Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-360070/2/MB/WU

Linz, 08.04.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Brandstetter über die Berufung des X, vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 7. November 2012, GZ: Pol96-18-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

 

I.             Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II.          Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 7. November 2012, GZ: Pol96-18-2011, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) für schuldig erkannt, er habe es als ständiger Vertreter und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma X, nach § 9 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) zu verantworten, dass am 3. Dezember 2010 anlässlich einer Kontrolle des Finanzamtes Linz im X elektronische Glücksspielgeräte zentral vom Netz genommen wurden und dadurch nicht mehr bespielbar waren und somit auch die Durchführung von Testspielen nicht mehr möglich war sowie dass für diese Geräte – welche von der belangten Behörde nachfolgend allesamt mit der Seriennummer angeführt wurden – auch keine Spielbeschreibungen vorgelegt werden konnten.

 

Als verletzte Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde § 50 Abs 4 Satz 2 GSpG iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG an, verhängte über den Bw eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 800 Euro – je Gerät 100 Euro - (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Stunden) und verpflichtete ihn zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz in Höhe von 10 % der Geldstrafe.

 

1.2. Zum Sachverhalt stellte die belangte Behörde fest, dass der Bw als ständiger Vertreter der Firma X anzusehen sei. Diese Firma habe ihren Sitz in X und eine österreichische Zweigniederlassung in X. Darüber hinaus seien die 8 Glücksspielgeräte im Kontrolllokal, X, von der angesprochenen Unternehmung aufgestellt und betrieben worden. Am 3. Dezember 2010 habe um 12.25 Uhr im besagten Lokal eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz stattgefunden und seien zu Beginn dieser Kontrolle 8 Glücksspielgeräte eingeschaltet und betriebsbereit vorgefunden worden. Unmittelbar nach Beginn der Glücksspielkontrolle habe der bei der Firma X angestellte Lokalverantwortliche X Herrn X telefonisch über die Kontrolle informiert. Um ca. 12.31 Uhr wiederum seien alle Geräte vom Netz genommen worden und nicht mehr bespielbar gewesen. Eine Erklärung, warum die Geräte nicht mehr funktionieren, sei vom Lokalverantwortlichen nicht geliefert worden. Auch habe dieser keine Reparaturversuche durchgeführt. Im Ergebnis sei sohin die Durchführung von Testspielen von den Organen der öffentlichen Aufsicht nicht möglich gewesen. Darüber hinaus sei der Lokalverantwortliche aufgefordert worden, für sämtliche Geräte eine Spielbeschreibung vorzulegen. Dieser sei sodann der Aufforderung nicht nachgekommen, da er keine Spielbeschreibung finden könne.

 

Die zu den oben getroffenen Feststellungen führende Beweiswürdigung führt die belangte Behörde dergestalt aus, als zunächst dargelegt wird, dass widersprüchliche Angaben darüber vorgelegen seien, ob wenige Minuten nach dem Beginn der glücksspielrechtlichen Kontrolle der Netzwerkfehler vom Veranstalter veranlasst worden sei oder es sich um eine zufällige technische Störung handle. Die belangte Behörde folgt in dieser Hinsicht der im Verfahren ermittelten Aussage des Herrn X, welcher der Leiter der Amtshandlung der Kontrolle im besagten Lokal am 3. Dezember 2010 war. Begründend wird dahingehend ausgeführt, dass es nicht der Erfahrung entspräche, dass in einem Lokal, in dem Glücksspiele mittels elektronischer Geräte zur Durchführung angeboten werden, unmittelbar nach dem Kontrollbeginn zufällig ein plötzlicher Netzwerkfehler zeitgleich bei allen Geräten aufträte und der Lokalverantwortliche keine geeigneten Reparaturversuch unternehme bzw. veranlasse. Die belangte Behörde folgert vielmehr, dass der Netzwerkfehler bewusst veranlasst worden sei, um Testspiele zu vereiteln. Dem Einwand des Bw im Verfahren, dass X keinerlei Sachverstand zu derartigen Feststellungen habe und eine Zuweisung des "Fehlverhaltens" zum Bw in keinster Weise erfolgt sei, wurde nicht Folge gegeben.

 

1.3. In rechtlicher Hinsicht wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass durch den verursachten Netzwerkfehler und dem Nichtvorlegen der Spielbeschreibungen gegen die Duldungs- und Mitwirkungspflicht gem § 50 Abs 4 GSpG verstoßen wurde und § 52 Abs 1 Z 5 GSpG erfüllt sei. In weiterer Folge finden sich Ausführungen, dass der Fa. X als Aufstellerin der Geräte und Dienstgeberin des Lokalverantwortlichen das Fehlverhalten zurechenbar sei und der Bw gem § 9 VStG dafür zur Verantwortung gezogen werden müsse. Abschließend wird die Strafe bemessen.

