich erst zu überprüfen ist. Erst wenn dies zu bejahen ist, kann der Asylwerber auf seine Initiative und insofern "freiwillig" überstellt werden. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ausnahmsweise die Zustimmung der deutschen Ausländerbehörde auf kurzem Wege herbeiführen können.

 

Dem (in der Beschwerde wiedergegebenen) Art 7 Abs 1 der Verordnung kann nach dem Wortlaut keine Rangordnung entnommen werden (arg.: "Die Überstellung kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:")

 

Die im Art 7 Abs 1 lit a) bis c) aufgezählten "Modalitäten der Überstellung", sind:

 

Die Überstellung kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:

a)      auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist;

b)      in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden;

c)      in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staates überstellt wird.

 

Grundsätzlich ist zu sagen, dass es dabei um die Überstellung bzw Abschiebung auf Grund des Regimes der Dublin II Verordnung geht. Der gegenständliche Schubhaftbescheid dient u.A. auch der Sicherung der Außerlandesschaffung des Bf in Form der Überstellung nach Art 7 der zitierten Verordnung, hat aber nicht unmittelbar damit zu tun. Mit anderen Worten: Aus verschieden intensiven Modalitäten der Überstellung kann keine Argument gegen den davon nicht berührten Schubhaftbescheid abgeleitet werden, was die Beschwerde verkennen dürfte. Abgesehen davon hat der ersuchende Staat nach Art 7 Abs 1 der zitierten Verordnung die Wahl zwischen den aufgelisteten Möglichkeiten, je nach dem Bedarf im Einzelfall. Bei der Differenzierung der Intensität der Überstellung wird es auf die Vertrauenswürdigkeit und Kooperationsbereitschaft des Asylwerbers maßgeblich ankommen, was von der abschiebenden Fremdenpolizeibehörde zu beurteilen ist .

 

4.9. Im Ergebnis ist aus den unter Punkt 4.7. dargelegten Gründen davon auszugehen, dass sowohl die Verhängung der Schubhaft am 8. Jänner 2013 als auch deren Aufrechterhaltung bis zur überwachten freiwilligen Ausreise des Bf am 11. Jänner 2013 notwendig und verhältnismäßig - weil im überwiegenden öffentlichen Interesse eines geordneten Fremdenwesens - war. Die belangte Behörde hat unverzüglich auf die vorliegende Beschwerde reagiert und nach Bestätigung der Ausreisebereitschaft des Bf bei seiner umgehend durchgeführten Einvernahme im Rechtshilfeweg dessen überwachte Ausreise über den Grenzübergang Freilassing organisiert und die Entlassung aus der Schubhaft angeordnet. Es können der Aktenlage keine unangemessenen Verzögerungen entnommen werden, weshalb für den Oö. Verwaltungssenat in diesem Zusammenhang keinerlei Säumnis der belangten Behörde erkennbar ist.

 

Die vorliegende Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen und die Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig festzustellen.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist der belangten Behörde Vorlage- und Schriftsatzaufwand entstanden, weshalb der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen war.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren für die eingebrachte Beschwerde ON 1 (14,30 Euro), die ergänzende Eingabe ON 5 (14,30 Euro) und zwei Beilagen kurz (2 x 3,90 Euro), insgesamt daher in Höhe von 36,40 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr. W e i ß

 

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