 

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 13. Februar 2012, richtet sich die rechtzeitige Berufung.

 

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass es sich bei den Gerätschaften um keine Glücksspielgeräte iSd GSpG handle, sondern nur Annahmeterminals gegeben seien. Die ausspielenden Gerätschaften befänden sich in der Steiermark und werden dort legal betrieben; gegenteilige Feststellungen werden vermisst. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Feststellungen, welche auf Basis der Aussage des Herrn X getroffen wurden, nicht begründet sind, da einerseits die Stellungnahme des Bw im Verfahren keine Berücksichtigung gefunden habe und andererseits auch sonst keine Begründung vorhanden ist. Darüber hinaus sei die Begründung der belangten Behörde auch als mangelhaft zu erkennen.

 

Abschließend stellt der Bw die Berufungsanträge

1. das Straferkenntnis wolle abgeändert werden und erkannt werden, dass das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen sei

2. in eventu wolle das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Ermittlungsverfahren ergänzt werden

3. weiters wird der Antrag gestellt, die verhängte Strafe wolle herabgesetzt werden

4. darüber hinaus wird der Antrag gestellt gem § 21 VStG von der Bestrafung abzusehen.

 

 

2.2. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 20. November 2012 die Berufung und ihren Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung macht die belangte Behörde aus Plausibilitätsgründen nicht Gebrauch.

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien). Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Gemäß § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz, BGBl 620/1989 in der zur Tatzeit geltenden Fassung – BGBl I 112/2012 fand darauf keine Anwendung – (in der Folge: GSpG) sind für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 51 Abs 1 VStG zuständig. Nach § 27 VStG ist im vorliegenden Fall auch die örtliche Zuständigkeit als gegeben anzunehmen.

 

4.2. Gemäß § 50 Abs 4 GSpG sind die Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG und die im § 50 Abs 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs 3 GSpG) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 GSpG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs 3 GSpG vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs 6 GSpG oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstößt.

 

Gemäß § 52 Abs 5 GSpG beträgt die Verjährungsfrist (§ 31 Abs 2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß § 52 Abs 1 GSpG ein Jahr.

 

4.3. § 50 Abs 4 GSpG normiert eine "umfassende" Mitwirkungs- und Duldungspflicht, welche sich an verschiedene Adressaten richtet. Im Grunde soll diese Mitwirkungs- und Duldungspflicht die Effizienz der Kontrolle im Rahmen des GSpG steigern (vgl grundlegend EBRV 658 BlgNR 24. GP, 3) und zur Gewinnung der notwendigen Informationen zur Durchführung der Überwachungsaufgaben im Rahmen des GSpG führen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (vgl dazu § 50 Abs 4 1. Satz GSpG).

 

Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung wird eine erste Grenze der Duldungs- und Mitwirkungspflicht ersichtlich. Diese Pflichten erstrecken sich nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Liegt hingegen der Verdacht – welcher im Kern des Begriffes notwendig ein begründeter, d.h. auf Tatsachen zurückzuführender, ist (siehe zum retrospektiv diagnostischen Element des Verdachtsbegriffes im Rahmen der abduktiven Entdeckung und Bewertung von Hypothesen Schulz, Normiertes Misstrauen, 224 ff, 312 ff und 528 f) – auf den Verstoß gegen das GSpG vor, so endet die Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um die Durchführung von Überwachungsaufgaben zum Zwecke (arg.: "erforderlich") der Einhaltung des GSpG, sondern zum Zwecke der Tataufklärung und Ermittlung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das GSpG.

 

Diese Auslegung korreliert jedenfalls betreffend die Mitwirkungspflicht in den überwiegenden Fallkonstellationen mit den Vorgaben des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips "nemo tenetur se ipsum accusare", nach dem der Gesetzgeber keine Regelung treffen darf, die eine im Verdacht einer strafbaren Handlung stehende Person verpflichtet, Beweise gegen sich selbst zu liefern (dazu mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 786).

 

Darüber hinaus ist aus dem Wortlaut abzuleiten, dass die Duldungs- und Mitwirkungspflicht nicht nur ad personam durch die Anwendbarkeit des Selbstbezichtigungsverbotes begrenzt ist, sondern dass das Entstehen der Verdachtslage auch generell die Zäsur darstellt.

 

Ist somit aus der objektiven Sichtweise ex ante eine Verdachtslage auf einen Verstoß gegen das Glücksspielgesetz gegeben, so endet zumindest die Mitwirkungspflicht (siehe zur vorzunehmenden Art der Abgrenzung in ähnlichen Konstellationen Lienbacher, Ist staatsanwaltliches Handeln ein zulässiger Kontrollgegenstand, in Lienbacher/Wielinger, Jahrbuch Öffentliches Recht 2010, 73 f). Denn es geht dann nicht mehr nur um die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben zur Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes, sondern um strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen im Hinblick auf einen Verstoß.

 

Das Argument, dass durch das bloße Einschreiten von Hilfsorganen - deren Verhalten der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde zuzurechnen ist - der öffentlichen Aufsicht (Finanzpolizei) noch kein formaler Beginn eines Strafverfahrens im Sinne des § 32 VStG (arg. noch keine behördliche Verfolgungshandlung) erfolgt sei, vermag am oben dargelegten, verfassungsrechtlich gebotenen Interpretationsergebnis, das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aus der materiellen Bedeutung des Anklageprinzips nach Art 90 Abs 2 B-VG folgt und daher auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt (vgl mN Mayer, B-VG4 [2007] Art 90 B-VG Anm III), sachlich nichts zu ändern. Es liegt auf der Hand, dass das bloße Abstellen auf behördliche Verfolgungshandlungen und ein Ausblenden des Verfolgungsverhaltens von Hilfsorganen nur ein der Aushöhlung und Umgehung dienender Formalismus wäre, der dem Wesensgehalt des verfassungsrechtlichen Selbstbezichtigungsverbots und der Unschuldvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK diametral zuwiderliefe.

 

Vor diesem Hintergrund ist nun aus der Zusammenschau des Akteninhalts, insbesondere der Anzeige der Finanzpolizei samt der aufgenommenen Fotodokumentation sowie der Protokolle der Kontrolle, und aus dem Umstand, dass in Oberösterreich auch das kleine Glücksspiel immer verboten war (weshalb keine Übergangsfristen gemäß § 60 Abs 25 GSpG in Betracht kommen) zu erkennen, dass für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG im Vordergrund stand. So wurde laut Feststellungen der Finanzpolizei beim Eintreffen im Lokal 8 Geräte betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden. Zudem ist aus der Anzeige der einschreitenden Organe ersichtlich, dass bereits Erfahrungen mit dem gegenständlichen "Wettbüro" in der X vorhanden sind und insofern ausdrücklich von Glücksspielkontrollen und Glücksspielautomaten gesprochen wird (Seite 2 der Anzeige vom 14. Jänner 2011). Zudem befinden sich im Kontrolllokal bereits 8 Stück beschlagnahmte Glücksspielgeräte hinter einer Plane. Dies wurde auch von den Kontrollorganen bei Eintritt in das Lokal um 12.25 Uhr dokumentiert (Seite 1 des Protokolls der Kontrolle vom 3. Dezember 2010).

 

Mangels einer Mitwirkungspflicht an der Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten war daher auch keine mit Strafe bedrohte Handlung möglich.

4.4. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat zudem so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

 

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhalten nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, Zl. 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, Zl. 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, Zl. 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Spruchgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, Zl. 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, Zl. 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, Zl. 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, Zl. 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, Zl. 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, Zl. 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, Zl. 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, Zl. 97/06/0170).

 

4.5.1. Die Bestimmung des § 50 Abs 4 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung verpflichtet verschiedene Adressaten, nämlich Veranstalter und Anbieter von Glücksspielen und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, unmittelbar zur Mitwirkung. Zu diesen Varianten unmittelbarer Täterschaft kann jeweils eine Beteiligungssituation hinzutreten. Beispielsweise ist denkbar, dass der Veranstalter oder Anbieter von Glücksspielen dazu beiträgt oder anstiftet, dass eine bereithaltende Person der Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Weiters ist zu bedenken, dass – wie es im gegenständlichen Fall gegeben ist – eine juristische Person als Veranstalter bzw Anbieter in Frage kommt und wiederum ein außenvertretungsbefugtes Organ (zB Geschäftsführer) im Rahmen des § 9 VStG verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang haftet das außenvertretungsbefugte Organ wiederum in zwei Varianten. Entweder setzt das Organ selbst in zurechenbarer Weise ein rechtswidriges Verhalten für die juristische Person oder das außenvertretungsbefugte Organ muss sich ein rechtswidriges Verhalten von Mitarbeitern als Organisationsverschulden zurechnen lassen.

 

Da nun die Art der Täterschaft einer Verwaltungsübertretung nach dem § 50 Abs 4 iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG in vielen Erscheinungsformen möglich ist, hat im Spruch des Straferkenntnisses eine genaue Aus- und Anführung zur Täterschaft und Beteiligung iSd § 7 VStG zu erfolgen, um dem Beschuldigten eine entsprechende Verteidigung zu ermöglichen. Erfolgt diese Differenzierung und Konkretisierung nicht, so ist der Spruch des Straferkenntnisses nicht iSd Anforderungen nach § 44a Z 1 VStG bestimmt und unverwechselbar und daher mit Rechtswidrigkeit behaftet. So hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof zur Beteiligungsform der Beihilfe klargestellt, dass im Spruch sowohl die Tatumstände zu konkretisieren sind, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zur verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglicht, als auch jenes konkrete Verhalten darzustellen ist, durch welches der Tatbestand der Beihilfe verwirklicht wird (vgl VwSlg 13112 A/1990 und VwSlg 13224 A/1990).

 

4.5.2. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Tatbegehungsformen hätte die belangte Behörde eine differenzierte und konkretisierte Fassung des Tatvorwurfes vornehmen müssen. Ihre Ausführungen decken sich stattdessen weitgehend mit dem Gesetzeswortlaut im § 50 Abs 4 GSpG und reichen für die Bestimmtheit iSd § 44a Z 1 VStG nicht hin. Durch die substanzlose Verwendung der verba legalia wird nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs noch keine Konkretisierung im Sinne der Anforderungen des § 44a Z 1 VStG vorgenommen. Denn es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatzeit und Tatort wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Diese einzelfallbezogene Konkretisierung des Spruches iSd § 44a Z 1 VStG ist einerseits deshalb erforderlich, damit der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und andererseits um den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH 18.10.2011, Zl. 2011/02/0281 unter Bezugnahme auf Vorjudikatur) und damit der Gefahr einer allfälligen Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl speziell für Übertretungen nach dem GSpG VwGH 12.3.2010, Zl. 2010/17/0017).

 

4.5.3. Im konkreten Spruch hat es die belangte Behörde bezüglich jedes einzelnen Tatvorwurfes unterlassen zu konkretisieren worin die Tathandlung des Bf gelegen ist. Es wird lediglich formuliert, dass der Bf es "zu verantworten" habe, dass die Gerätschaften zentral vom Netz genommen wurden, sowie dass keine Spielbeschreibungen vorgelegt werden konnten. Hierdurch wird nicht ersichtlich, ob der Bf nun eine Tathandlung selbst gesetzt hat oder eben nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Gerätschaften während der Glücksspielkontrolle bespielbar sind bzw. er eben nicht dafür Sorge getragen hat, dass Spielbeschreibungen aufgelegt sind und in diese sodann zum Einblick bereitgehalten werden. Der für § 9 VStG erforderliche eigene Tatvorwurf für das zuzurechnende Organ – sei es nun in Anlehnung an eine Beteiligungshaftung oder ein unechtes Unterlassungsdelikt (s dazu W. Wessely in N. Raschauer/W. Wessely, VStG § 9 Rz 1, 2 sowie § 5 Rz 11, 25 ff.) – erfolgte seitens der belangten Behörde nicht und war auch aufgrund der eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht sanierbar. Weder in der Strafverfügung vom 26. April 2011 noch im Schreiben vom 20. Juli 2011 wurde ein entsprechender Tatvorwurf angelastet.

 

4.6. Die belangte Behörde hat daher weder im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, noch in den oben angeführten Schriftsätzen einen entsprechend den Umständen des Einzelfalles konkretisierenden Tatvorwurf erhoben, der die Identität der Tat mit ausreichender Bestimmtheit formuliert und unverwechselbar erscheint. Mangels einer geeigneten behördlichen Verfolgungshandlung ist insofern nach Ablauf der Jahresfrist des § 52 Abs 5 GSpG auch die Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Dem Unabhängigen Verwaltungssenat war es außerdem als Berufungsbehörde, die gemäß dem § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG bei ihrer Entscheidungsbefugnis auf den Gegenstand des Spruches des Straferkenntnisses beschränkt ist, verwehrt, eine ganz neue Anlastung vorzunehmen und dabei wesentliche Tatmerkmale auszutauschen.

 

 

5. Im Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis im Hinblick auf wesentliche Spruchmängel mangels einer zutreffend angelasteten Verwaltungsübertretung aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

 

 

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Markus Brandstetter

 

 

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